Alles Teufelszeug? VI

closs
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#131 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Fr 12. Mai 2017, 23:25

sven23 hat geschrieben:Deshalb bleibt die Forschung bei wissenschaftlicher Hermeneutik.
Die wissenschaftliche Hermeneutik ist kritisch-rational, was selbst eine weltanschauliche Größe ist, da nur das untersucht wird, was falsifizierbar ist - "Gott" ist NICHT falsifizierbar. - Das ist eindeutig eine weltanschauliche Hermeneutik - was aus MEINEM Mund ja kein Makel ist - aber aus Deinem.

sven23 hat geschrieben:Du, indem du behauptest, die Medizin hätte "nicht mal ansatzweise" das menschliche Immunsystem verstanden.
Das habe ich aus aus einem ZEIT-Dossier zitiert - es war von irgendeinem Immunologen.

sven23 hat geschrieben:Dann nimm dir mal in puncto Redlichkeit ein Beispiel an der genannten Ärztin.
Es ist redlich, wenn diese Ärztin sich zum Weg ihrer Erkenntnis bekennt - insofern ein erfreuliches Beispiel.

sven23 hat geschrieben:Die internationale Studienlage ist nun wirklich kein Geheimnis.
Homöopathische Ärzte stehen zur Homöopathie, obwohl sie die Studienlage der "klassischen" Medizin kennen - ihr Ansatz ist ein anderer. - Es ist nicht so, dass hier Humbug gegen Redlichkeit stehen, sondern zwei unterschiedliche medizinische Ansätze. - Offensichtlich sehen sich beide Seiten auf ihrem Weg bestätigt.

sven23 hat geschrieben:Du darfst getrost davon ausgehen, dass in der Forschung Theologen arbeiten, denen du nicht mal ansatzweise in puncto Fitheit das Wasser reichen kannst.
Eben - und ein solcher wäre hier auf dem Forum gut aufgehoben - dann würde ich mich etwas entlastet fühlen.

sven23 hat geschrieben: Da liegt nicht das Problem, sondern an der intellektuellen Redlichkeit. Siehe Lindemann und die schizophrene Situation zwischen Forschung und Glaubensdogmatik.
Altes Muster: "Ich verstehe etwas nicht, also ist es intellektuell unredlich" - Dunning-Kruger. - Ich habe Dir mehrfach erklärt, warum Lindemanns Auffassung anspruchsvoller ist als die der säkular-kritisch-rationalen Ideologen.

sven23 hat geschrieben:Also mit entprechender clossscher Hermeneutik ließen sich alle Götter inclusive des Spaghettimonsters "beweisen".
Selbstverständlich NICHT - warum, habe ich Dir ebenfalls mehrfach begründet.

sven23 hat geschrieben:Theißen/Merz sind sehr fit, deshalb kommt Theißen doch zu folgendem Urteil und befindet sich damit im Konsens mit der historischen Jesusforschung
Du scheinst nicht ansatzweise verstanden zu haben, was Theißen mit "methodischem Ergebnis" gemeint hat.

sven23 hat geschrieben:Du hast es immer noch nicht kapiert. Die "Königsherrschaft" Gottes auf Erden ist damals wie heute fester Bestandteil des jüdischen Glaubens.
Aber Jesus hatte eben SEINE Vorstellung von "nahes Gottesreich" - und die war anders.

sven23 hat geschrieben:Übrigens war das vor 30 Jahren genau so bekannt wie heute. Conzelmann war damals aktuell und ist es heute noch.
Diesen hermeneutischen Ansatz gab es schon damals - richtig. Und er war innerhalb der Theologie bekannt und wurde dementsprechend beurteilt - da hat sich wenig geändert, außer dass über diesen Gegensatz inzwischen mehr Gras gewachsen ist (bis jetzt Berger mal zwischenzeitlich geplatzt ist).

sven23 hat geschrieben:"Seit der Aufklärung hat sich die Auffassung herausgebildet, dass wir denjenigen Sinn eines Textes herausarbeiten müssen, den der/die Autor/in im historischen Ursprungs-Kontext zum Ausdruck gebracht hat, und nicht den, den spätere Leserschaften ihm zuerkannt haben oder zuerkennen. Diese Herangehensweise macht die historisch-kritische Methode aus."
Schart, Aaron: Einführung in die historisch-kritische Methode der Textinterpretation
Das zitierst Du ständig und scheinst nicht verstanden zu haben, was da steht: Hier steht, dass dies die historisch-kritische Methode beschreibt - und das weiß die Theologie auch. - Der Theologie geht es aber nicht um Erkenntnisse und Irrtümer der Textverfasser, sondern um Jesus.

Also NICHT: Was hat man damals von Jesus verstanden, sondern was hat Jesus gemeint. - Und letzteres Verständnis kann sich erst mit der Zeit herausbilden. - NATÜRLICH können späteres Rezeptionen auch Irrtümer sein - auch das bestreitet die Theologie nicht (schau Dir mal die theologischen Glaubens-Kämpfe bereits ab dem 2. Jh. an). - Aber späteres Rezeption kann auch eine Verbesserung dessen sein, was die Textverfasser zeitnah verstanden haben.

Schart hat mit seiner Aussage in Bezug auf die HKM recht - aber nicht unbedingt in Bezug auf die (historische) Wirklichkeit Jesu.

sven23 hat geschrieben:Die Kanonik macht Aussagen über den verkündeten, mythologisierten und legendenhaft verklärten Jesus. Dieser hat nur wenig bis nichts mit dem historischen zu tun.
Wenn der theologisch-hermeneutisch entwickelte Jesus mehr mit dem wirklichen, also historischen Jesus zu tun hat, ist sie der HKM voraus, weil sie ausschließlich ihr Bild über frühe Rezeptionen definiert. - Das muss nicht so sein, kann aber sein.

sven23 hat geschrieben:: Das biblische Bild von Jesus passt erstaunlich gut in den historischen Kontext Palästinas im l. Jahrhundert.
Jetzt plötzlich doch? - Dauern ist zu hören, dass das meiste "Fälschung" ist. --- :?: ---

Da ist Theißen voll im theologischen Fahrwasser - WENN man "richtig" interpretiert.

sven23 hat geschrieben:Wenn du die historische Jesusforschung als Scheinlösung ansiehst, was ist dann deine Glaubensideologie, die sich auf zweifelhafte Mythen und Märchen stützt?
Daneben. -

1) Nicht DIE historisch-kritische Jesusforschung ist eine Scheinlösung, sondern einige ziemlich wichtige Interpretationen daraus.
2) Die Theologie hat KEINE Glaubens-Ideologie, weil sie den "Glaubensentscheid" vorausschickt ("Wenn unser Glauben/unsere Hermeneutik stimmt, dan ..."). - Glaubens-Ideologien haben diejenigen, die die eigene Hermeneutik nicht als "Glaubensentscheid"/Hermeneutik anerkennen und so tun, als sei die eigene Hermeneutik objektiv - insofern trifft der Ideologie-Vorwurf Leute wie Metzingen und Kubitza mehr als einen Ratzinger oder Berger - sie sind erkenntnis-theoretisch (längst) einen Schritt weiter.

