Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

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Pluto
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#791 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von Pluto » Sa 8. Apr 2017, 12:16

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was denn sonst?
Das göttliche Wesen Jesu ist VORAUSSETZUNG und nicht Ziel in der christlichen Hermeneutik - bei der säkularen Hermeneutik ist das nur-menschliche Wesen Jesus die hermeneutische Voraussetzung.
Und warum setzt man das voraus?

closs hat geschrieben:ZIEL ist es, auf dieser jeweiligen Basis Jesus und die Bibel zu verstehen.
Auch das AT?
Das glaube ich nicht!

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wenn ich dich richtig verstehe, ist die Göttlichkeit Jesus' sowohl apriori Setzung als auch Ziel von Ratzingers Hermeneutik, was natürlich in einen klassischen Zirkelschluss mündet.
S.o.: Bei der HKM ist es doch EXAKT dasselbe - nur unter anderen hermeneutischen Bedingungen.
Nein. Bei der HKM wird überhaupt NICHTS vorausgesetzt, was nicht historisch (empirisch) bestätigt werden kann.

closs hat geschrieben:Das ist genau das Problem: Ihr werft Ratzinger "Zirkelreferenz" vor und vertretet gleichzeitig eine Disziplin, die exakt dasselbe macht
Was denn?
closs hat geschrieben:wobei man hier wieder differenzieren müsste, was eigentlich "Zirkelreferenz" ist.
Zirkelreferente Forschung, ist wenn man das a priori setzt, was am Ende herauskommt.
Beispiel: Man setzt die Göttlichkeit Jesus' voraus, und — welch' Wunder — es kommt die Bestätigung heraus. :roll:

closs hat geschrieben:Bei der HKM ist der methodische Glaubensentscheid: Wir sehen die Realität ausschließlich auf den Feldern, die wir kritisch-rational verwursteln können - konkret: "Jesus kann methodisch nicht göttlich sein".
Wie so oft ist das ein Irrglaube!
Natürlich kann Jesus göttlich sein. Allerdings ist das eine reine Behauptung die am Konzil von Nicäa erstmals geprägt wurde. Also kann diese Behauptung unmöglich biblisch sein.

Die Bibel sollte man auch ohne Annahmen interpretieren können. Wenn irgendwelche Setzungen notwendig sind, so ist das Zeichen einer inneren Schwäche der Setzungen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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sven23
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#792 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von sven23 » Sa 8. Apr 2017, 13:55

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Da muss man sagen, dass diese Erkenntnis nicht Folge einer Setzung ist, sondern sich quasi aus den Forschungsergebnissen unweigerlich aufdrängt.
Da machst Du Dich zum Opfer nicht erkannter Zirkel-Referenz. - Das ist genau das Problem: Ihr werft Ratzinger "Zirkelreferenz" vor und vertretet gleichzeitig eine Disziplin, die exakt dasselbe macht - wobei man hier wieder differenzieren müsste, was eigentlich "Zirkelreferenz" ist.
Wenn man das, was man beweisen will, als schon gegeben vorraussetzt.
Oder so etwas:
Die Bibel ist Gottes Wort, denn es steht geschrieben „alle Schrift ist von Gott eingegeben“.
Quelle: Wikipedia

