Pluto hat geschrieben:Bedeutet die moderne Erkenntnis der Homogenität des Kosmos, das Aus für Gott und fü den Dualismus von Körper und Seele? Wenn nicht, warum nicht?
Mein Eindruck ist eher, dass wir derzeit (vorallem im weltweiten Maßstab) eine Rückkehr der Religion erleben. Ich vertrete jene Auffassung, die Ken Wilber in seinem Hauptwerk "
Sex, Ecology, Spirituality: The Spirit of Evolution" vertritt: in Zukunft werden wir nicht daran vorbei kommen, die Realität als eine zusammenhängende und allumfassende Einheit zu verstehen (
Interconnectedness). Wilber weist jedoch auch darauf hin, dass die von der Aufklärung vorgelegte Darstellung der Existenz unvollständig ist, denn sie ignoriert oder unterschätzt die geistigen und noetischen Bestandteile des Daseins. Wenn Materialisten vom "
Kosmos" sprechen, dann meinen sie damit nur den physischen Aspekt der Existenz, obwohl der Begriff früher die gesamte Große Kette des Seins umfasste (
The great chain of being).
Die Wirklichkeit hat einen äußeren (physischen) Aspekt und sie hat einen innerlich geistigen (metaphysischen) Aspekt. Das lässt zweifellos Raum für Spiritualität und Religion. Problematisch ist jedoch der religiöse Fundamentalismus, der Religion politisch missbraucht für den "
Kampf der Kulturen". Doch zu diesem negativen Szenario von Samuel Huntington gibt es auch positive Gegenszenarien, die von einer neuen Einheit von Wissenschaft und Religion sprechen.
Wissenschaft und Religion in Harmonie, Tiffany- Fenster namens Education (1890).
Doch das bedeutet nicht, dass Wissenschaft und Religion einander in jeder Hinsicht zustimmen müssen (das wird niemals passieren

) aber sie können einander sehr wohl ergänzen, um so dem Wohl der Menschen zu dienen. Sehr interessant sind sicherlich die Erkenntnisse der neurowissenschaftlichen Erforschung der Meditation, die zeigen, dass regelmäßige Meditationspraxis den Bewusstseinszustand und Aktivität des Gehirns tiefgreifend und nachhaltig beeinflusst. Oder anders gesagt: der GEIST beeinflusst und formt das Gehirn.
Es ist demnach inzwischen eine gesicherte wissenschaftliche Erkenntnis, dass unsre Gedanken, Einstellungen, Überzeugungen und Gefühle eine Auswirkung auf den Körper haben und seine Gesundheit beeinflussen. Dazu kann
dieser Beitrag von Dr. Uwe Meier, dem Vorsitzenden des Berufsverbandes Deutscher Neurologen (BDN) gelesen werden. Welche Impulse ergeben sich daraus für eine "
neue Kosmologie"? Für mich ist die logische Schlussfolgerung, dass das lange Zeit dominierende und von vielen favorisierte mechanistisch-materialistische Weltbild die Realität nicht ausreichend erklärt. Zur Ganzheit des Menschseins gehörte schon immer die Transzendenz und Spiritualität, sie bilden die Grundlage einer humanen Zivilisation und helfen uns dabei eine positive und lebensbejahende Vision für die Zukunft zu formulieren. Thomas Berry hat wunderbar in Worte gefasst, was das bedeutet:
“Wir müssen spüren, dass wir mit derselben Energie angefüllt sind, die das Entstehen der Erde, der Sterne und der Galaxien verursachte. Dieselbe Energie schuf alle Formen von Leben sowie das reflektierende Bewusstsein der Menschen. Es ist das, was die Poeten inspiriert, die Denker und Künstler aller Zeiten. Wir sind in einen Ozean von Energie eingetaucht, der unseren Verstand bei weitem überschreitet. Doch letztlich ist diese Energie nicht durch Beherrschung, sondern durch Erflehung die unsere†(The Great work, 1999, S. 175),
Thomas Berry: The Great Work
"Erflehung" bedeutet, dass es nicht darum geht diese "Energie" zu beherrschen, um sie so dem menschlichen Bedürfnis nach Macht zu unterwerfen, sondern
sich ihr zu öffnen und
mit ihr zu kooperieren und in eine Kommunion zu treten, sodass der Mensch inneren und äußeren Frieden und Wohlergehen findet, doch bei gleichzeitigem (demütigen) Bewusstsein der menschlichen Begrenztheit. Wie das geht, dieses spirituelle Wissen (oder
Lebensweisheit) vermitteln die spirituellen Traditionen der großen Weltreligionen. Für den spirituellen Menschen ist Gott - die Energiequelle und Seinsgrund dem alles entstammt - nicht ein Problem, welches gelöst werden muss, sondern ein Mysterium, an dem wir teilhaben dürfen.
Wird dieses Verständnis so weit verinnerlicht, dass es unsere Wahrnehmung der Dinge, der Natur, der Erde und des Universums verändert, so öffnet sich der Weg für eine kosmische spirituelle Erfahrung, für die Kommunion mit allen und mit jeder/m. Durch diesen spirituellen Weg wird uns das bewusst, wonach die Wissenschaftler durch die Wissenschaft streben: eine Verbindung, die alles vereint und voran bringt.
~ Leonardo Boff Theologe und Philosoph von der Erdcharta Kommission. Er schrieb das Buch In Ihm hat alles Bestand: der kosmische Christus und die modernen Naturwissenschaften Butzond&Bercker, Kevelaer 2013.
Quelle
Von der neuen Kosmologie erwarte ich, dass sie so umfassend ist, dass sie diese spirituelle Perspektive mitdenken kann, sonst ist sie unvollständig. Christen könnten darüber nachdenken, was die Christusgeschichte in einem kosmischen Kontext bedeutet. Dazu gibt es viele gute Bücher, beispielsweise
Who do you say I am?: The Christ story in the cosmic context von Kevin Treston, die Werke von Thomas Merton, Richard Rohr oder Cynthia Bourgeault. Gott und die Seele bzw. die spirituelle Dimension des Lebens wird auch in Zukunft wichtig sein, aber die Theologie muss anfangen größer und umfassender zu denken