Alles Teufelszeug? VII

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sven23
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#531 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von sven23 » So 8. Okt 2017, 16:43

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eigentlich wissen wir das sehr gut.
Nein - prinzipiell NEIN. - Wir wissen es nur aufgrund unseres (hier: gemeinsamen) Glaubens, dass es die Res extensae gibt. - Und DANN und erst dann kann man zwischen naturalistischer Realität und menschlicher Vorstellung unterscheiden.
Dieser Unterscheidung hat es weder vor Descartes noch nach ihm bedurft. Descartes Gedankenspielchen werden völlig überbewertet. Sie spielen in der Praxis keine Rolle und wenn man an seine Zirbeldrüsentheorie denkt, waren sie auch noch falsch.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Pluto
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#532 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Pluto » So 8. Okt 2017, 17:25

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Doch Descartes hat sich geirrt, denn eigentlich heißt es nicht "Ich denke, also bin ich", sondern es muss heißen "Ich fühle, also bin ich". Ich hoffe du merkst den fatalen Fehler den du begehst.
Aber das sagt doch Descartes nicht! - Descartes sagt dasselbe wie Augustinus ein Jahrtausend zuvor, weil er denselben Gedanken zu Ende denkt - das hat nichts mit "Gefühl" zu tun.
Siehst du, deshalb irren sowohl Descartes als auch Augustinus, denn sie lassen körperliche Gefühle vollkommen außer Acht; darin liegt ihr Fehler.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#533 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » So 8. Okt 2017, 19:17

sven23 hat geschrieben:Es ist völlig absurd, einem Theißen oder der Forschung generell Kompetenzüberschreitung vorzuwerfen, nur weil die Ergebnisse nicht zur Glaubensideologie passen.
Stimmt - das ist wirklich völlig absurd. :D - Aber wer täte so etwas?

sven23 hat geschrieben:Dieser Unterscheidung hat es weder vor Descartes noch nach ihm bedurft.
Dieser Unterscheidung bedarf es nur dann nicht, wenn man nur an einer pragmatischen Philosophie interessiert ist. - Will man aber Fragen beantworten wie "Hat der Naturalismus als Weltanschauung eine Glaubenssetzung?", kommt man nicht drum rum.

sven23 hat geschrieben:wenn man an seine Zirbeldrüsentheorie denkt, waren sie auch noch falsch.
Descartes war als Denker erfolgreicher als als Physiker - ganz richtig.

Pluto hat geschrieben:deshalb irren sowohl Descartes als auch Augustinus, denn sie lassen körperliche Gefühle vollkommen außer Acht; darin liegt ihr Fehler.
Das tun sie doch gar nicht. - Sie würden sehr wohl zum Ergebnis kommen, dass die menschliche Identität untrennbar mit Gefühl verbunden ist, das ihnen per "Ich" vermittelt wird - von "außer Acht lassen" kann hier doch nicht die Rede sein.

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Münek
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#534 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Münek » Mo 9. Okt 2017, 03:53

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Aus niemands Sicht.
Dann frage ich mal anders. Gibt es einen Unterschied zwischen der Welt als Entität und der Welt der Ich-Vorstellung? Wenn es KEINEN Unterschied gibt, sie also unterschiedslos und somit identisch sind, weshalb bestünde dann überhaupt die Notwendigkeit, sich zwischen eine der beiden Welten zu entscheiden?
Für die WAHRNEHMUNG Deines Ich ist es kein Unterschied - ontologisch (also "das, was wirklich ist" - JENSEITS unseres Wahrnehmungs-Vermögens) ist es selbstverständlich ein Unterschied.
Ja Himmel-sakra - welcher Unterschied denn? DAS ist doch die Frage aller Fragen. Ich spreche nicht von Wahrnehmung, sondern DEM angeblichen Unterschied zwischen der "Welt als Entität" und der "Welt als ICH-Vorstellung".

Jetzt tue doch mal endlich Butter bei die Fische und sprich Klartext! WORIN bestünde der UNTERSCHIED zwischen beiden Welten?

closs hat geschrieben:Jemandem, der nicht philosophisch/theologisch denkt und somit keine falschen Schlüsse zu Mensch, Welt, Bibel, Geist, etc. ziehen kann, würde ich sagen: "Ist dasselbe". - Wer die Bibel verstehen will und Transzendenz verstehen will, etc., kommt allerdings um descartsche Erkenntnisse als Grundlage nicht rum - wenn er "redlich" :angel: bleiben will.
Nicht ausweichen. Das Thema hat weder mit der Bibel noch mit Transzendenz noch mit Descartes Ansichten zu tun.

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Meine Frage war, ob es überhaupt denkbar/möglich sein könnte, dass die funktionierende, unendlich komplexe Welt das Vorstellungsprodukt eines Menschen sein könnte.
Nicht "des Menschen", sondern "des Geistes". - Ja - natürlich geht das.
Nö - die funktionierende Welt/das unendliche Universum mit ihren Naturgesetzen und ihrer Jahrmilliarden alten Geschichte können NIEMALS das Gedankenprodukt des menschlichen Geistes ("ICH") sein. Völlig ABSURD. Völlig UNMÖGLICH.

closs hat geschrieben:Wenn Materie/Natur/"Welt" aus dem Geist ist, kann es der Geist auch denken.
Dass der Homo sapiens ("der weise Mensch") als spätes Produkt der Evolution DENKEN kann und darüber hinaus über ein grandioses VORSTELLUNGSVERMÖGEN verfügt, bestreitet ja niemand. Doch selbst diese Fantasie ist nicht im mindesten in der Lage, sich auch
nur annähernd die von uns wahrgenommene Welt schöpferisch bis in wirklich alle Einzelheiten zu ERDENKEN.