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Münek
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#132 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » Sa 13. Mai 2017, 00:47

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:In der historischen Forschung kann die Flagge nur eine wissenschaftliche sein.
Das sowieso - aber das war hier nicht die Frage.
Es ist sogar die entscheidende Frage. Es gibt nun mal den allgemeinen Konsens, dass Glaubensbekenntnisse, Dogmen und Heilige Geister nichts in historischen Wissenschaften zu suchen haben. Deshalb haben Kanoniker und Glaubensdogmatiker dort nichts zu suchen.

Tja - unser lieber Kurt meint aber, es gäbe eine "andere" Wahrheit, die nur "geistig" (z.B. durch einen "geistig Aktivierten" wie ihn) erschließbar ist. Er meint damit den schlichten Glauben an transzendente Welten und insbesondere allmächtige geistige Wesenhei-
ten, die nach einem uralten Plan etwas Besonderes mit "der Menschheit" vorhaben - und diejenigen mit der ewigen Seligkeit beloh-
nen (Paulus), die gehorsam an Jesu Sühnetod glauben.


Na dann! Immer schön gehorsam glauben, sonst geht's ab in den Feuerpfuhl der Apolalypse. :)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wie soll die klassische Wissenschaft ein Erklärungsmodell für etwas liefern, was nicht funktioniert?
Es ging darum, dass jeder SEIN Modell erklärt.
Ja und? Auch Astrologie, Esoterik und Spiritismus erklären ihre Modelle. Und jetzt? :shock:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dein "Kerngedanke" basiert auf reinem Wunschdenken.
Das ist wieder mal Dein Horizont: "Was nicht in meinen hermeneutischen Ansatz passt, ist unredlich".
Nicht unbedingt unredlich - eher naiv. Sagen wir besser: Dein Glaubensdenken ist stark wunschbasiert. Da ist die Frage gestattet, was dieser Wunsch mit Realität zu tun haben soll.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Fakt ist, dass Kanonik keine historische Forschung betreibt
Im direkten Sinne ist das richtig.
Auch nicht im indirekten Sinn. Deshalb gibt es "die kanonische Exegese" wegen ihrer mangelnden Wissenschaftlichkeit nicht an den theologischen Fakultäten. :thumbup:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, denn die Forschung ist ergebnisoffen.
Theologische Forschung ist es genauso.
Ich kenne keine "theologische Forschung" im Sinne von Wissenschaft an den Fakultäten. Du lieber Himmel. Eine "dogmatisch zugekleisterte Theologie" fehlte gerade noch im Wissenschaftsbetrieb. :lol:

Da helfen auch keine Setzungen wie: "Gott Jahwe existiert". Setzungen erschaffen nun mal keine Realitäten.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wer unterschätzt denn die Forschung? Die Parusieverzögerung ist ganz klar dokumentiert.
So ist es - das haben wir schon vor 30 Jahren gelernt - das ist fester Bestandteil auch in der katholischen Theologie.
Was ist fester Bestandteil der katholischen Theologie? Weder in den Dogmen noch im Katholischen Katechismus ist von "Parusieverzögerung" die Rede. Nix "fester Bestandteil in der katholischen Theologie".

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#133 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Sa 13. Mai 2017, 01:45

Münek hat geschrieben:Er meint damit den schlichten Glauben an transzendente Welten
Völlig irrelevant in dem hier geführten erkenntnis-theoretischen Kontext. - Es ist Ausdruck von Unaufgeklärtheit, wenn man Grundlagen des Erkennens nicht kennt und dies damit vertuscht, dass man auf irgendwelche Spaghetti-Monster-Unterstellungen ausweicht.

Münek hat geschrieben: Auch Astrologie, Esoterik und Spiritismus erklären ihre Modelle. Und jetzt?
Da hört man zu und spielt sie hermeneutisch durch - am Ende sortiert sich das aus, was nicht funktioniert.

Münek hat geschrieben:Dein Glaubensdenken ist stark wunschbasiert. Da ist die Frage gestattet, was dieser Wunsch mit Realität zu tun haben soll.
Völlig daneben - auch hier: Du ersetzt erkenntnis-theoretische Unkenntnis durch Szenarien, die irrelevant sind - konkret: Es geht nicht um "Wunschdenken", sondern was der Mensch überhaupt sicher erkennen kann. - Du scherst also wieder irgendwohin aus.

Münek hat geschrieben:Auch nicht im indirekten Sinn. Deshalb gibt es "die kanonische Exegese" wegen ihrer mangelnden Wissenschaftlichkeit nicht an den theologischen Fakultäten.
Wer die Wirklichkeit Jesu untersucht, untersucht automatisch auch dessen Historizität - auch dann, wenn er nicht primär historisch interessiert ist. - Was "wissenschaftlich" ist, ist eine Frage der Wissenschafts-Theorien, die sehr vielfältig sind. - Man kann diese nicht einfach ideologisch wegwischen.

Münek hat geschrieben:Ich kenne keine "theologische Forschung" im Sinne von Wissenschaft an den Fakultäten.
Dann ist es aber Zeit - im geisteswissenschaftlichen Sinn ist die Theologie "Wissenschaft". - Wenn man Geisteswissenschaften wissenschafts-theoretisch abschaffen will, ist die Theologie NICHT Wissenschaft. - Ändern tut sich dadurch nichts.

Entweder man beläßt Geisteswissenschaft als "Wissenschaft" - dann kann man die Bibel auch substantiell wissenschaftlich untersuchen. - Oder nicht, dann hat Wissenschaft nichts in der Exegese zu suchen - was albern wäre. - Also: Wie hättest Du es gerne?

Münek hat geschrieben: Setzungen erschaffen nun mal keine Realitäten.
Meine Rede seit Jahren - was Du nicht müde wirst, als "Tautologien" zu bezeichnen. - Jetzt kommst Du selber damit.

Münek hat geschrieben: Weder in den Dogmen noch im Katholischen Katechismus ist von "Parusieverzögerung" die Rede.
Weil theologisch erkannt ist, dass diese "Parusieverzögerung" ein Irrtum ist - aber sie ist bekannt und man versteht, wie sie methodisch entstanden ist.

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sven23
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#134 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Sa 13. Mai 2017, 08:30