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der hermeneutische Ansatz ist die Vergottung des Wanderpredigers.
Nicht GANZ richtig: Der hermeneutische Ansatz ist der "Glaubensentscheid": "Wir halten Jesus für göttlich" (nicht "Vergottung" - wir reden nicht über einen Prozess). - Bei der HKM ist der methodische Glaubensentscheid: Wir sehen die Realität ausschließlich auf den Feldern, die wir kritisch-rational verwursteln können - konkret: "Jesus kann methodisch nicht göttlich sein".
Solche "Glaubensentscheide" erwähnt z. B. Theißen in seinem Jesusbuch überhaupt nicht. Vorraussetzung zur ergebnisoffenen Untersuchung der Texte ist die historisch-kritische Methode. Arbeitsgrundlage sind die Texte und keine Wunschbilder, die Hermeneutiker in die Texte hineinprojizieren. Es ist schon mühsam genug, die Rezeptionsschichten in den damaligen Texten freizulegen, wir brauchen nicht noch zusätzliche.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Hauptsache, man erkennt, dass es maximal der Placeboeffekt ist, wenn nicht andere Koinzidenzen mitspielen.
Ein Betroffener qualifiziert es gar nicht - er sagt: "Dort funktioniert es, woanders nicht - also gehe ich dort wieder hin". - Dabei spielt es keine Rolle, ob es Schnupfen oder Neurodermitis ist. - Und wenn die Placebo-Wirkung bei solchen und anderen Sachen mehr wirkt als alles andere, dann ist es den Betroffenen wirklich egal.
Es wirkt ja nicht mehr als andere, sondern bleibt auf Placebo-Niveau. Es ist also kein Unterschied, ob man Zuckerkügelchen oder ein Placebo einnimmt, die "Wirkung" ist die gleiche.

closs hat geschrieben: - Davon lebt die HP-Branche.
Die Branche lebt vor allem vom Glauben an eine Wirkung.
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#793 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von closs » Sa 8. Apr 2017, 17:06

Pluto hat geschrieben:Und warum setzt man das voraus?
Weil es der hermeneutische Ansatz ist: "Wie ist die Bibel zu verstehen, wenn Jesus göttlich ist". - Die HKM dagegen setzt methodisch und somit hermeneutisch voraus: "Wie ist die Bibel zu verstehen, wenn Jesus nichts als ein Wanderprediger war".

Pluto hat geschrieben:Auch das AT? Das glaube ich nicht!
Doch - man kann das AT heilsgeschichtlich aus Sicht des NT verstehen. - Natürlich sollte man das AT genauso aus sich selbst heraus verstehen - aber irgendwann bleibt die Vogelschau auf "AT und NT im Kontext" (= kanonisch) nicht aus.

Pluto hat geschrieben:Nein. Bei der HKM wird überhaupt NICHTS vorausgesetzt, was nicht historisch (empirisch) bestätigt werden kann.
Das ist glatt falsch. - Die Aussage "Jesus hatte eine Naherwartung" ist eine spekulative Aussage auf Basis von Text-Indizien, die hermeneutisch im Sinne der HKM ausgelegt werden. - Das hat nichts mit sicherer "Historie" oder gar mit "Empirie" zu tun.

Pluto hat geschrieben:Was denn?
Eine HKM-Hermeneutik, die nur so interpretieren kann, dass am Ende Jesus nichts anderes als nur ein Wanderprediger sein kann - selbst wenn er wirklich/historisch göttlich wäre.

Pluto hat geschrieben:Zirkelreferente Forschung, ist wenn man das a priori setzt, was am Ende herauskommt.
Sehe ich tatsächlich NICHT so eng - denn die HKM bringt ja viele Sach-Informationen, die innerhalb ihres hermeneutischen Korridors ergebnisoffen ermittelt wurden - dasselbe gilt auch für anderes Exegese-Arten. - Philosophisch wäre die Frage, ob nicht JEDE hermeneutische Wissenschaft (und dazu gehört eben die HKM AUCH) letztlich zirkelreferent ist.

Aber wie gesagt: Ich sehe das NICHT so eng - aus meiner Sicht sollte man "Zirkelreferenz" nur bei argumentativen Stockfehlern benutzen (und nicht im Sinne einer "philosophischen Zirkelreferenz" wie oben erläutert).

Pluto hat geschrieben:Beispiel: Man setzt die Göttlichkeit Jesus' voraus, und — welch' Wunder — es kommt die Bestätigung heraus.
Beispiel: Man setzt die die Nur-Menschlichkeit Jesus' voraus, und — welch' Wunder — es kommt die Bestätigung heraus - das ist exakt dasselbe bei der HKM. - Was müsste aus Deiner Sicht passieren, dass die HKM zum Ergebnis kommt, dass Jesus Gott war????