Völlig ABSURD! Völlig UNMÖGLICH!

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Und weitergefragt: Wenn die Welt das Produkt seiner schöpferischen Vorstellungskraft wäre, müsste es doch für diesen Menschen ein Leichtes sein, diese Welt nach seinen Vorstellungen und Wünschen beliebig zu verändern? [/b]
Warum das?
Weil er der gedankliche Schöpfer dieser seiner Welt und deshalb dazu fähig wäre.
Denkfehler: WENN es so wäre, wären doch die Veränderungen, die es gibt, seine Veränderungen.[/quote]
Richtig - es wären Veränderungen in SEINER geschaffenen Welt. Deshalb ja meine Frage: Könnte er das? Könnte er z.B. mit einem Fingerschnippen den Krebs ausschalten oder die Lebensspanne des Einzelnen auf 10000 Jahre verlängern oder...?

Wenn SEINE reale Welt mit der anderen realen Welt (= Entität) identisch wäre, könnte er es NICHT. Was folgt daraus? Denke mal nach.

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Descartes entscheidet überhaupt NICHTS, weil es hier NICHTS zu entscheiden gibt. Die Existenz der Welt ist nicht abhängig davon, ob sich ein ICH für oder gegen diese Existenz entscheidet.
Siehst Du: DAS ist ein klassischer Glaubensentscheid von Dir - wie gemalt.
So hättest Du es gerne. Nee nee, mein Lieber. Meine sachlich-logische Schlussfolgerung hat mit einem Glaubensentscheid soviel zu tun wie die Kuh mit Sonntag.Das meinst Du, aber Du irrst Dich.
Ich irre mich ganz bestimmt NICHT. Was ist an meiner Feststellung falsch, dass die Existenz der Welt nicht davon abhängig ist, ob sich ein ICH für oder gegen diese Existenz entscheidet?

closs hat geschrieben:Solange Du die Erkenntnis von Descartes nicht bis in die Tiefe aufnimmst, wirst Du zwischen einer "objektiven" und einer "Glaubens-" Welt unterscheiden - genau der unaufgeklärte Schritt materialistischer Weltanschauungen in den Anthropozentrismus.
Bist Du durcheinander? Du hast doch oben keck behauptet, es GÄBE einen UNTERSCHIED - kannst diesen offensichtlich aber nicht benennen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die Existenz schert sich nicht darum, ob einer an sie glaubt oder nicht.
Absolut richtig. - Aber wie willst Du vor dem Hintergrund "objektive Existenz" und "Glaube" mit eigener Wahrnehmung/Wissenschaft unterscheiden?
Es gibt hier NICHTS zu unterscheiden. Identische Welten sind unterschiedslos.

Deswegen bringt es ja auch nichts, sich vorzustellen, die Welt sei keine Entität, sondern könnte auch Produkt meines Geistes sein. Spätestes wenn Du aus der 9. Etage springst, hat es sich schmerzhaft "ausgegeistet". Obwohl Du selbst der geistige "Schöpfer" dieser Welt zu sein meinst, hat Dich diese Deine Welt mit ihren Naturgesetzen voll im Griff. Komisch! Wie ist das möglich? :o

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#535 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Münek » Mo 9. Okt 2017, 05:51

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Du bist in DEINEM falschen Film. - Natürlich ist diese Nichtberücksichtigung keine Kompetenzüberschreitung (welch ein Unsinn).
Oha - jetzt auf einmal nicht mehr. :o Als ich vor einer Woche feststellte, dass von Ratzinger und Berger NIE der Vorwurf erhoben
wurde, die HKM habe in Einzelfällen ihre Kompetenzen überschritten, kam von Dir die Antwort: ...
Du verstehst nicht.

Du hast mein Zitat abgeschnitten - nämlich den letzten Teil, auf den es wesentlich ankommt. Kannst Du diese Scheiße mal sein lassen! :x

Du verstümmelst mein Zitat und behauptest dann kackfrech: "Du verstehst nicht". Entgegen Deiner falschen Behauptung haben weder Ratzinger noch Berger der HKM jemals "Kompetenzüberschreitung" vorgeworfen.


closs hat geschrieben:Die Kompetenz-Überschreitung besteht darin,

Wie gesagt, die Theologen Ratzinger und Berger kannst Du nicht (mehr) als Befürworter Deiner merkwürdigen Auffassung einer angeblichen "Kompetenzüberschreitung" anführen. Dieser Zug ist abgefahren.

closs hat geschrieben:dass die HKM (in einigen ihrer Vertreter) "methodische Ergebnisse" als Fakten ("das, was wirklich war") darstellt,

Auch hier sagst Du die Unwahrheit.

Eine "Kompetenzüberschreitung" hast Du immer darin gesehen, dass die "Naherwartungsfrage" eine "geistige" Frage sei, für deren Beantwortung der HKM die Kompetenz fehle.


closs hat geschrieben:Niemand erwartet, dass die HKM ihre methodischen Grenzen überschreitet.