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb bleibt die Forschung bei wissenschaftlicher Hermeneutik.
Die wissenschaftliche Hermeneutik ist kritisch-rational, was selbst eine weltanschauliche Größe ist, da nur das untersucht wird, was falsifizierbar ist - "Gott" ist NICHT falsifizierbar. - Das ist eindeutig eine weltanschauliche Hermeneutik - was aus MEINEM Mund ja kein Makel ist - aber aus Deinem.
Es ist ausdrücklich kein Makel, wenn man nicht Falsifizierbares links liegen läßt. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Du, indem du behauptest, die Medizin hätte "nicht mal ansatzweise" das menschliche Immunsystem verstanden.
Das habe ich aus aus einem ZEIT-Dossier zitiert - es war von irgendeinem Immunologen.
Wie gesagt, ist das übertrieben. Ein Gläubiger könnte sich ja mal fragen, warum ein allmächtiger und gütiger Schöpfer ein Immunsystem kreirt hat, das sich gegen denjenigen richtet, den es schützen soll?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dann nimm dir mal in puncto Redlichkeit ein Beispiel an der genannten Ärztin.
Es ist redlich, wenn diese Ärztin sich zum Weg ihrer Erkenntnis bekennt - insofern ein erfreuliches Beispiel.
Natürlich, nur warum wird sie dafür angefeindet? Doch wohl nur, weil ihre Kollegen ein gut gehendes Geschäftsmodell gefährdet sehen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die internationale Studienlage ist nun wirklich kein Geheimnis.
Homöopathische Ärzte stehen zur Homöopathie, obwohl sie die Studienlage der "klassischen" Medizin kennen - ihr Ansatz ist ein anderer. - Es ist nicht so, dass hier Humbug gegen Redlichkeit stehen, sondern zwei unterschiedliche medizinische Ansätze. - Offensichtlich sehen sich beide Seiten auf ihrem Weg bestätigt.
Nein, offensichtlich handelt es sich bei HP um eine Scheintherapie. Die Ärztin jedenfalls hat es begriffen. Gehe hin und tue das Gleiche.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Du darfst getrost davon ausgehen, dass in der Forschung Theologen arbeiten, denen du nicht mal ansatzweise in puncto Fitheit das Wasser reichen kannst.
Eben - und ein solcher wäre hier auf dem Forum gut aufgehoben - dann würde ich mich etwas entlastet fühlen.
Wir zitieren doch ständig solche fitten Theologen. Ich habe aber den Verdacht, dass du bei Glaubensdogmatikern besser aufgehoben bist.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Da liegt nicht das Problem, sondern an der intellektuellen Redlichkeit. Siehe Lindemann und die schizophrene Situation zwischen Forschung und Glaubensdogmatik.
Altes Muster: "Ich verstehe etwas nicht, also ist es intellektuell unredlich" - Dunning-Kruger. - Ich habe Dir mehrfach erklärt, warum Lindemanns Auffassung anspruchsvoller ist als die der säkular-kritisch-rationalen Ideologen.
Jemand, der ständig erkären will, warum die theologische Forschung "daneben" liegt, steht wohl eher unter "Dunning-Kruger" Verdacht. :lol:
Davon abgesehen. Lindemann steht wie kein Zweiter für die Schizphrenie, in der sich die Theologie befindet.
In Bezug auf die Naherwartung meint Lindemann, es sei egal, ob sich der Evangelist oder Jesus geirrt hat.
Die Jungfrauengeburt würde von keinem ernst zu nehmenden Theologen mehr vertreten. Laut Lindemann kann man also Ratzinger nicht mehr ernst nehmen. Nicht dass ich ihm da widersprechen würde, aber es spiegelt doch die bizarre Situation wider, in der sich die Theologie befindet.
Lindemann trifft auf Unverständnis sowohl bei Atheisten/Agnostikern als auch bei den erzkonservativen Vertretern des Bibelbundes.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Also mit entprechender clossscher Hermeneutik ließen sich alle Götter inclusive des Spaghettimonsters "beweisen".
Selbstverständlich NICHT - warum, habe ich Dir ebenfalls mehrfach begründet.
Begründet hast du nichts, lediglich behauptet, man müsse halt nur die entsprechende Heremneutik-Karte ziehen und dann käme man halt zu anderen Ergebnissen, die ins jeweilige ideologische Weltbild passen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Theißen/Merz sind sehr fit, deshalb kommt Theißen doch zu folgendem Urteil und befindet sich damit im Konsens mit der historischen Jesusforschung
Du scheinst nicht ansatzweise verstanden zu haben, was Theißen mit "methodischem Ergebnis" gemeint hat.
Und da streckt der kleine Dunning Kruger wieder sein Köpfchen hinterm Baum hervor. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Du hast es immer noch nicht kapiert. Die "Königsherrschaft" Gottes auf Erden ist damals wie heute fester Bestandteil des jüdischen Glaubens.
Aber Jesus hatte eben SEINE Vorstellung von "nahes Gottesreich" - und die war anders.
Die Abweichung vom Mainstream Judentum bestand darin, dass er die Königsherrschaft als unmittelbar bevorstehend ansah. Sie war sogar so nahe, dass sie bereits (angeblich) zu wirken begann. (inneres Gottesreich). Der finale Akt stand aber unmittelbar bevor, deshalb mahnte er wie Johannes der Täufer zur Umkehr. Wer nicht umkehrte, war dem Gericht verfallen.

"Jesus selbst aber hatte keine Erlösungslehre und brauchte auch keine. Gottes
Vergebung ist ein Geschenk an alle Israeliten, die zur Umkehr bereit sind. Vergib uns
unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern, lässt er seine Jünger beten,
und es besteht kein Zweifel, dass er der Meinung war, dass diese Vergebung auch gewährt
wird. So gesehen war die Verkündigung Jesu ein wirkliches Evangelium für die
Menschen, während das finstere Gesetz von Schuld und Tod das paulinische Denken
bestimmt. An dieser Stelle leuchtet im Handeln Jesu ein kurzer Moment von
wegweisender Humanität auf, hier wächst er tatsächlich über seine Zeit hinaus. Paulus
dagegen kann sich aus seinen legalistischen Fesseln nicht befreien, so sehr er auch gegen
das Gesetz als solches predigt. Aus dem menschenfreundlichen Gott, dem liebenden
Vater, wird bei Paulus wieder ein Rachegott, der mit Blut besänftigt werden muss.
Die Erlösung durch das Blut Christi beim Apostel Paulus steht so in krassem
Gegensatz zur Verkündigung Jesu."

Kubitza, Der Jesuswahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#135 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Sa 13. Mai 2017, 08:31

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Übrigens war das vor 30 Jahren genau so bekannt wie heute. Conzelmann war damals aktuell und ist es heute noch.
Diesen hermeneutischen Ansatz gab es schon damals - richtig. Und er war innerhalb der Theologie bekannt und wurde dementsprechend beurteilt - da hat sich wenig geändert, außer dass über diesen Gegensatz inzwischen mehr Gras gewachsen ist (bis jetzt Berger mal zwischenzeitlich geplatzt ist).
"Ich bin hier der Exeget..." ist aber keine hinreichende Begründung. Es ist das Stampfen mit den Füßen eines trotzigen Kindes. :roll:
Und Glaubensbekenntnisse haben in der Forschung keinen Wert.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Seit der Aufklärung hat sich die Auffassung herausgebildet, dass wir denjenigen Sinn eines Textes herausarbeiten müssen, den der/die Autor/in im historischen Ursprungs-Kontext zum Ausdruck gebracht hat, und nicht den, den spätere Leserschaften ihm zuerkannt haben oder zuerkennen. Diese Herangehensweise macht die historisch-kritische Methode aus."
Schart, Aaron: Einführung in die historisch-kritische Methode der Textinterpretation
Das zitierst Du ständig und scheinst nicht verstanden zu haben, was da steht: Hier steht, dass dies die historisch-kritische Methode beschreibt - und das weiß die Theologie auch. - Der Theologie geht es aber nicht um Erkenntnisse und Irrtümer der Textverfasser, sondern um Jesus.
Der historischen Jesusforschung geht es selbstverständlich um Jesus, was sonst. :roll: Das geht aber nur über die Texte und deren ursprüngliche Bedeutung. (historisch-kritischer Ansatz) und nicht über Verfälschungen, die sich Theologen Jahrhunderte später ausgedacht haben. (kanonischer Ansatz)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Kanonik macht Aussagen über den verkündeten, mythologisierten und legendenhaft verklärten Jesus. Dieser hat nur wenig bis nichts mit dem historischen zu tun.
Wenn der theologisch-hermeneutisch entwickelte Jesus mehr mit dem wirklichen, also historischen Jesus zu tun hat, ist sie der HKM voraus, weil sie ausschließlich ihr Bild über frühe Rezeptionen definiert. -
Ja, wenn meine Oma Eier hätte..... So ist es aber nicht. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:: Das biblische Bild von Jesus passt erstaunlich gut in den historischen Kontext Palästinas im l. Jahrhundert.
Jetzt plötzlich doch? - Dauern ist zu hören, dass das meiste "Fälschung" ist. --- :?: ---
Theißen meint damit, dass der Endzeitprophet und jüdische Apokalyptiker hervorragend in den historischen Kontext passte. Unter der römischen Besatzung herrschte in den wirtschaftlich abgehängten Regionen große Unzufriedenheit und eine Art Endzeitstimmung, die von zahlreichen Endzeitpropheten bedient wurde. Jesus war nur einer von vielen, besaß also auch in diesem Punkt keine Originalität. Wie er wurden auch andere hingereichtet, weil die Römer sie wohl als potentielle Unruhestifter und damit als Bedrohung ansahen.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn du die historische Jesusforschung als Scheinlösung ansiehst, was ist dann deine Glaubensideologie, die sich auf zweifelhafte Mythen und Märchen stützt?
Daneben. -

