Alles Teufelszeug? V

closs
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#1291 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Sa 1. Apr 2017, 23:21

Münek hat geschrieben:Es geht nicht um Folgerichtigkeit auf der Basis willkürlicher Setzungen
Es geht IMMER um Folgerichtigkeit auf der Basis von Setzungen - willkürlich sind sie nicht, wenn sie umfassend begründbar sind.

Münek hat geschrieben:allein entscheidend ist doch die Plausibilität und Evidenz der von Dir "gesetzten Realität"
Korrekt - wobei es keine universale Plausibilität gibt, sondern nur setzungs-abhängige Plausibilität. - Und "Evidenz" macht auch nur dann wissenschafts-theoretisch Sinn, wenn man Evidenz nicht nur physikalistisch definiert.

Münek hat geschrieben:Du machst es Dir mit Deinen Wunsch-Setzungen sehr einfach...
Mache nicht alles schlecht - das ist bei der christlichen Hermeneutik nicht anders als bei der HKM. - Wenn ein "Wunsch" begründet ist, macht man es sich nicht einfach - denn allein eine Begründung dafür ist nie einfach, wenn man es redlich und anspruchsvoll angeht.

Solange wir nicht über diese Grundlagen hinauskommen, stehen wir noch VOR dem Hauptstudium. Dann sind wir noch nicht in der Lage, redlich und anspruchsvoll zu argumentieren.

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#1292 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Münek » Sa 1. Apr 2017, 23:23

closs hat geschrieben:Du zitierst schon wieder diese Stelle und scheinst nicht zu verstehen, dass sie im Sinne von Ratzinger & Co. korrekt ist. - Aber wieder und wieder: Ratzinger versteht das ganz anders als Du.
Ja und? In der Exegese werden dieser fromme Dogmatiker wie auch der Theologe Klaus Berger ("Die Bibelfälscher") aus gutem Grund nicht ernst genommen.

closs
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#1293 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Sa 1. Apr 2017, 23:37

Münek hat geschrieben:In der Exegese werden dieser fromme Dogmatiker wie auch der Theologe Klaus Berger ("Die Bibelfälscher") aus gutem Grund nicht ernst genommen.
Mit "Exegese" meinst Du "historisch-kritische Exegese" - und davon einen Teil. - Mehr sagt das nicht aus.

Viel wichtiger ist die Frage, wie ernst die HKM innerhalb der Theologie genommen wird. - Zur Beruhigung: Die reinen Sachergebnisse der HKM sind in der Theologie hoch geschätzt - aber was über reine Sachergebnisse hinausgeht, nicht.

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#1294 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Münek » So 2. Apr 2017, 00:06

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Es geht nicht um Folgerichtigkeit auf der Basis willkürlicher Setzungen
Es geht IMMER um Folgerichtigkeit auf der Basis von Setzungen.
Nö - wenn die Setzung nicht stimmt, kannst Du die darauf aufbauenden Folgerungen in die Tonne kloppen. Das ist doch wohl klar.

closs hat geschrieben:willkürlich sind sie nicht, wenn sie umfassend begründbar sind.
Es gibt auch schwache Begründungen. Wenn die Grundlage nicht stimmt, kannst Du nichts wirklich begründen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:allein entscheidend ist doch die Plausibilität und Evidenz der von Dir "gesetzten Realität"
Korrekt - wobei es keine universale Plausibilität gibt, sondern nur setzungs-abhängige Plausibilität.
Offensichtlicher kann Selbstbetrug nicht sein: "Ich bestimme, was nach meiner Setzung plausibel und evident ist".

closs hat geschrieben:Und "Evidenz" macht auch nur dann wissenschafts-theoretisch Sinn, wenn man Evidenz nicht nur physikalistisch definiert.
"Evidenz" beschränkt sich mit Sicherheit nicht auf die Physik.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Du machst es Dir mit Deinen Wunsch-Setzungen sehr einfach...
Mache nicht alles schlecht.
Ich mache nichts schlecht, sondern Du machst es Dir zu einfach..

closs hat geschrieben:das ist bei der christlichen Hermeneutik nicht anders als bei der HKM.
Nee - die christliche Hermeneutik setzt ja gerade das, was sie hinterher bestätigt sehen will. Mehr "Selbst-in-die-Tasche-lügen" geht nicht. Mit solchen Unredlichkeiten will die historisch-kritische Bibelforschung nichts zu tun haben.

closs hat geschrieben:Wenn ein "Wunsch" begründet ist, macht man es sich nicht einfach - denn allein eine Begründung dafür ist nie einfach, wenn man es redlich und anspruchsvoll angeht.
An dieser REDLICHKEIT des Gläubigen mangelt es aus meiner Sicht gerade ja.

closs hat geschrieben:solange wir nicht über diese Grundlagen hinauskommen, stehen wir noch VOR dem Hauptstudium. Dann sind wir noch nicht in der Lage, redlich und anspruchsvoll zu argumentieren.
Anspruchsvoll schon - an der Redlichkeit musst Du allerdings noch ein wenig feilen.