Blödsinn - denn genau DAS erwartet des Ex-Papst Ratzinger von den Exegeten.

closs hat geschrieben:Diesbezüglich macht Ratzinger wirklich einen Fehler, wenn er von der HKM fordert, "sich zum Geistigen hin zu öffnen".

Warum behauptest Du dann: "Niemand erwartet, dass die HKM ihre methodischen Grenzen überschreitet"? Ist Ratzinger ein "Niemand"? Immerhin war dieser fromme Dogmatiker und Ideologe als "Heiliger Vater" einige Jahre der "Stellvertreter Gottes auf Erden".

closs hat geschrieben:Aber derselbe Fehler findet umgekehrt seitens der HKM statt, wenn sie geistig-relevante Fragen auf HKM-Basis interpretiert

Dass die historisch-kritische Forschung Bibelstellen interpretiert, die Du als "geistig-relevant" einstufst, damit wirst Du Dich abfinden müssen. Ich denke, es wäre von den Theologieprofessoren zuviel verlangt, jedesmal bei Dir nachfragen zu müssen, ob sie einen bestimmten Bibeltext nach ihrer bewährten Methode auslegen dürfen oder nicht.

:lol: :lol: :lol:

closs hat geschrieben:und als Quasi-Faktum ("Jesus hatte eine Naherwartung") darstellt.

Du meintest wahrscheinlich "Quasi-Modo". Was hat der Glöckner von Notre-Dame mit Jesu Irrtum zu tun?

closs hat geschrieben:Das beste wäre, wenn die HKM bei ihren Leisten bleibt und lediglich Sachergebnisse abliefert, selbst also nicht interpretiert - um eben Kompetenzüberschreitungen zu vermeiden.

Jawoll - das Beste wäre es, wenn die historisch-kritische Exegese ihre Haupttätigkeit, nämlich biblische Texte zu interpretieren (= auszulegen), einstellen würde.

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#536 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » Mo 9. Okt 2017, 10:21

Münek hat geschrieben: Ich spreche nicht von Wahrnehmung, sondern DEM angeblichen Unterschied zwischen der "Welt als Entität" und der "Welt als ICH-Vorstellung".
"(Naturalistische) Welt als Entität" heißt, dass Mond, Kuh, Zugspitze und Hase von jedem als Mond, Kuh, Zugspitze und Hase wahrgenommen werden können - es ist eine materielle Welt (Res extensae). - "Welt als Ich-Vorstellung" heißt, dass der Mensch nur Monade einer inneren geistigen Welt ist. - Münek und Closs würden also in komplett verschiedenen geisitigen Welten leben, zu denen es NICHT eine gemeinsame materielle Erdung gibt - es gibt dann kein naturalistisches Universum.

Genau daran, dass es dieses Universum gibt, glaubt aber Descartes, weshalb er sich (mit mehr oder weniger großem Erfolg) den Naturwissenschaften zuwenden kann (eine monadische Ich-Welt naturwissenschaftlich zu untersuchen wäre blödsinnig).

Münek hat geschrieben:die funktionierende Welt/das unendliche Universum mit ihren Naturgesetzen und ihrer Jahrmilliarden alten Geschichte können NIEMALS das Gedankenprodukt des menschlichen Geistes ("ICH") sein. Völlig ABSURD. Völlig UNMÖGLICH.
Was Du alles weißt. :lol: - Wichtig: DU sprichst vom menschlichen Geist - ich spreche vom "Geist, aus dem Materie ist" (also Gott) ---- natürlich kann dieser Geist im Menschen soweot abgelegt werden, dass damit eine Vorstehungswelt entsteht.

Münek hat geschrieben:Wenn SEINE reale Welt mit der anderen realen Welt (= Entität) identisch wäre, könnte er es NICHT.
Dann nicht - denn dann gäbe es ja einen Dualismus, den es im anderen Fall nicht gibt. - Im anderen Fall IST das Ich die einzige Welt.

Münek hat geschrieben:Was ist an meiner Feststellung falsch, dass die Existenz der Welt nicht davon abhängig ist, ob sich ein ICH für oder gegen diese Existenz entscheidet?
Nichts. :D - Dein Denkfehler liegt einmal mehr in Deiner Setzung: Du setzt nämlich in Deinem Gedanken, dass es die "(naturalistische) Welt" gibt. - MEIN Gedanke (bzw. Descartes') geht darum, ob wir diese "(naturalistische) Welt" überhaupt wissen können - es ist also offen. Und da ist die Antwort: "Nein, wir WISSEN es nicht, wir müssen es GLAUBEN - und wir tun es auch". - Du dagegen bezeichnest etwas als "Wissen", was in Wirklichkeit "Glaube" ist, um dann Deine als "Wissen" etikettierte Glaubens-Welt gegen eine religiöse Glaubens-Welt abzugrenzen.

Münek hat geschrieben:Du verstümmelst mein Zitat
Warum denn das? - Ich zitiere üblicherweise nicht alles, nachdem ein Gedanke dasteht und durch Nachstehendes kein anderer Gedanke wäre. - Wo habe ich etwas weggelassen, was einen anderen Gedanken aus dem macht, was ich zitiert habe?

Münek hat geschrieben: Entgegen Deiner falschen Behauptung haben weder Ratzinger noch Berger der HKM jemals "Kompetenzüberschreitung" vorgeworfen.
Deine Auffassung, dass der Begriff "Antichrist" begründet ist mit der sauberen wissenschaftlichen Arbeitsweise der HKM, ist genial überirdisch - auf so was muss man erst mal kommen.