1) Nicht DIE historisch-kritische Jesusforschung ist eine Scheinlösung, sondern einige ziemlich wichtige Interpretationen daraus.
Du meinst also, ein Theißen liefert nur Scheinlösungen, wenn er sagt:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

Und da dies breiter Konsens in der Forschung ist, liefert die gesamte Forschung nur Scheinlösungen.
Merkst du jetzt, wie Dunning Kruger auf dich zurückfällt? :shock:

closs hat geschrieben: 2) Die Theologie hat KEINE Glaubens-Ideologie, weil sie den "Glaubensentscheid" vorausschickt ("Wenn unser Glauben/unsere Hermeneutik stimmt, dan ..."). - Glaubens-Ideologien haben diejenigen, die die eigene Hermeneutik nicht als "Glaubensentscheid"/Hermeneutik anerkennen und so tun, als sei die eigene Hermeneutik objektiv - insofern trifft der Ideologie-Vorwurf Leute wie Metzingen und Kubitza mehr als einen Ratzinger oder Berger - sie sind erkenntnis-theoretisch (längst) einen Schritt weiter.
Natürlich, wer 2000 Jahre alte Mythen und Märchen zu einem historischen Tatsachenbericht macht, hat nichts mit Glaubens-Ideologie zu tun. :lol:
Manchmal kommt man aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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sven23
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#136 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Sa 13. Mai 2017, 08:43

Münek hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Das sowieso - aber das war hier nicht die Frage.
Es ist sogar die entscheidende Frage. Es gibt nun mal den allgemeinen Konsens, dass Glaubensbekenntnisse, Dogmen und Heilige Geister nichts in historischen Wissenschaften zu suchen haben. Deshalb haben Kanoniker und Glaubensdogmatiker dort nichts zu suchen.

Tja - unser lieber Kurt meint aber, es gäbe eine "andere" Wahrheit, die nur "geistig" (z.B. durch einen "geistig Aktivierten" wie ihn) erschließbar ist. Er meint damit den schlichten Glauben an transzendente Welten und insbesondere allmächtige geistige Wesenhei-
ten, die nach einem uralten Plan etwas Besonderes mit "der Menschheit" vorhaben - und diejenigen mit der ewigen Seligkeit beloh-
nen (Paulus), die gehorsam an Jesu Sühnetod glauben.

Wie Bultmann richtig sagt, bedient sich paulinische Theologie einer primitiven Opfermythologie.
Was in anderen Kulten und Religionen als primitiv abgetan wird, wird in der eigenen Religion zur ultimativen Heilsgeschichte stilisiert.

karikatur568.jpg
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#137 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Sa 13. Mai 2017, 09:45

sven23 hat geschrieben:Es ist ausdrücklich kein Makel, wenn man nicht Falsifizierbares links liegen läßt.
Die Naturwissenschaften können sich das leisten - die Geisteswissenschaften nicht.

sven23 hat geschrieben:Ein Gläubiger könnte sich ja mal fragen, warum ein allmächtiger und gütiger Schöpfer ein Immunsystem kreirt hat, das sich gegen denjenigen richtet, den es schützen soll?
Selbst darauf gäbe es eine wenig überraschende Antwort.

sven23 hat geschrieben:Natürlich, nur warum wird sie dafür angefeindet?
Das ist immer und auch von anderer Seite her so. - Standardmäßig liegt beiderseits der Grund darin, dass der jeweils Andere mit seiner Hermeneutik eine andere Hermeneutik beurteilt.

sven23 hat geschrieben:offensichtlich handelt es sich bei HP um eine Scheintherapie.
Genau das habe ich mit meinem obigen Satz gemeint.

sven23 hat geschrieben:Wir zitieren doch ständig solche fitten Theologen.
Das tun wir alle - per Einzelzitat. - Es wäre nützlich, tiefer reinzugehen.

sven23 hat geschrieben:Lindemann trifft auf Unverständnis sowohl bei Atheisten/Agnostikern als auch bei den erzkonservativen Vertretern des Bibelbundes.
Auch das müsste man sich genauer anschauen. - Entscheidend aus meiner Sicht ist, dass ein Wissenschaftler sowohl methodische Erkenntnisse als auch persönliche Erkenntnisse haben kann, ohne "schizophren" zu sein. - Oder um es deutlicher zu sagen: Wer nur EINE Hermeneutik versteht, hat in der Geisteswissenschaft etwas ganz Wesentliches nicht verstanden.

sven23 hat geschrieben:Und da streckt der kleine Dunning Kruger wieder sein Köpfchen hinterm Baum hervor.
Deine Selbstkritik muss nicht so vehement sein. :lol: - Lies einfach Theißens Vorwort und verstehe es.

sven23 hat geschrieben:Die Abweichung vom Mainstream Judentum bestand darin, dass er die Königsherrschaft als unmittelbar bevorstehend ansah.
Stimmt. :D - Da würde auch Ratzinger zustimmen.

sven23 hat geschrieben:Und Glaubensbekenntnisse haben in der Forschung keinen Wert.
"Hermeneutik" IST eine Form von "Glaubensbekenntnis" - da kommst Du nicht drum rum.

sven23 hat geschrieben:Der historischen Jesusforschung geht es selbstverständlich um Jesus, was sonst. :roll: Das geht aber nur über die Texte und deren ursprüngliche Bedeutung. (historisch-kritischer Ansatz)
Es ist ein tragischer Irrtum zu glauben, dass nur die HKM den wirklichen und damit historischen Jesus erforschen könnte. - Das ist pure Anmaßung.

sven23 hat geschrieben: So ist es aber nicht.
DIto.

sven23 hat geschrieben:Jesus war nur einer von vielen, besaß also auch in diesem Punkt keine Originalität.
Genau dieser Ansatz ist eine Katastrophe: "Lass uns Texte so interpretieren, als sei Jesus paradigmatisch für das, was das Volk damals gedacht hat". - Genau das Gegenteil ist der Fall.