Pluto hat geschrieben:Natürlich kann Jesus göttlich sein. Allerdings ist das eine reine Behauptung die am Konzil von Nicäa erstmals geprägt wurde. Also kann diese Behauptung unmöglich biblisch sein.
SO platt arbeiten Geisteswissenschaft/Theologien wirklich nicht.

Pluto hat geschrieben:Die Bibel sollte man auch ohne Annahmen interpretieren können.
Geht nicht - Ratzinger kann es nicht, die HKM kann es nicht, niemand kann es. - In der Geisteswissenschaft geht es nicht ohne hermeneutische Ausgangspunkte (die allerdings revidierbar sind - siehe "Hermeneutischer Zirkel").

sven23 hat geschrieben:Oder so etwas: Die Bibel ist Gottes Wort, denn es steht geschrieben „alle Schrift ist von Gott eingegeben“.
DAS ist ein gutes Beispiel für echte Zirkelreferenz - das ist ein argumentativer Stockfehler. - Aber das hat nichts mit hermeneutischen Ausgangspunkten, egal ob sie unmittelbar glaubensmäßig oder methodisch definiert sind, zu tun - das sollte man nicht auf EINE Stufe stellen.

sven23 hat geschrieben:Solche "Glaubensentscheide" erwähnt z. B. Theißen in seinem Jesusbuch überhaupt nicht.
Vermutlich, weil er die Kenntnis des Kritischen Rationalismus und dessen Bedingungen voraussetzt.

sven23 hat geschrieben: Vorraussetzung zur ergebnisoffenen Untersuchung der Texte ist die historisch-kritische Methode.
Aber doch nur INNERHALB des hermeneutisch vorgegebenen Korridors - auch an Dich: Die HKM KÖNNTE nicht zum Ergebnis kommen, dass Jesus göttlich ist, selbst wenn er es historisch wäre.

sven23 hat geschrieben:Es wirkt ja nicht mehr als andere, sondern bleibt auf Placebo-Niveau.
Das wiederum würden Betroffene anders sehen - trotzdem kann es Placebo-Wirkung sein.

sven23 hat geschrieben:Die Branche lebt vor allem vom Glauben an eine Wirkung.
Kann ich nicht falsifizieren - solange es mehr bringt als andere medizinische Versuche, ist das den Betroffenen wurscht.

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#794 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von Pluto » Sa 8. Apr 2017, 17:55

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Und warum setzt man das voraus?
Weil es der hermeneutische Ansatz ist: "Wie ist die Bibel zu verstehen, wenn Jesus göttlich ist". - Die HKM dagegen setzt methodisch und somit hermeneutisch voraus: "Wie ist die Bibel zu verstehen, wenn Jesus nichts als ein Wanderprediger war".
Dann hast du die HKM nicht verstanden. Denn die HKM geht wissenschaftlich vor, d.h. sie setzt NICHTS. Das ist auch der einzige Weg, um der nicht zzu Selbsttäuschung führt.

closs hat geschrieben:man kann das AT heilsgeschichtlich aus Sicht des NT verstehen. - Natürlich sollte man das AT genauso aus sich selbst heraus verstehen - aber irgendwann bleibt die Vogelschau auf "AT und NT im Kontext" (= kanonisch) nicht aus.
Versuche das mal einem Juden klar zu machen, der das NT nicht anerkennt.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nein. Bei der HKM wird überhaupt NICHTS vorausgesetzt, was nicht historisch (empirisch) bestätigt werden kann.
Das ist glatt falsch.
Unbegründete Behauptung!
Warum ist das falsch?

closs hat geschrieben:Die Aussage "Jesus hatte eine Naherwartung" ist eine spekulative Aussage auf Basis von Text-Indizien, die hermeneutisch im Sinne der HKM ausgelegt werden. - Das hat nichts mit sicherer "Historie" oder gar mit "Empirie" zu tun.
Sondern?
Ich verstehe deinen Standpunkt überhaupt nicht, zumal der Text der Evangelien eindeutig ist.