Also nochmals: Es geht darum, dass die HKM auf säkular-weltanschauliche Interpretations-Ergebnisse kommt, die reine Sachdarstellungen überschreiten. - Weder Ratzinger noch Berger habe etwas dagegen, wenn die Wissenschaft herausfindet, dass das Turiner Grabtuch im 12. Jh. gewebt wurde.

Münek hat geschrieben:Warum behauptest Du dann: "Niemand erwartet, dass die HKM ihre methodischen Grenzen überschreitet"? Ist Ratzinger ein "Niemand"?
Ratzinger will entweder eine rein sachliche HKM oder eine geistig (statt säkular) interpretierende andere Exegese - er hat also die Grundlagen der HKM übernommen, ersetzt aber den interpretativen Teil durch eine geistige Perspektive.

Richtig wäre, wenn die HKM GAR nicht interpretieren würde, sondern nur Sachergebnisse liefern würde.

Münek hat geschrieben:Eine "Kompetenzüberschreitung" hast Du immer darin gesehen, dass die "Naherwartungsfrage" eine "geistige" Frage sei, für deren Beantwortung der HKM die Kompetenz fehle.
Richtig.

Münek hat geschrieben: closs hat geschrieben:
Niemand erwartet, dass die HKM ihre methodischen Grenzen überschreitet.


Blödsinn - denn genau DAS erwartet des Ex-Papst Ratzinger von den Exegeten.
Nochmals: WENN Interpretation innerhalb der Exegese, dann geistige Interpretation - und das kann die HKM nicht. - Ansonsten (MEINE Auffassung) scharfe Trennung zwischen "Exegese = Sachaussagen" und "Hermeneutik = Interpretation".

Münek hat geschrieben:Dass die historisch-kritische Forschung Bibelstellen interpretiert, die Du als "geistig-relevant" einstufst, damit wirst Du Dich abfinden müssen.
Längst geschehen - aber Du musst die Folgen sehen: Zwei Karawanen ziehen in unterschiedliche Richtungen weiter.

Münek hat geschrieben:Jawoll - das Beste wäre es, wenn die historisch-kritische Exegese ihre Haupttätigkeit, nämlich biblische Texte zu interpretieren (= auszulegen), einstellen würde.
Mit ist vorgestern ein blöder Witz in einer Berliner Stadtzeitung über den Weg gelaufen:

"Fritzle" wird gefragt, was er sich zum Geburtstag wünsche. - Seine Antwort: "Tampons". - Worauf er gefragt wird "Warum denn das?" - Seine Antwort: "Ich habe gelesen, dass man damit radfahren, schwimmen, bergsteigen und noch viel mehr kann".

Genau das hat mich an den Begriff "Interpretation" erinnert. - "Fritzle" könnte nachweisen, was Radfahren, Schwimmen und Bergsteigen ist - er könnte weiterhin aufzählen, welche Räder es gibt, wo man schwimmen kann und welche Berge es gibt. - Er kann also den Satz "Damit kann man radfahren, schwimmen, bergsteigen und noch viel mehr" in alle Einzelteile zerlegen und wieder zusammenbauen. - Am Ende kommt raus: "Ich kann nachweisen, dass dieser Satz jenes bedeutet".

Aber hat er diesen Satz als Ganzes und im Kontext richtig verstanden? "Fritzle" versteht, dass man mit Tampons radfahren lernen (möglichweise incl. Fahrrad), schwimmen lernen und bergsteigen lernen kann. - Der geistig Verständige weiß sofort, dass damit gemeint ist, dass eine Frau in dieser Zeit nicht auf Schwimmen, Radfahren und Bergsteigen verzichten muss - aber er kann es nicht nachweisen, weil es rein sprachlich auch so verstanden werden kann, wie es "Fritzle" versteht.

Und damit - Transfer - magst Du eine Impression haben, wie sich "geistig Verständige" fühlen, wenn sie von lauter und lauten "Fritzles" umgeben sind. - Genau das ist das Problem von Ratzinger und Berger - ich kann das auch persönlich sehr gut nachvollziehen.
Zuletzt geändert von closs am Mo 9. Okt 2017, 13:46, insgesamt 1-mal geändert.

Roland
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#537 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Roland » Mo 9. Okt 2017, 11:19

Pluto hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Mag sein, dass ein Großteil "der Getauften" inzwischen mit dem Atheismus in ein Horn bläst, für die Kirche sollte das aber ganz sicher von alarmierender Relevanz sein.
Warum ist das alarmierend?
Hat man Angst, die HKM könnte die Wahrheit aufdecken?
Alarmierend, weil sie damit den Ast absägt, auf dem sie sitzt.
Die "Wahrheit" aufdecken, ob es Gott gibt oder nicht, das kann niemand, es wird immer Glaube bleiben. Und vor einer Methode, die eine Möglichkeit von vornherein ausschließt, braucht man keine Angst zu haben. Angst muss man nur um eine Kirche haben, die dieser Methode nicht widerspricht.