Es ist unglaublich: Da macht Jesus ein Gleichnis nach dem anderen (für die Nachwelt), bei dem das zuhörende Volk Maulaffen feilhält - da löchern ihn die Jünger x-mal, weil sie ihn nicht verstehen - und dann kommt eine Hermeneutik, die meint: "Wir untersuchen Jesus so, als sei er nur Wanderprediger und keine Ausnahme in seiner Zeit". - Und das nennt sich dann "Forschung" und beansprucht dieses Etikett exklusiv für sich - nebendran steht die Theologie und sagt "Oje".

sven23 hat geschrieben:Und da dies breiter Konsens in der Forschung ist, liefert die gesamte Forschung nur Scheinlösungen.
Methodisch sind es echte Lösungen, theologisch sind es in der Tat Schein-Lösungen. - Dein Ansatz geht dann, wenn man Jesus als Nur-Mensch setzt (was die HKM ja vorab methodisch tut) - DANN sind es keine Scheinlösungen.

sven23 hat geschrieben:Merkst du jetzt, wie Dunning Kruger auf dich zurückfällt?
Mein Dunning-Kruger-Vorwurf bezieht sich auf die ideologische Einschnürung der Haltung, die Du vertrittst - das wollte ich nur mal gesagt haben. - Dass Du es jetzt routiniert umdrehst, ist zu erwarten.

sven23 hat geschrieben:Manchmal kommt man aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus.
Auch das ist naheliegend: Du stehst vor der (geistig-spirituellen) Theologie wie ein Elefant vor einem nackten Mann und fragts Dich, wie sich dieser Mann mit einem so kurzen Rüssel ernähren kann. - Und dann kommt man mit seiner Elephanten-Hermeneutik natürlich ins Kopfschütteln.

Das Problem: Deine Elephanten-Hermeneutik beinhaltet, dass sie die einzig wahre ist. - Statt einfach defensiv zu sagen "Wir sind halt Elephanten". - Aber jetzt sind wir original bei Dunning-Kruger: Die eigene Nabelschau als Maßstab zu verstehen und nicht über den Nabelrand hinausschauen können.

Und da ist "Euch" die (Ratzinger-)Theologie wirklich voraus, weil sie sich vorab dazu bekennt, dass sie um ihre Hermeneutik weiß: "Es gibt viele Hermeneutiken - diese ... ist unser Maßstab". - Sie sagt NICHT: "Alles außer uns ist unredlich". - Eben weil sie NICHT dem Dunning-Kruger-Effekt ausgeliefert ist.

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#138 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Sa 13. Mai 2017, 12:12

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist ausdrücklich kein Makel, wenn man nicht Falsifizierbares links liegen läßt.
Die Naturwissenschaften können sich das leisten - die Geisteswissenschaften nicht.
Das sag ich doch immer. Theologie beschäftigt sich mit nicht falsifizierbaren Behauptungen, behauptet sogar, es handele sich um historisch Geschehenes, bastelt daraus einen nicht hinterfragbaren Dogmenapparat und verfolgte alle, die nicht daran glaubten. Und du wunderst dich, dass Theologie als Ganzes keine Wissenschaft sein kann? :shock:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ein Gläubiger könnte sich ja mal fragen, warum ein allmächtiger und gütiger Schöpfer ein Immunsystem kreirt hat, das sich gegen denjenigen richtet, den es schützen soll?
Selbst darauf gäbe es eine wenig überraschende Antwort.
Die da wäre?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Natürlich, nur warum wird sie dafür angefeindet?
Das ist immer und auch von anderer Seite her so. - Standardmäßig liegt beiderseits der Grund darin, dass der jeweils Andere mit seiner Hermeneutik eine andere Hermeneutik beurteilt.
Man wechselt nicht mal eben so seine Hermeneutiken wie die Unterhosen. Entweder hat man ein wissenschaftliches Interesse oder läßt es bleiben und begnügt sich mit Esoterik. Evidenzbasierte Medizin kann sich nicht mit Esoterik begnügen. Das hat die Ärztin - wenn auch spät, aber immerhin - erkannt. :thumbup:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:offensichtlich handelt es sich bei HP um eine Scheintherapie.
Genau das habe ich mit meinem obigen Satz gemeint.
Dann hast du immer noch nicht kapiert, was es bedeutet, wenn ein Wirkstoff/Behandlung nicht über den Placeboeffekt hinauskommt. Dann spricht man eben von einer Scheintherapie. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Lindemann trifft auf Unverständnis sowohl bei Atheisten/Agnostikern als auch bei den erzkonservativen Vertretern des Bibelbundes.
Auch das müsste man sich genauer anschauen. - Entscheidend aus meiner Sicht ist, dass ein Wissenschaftler sowohl methodische Erkenntnisse als auch persönliche Erkenntnisse haben kann, ohne "schizophren" zu sein. - Oder um es deutlicher zu sagen: Wer nur EINE Hermeneutik versteht, hat in der Geisteswissenschaft etwas ganz Wesentliches nicht verstanden.
Wenn du mit Lindemann einer Meinung bist, dass es egal ist, ob Jesus sich in puncto Naherwartung geirrt hat, warum regst du dich dann so über die Forschungsergebnisse auf? :roll:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und da streckt der kleine Dunning Kruger wieder sein Köpfchen hinterm Baum hervor.
Deine Selbstkritik muss nicht so vehement sein. :lol: - Lies einfach Theißens Vorwort und verstehe es.
Ich bin es nicht, der ständig die Forschungsergebnisse leugnet oder mit laienhaften oder idologischen Begründungen abtut. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Abweichung vom Mainstream Judentum bestand darin, dass er die Königsherrschaft als unmittelbar bevorstehend ansah.
Stimmt. :D - Da würde auch Ratzinger zustimmen.
Und wo ist dann das Problem? Oder hast du immer noch nicht verstanden, was Königsherrschaft im Kontext des jüdischen Glaubens bedeutet? Ich habe fast den Verdacht, und das nach 26000 Beiträgen. Unfassbar.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und Glaubensbekenntnisse haben in der Forschung keinen Wert.
"Hermeneutik" IST eine Form von "Glaubensbekenntnis" - da kommst Du nicht drum rum.
Aber etwas völlig anderes als religiöse Glaubensbekenntnisse, die auf Willkür und Beliebigkeit aufbauen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der historischen Jesusforschung geht es selbstverständlich um Jesus, was sonst. :roll: Das geht aber nur über die Texte und deren ursprüngliche Bedeutung. (historisch-kritischer Ansatz)
Es ist ein tragischer Irrtum zu glauben, dass nur die HKM den wirklichen und damit historischen Jesus erforschen könnte. - Das ist pure Anmaßung.
Nee, das ist selbstverständlicher Konsens in der historischen Forschung. Glaubensbekenntnisse haben hier nichts verloren. Wer sich mit Esoterik begnügen will, muss das außerhalb der historischen Forschung tun.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Jesus war nur einer von vielen, besaß also auch in diesem Punkt keine Originalität.
Genau dieser Ansatz ist eine Katastrophe: "Lass uns Texte so interpretieren, als sei Jesus paradigmatisch für das, was das Volk damals gedacht hat". - Genau das Gegenteil ist der Fall.
Wer hat denn behauptet, dass Jesus oder andere Endzeitpropheten das Mainstream Judentum widerspiegeln würden? Im Gegenteil konnte er eine kleine Anhängerschar um sich sammeln, aber war kein Stellvertreter des traditionellen Judentums.
Meine Aussage war, dass er als Wanderprediger und Apokalyptiker keine Ausnahme war. Das ist Stand der Forschung, Punkt.

closs hat geschrieben: Es ist unglaublich: Da macht Jesus ein Gleichnis nach dem anderen (für die Nachwelt), bei dem das zuhörende Volk Maulaffen feilhält - da löchern ihn die Jünger x-mal, weil sie ihn nicht verstehen - und dann kommt eine Hermeneutik, die meint: "Wir untersuchen Jesus so, als sei er nur Wanderprediger und keine Ausnahme in seiner Zeit". - Und das nennt sich dann "Forschung" und beansprucht dieses Etikett exklusiv für sich - nebendran steht die Theologie und sagt "Oje".
Mit "Oje" ist es nicht getan. Die Forschung hat ein sehr differenziertes Bild des historischen Jesus entworfen, der im Kontext des jüdischen Glaubens verstanden werden muss. Alles andere sind nachträgliche, christlich-paulinische Kontaminationen.