closs hat geschrieben:Eine HKM-Hermeneutik, die nur so interpretieren kann, dass am Ende Jesus nichts anderes als nur ein Wanderprediger sein kann
Wo ist das Problem, wenn das dabei raus kommt?

closs hat geschrieben:- selbst wenn er wirklich/historisch göttlich wäre.
Ich habe etwas gegen Setzungen jeder Art in einer wissenschaftlichen Untersuchung.
Man sollte die Frage nach Jesus' Götttlichkeit nicht a priori setzen, sondern offen lassen. Wenn das heraus kommt, habe ich nichts dagegen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Zirkelreferente Forschung, ist wenn man das a priori setzt, was am Ende herauskommt.
Sehe ich tatsächlich NICHT so eng - denn die HKM bringt ja viele Sach-Informationen, die innerhalb ihres hermeneutischen Korridors ergebnisoffen ermittelt wurden - dasselbe gilt auch für anderes Exegese-Arten. - Philosophisch wäre die Frage, ob nicht JEDE hermeneutische Wissenschaft (und dazu gehört eben die HKM AUCH) letztlich zirkelreferent ist.
Eine Exegese-Art die von vorn herein etwas setzt ist aus Sicht der intellektuellen Redlichkeit suspekt. Wenn sie dies trotzdem tut, sehe ich nicht, wie man sie wissenschaftlich nennen kann.

closs hat geschrieben:Beispiel: Man setzt die die Nur-Menschlichkeit Jesus' voraus, und — welch' Wunder — es kommt die Bestätigung heraus
Wer tut denn so was? :shock:

closs hat geschrieben:das ist exakt dasselbe bei der HKM. - Was müsste aus Deiner Sicht passieren, dass die HKM zum Ergebnis kommt, dass Jesus Gott war????
Jede Setzung führt ein Element der Willkür ein.
Also, einfach ganz frei von Setzungen die Bibel lesen und interpretieren. Was dabei heraus kommt, wird man sehen.
Fürchtest du dich denn, dass dabei am Ende ein Ergebnis heraus kommen könnte, was dir missfällt?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Natürlich kann Jesus göttlich sein. Allerdings ist das eine reine Behauptung die am Konzil von Nicäa erstmals geprägt wurde. Also kann diese Behauptung unmöglich biblisch sein.
SO platt arbeiten Geisteswissenschaft/Theologien wirklich nicht.
Eben. Sie haben das Gefühl irgendwie müssten sie was setzen. Das tun wahre Wissenschaftler nicht.

closs hat geschrieben:Die Bibel sollte man auch ohne Annahmen interpretieren können.
Geht nicht - Ratzinger kann es nicht, die HKM kann es nicht, niemand kann es.[/quote] Wieso geht das nicht? Die HKM tut dies übrigens mit großem Erfolg!

closs hat geschrieben:In der Geisteswissenschaft geht es nicht ohne hermeneutische Ausgangspunkte (die allerdings revidierbar sind - siehe "Hermeneutischer Zirkel").
Wenn das tatsächlich so ist, dann bestätigen sich meine schlimmsten Befürchtungen, dass die kanonische Theologie unwissenschaftlich ist.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es wirkt ja nicht mehr als andere, sondern bleibt auf Placebo-Niveau.
Das wiederum würden Betroffene anders sehen - trotzdem kann es Placebo-Wirkung sein.
Das wäre aber unwissenschaftlich. Betroffene sollen ihre Meinung zur Wirkung äußern. Allerdings wissen sie in einer Doppelblind-Studie nicht ob sie ein homöopathisches Mittel oder etwas anderes bekommen haben.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#795 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von closs » Sa 8. Apr 2017, 18:54

Pluto hat geschrieben:Dann hast du die HKM nicht verstanden. Denn die HKM geht wissenschaftlich vor, d.h. sie setzt NICHTS.
WENN es so ist, darf sie nicht interpretieren. - Dann muss sie sich auf reine Sachaussagen beschränken.