Pluto hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Letzteres sagt die HKM:
Laut Bultmann ist Christus nicht leiblich als Wunder Gottes, sondern ins "Kerygma" auferstanden also in die Predigt.
Warum hat Bultmann unrecht?
Darum ging's nicht, es ging darum zu zeigen, dass die HKM eine leibliche Auferstehung leugnet. Dass dem so ist, zeigen die Befürworter dieser Methode, z.B. Bultmann, Lüdemann auch Theissen spricht von "einem leeren Grab" nicht von "dem leeren Grab" und man wisse natürlich nicht, ob es wirklich das Grab Jesu war, usw. usw.

Quintus Fixlein hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Exakt. Entweder wir glauben, dass es mehr gibt als Kraft und Stoff, Materie und Energie, Physik und Chemie, oder das Christentum ist eine große Lüge und wir sind eine zufällige Laune der Natur.
Wenn es mehr geben sollte, was immer es auch ist, warum sollte für dieses "Mehr" da unbedingt immer der Gott der Christen zuständig dein?
Sagt ja keiner. Ich kann nur von mir selbst reden: ich habe bisher keinen anderen gefunden, der selbst Mensch wurde und sich für uns aufgeopfert hat. Ich hab keinen gefunden, der die Liebe ist, keinen, der an Jesus heranreichen würde.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

Roland
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#538 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Roland » Mo 9. Okt 2017, 11:21

Münek hat geschrieben: Dieser extreme Ausraster Ratzingers ist von vielen Theologen zu recht scharf kritisiert worden. Um diese Kritik zu verstehen, muss man wissen, was unter dem Begriff "ANTICHRIST" eigentlich zu verstehen ist:

Der "Antichrist" ist eine Figur der Apokalypse, die als Gegenspieler und Gegenmacht Jesu Christi vor dessen Wiederkunft erwartet wird. Der Begriff stammt aus dem "Neuen Testament", wird nur in den Johannesbriefen benutzt und bezeichnet dort einen Menschen, der gegen "den von Gott Gesalbten" auftritt und falsche Lehren über ihn verbreitet. (Wiki)
Eben! Eine Lehre, die Jesus nur als einen irrenden Menschen darstellt (maximal noch als einen Morallehrer oder politischen Revolutionär oder ähnlichs) und nicht als "den von Gott Gesalbten" (Wiki), auferstandenen, in den Himmel gefahrenen und wiederkommenden (Wiki) Messias, ist klar antichristlich.

Münek hat geschrieben: Es ist völlig absurd zu behaupten, die nach der historisch-kritischen Methode forschenden Exegeten träten gegen Jesus Christus auf und verbreiteten falsche Lehren über ihn.
Das ist aus den gerade genannten Gründen nicht absurd sondern eine logische Konsequenz.

Münek hat geschrieben: Das ist der einzige Grund, weshalb sich die wissenschaftliche Exegese NICHT - auch nicht im Wege einer Wahrscheinlichkeitsanalyse - zu diesem überlieferten göttlichen Mirakel äußert.
Selbstverständlich tut sie das. Lieber Münek, Exegese bedeutet Auslegung. Wie stellst du dir eine Bibelauslegung vor, ohne sich zu Wundern, Engeln, Verklärung, Auferstehung, Himmelfahrt usw. überhaupt zu äußern?
Zu ALL diesen Dingen äußert sich die HKM und zwar weitgehend auf der Grundlage des methodischen Atheismus.

Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Es wird NICHT über Gott diskutiert, sondern primär über die Auslegung biblischer Schriften - wobei andere und ich hier im Forum der historisch-kritischen Exegese die Priorität einräume.
Diese "anderen und du" sind alle Atheisten.
Und Agnostiker. Jedenfalls ist Deine Aussage falsch, hier würde Tag und Nacht über GOTT diskutiert werden. Ein alles beherrschendes Diskussionsthema ist z.B. die von Closs vehement bestrittene "Naherwartung Jesu". Eine rein historische Frage.
Nein. Wenn er eine irrtümliche Naherwartung hatte, dann war er nicht Gott sondern nur Mensch. Und darum geht’s bei dieser Frage.

Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Man mag ihn noch als "Idee" gelten lassen aber nicht als lebendigen, personalen Gott, wie ihn die Bibel durgehend beschreibt.
Die Annahme der Existenz Gottes ist ausschließlich eine Sache der subjektiven Glaubensüberzeugung jedes Einzelnen, aber kein Gegenstand objektiv-wissenschaftlicher Untersuchungen.
Wenn dem so ist, dann dürfte Wissenschaft eben gar keine Bibelexegese betreiben sondern sich allein auf geschichtswissenschaftliche Fragen im Zusammenhang mit den biblischen Berichten beschränken. Etwa: gab es Jesus tatsächlich, gab z.B. Herodes, gab es die beschriebenen Orte, stimmen die Zeitangaben usw.

Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Gerade in der aktuellen Ausgabe von Idea Spektrum sagt das auch der Professor für Systematische Theologie Christoph Raedel im Interview:
"Die Kritik bezieht sich vor allem auf die dogmatischen Voraussetzungen dieser Methode. Sie geht davon aus, dass Gott nicht als lebendiger Herr in der Geschichte handelt. Damit sind etwa Prophetie und Wunder ausgeschlossen."
Sagen wir es präziser: In antiken Texten überlieferte supranaturale Eingriffe einer transzendenten göttlichen Wesenheit sind wissenschaftlich nicht fassbar. Ob es diese gegeben hat oder geben kann, weiß niemand - auch nicht Prof. Christoph Raedel.
Genau. Und es gäbe keinerlei Diskussion, wenn die HKM diese Dinge nicht auslegen würde sondern sich allein auf Geschichtswissenschaft, Namen, Zeiten, Orte beschränken würde. Aber, da hat Raedel vollkommen recht, sie geht davon aus, dass Gott nicht in der Geschichte handelt und legt die Bibel entsprechend aus.

Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Ich kenne keine gläubigen Christen, die befürworten würden, dass Gott nur als Idee exitiert. Und deshalb kann man die HKM durchaus als die Exegese des "Ehrendoktors der Theologie" in Solowjews o.g. Erzählung bezeichnen.

Wie Dritte ihre Forschungsergebnisse rezipieren, interessiert die HKM nicht. Dass eines ihrer Forschungsergebnisse die "Existenz Gottes als Idee" sein soll, diesen Blödsinn glaubst Du doch selbst nicht.
Ein Gott der NICHTS tut, existiert maximal als guter Gedanke.

Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Mag sein, dass ein Großteil "der Getauften" inzwischen mit dem Atheismus in ein Horn bläst, für die Kirche sollte das aber ganz sicher von alarmierender Relevanz sein.
Sollte - ist es aber offensichtlich nicht. Siehe Priestermangel, Kirchenschließungen (ca. 500 seit dem Jahr 2000 in Deutschland), Kirchenaustritte, Unglauben unter Pfarrern und Theologen...
Eben! Alles eine Folge einer Bibelauslegung, die Gott nicht mehr Gott sein lässt und mit hängender Zunge hinter dem säkularisierten Mainsteam herläuft.

Münek hat geschrieben: In der allein seligmachenden Mutter Kirche sollten vor allem die Alarmglocken schrillen wegen der nicht abreißenden Anzahl von öffentlich werdenden Kindesmissbräuchen in ihren Mauern bzw. unter ihrem heiligen Rock. Dieser Tage steht ein in der Hierarchie hochstehender Ku-
rien-Kardinal wegen dieses abscheulichen Verbrechens vor einem australischen Gericht.
Sicher schrillen da die Alarmglocken, wie natürlich auch in Sportvereinen, wo auch Kindesmissbrauch vorkommt oder in Schulen oder sonstigen Jugendorganisationen. Aber die Fallhöhe ist in den Kirchen natürlich wesentlich höher.

Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: "Evangelikale Theologie rechnet hingegen mit Gottes Wirken.
Und Kinder mit dem Wirken des Weihnachtsmannes am "Heiligen Abend".
Und Naturalisten mit dem alleinigen Wirken blinder naturgesetzlicher Prozessen. Und je nachdem unter welcher Vorgabe man Bibel-Exegese betreibt, kommen natürlich höchst unterschiedliche Ergebnisse dabei heraus. Ausgangspunkt war ja hier deine Aussage, die HKM leugne eine leibliche Auferstehung NICHT. Wäre dem so, hätte ich nichts zu kritisieren.

Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Das zeigt sich am deutlichsten bei der Auferstehung Christi: Handelt Gott, indem er den gekreuzigten Christus auferstehen lässt.
Wenn Jesus von den Toten auferstanden wäre, wäre das ein Wunder.
Und wird als solches von der HKM umgedeutet in ein Geschehen, das nicht am Leib Jesu sondern am Glauben der Jünger stattgefunden hat.

Münek hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Letzteres sagt die HKM: Laut Bultmann ist Christus nicht leiblich als Wunder Gottes, sondern ins "Kerygma" auferstanden also in die Predigt.
Das sagt nicht die HKM, sondern das sagte der Theologe Bultmann. Das war seine persönliche Auffassung, die von den meisten Exegeten heutzutage nicht geteilt wird.
Die HKM ist u.a. mit seinem Namen verbunden, ebenso wie z.B. mit dem von Gerd Lüdemann, der ebenfalls die leibliche Auferstehung leugnet. Wenn es aber so wäre, dass das von den meisten HKM-Exegeten heute nicht geteilt wird, wie du sagst, dann beschränke ich meine Kritik gern auf die Bultmanns, Lüdemanns oder (drei Stufen niedriger), auf die von Sven so oft zitierten Deschners oder Kubitzas.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

Roland
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#539 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Roland » Mo 9. Okt 2017, 11:24

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Wie gesagt, lies mal was Neutrales. Die Kanonisierung des NT wird in Wikipedia recht gut beschrieben, brauchst also nicht mal ein Buch zu kaufen. Es ist aberwitzig den Christen der ersten Jahrhunderte vorzuwerfen, sie hätten aufgrund materieller Vorteilen gehandelt. Sie waren, ganz im Gegenteil, immer wieder schweren Verfolgungen ausgesetzt und haben die gute Botschaft trotzdem weitergetragen.