"Jesus selbst aber hatte keine Erlösungslehre und brauchte auch keine. Gottes
Vergebung ist ein Geschenk an alle Israeliten, die zur Umkehr bereit sind. Vergib uns
unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern, lässt er seine Jünger beten,
und es besteht kein Zweifel, dass er der Meinung war, dass diese Vergebung auch gewährt
wird. So gesehen war die Verkündigung Jesu ein wirkliches Evangelium für die
Menschen, während das finstere Gesetz von Schuld und Tod das paulinische Denken
bestimmt. An dieser Stelle leuchtet im Handeln Jesu ein kurzer Moment von
wegweisender Humanität auf, hier wächst er tatsächlich über seine Zeit hinaus. Paulus
dagegen kann sich aus seinen legalistischen Fesseln nicht befreien, so sehr er auch gegen
das Gesetz als solches predigt. Aus dem menschenfreundlichen Gott, dem liebenden
Vater, wird bei Paulus wieder ein Rachegott, der mit Blut besänftigt werden muss.
Die Erlösung durch das Blut Christi beim Apostel Paulus steht so in krassem
Gegensatz zur Verkündigung Jesu."

Kubitza, Der Jesuswahn


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und da dies breiter Konsens in der Forschung ist, liefert die gesamte Forschung nur Scheinlösungen.
Methodisch sind es echte Lösungen, theologisch sind es in der Tat Schein-Lösungen. - Dein Ansatz geht dann, wenn man Jesus als Nur-Mensch setzt (was die HKM ja vorab methodisch tut) - DANN sind es keine Scheinlösungen.
Man kommt nicht dran vorbei: der historische Jesus ist ein völlig andere Gestalt als der legendenhafte, mythologisierte Jesus der Kirche.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Merkst du jetzt, wie Dunning Kruger auf dich zurückfällt?
Mein Dunning-Kruger-Vorwurf bezieht sich auf die ideologische Einschnürung der Haltung, die Du vertrittst - das wollte ich nur mal gesagt haben. - Dass Du es jetzt routiniert umdrehst, ist zu erwarten.
Ich bin es jedefalls nicht, der meint, klüger zu sein als die Gesamtheit der Forschung. Das wäre anmaßend.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Manchmal kommt man aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus.
Auch das ist naheliegend: Du stehst vor der (geistig-spirituellen) Theologie wie ein Elefant vor einem nackten Mann und fragts Dich, wie sich dieser Mann mit einem so kurzen Rüssel ernähren kann. - Und dann kommt man mit seiner Elephanten-Hermeneutik natürlich ins Kopfschütteln.
Das Problem: Deine Elephanten-Hermeneutik beinhaltet, dass sie die einzig wahre ist. - Statt einfach defensiv zu sagen "Wir sind halt Elephanten". - Aber jetzt sind wir original bei Dunning-Kruger: Die eigene Nabelschau als Maßstab zu verstehen und nicht über den Nabelrand hinausschauen können..
Bei Dunning Kruger geht es nicht um Elefantenrüssel, sondern darum, dass Laien sich einbilden, mehr zu wissen als die Fachleute. Findest du dich darin wieder?

closs hat geschrieben: Und da ist "Euch" die (Ratzinger-)Theologie wirklich voraus, weil sie sich vorab dazu bekennt, dass sie um ihre Hermeneutik weiß: "Es gibt viele Hermeneutiken - diese ... ist unser Maßstab". - Sie sagt NICHT: "Alles außer uns ist unredlich". - Eben weil sie NICHT dem Dunning-Kruger-Effekt ausgeliefert ist.
Entweder ist man Wissenschaftler oder Glaubensdogmatiker. Beides zusammen geht nicht. Ratzinger hat sich für die Glaubensdogmatik entschieden.
Warum fällt dir der Glaubensentscheid so schwer, bzw. warum ist dir der Wissenschafts-TÜV Stempel so wichtig?
Den gibt es nämlich nicht zum Nulltarif. Jeder in der Forschung Arbeitende weiß das.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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closs
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#139 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Sa 13. Mai 2017, 13:38

sven23 hat geschrieben:Theologie beschäftigt sich mit nicht falsifizierbaren Behauptungen
Die Grundlage der Theologie ist "Gott", der nicht falsifizierbar ist - richtig.

sven23 hat geschrieben:Die da wäre?
Die SChöpfung ist ein dialektischer Raum, der unheil ist (die Theologie sagt dasselbe mit: "Der Fall betrifft auch die Natur").

sven23 hat geschrieben:Man wechselt nicht mal eben so seine Hermeneutiken wie die Unterhosen.
Man kann sich ja selber für eine bestimmte Hermeneutik entscheiden - aber das heißt doch nicht, dass man andere Hermeneutiken nicht verstehen darf.

sven23 hat geschrieben:Wenn du mit Lindemann einer Meinung bist, dass es egal ist, ob Jesus sich in puncto Naherwartung geirrt hat
Das habe ich nicht gesagt - ich würde allenfalls unterschreiben, dass es egal ist, zu welchem Ergebnis die HKM kommt.

sven23 hat geschrieben:warum regst du dich dann so über die Forschungsergebnisse auf?
Nicht über die Ergebnisse, sondern über die Art und Weise, wie diese HKM-Ergebnisse vertreten werden: Als wären sie mehr als methodische System-Ergebnisse.

sven23 hat geschrieben:Ich bin es nicht, der ständig die Forschungsergebnisse leugnet
Doch - Du leugnest ständig die wissenschaftlichen Ergebnisse der Theologie. - Das tue ich bei der HKM NICHT, weil ich sie kenne und deshalb verstehe, warum sie zu ihren Ergebnissen kommt.

sven23 hat geschrieben:Oder hast du immer noch nicht verstanden, was Königsherrschaft im Kontext des jüdischen Glaubens bedeutet? Ich habe fast den Verdacht, und das nach 26000 Beiträgen. Unfassbar
Wenn hier etwas unfassbar ist, ist es die Tatsache, dass es auch so langer Zeit nicht gelingt, auf intellektuellem Wege zu vermitteln, dass Volks-Glaube der Juden und Intention von Jesus zwei unterschiedliche Sachen sind. - Du schließt nach wie vor aus dem jüdischen Glauben, dass Jesus con variazione denselben Glauben hatte - das ist aus meiner Sicht unfassbar. - Als würde die Theologie durchgehend aus Blödmännern bestehen.