Nehmen wir unser eingeführtes Beispiel:
Die Aussage "Jesus hatte eine Naherwartung" ist nur dann wissenschaftlich, wenn man dazu sagt: "Weil wir methodisch bedingt davon ausgehen müssen, dass Jesus nichts als ein Mensch war" - also mit dieser Einschränkung.

Davon abgesehen ist eine Methodik immer bereits eine Setzung oder - wenn man so will - hermeneutische Ausgangsbasis. - Denn Wissenschaft, so wie Du sie verstehst, ist immer kritisch-rational - das heisst: Sie kann nur das, was der Fall ist/sein könnte, erreichen, das intersubjektiv nachweisbar ist. - Genau das aber geht bei Gott NICHT - auch dann, wenn es ihn nicht gibt.

Es gibt also verschiedene Modelle, die möglich sind:
(1) Wissenschaft ist kritisch-rational und beschränkt sich im geisteswissenschaftlichen Bereich auf reine Sachaussagen ("Diese Quelle entstand zwischen 80 und 120 n.Chr."/"Goethe war um 1775 im Elsaß unterwegs"/etc)
(2) Wissenschaft ist kritisch-rational und kennzeichnet inhaltliche Interpretationen von Texten ausdrücklich mit "Das gilt nur im Rahmen unserer Methodik".
(3)Wissenschaft ist im geistes-wissenschaftlichen Bereich lediglich in seiner Argumentation kritisch-rational nachprüfbar, hat aber a priori einen hermeneutischen Ansatz ("Jesus ist nur Mensch"/"Jesus ist göttlich")

Version (3) ist in den Geisteswissenschaften gängig, weil sie ja interpretieren WILL - aber dann eben bitte mit offenem Visier ("Meine Hermeneutik ist folgende: ...") - genau das tut Ratzinger, genau das tun viele HKM-Vertreter NICHT.

In Version (1) wird die HKM zunehmend von der Theologie gesehen: Wertvoller Informations-Erbringer - aber: "Deren Hermeneutik interessiert uns nicht, weil wir unsere eigene haben".

Version (2) ist allein ein Problem der HKM: Sie muss erkennen, auf welcher Ebene sie Interpretationen erbringt.

Pluto hat geschrieben:Versuche das mal einem Juden klar zu machen, der das NT nicht anerkennt.
Er hat eine andere Hermeneutik - es gibt viele Hermeneutiken:
(a) "Jesus ist nicht göttlich UND Gott ist solange eine Wunschvorstellung des Menschen, solange er nicht kritisch-rational nachgewiesen ist" = HKM
(b) "Jesus ist nicht göttlich, aber ein Prophet - Gott selbst gibt es" = Judentum, Islam
(c) "Jesus ist göttlich" = Christtentum

Alle drei Positionen können ihre hermeneutischen Grundlagen, die selber NICHT falsifizierbar sind, kohärent begründen - ALLE drei betreiben dabei Wissenschaft - ALLE drei sind davon abhängig, wer Jesus WIRKLICH ist und ob es Gott gibt oder nicht - was aber eben nicht falsifizierbar ist.

Pluto hat geschrieben:Ich verstehe deinen Standpunkt überhaupt nicht, zumal der Text der Evangelien eindeutig ist.
Aus anderer Sicht sind dieselben Texte im Gesamt-Kontext andersrum eindeutig - es kommt auf die Parameter an, mit denen man sie untersucht. - Und die Parameter haben wieder etwas mit der Hermeneutik zu tun.

Pluto hat geschrieben:Wo ist das Problem, wenn das dabei raus kommt?
Das Problem dabei ist, dass dieses Ergebnis zirkelreferent ist zur Methodik der HKM.