Das behauptet ja niemand. Die Kirche hat aber schon sehr früh begriffen, dass sie mit der Kanonisierung der Texte, an deren Endfassung sie kräftig mitgewirkt hat, und der Erklärung zu sog. Heiligen Schriften ein sehr machtvolles Instrument in Händen hielt, deren Deutungshoheit sie für sich beanspruchte. Macht und materielle Vorteile fielen ihr sozusagen als Kolateralschaden in den Schoß.
Es ging um die Kanonisierung und die fällt in einen Zeitraum, wo noch keine entartete Kirche nach Macht und Geld gierte, sondern die begann sich bereits im ersten Jahrhundert herauszuschälen.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Sag ich ja. Ein Zirkel ist ein Fehlschluss in einer Beweisführung. Da wir aber gar nicht von Beweisen sondern vom Glauben oder vom Nichtglauben an die in der Bibel behauptete Inspiration der Schrift sprechen, kann von einem Zirkel nicht die Rede sein.
Für die historisch-kritische Methode ist dies zutreffend. Selbst Ratzinger begreift, dass sie keine a-priori Setzung hat.
Glaubensbasierte Exegeseformen dagegen gehen von der göttlichen Inspiriertheit und Irrtumslosigkeit der Schriften aus, weshalb dann in ihrer Logik alles geschriebene historisch wahr sein muss.
Ein Zirkelschluss, wie er im Buche steht.
Das ist Unsinn. Ich kann mich nur wiederholen: Wenn ein Autor sagt, er sei von jemand anderem inspiriert und ich glaube ihm das, dann ist das kein Zirkelschluss. Es geht um Glauben oder Nichtglauben, nicht um Beweisführung.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Hier wiederholst du einfach nochmal deinen Glaubenssatz, dass es keinen über den Naturgesetzen stehenden Gott gibt.
Nein, ich sage lediglich, dass wir heute keine übernatürlichen Wunder beobachten können, und dass dies mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nie anders war, außer in literarischen Fiktionen.
Wir können Wunder nicht wissenschaftlich dingfest machen (dann wären sie auch keine Wunder). Zu sagen, deshalb gäbe es sie nicht, ist ein Fehlschluss. Gott wirkt auch heute noch, er lässt sie nur nicht am Nasenring in die wissenschaftliche Arena führen.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Texte die überschrieben sind mit: "Wir berichten, was wir gesehen und gehört haben" oder "ich gebe wieder, was ich direkt von den Augenzeugen erforscht habe" sind keine mythologischen Texte sondern Tatsachenberichte. Die Bultmann und du natürlich anzweifeln dürft aber viel mehr als die Behauptung, dass alles gelogen sei, ist das nicht.
Auch das ist ein Zirkelschluss: Weil es geschrieben steht, muss es ja auch wahr sein.
Dann musst du auch an fliegende Apostel und wiederbelebte geräucherte Tunfische glauben, denn dies steht auch geschrieben.
Kein Mensch sagt "weil es geschrieben steht MUSS es auch wahr sein". Das wäre Beweisführung. Aber wenn es geschrieben steht, dann KANN es auch wahr sein. Die einen glauben es, die anderen nicht. Es ist eine Glaubensfrage. Und die Plausibilität der neutestamentlichen Schriften ist so hoch, dass der Glaube, es basiere alles nur auf Lug und Trug ziemlich abwegig erscheint.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Ist eben gar kein Unterschied. Wenn "die Forschung" NICHT glaubt was geschrieben steht, sondern was anderes, dann ist das ja OK, aber eben auch nur ein Glaube.
Aber ein "Glaube", der sich wissenschaftlich plausibel und nachvollziehbar aus den Textbefunden ergibt.
Und der als Grundannahme einen handelnden Gott ausschließt. Diese Voreingenommenheit führt zu Vermutungen, die euch Atheisten gefallen. Aber es sind eben nur Vermutungen. Wissenschaft sagt nicht "so war es" sondern "so könnte es gewesen sein", wenn unsere Grundannahme stimmen sollte.

sven23 hat geschrieben: Genau, die Forschung geht von der Existenz des jüdischen Wanderprediger aus und davon, dass sie die Kriterien (z. B. Differenzkriterium und historisches Plausibilitätskriterium) richtig anwendet.
All diese Kriterien gehen davon aus, dass ein Unterschied zwischen dem Jesus der Bibel und dem "historischen Jesus" besteht. Diese Vermutung darf man gern haben aber man darf sie nicht als die allein seriöse, wissenschaftliche Faktenlage verkaufen. Man kann genauso vermuten, dass die Bibel recht hat und dass Gott existiert und handelt und nicht nur die Welt erschaffen hat, sondern auch sein Wort in der Bibel im Wesentlichen richtig erhalten hat.

sven23 hat geschrieben: Es könnte theoretisch auch alles reine literarische Fiktion sein, wie die Radikalkritiker behaupten. 100%ig beweisen läßt es sich nicht.
100%ig beweisen lässt sich nichts, das ist richtig.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Die Auferstehung musste auch nicht erfunden werden, weil sie stattgefunden hat.
Auch da sind begründete Zweifel angebracht, wenn man sich die widersprüchlichen Darstellungen der Evangelisten anschaut.
Entscheidend sind die Übereinstimmungen! Jesus ist am dritten Tag auferstanden, das Grab war leer und er hat sich gezeigt. Hier stimmen alle Versionen überein! Es gibt leichte Differenzen in nebensächlichen Dingen. Die Tatsache, dass die Texten trotz der leicht unterschiedlichen Darstellungen, nebeneinander in den Kanon übernommen wurden, zeigt vielmehr, dass nichts manipuliert, geglättet, manipuliert oder angeglichen wurde. Jeder berichtet aus seiner Perspektive und wie das sooft geschieht, wenn von verschiedener Seite über dasselbe Ereignis berichtet wird, da kommt es bei den Details zu kleinen Unterschieden. Dass sie einfach stehen gelassen wurden, steigert die Glaubwürdigkeit und spricht gegen Legendenbildung.

sven23 hat geschrieben: Die älteste Abschrift des Markusevangeliums enthält noch gar keine Auferstehungslegenden.
Das ist falsch. Es gibt Abschriften, die bei Mk. 16, 8 enden. Dann beinhaltet diese Abschrift immernoch Vers 6: "Er aber sprach zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier."
Hab ich dir übrigens schonmal geschrieben.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

Roland
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#540 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Roland » Mo 9. Okt 2017, 11:26

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:Nur mit dem Unterschied, dass diejenigen, die diese Botschaft anfangs weitergegeben haben, gar keinen materiellen Nutzen daraus gezogen haben sondern Verfolgung und Martyrium.
Auch da ist wohl viel christliche Legendenbildung im Spiel.

