Die Zeitspanne hin zum nahenden Reich mögen viele mit dem Verstand zu ergreifen suchen, damit es ihnen existentiell nicht anzugehen braucht. So spricht man: Siehe, das Reich ist dort, in eintausend Jahren oder hier, wenn dieses oder jenes Ereignis eintritt, oder es ist schon vorüber, irgendwann, es betrifft nicht mehr.
Jesus sprach jedoch stets vom Zeichen der Zeit, vom Kairos, vom persönlichen Augenblick, der hier und jetzt allein zählt zur Umkehr und Vergebung. Der Kairos muss nicht zeitlich, sondern kann als Ereignis, als "Treffer" in der Zeit zu verstehen sein, bei dem der Herr anklopft. Wer öffnet, den hat das nahe Reich existentiell erreicht und kann voranschreiten. Dieser Treffer trifft in das Handeln der Person.
Jesus sagt uns dies in Lk 12:54-57 EÜ:
Außerdem sagte Jesus zu den Leuten: Sobald ihr im Westen Wolken aufsteigen seht, sagt ihr: Es gibt Regen. Und es kommt so.
Und wenn der Südwind weht, dann sagt ihr: Es wird heiß. Und es trifft ein.
Ihr Heuchler! Das Aussehen der Erde und des Himmels könnt ihr deuten. Warum könnt ihr dann die Zeichen dieser Zeit nicht deuten?
Warum findet ihr nicht schon von selbst das rechte Urteil?
Hier geht es nicht darum, eine Zeit zu beurteilen, sondern „dieses Ereignis“, nämlich das Wirken Jesu.
Der Text erklärt, dass meteorologische Beurteilungen ohne existenzielles Engagement möglich sind. Die solches verstandesgemäße beurteilen des nahen Reiches vollziehen, nennt Jesus Heuchler. Die personalen Ereignisse (Kairoi), in denen Gott handelt oder Zeichen von solchen Ereignissen im Wirken und den Wundertaten Jesu, können hingegen nur erkannt, unterschieden und beurteilt werden, wenn man sich existenziell, also in einem gesamtmenschlichen Engagement einlässt, wobei hierfür der Glaubensvollzug unabdingbar ist.
Dieser "Treffer“ im Leben ist ein Zusammentreffen von Gott und Mensch, Himmel und Erde, der wie ein Blitz auf der Erde einschlägt und trifft – aber nicht in der Weise eines zwingenden Naturereignisses („Zeichen vom Himmel“), sondern als ein Ereignis des Zündens, das nur angemessen erkannt und unterschieden werden kann, wenn man den Kairos „wahr-nimmt“. Das geschieht, wenn man sich in allen Dimensionen seines Seins, vom Erkennen über das Entscheiden bis hin zum Handeln, davon entzünden lässt. Dies ist der Augenblick der Gnade, wenn das Reich Gottes mit dem dann entzündeten Feuer der Liebe bereits in das Leben einbricht.
In den weiteren Versen (58-59) gibt Jesus zu erkennen, dass jeder von uns schuldig ist und die Gnade des Kairos, des Reiches Gottes braucht, um sich versöhnen zu können. Wer diesen "Treffer" der Gnade in seinem Leben ("auf dem Weg") nicht zulässt, der die göttliche Liebe entzündet, weil es ihm "zeitlich" nichts angeht, der wird vom ewigen Richter nach der Gerechtigkeit beurteilt werden und darin nicht bestehen können.
Wenn du mit deinem Gegner vor Gericht gehst, bemüh dich noch auf dem Weg, dich mit ihm zu einigen. Sonst wird er dich vor den Richter schleppen und der Richter wird dich dem Gerichtsdiener übergeben, und der Gerichtsdiener wird dich ins Gefängnis werfen. Ich sage dir: Du kommst von dort nicht heraus, bis du auch den letzten Pfennig bezahlt hast.
Servus