Pluto hat geschrieben:Man sollte die Frage nach Jesus' Götttlichkeit nicht a priori setzen, sondern offen lassen. Wenn das heraus kommt, habe ich nichts dagegen.
Man KANN es nicht offen lassen und es KANN nicht herauskommen, weil es nicht falsifizierbar ist - wie gesagt: WÄRE Jesus historisch göttlich, könnte es die HKM NICHT herausfinden, weil dieser Fall kritisch-rational nicht möglich ist.

Pluto hat geschrieben:Eine Exegese-Art die von vorn herein etwas setzt ist aus Sicht der intellektuellen Redlichkeit suspekt. Wenn sie dies trotzdem tut, sehe ich nicht, wie man sie wissenschaftlich nennen kann.
Dann ist auch die HKM KEINE WIssenschaft - siehe oben die Fälle (a) - (c).

Pluto hat geschrieben:Wer tut denn so was?
Der kritische Rationalismus, der der HKM zugrunde liegt, tut es.

Pluto hat geschrieben:Also, einfach ganz frei von Setzungen die Bibel lesen und interpretieren.
Geht nicht, weil der Mensch aus seinen Grundlagen heraus interpretiert - je nach Grundlage ist die Interpretation zum selben (oft) ganz anders.

Pluto hat geschrieben:Wieso geht das nicht? Die HKM tut dies übrigens mit großem Erfolg!
Sie tut es NICHT - sie redet sich und anderen nur ein, dass sie es tut. - Bzw: Die erkenntnis-theoretisch fitten HKM-ler wissen natürlich, dass es NICHT so ist, wie Du sagst.

Pluto hat geschrieben:Wenn das tatsächlich so ist, dann bestätigen sich meine schlimmsten Befürchtungen, dass die kanonische Theologie unwissenschaftlich ist.
Genauso wie die HKM. - Nach Deinem Wissenschafts-Verständnis GIBT es keine Geistes-Wissenschaft.

Pluto hat geschrieben:Das wäre aber unwissenschaftlich.
Das ist den Leuten egal. - Wenn 10 Mütter mit ihren Kindern zum Kinderarzt rennen und die Kinder nach dem 3.Anlauf immer noch Pseudokrupp haben, dann zum HP-Arzt laufen und die Sache in 3 Tagen erledigt ist (das ist nur EIN Beispiel), überlegen sie sich nicht, ob das wissenschaftlich ist.

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#796 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von sven23 » Sa 8. Apr 2017, 22:32

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Oder so etwas: Die Bibel ist Gottes Wort, denn es steht geschrieben „alle Schrift ist von Gott eingegeben“.
DAS ist ein gutes Beispiel für echte Zirkelreferenz - das ist ein argumentativer Stockfehler. - Aber das hat nichts mit hermeneutischen Ausgangspunkten, egal ob sie unmittelbar glaubensmäßig oder methodisch definiert sind, zu tun - das sollte man nicht auf EINE Stufe stellen.
Im Grunde schon, denn wenn man Texte als vom Heiligen Geist inspiriert und irrtumsfrei vorraussetzt, findet man diese Prämisse in den Texten bestätigt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Solche "Glaubensentscheide" erwähnt z. B. Theißen in seinem Jesusbuch überhaupt nicht.
Vermutlich, weil er die Kenntnis des Kritischen Rationalismus und dessen Bedingungen voraussetzt.
Nee, weil er die Anwendung der historisch-kritischen Methode vorraussetzt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Vorraussetzung zur ergebnisoffenen Untersuchung der Texte ist die historisch-kritische Methode.
Aber doch nur INNERHALB des hermeneutisch vorgegebenen Korridors - auch an Dich: Die HKM KÖNNTE nicht zum Ergebnis kommen, dass Jesus göttlich ist, selbst wenn er es historisch wäre.
Dieses Schicksal teilt er mit tausenden von anderen angeblichen Göttern.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Branche lebt vor allem vom Glauben an eine Wirkung.
Kann ich nicht falsifizieren - solange es mehr bringt als andere medizinische Versuche, ist das den Betroffenen wurscht.
Es bringt ja nicht mehr als "andere medizinische Versuche", sonst würde es nicht auf Placebo-Niveau stecken bleiben.
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#797 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von closs » Sa 8. Apr 2017, 22:43