Der häufig gehörteEinwand, Betrüger hätten wohl kaum später zu Märtyrern werden können, überzeugt
nicht ganz, denn es waren nur wenige Jünger, die (lässt man die meist völlig
unhistorischen und blutigen Märtyrerakten beiseite) ein Martyrium erlitten (sicher
scheint dies nur bei den Jüngern Johannes und Jakobus zu sein, selbst das Martyrium
des Petrus in Rom ist unsicher),…

Kubitza, Der Jesuswahn
Klar, wenn man dies und das weglässt und dann noch auf die grundsätzliche Unischerheit von antiken Überlieferungen verweist, kann man sich ein anderes Bild basteln. Kubitza lässt natürlich das sicher in der Apg. überlieferte Martyrium des Paulus weg, der dann angeblich für erfundene Legenden in römischen Gefängnissen saß und am Ende auch hinterichtet wurde.

Die Aussage "sie haben das alles erfunden" und die selektive Verwendung von Quellen, das ist typisch verschwörungstheoretisches Vorgehen.

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: "Ergebnisse"… :-) Es gibt genau so viele verschiedene "wissenschaftlich-historische" Jesus-Bilder wie es Autoren gibt, die es unternommen haben ein solches zu zeichnen…
Der Fehler der frühen Jesusforschung war, dass sie Jesus als Projektionsfläche für ihre eigenen Ethikvorstellungen benutzt haben. (Was Gläubige noch bis heute tun, siehe Jesus, der Vegetarier). Albert Schweitzer hat dies erkannt und abgestellt. Heute gibt es in der historischen Jesusforschung doch eine weitaus homogeneres Bild, vor allem ist man sich darüber einig, dass der Jude Jesus sehr viel stärker in seinem jüdischen Glaubenskontext gesehen werden muss.
Und auch hier gilt: "Jesus wird auch als Jude sehr unterschiedlich eingeordnet, etwa als prophetischer Reformator, politischer Revolutionär, Exorzist und Wundertäter oder Wanderphilosoph nach Art der hellenistischen Kyniker." (Wikipedia)
Und was Albert Schweitzer mit dieser "Dritten Phase" der Jesusforschung (jüdischer Glaubenskontext) zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht. Sie begann nach seinem Tod.

sven23 hat geschrieben: …die frühen Kirchenväter leiten ihren Vorwurf der jüdischen Gottesmörder aus den Evangelien ab.
Das mag ja sein aber sie taten es, ohne wirklich die ganze Schrift zu betrachten. Ich hab's jetzt mehrfach zitiert. Diejenigen, die ihre Judenfeindlichkeit aus dem NT ableiteten, taten es ohne den situationsbedingten Kontext zu betrachten und ohne die klare Aussage des Paulus, dass die Juden von Gott nicht verworfen seien und ohne Jesu Aussage, dass das Heil von den Juden kommt.
Zusammenfassend kann man sagen: Antijudaismus ist ehrlicherweise biblisch nicht begründbar.

"Denn es ist der eine Gott, der gerecht macht die Juden aus dem Glauben und die Heiden durch den Glauben." Römer 3, 30

sven23 hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Auch hier wird wohl weniger mit der Bibel selbst, als mit denjenigen argumentiert, die die Bibel für ihre Judenfeindlichkeit missbraucht haben.
Man kann die Bibel übrigens nicht nur zum Judenhass sondern genauso auch zum Befürworten des Brudermordes missbrauchen:
…da erhob sich Kain gegen seinen Bruder Abel und erschlug ihn. (1. Mose 4, 8) …So gehe hin und tue desgleichen! (Lk. 10, 37)

Das wäre eine unwissenschaftliche und unzulässige Verbindung unterschiedlichster Traditionen und Epochen.
Das war ein nicht ganz tierisch ernst gemeinter Hinweis, dass man Texte aus dem Kontext reißen und für eigene Zwecke missbrauchen kann. Wie es beim Antijudaismus geschehen ist.

sven23 hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Aber es wird dich sicher nicht überraschen, dass auch dies von Gläubigen praktiziert wird. So will Ratzinger aus einem Textschnipsel des AT (heilig, heilig, heilig) allen Ernstes daraus einen Vorgriff auf die Trinität ableiten, und wundert sich dann, wenn er von wissenschaftlichen Exegeten nicht mehr ernst genommen wird.
Keine Ahnung, wo du das her hast aber ehrlicherweise müsstest du hinzufügen, dass du es bist, der hier einen Texschnipsel Ratzingers herauspickt um den Eindruck zu erwecken, er stütze sich allein auf diese Stelle und begründe es nicht weiter.
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
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