Pluto hat geschrieben:Wissenschaft ist ergebnisoffen, WEIL nichts gesetzt wird.
"WISSENSCHAFT" ist selbstverständlich ergebnisoffen - das ist sie in der Theologie genauso. - Aber die Hermeneutik, auf der Wissenschaft aufgesetzt ist, ist nicht ergebnisoffen. - Verstehst Du?
Nochmals konkret:
Wissenschaft auf der Basis, entweder Jesus als göttlich oder Jesus als Nur-Mensch zu betreiben, führt zu unterschiedlichen exegetischen Ergebnissen - bei gleichem Text. - Das heisst: Die Wissenschaft ist ein beiden Fällen im Rahmen ihres hermeneutischen Rahmens ergebnisoffen. - Umgekehrt: Christliche Hermeneutik kann nie zum Ergebnis kommen, dass Jesus nur Mensch ist - säkulare HKM kann nie zum Ergebnis kommen, dass Jesus göttlich ist.
Wissenschaft ist in beiden Fällen NICHT dazu da, nicht-falsifizierbare Setzungen nachzuweisen (Jesus ist Nur-Menschversus Jesus ist göttlich) - weil genau das nicht geht. - Wissenschaft ist in beiden dazu da, unter Einhaltung wissenschaftlicher Regeln zu klären: "Wie wäre die Bibel auszulegen, wenn unsere Setzung "Jesus ist Nur-Mensch/Jesus ist göttlich" wahr wäre.
Verstehst Du?
Pluto hat geschrieben:Seit wann sind für die Interpretation von Forschungsergebnissen, Setzungen notwendig?
Das sind keine Forschungsergebnisse, wie Du sie aus der Naturwissenschaft kennst - in der Geisteswissenschaft hat das einen ganz anderen Charakter.
Pluto hat geschrieben:Hermeneutik benötigt IMMER Setzungen. Vielleicht bist du in der Wissenschaft einfach nicht so bewandert.
Offensichtlich immer noch zuviel, um hier nicht widersprechen zu müssen - konkret:
1) Hermeneutik benötigt immer Setzungen - richtig. - Aber auch die HKM IST eine Hermeneutik, wenn sie interpretiert.
2) Wissenschaft selber braucht über ihre Methodik hinaus keine Setzungen - sie braucht Regeln, durch die sie definiert ist und denen sie folgt.
Pluto hat geschrieben:Ich ignoriere nicht die Möglichkeit, dass ein Tintenfisch tatsächlich eine Seele hat; ich lasse die Frage offen.
Das geht gut, solange Du nicht das Seelenleben des Tintenfischs selber interpretierst - konkret:
Wenn Du Tintenfische wissenschaftlich rein sachlich untersuchst ("GIbt es seit dann und dann"/"Kommt in folgenden Meeren vor/etc) kannst Du die Frage nach der Seele offen lassen. - Wenn es aber um die Tintenfisch-Seele geht UND Du Dich darüber wissenschaftlich äußerst, muss Du zu erkennen geben:
1) Entweder: Ich interpretiere den Tintenfisch, als hätte er eine Seele.
2) Oder: Ich interpretiere den Tintenfisch, als hätte er keine Seele.
Con variazione ist das dasselbe bei der HKM: Sobald sie in geistige Bereiche hinein-interpretiert, muss sie sagen, unter welcher Prämisse sie interpretiert: "Gott als Nur-Mensch" oder "Jesus als göttlich". - NAtürlich tut es unter "Gott ist Nur-Mensch" - aber das ist eben eine Prämisse/Setzung/Hermeneutik.
Kurz: Entweder reine Sach-Exegese ohne Hermeneutik ("Tintenfische gibt es im Indischen Ozean seit ...") oder interpretative Exegese mit Hermeneutik ("Wir stellen der Glaubensentscheidung christlicher Hermeneutik eine andere Glaubensentscheidung der säkularen Hermeneutik entgegen"). - Aber man kann eben nicht beides GLEICHZEITIG machen: "Wir arbeiten mit Prämissen, tun aber gleichzeitig so, als würde uns das nicht interessieren".
Pluto hat geschrieben:Warum muss man einen Glaubensentscheid überhaupt zu Anfang treffen?
Weil man ohne Glaubensentscheid (egal ob christlich oder säkular) die Bibel nicht interpretieren kann - außer rein technisch-sachlich (="Tintenfische/Indischer Ozean").