sven23 hat geschrieben:Im Grunde schon, denn wenn man Texte als vom Heiligen Geist inspiriert und irrtumsfrei vorraussetzt, findet man diese Prämisse in den Texten bestätigt.
Wenn man das Nur-Menschen-Tum Jesu methodisch voraussetzt, passiert dasselbe. - Also doch nur EINE Stufe für das, was man "Zirkelreferenz" nennt?

Ich bin dagegen, weil ich gerne intellektuelle Stockfehler von hermeneutisch/methodisch präjudizierten Ergebnis-Korridoren begrifflich getrennt sehen würde.

sven23 hat geschrieben:Nee, weil er die Anwendung der historisch-kritischen Methode vorraussetzt.
Wieso "nee" - das kommt doch auf's selbe raus.

sven23 hat geschrieben:Dieses Schicksal teilt er mit tausenden von anderen angeblichen Göttern.
Das ist ein anderes Thema - es geht hier darum, dass die HKM entgegen dem eigenen Anspruch historisch mögliche Fälle nicht berücksichtigen kann.

sven23 hat geschrieben:Es bringt ja nicht mehr als "andere medizinische Versuche"
Betroffene sehen das anders - wobei offen gelassen werden muss, ob hier "Pharma-Wirkung" gegen "Super-HP-Wirkung" stehen oder "Null-Pharma-Wirkung" gegen "HP-Placebo-Wirkung". - Auch das ist für Betroffene wurscht, weil sie nur das Gefälle wahrnehmen.

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#798 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von sven23 » So 9. Apr 2017, 06:38

closs hat geschrieben: Nehmen wir unser eingeführtes Beispiel:
Die Aussage "Jesus hatte eine Naherwartung" ist nur dann wissenschaftlich, wenn man dazu sagt: "Weil wir methodisch bedingt davon ausgehen müssen, dass Jesus nichts als ein Mensch war" - also mit dieser Einschränkung.
Nein, diese Einschränkung ist unnötig. Anhand der Texte hatte der Endzeitprophet und Apokalyptiker Jesus eine Naherwartung. Das bekommt man auch mit Setzungen nicht weg. Die Methode ist der Garant, dass diese Aussage ergebnisoffen getroffen werden kann.
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#799 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von sven23 » So 9. Apr 2017, 07:00

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Im Grunde schon, denn wenn man Texte als vom Heiligen Geist inspiriert und irrtumsfrei vorraussetzt, findet man diese Prämisse in den Texten bestätigt.
Wenn man das Nur-Menschen-Tum Jesu methodisch voraussetzt, passiert dasselbe. - Also doch nur EINE Stufe für das, was man "Zirkelreferenz" nennt?
Hier wird nichts methodisch vorrausgesetzt, sondern es werden Texte analysiert. Nach diesen hatte der Endzeitprophet eine starke Naherwartung. Es war sogar seine Kernbotschaft.
Die Texte werden nicht als irrtumsfrei vorrausgesetzt, weshalb es auch keine Problem macht, Fehler und Widersprüche in den Texten zu benennen.