sven23 hat geschrieben:Aber etwas völlig anderes als religiöse Glaubensbekenntnisse, die auf Willkür und Beliebigkeit aufbauen.
Richtig - aber genau das stellt sich im hermeneutischen Prozess heraus. - Wenn jemand seine Untersuchungen basiert auf "Sven ist der Herrscher von Himmel und Erde" fällt eine solche Hermeneutik nach kürzester Zeit in sich zusammen.

sven23 hat geschrieben:Nee, das ist selbstverständlicher Konsens in der historischen Forschung.
Naja - das ist doch mein Vorwurf - diese mangelnde Distanz zum eigenen System. - Die HKM hat einen Konsens, dass nur HKM "Forschung" ist und deren Ergebnisse qualitativ über theologischen Ergebnissen stehen - mehr Inzucht geht wohl nicht, oder?

sven23 hat geschrieben:Meine Aussage war, dass er als Wanderprediger und Apokalyptiker keine Ausnahme war. Das ist Stand der Forschung, Punkt.
Er hat die Ströme der Zeit aufgenommen und sie neu interpretiert (Vollendung des AT) - das ist auch Stand der theologischen Forschung - wobei das gar nichts Neues ist. - Nur wird Jesus theologisch nicht nur " als Wanderprediger und Apokalyptiker" verstanden, sondern auch und vor allem als "Sohn Gottes" (wofür auch immer diese Chiffre steht).

sven23 hat geschrieben:Die Forschung hat ein sehr differenziertes Bild des historischen Jesus entworfen, der im Kontext des jüdischen Glaubens verstanden werden muss. Alles andere sind nachträgliche, christlich-paulinische Kontaminationen.
Immer wieder das General-Problem:
"Wir untersuchen die Bibel nach unseren methodischen Regeln - leiten davon ab, was Jesus historisch ist - und bezeichnen alles andere als Kontamination, weil es im Widerspruch zu unserer Methodik steht."

Da ist kein Hauch von Selbstkritik ("Was kann unsere Methodik, was nicht?") oder das Bedürfnis nach über-methodischem Denken ("Zu welchem Ergebnis würden wir kommen, wenn wir aus Sicht anderer Hermeneutiken forschen würden?") - da ist pures ideologisches Ein-Igeln. - Die Theologie hat längst die HKM-Hermeneutik verstanden und weiß sie einzuordnen - auch Theißen scheint es zu können, WENN man sein Vorwort konsequent liest - aber es scheint immer noch eine mächtige Fraktion innerhalb der HKM zu geben, die dies nicht für nötig hält. - Man fängt erst dann an zu denken, wo das eigene System greift, enthält sich jeglicher tieferer Gedanken - und meint dann auch noch, auf dieser Basis (in der Dental-Chirurgie nennt man das: "Wurzel-Resektion") eine große Lippe riskieren zu können. - Und dann sind wir wirklich wieder bei Dunning-Kruger.

sven23 hat geschrieben:der historische Jesus ist ein völlig andere Gestalt als der legendenhafte, mythologisierte Jesus der Kirche.
Stimmt. :D - Es geht der Theologie nicht um Legenden, sondern um den wirklichen Jesus.

sven23 hat geschrieben:Bei Dunning Kruger geht es nicht um Elefantenrüssel, sondern darum, dass Laien sich einbilden, mehr zu wissen als die Fachleute. Findest du dich darin wieder?
Nein - weil ich deren Ergebnissen INNERHALB ihrer Hermeneutik nicht widerspreche. - "Dunning-Kruger" ist, wenn man um seine Hermeneutik Scheuklappen baut und dann aus dieser partiellen Blindheit eine große Lippe riskiert ("Super - alle Probleme weg. - Jetzt kann ich angreifen").

Und genau das entspricht NICHT meiner Haltung - ich verstehe BEIDE Hermeneutiken: Was kommt zum wirklichen/historischen Jesus raus
a) wenn man ihn säkular als Wanderprediger und sonst nichts versteht.
b) wenn man geistig als "göttlich" versteht.
Beide Varianten sind historisch möglich und vor allem nicht falsifizierbar.

sven23 hat geschrieben:Entweder ist man Wissenschaftler oder Glaubensdogmatiker.
Du vertrittst auf überzeugende Weise diejenigen, die beides in Personalunion vereinen - weit mehr als Theologen, die wenigstens zugeben, dass sie eine dogmatische Hermeneutik ("Jesus ist göttlich") haben - DU gibst Deine Dogmatik NICHT zu. - Das verschärft die Sache.

sven23 hat geschrieben:Warum fällt dir der Glaubensentscheid so schwer, bzw. warum ist dir der Wissenschafts-TÜV Stempel so wichtig?
Dieser Satz zeigt, dass Du auch nach vielen Tausenden Posts die Grundlagen immer noch nicht verstanden hast:

1) Der Glaubensentscheid = das Bekenntnis zur eigenen Hermeneutik und die Konsequenzen daraus DARF keinem intellektuell Anspruchsvollen schwer fallen - der Theologie fällt er NICHT schwer.
2) Die Theologie hat nicht das geringste Interesse, von Hinz oder Kunz einen TÜV-Stempel zu bekommen. - Es geht vielmehr darum, wie man rein sachlich auf Ebene der Wissenschafts-Theorie "Wissenschaft" definiert: Nur kritisch-rational im Sinne der Naturwissenschaft oder so, dass auch Geisteswissenschaften "Wissenschaft" genannt werden können. - Das ist eine reine Verfahrensfrage, die inhaltlich nichts ändert.

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#140 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Sa 13. Mai 2017, 15:10

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Theologie beschäftigt sich mit nicht falsifizierbaren Behauptungen
Die Grundlage der Theologie ist "Gott", der nicht falsifizierbar ist - richtig.
Und deshalb kann Theologie als Ganzes keine Wissenschaft sein.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die da wäre?
Die SChöpfung ist ein dialektischer Raum, der unheil ist (die Theologie sagt dasselbe mit: "Der Fall betrifft auch die Natur").
Das liegt aber am negativen, destruktiven Weltbild, das Paulus dem Christentum mitgegeben hat.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man wechselt nicht mal eben so seine Hermeneutiken wie die Unterhosen.
Man kann sich ja selber für eine bestimmte Hermeneutik entscheiden - aber das heißt doch nicht, dass man andere Hermeneutiken nicht verstehen darf.
Nein, in der historischen Forschung hat man keine Entscheidungsfreiheit über beliebige Hermeneutiken. In der Esoterik darfst du glauben, was du willst. Aber dann bitte ohne TÜV Stempel.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn du mit Lindemann einer Meinung bist, dass es egal ist, ob Jesus sich in puncto Naherwartung geirrt hat
Das habe ich nicht gesagt - ich würde allenfalls unterschreiben, dass es egal ist, zu welchem Ergebnis die HKM kommt.
Das ist der ideologisch motivierte Versuch, die historische Jesusforschung zu marginalisieren. Lindemann ist wenigstens so ehrlich, die Ergebniss nicht abzustreiten. Was er daraus macht, ist wieder eine andere Sache.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:warum regst du dich dann so über die Forschungsergebnisse auf?
Nicht über die Ergebnisse, sondern über die Art und Weise, wie diese HKM-Ergebnisse vertreten werden: Als wären sie mehr als methodische System-Ergebnisse.
Du könntest Historikern genauso gut vorhalten, Napoleon habe Russland nur aus methodische System-Ergebnissen angegriffen. In Wahrheit sei das überhaupt nicht passiert. :lol:
Bemerkst du die Unsinnigkeit deiner ideologischen Beschränkungen?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich bin es nicht, der ständig die Forschungsergebnisse leugnet
Doch - Du leugnest ständig die wissenschaftlichen Ergebnisse der Theologie. - Das tue ich bei der HKM NICHT, weil ich sie kenne und deshalb verstehe, warum sie zu ihren Ergebnissen kommt.
In der historischen Jesusforschung gibt es nur eine Orientierungsgröße, das ist die historisch-kritische. Glaubensbekenntnisse, heilige Geister und Dogmen interessieren in der historischen Forschung nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Oder hast du immer noch nicht verstanden, was Königsherrschaft im Kontext des jüdischen Glaubens bedeutet? Ich habe fast den Verdacht, und das nach 26000 Beiträgen. Unfassbar
Wenn hier etwas unfassbar ist, ist es die Tatsache, dass es auch so langer Zeit nicht gelingt, auf intellektuellem Wege zu vermitteln, dass Volks-Glaube der Juden und Intention von Jesus zwei unterschiedliche Sachen sind. - Du schließt nach wie vor aus dem jüdischen Glauben, dass Jesus con variazione denselben Glauben hatte - das ist aus meiner Sicht unfassbar. - Als würde die Theologie durchgehend aus Blödmännern bestehen.
Theißen und Co sind keine Blödmänner. Deshalb kann er doch mit Fug und Recht sagen:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Aber etwas völlig anderes als religiöse Glaubensbekenntnisse, die auf Willkür und Beliebigkeit aufbauen.
Richtig - aber genau das stellt sich im hermeneutischen Prozess heraus. - Wenn jemand seine Untersuchungen basiert auf "Sven ist der Herrscher von Himmel und Erde" fällt eine solche Hermeneutik nach kürzester Zeit in sich zusammen.
Warum? Beweise mal das Gegenteil. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nee, das ist selbstverständlicher Konsens in der historischen Forschung.
Naja - das ist doch mein Vorwurf - diese mangelnde Distanz zum eigenen System. - Die HKM hat einen Konsens, dass nur HKM "Forschung" ist und deren Ergebnisse qualitativ über theologischen Ergebnissen stehen - mehr Inzucht geht wohl nicht, oder?
Methodisch sauberes Arbeiten ist Vorrausetzung für jegliche wissenschafliche Arbeit. Geistige Inzucht besteht dann, wenn man das beweisen will, was man vorausgesetzt hat. (Zirkelschluss)

Die Bibel ist Gottes Wort, denn es steht geschrieben „alle Schrift ist von Gott eingegeben“.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Meine Aussage war, dass er als Wanderprediger und Apokalyptiker keine Ausnahme war. Das ist Stand der Forschung, Punkt.
Er hat die Ströme der Zeit aufgenommen und sie neu interpretiert (Vollendung des AT) - das ist auch Stand der theologischen Forschung - wobei das gar nichts Neues ist. - Nur wird Jesus theologisch nicht nur " als Wanderprediger und Apokalyptiker" verstanden, sondern auch und vor allem als "Sohn Gottes" (wofür auch immer diese Chiffre steht).
Logisch, wenn das Kerngeschäft der Theologie in der posthumen Vergottung des Wanderpredigers bestand. :roll:
Auch hier gibt es einen weitgehenden Konsens in der Forschung, dass Jesus für sich selbst keine christologischen Hoheitstitel beansprucht hat. Diese sind ihm nachträglich "beilegt" worden. Sohn Gottes ist übrigens ein religiöser Ehrentitel, der häufig auch für weltliche Herrscher verwendet wurde.

Im Judentum bezeichnet er das Volk Israel, Könige Israels und einzelne gerechte Israeliten.
Quelle: Wikipedia

Anders war die Sache für die Heidenchristen, die wenn überhaupt nur lockere
Verbindungen mit den jüdischen Gemeinden hatten (als sogenannte Gottesfürchtige oder
Proselyten). Hier war oft nur wenig Interesse am jüdischen Gesetz vorhanden, man bezog
sich ganz auf Jesus und hätte auf die alten Schriften der Juden vielleicht ganz verzichten
können. Dafür wurde hier Jesus aber nicht mehr als Messias verstanden, sondern mit
hellenistischen Bezeichnungen belegt. Hier wurde Jesus zum Sohn Gottes. Mit der,
positiv gesprochen, relativ großen weltanschaulichen Offenheit der Heidenchristen, mit
deren, negativ gesprochen, Anfälligkeit für Synkretismus kamen viele Gedanken,
Legenden, theologische Sätze und Vorstellungen in das junge Christentum hinein, die
diesem ursprünglich fremd waren. Die heidenchristlichen Gemeinden verdrängten jedoch
bald die judenchristlichen Anfänge und spielten bei der Ausbildung einer frühchristlichen
Theologie und Dogmatik die erste Geige. Man war nicht zimperlich mit der Übernahme
von allerlei Traditionsgut aus anderen Religionen, aus antiken Kulten und
Mysterienreligionen, aus Volksgut und teilweise auch aus der Philosophie, vor allem der
Stoa und dem Neuplatonismus. Ganz kräftig hat man sich aber auch bei der Gnosis
bedient.

Kubitza, Der Jesuswahn

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung hat ein sehr differenziertes Bild des historischen Jesus entworfen, der im Kontext des jüdischen Glaubens verstanden werden muss. Alles andere sind nachträgliche, christlich-paulinische Kontaminationen.
Immer wieder das General-Problem:
"Wir untersuchen die Bibel nach unseren methodischen Regeln - leiten davon ab, was Jesus historisch ist - und bezeichnen alles andere als Kontamination, weil es im Widerspruch zu unserer Methodik steht."
Falsch, es steht nicht im Widerspruch zur Methodik, sondern ist Ergebnis der methodischen Untersuchung, und nicht erst seit Theißen.

"Jesus selbst aber hatte keine Erlösungslehre und brauchte auch keine. Gottes
Vergebung ist ein Geschenk an alle Israeliten, die zur Umkehr bereit sind. Vergib uns
unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern, lässt er seine Jünger beten,
und es besteht kein Zweifel, dass er der Meinung war, dass diese Vergebung auch gewährt
wird. So gesehen war die Verkündigung Jesu ein wirkliches Evangelium für die
Menschen, während das finstere Gesetz von Schuld und Tod das paulinische Denken
bestimmt. An dieser Stelle leuchtet im Handeln Jesu ein kurzer Moment von
wegweisender Humanität auf, hier wächst er tatsächlich über seine Zeit hinaus. Paulus
dagegen kann sich aus seinen legalistischen Fesseln nicht befreien, so sehr er auch gegen
das Gesetz als solches predigt. Aus dem menschenfreundlichen Gott, dem liebenden
Vater, wird bei Paulus wieder ein Rachegott, der mit Blut besänftigt werden muss.
Die Erlösung durch das Blut Christi beim Apostel Paulus steht so in krassem
Gegensatz zur Verkündigung Jesu."

Kubitza, Der Jesuswahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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