closs hat geschrieben: Ich bin dagegen, weil ich gerne intellektuelle Stockfehler von hermeneutisch/methodisch präjudizierten Ergebnis-Korridoren begrifflich getrennt sehen würde.
Ein Stockfehler ist es, die zirkelreferente Vorgehensweise der kanonischen Exegese nicht zu erkennen.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dieses Schicksal teilt er mit tausenden von anderen angeblichen Göttern.
Das ist ein anderes Thema - es geht hier darum, dass die HKM entgegen dem eigenen Anspruch historisch mögliche Fälle nicht berücksichtigen kann.
Nee, es ist genau das Thema überhaupt. Denn weder haben religiöse Texte einen Anspruch auf Sonderbehandlung, noch hat die christliche Mythologie einen Anspruch auf eine Extrawurst innerhalb religiöser Texte.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es bringt ja nicht mehr als "andere medizinische Versuche"
Betroffene sehen das anders - wobei offen gelassen werden muss, ob hier "Pharma-Wirkung" gegen "Super-HP-Wirkung" stehen oder "Null-Pharma-Wirkung" gegen "HP-Placebo-Wirkung". - Auch das ist für Betroffene wurscht, weil sie nur das Gefälle wahrnehmen.
Betroffene können nicht unterscheiden zwischen Korrelation und Kausalität. Deshalb braucht es Studien, in denen Globuli regelmäßig versagen.
Es sei denn, man definiert den Placeboeffekt als Erfolg. Der beruht aber auf keinem Wirkstoff, sondern auf dem Glauben an eine Wirkung.
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#800 Re: Unser aller gemeinsamer Ururur...opa.

Beitrag von closs » So 9. Apr 2017, 09:51

sven23 hat geschrieben:Die Methode ist der Garant, dass diese Aussage ergebnisoffen getroffen werden kann.
Die Methode ist Garant, dass innerhalb ihrer Möglichkeiten ergebnisoffen gearbeitet werden kann. - Niemand kritisiert die Methodik der HKM - sie ist sehr gut, aber eben nicht geeignet für alle möglichen historischen Fälle.

sven23 hat geschrieben:Hier wird nichts methodisch vorrausgesetzt, sondern es werden Texte analysiert. Nach diesen hatte der Endzeitprophet eine starke Naherwartung. Es war sogar seine Kernbotschaft.
Das ist Verwirrung in drei Sätzen:
1) Natürlich wird methodisch vorausgesetzt, weil es gar nicht anders geht.
2) Natürlich war "das nahe Himmelreich" seine Kernbotschaft.
3) WAS darunter zu verstehen ist, ist reine Interpretation.

sven23 hat geschrieben:Ein Stockfehler ist es, die zirkelreferente Vorgehensweise der kanonischen Exegese nicht zu erkennen.
Dann wäre es aber auch ein Stockfehler, die methodisch-setzungs-bedingte Vorgehensweise der HKM als Stockfehler zu bezeichnen - was ich ausdrücklich NICHT tue, weil es nicht anders geht.

sven23 hat geschrieben:weder haben religiöse Texte einen Anspruch auf Sonderbehandlung, noch hat die christliche Mythologie einen Anspruch auf eine Extrawurst innerhalb religiöser Texte.
Vergiss nicht, dass Texte und Textzusammenhänge einen Anspruch darauf haben, nach ihrer Wirklichkeit behandelt zu werden - das kann man nicht mit Verboten aushebeln. - WENN Jesus göttlich war, IST es ein Sonderfall.

sven23 hat geschrieben:Betroffene können nicht unterscheiden zwischen Korrelation und Kausalität. Deshalb braucht es Studien, in denen Globuli regelmäßig versagen.
Es sei denn, man definiert den Placeboeffekt als Erfolg. Der beruht aber auf keinem Wirkstoff, sondern auf dem Glauben an eine Wirkung.
Auch hier wieder viel Disparates:
1) Dass HP in hohen D keinen Wirk-STOFF hat, ist allgemein bekannt - es geht nicht um Wirk-STOFF, sondern um Wirk-UNG.
2) ERgebnisse sind nicht davon abhängig, ob man zwischen Korrelation und Kausalität unterscheiden kann oder nicht.
3) Wenn Mütter ihre Kinder zu einem "Wirkstoff-Arzt" bringen und keinen Erfolg haben, und dann zu einem HP-Arzt bringen und Erfolg haben, haben sie nichts dagegen, wenn dies "Placebo-Effekt" genannt wird - Haupsache es funktioniert.

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