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#1295 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Münek » So 2. Apr 2017, 00:13

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:In der Exegese werden dieser fromme Dogmatiker wie auch der Theologe Klaus Berger ("Die Bibelfälscher") aus gutem Grund nicht ernst genommen.
Mit "Exegese" meinst Du "historisch-kritische Exegese" .
Richtig - ich meine DIE Standard-Auslegungsmethode biblischer Schriften an den theologischen Fakultäten. ;)

closs hat geschrieben:Viel wichtiger ist die Frage, wie ernst die HKM innerhalb der Theologie genommen wird.
Diese Frage ist überhaupt nicht wichtig.

Du weißt doch: Die ergebnisoffene Karawane der Exegese zieht weiter. Die erstarrte Dogmatik verharrt hingegen felsenfest-eingeigelt hinter ihrer dogmatischen Festung - und träumt seufzend von längst vergangenen Zeiten, als noch Scheiterhaufen brannten...

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#1296 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » So 2. Apr 2017, 01:23

Münek hat geschrieben: wenn die Setzung nicht stimmt, kannst Du die darauf aufbauenden Folgerungen in die Tonne kloppen.
So ist es - deshalb ist eine umfassende Begründung wichtig. - Und selbst das reicht oft nicht, wenn man Folgerungen falsch aufbaut.

Das ist doch gerade das Problem der HKM: An sich gute Setzung, auch gute Folgerungen, aber auch unpassende Folgerungen.

Münek hat geschrieben: Wenn die Grundlage nicht stimmt, kannst Du nichts wirklich begründen.
Meine ich letztlich auch - aber formal geht es schon - mindestens für eine Weile.

Münek hat geschrieben:Offensichtlicher kann Selbstbetrug nicht sein: "Ich bestimme, was nach meiner Setzung plausibel und evident ist".
Wieso "Selbstbetrug"? Anders geht es doch nicht - genau das tut doch die HKM auch - und das sogar zurecht.

Entscheidend ist deshalb nicht eine system-generierte Plausibilität, sondern "das, was der Fall ist" (bzw. bei historischen Dingen: "der Fall war"). - Und genau das ist oft nicht entscheidbar - konkretes Beispiel:

1) Wenn Jesus nur ein Mensch ist und es keinen Gott als Entität gibt, ist die HKM-Plausibität authentisch, also auch historisch wirklich.
2) Wenn es Gott gibt und Jesus göttlich ist, ist die christlich-hermeneutische Plausibilität authentisch, also auch historisch wirklich.
3) OB 1) oder 2) authentisch sind, ist nicht entscheidbar, weil es nicht "beweisbar" ist, ob 1) oder 2) wirklich/historisch der Fall ist.

Münek hat geschrieben:Nee - die christliche Hermeneutik setzt ja gerade das, was sie hinterher bestätigt sehen will.
Nein - sie will herausfinden, was es bedeutet, wenn ihre Setzung richtig ist. - Und die HKM will herausfinden, was der Fall ist, wenn ihre methodische Setzung richtig ist.

Münek hat geschrieben:An dieser REDLICHKEIT des Gläubigen mangelt es aus meiner Sicht gerade ja.
Dass Du das meinst, ist nicht zu übersehen - aber das ist nicht der Ansatz. - Der Ansatz liegt viel tiefer (s.o.)

Münek hat geschrieben:Anspruchsvoll schon - an der Redlichkeit musst Du allerdings noch ein wenig feilen.
Ich nehme es Dir nicht übel, weil Du Dich da offensichtlich verrannt hast - also nochmals: Der methodische Streit zwischen säkularer HKM und christlicher Hermeneutik liegt nicht in unterschiedlicher Redlichkeit der Teilnehmer, sondern an unterschiedlichen Ergebnissen bei unterschiedlichen HKM und christlicher Hermeneutik aufgrund ihrer unterschiedlichen Setzungen.

Münek hat geschrieben:ich meine DIE Standard-Auslegungsmethode biblischer Schriften an den theologischen Fakultäten.
Eine Methodik, die selber darauf besteht, keine geistigen Fragen stellen zu können, kann nicht für die substantielle Auslegung der geistigen Bibel Standard-Methodik sein - das ist ein Ding der Unmöglichkeit. - Standard ist die HKM in rein technischen Fragen und rein sachlichen historischen Beobachtungen - aber bitte nicht in Fragen wie: "Was bedeutet dieses Zitat eigentlich WIRKLICH?"

Münek hat geschrieben:Du weißt doch: Die ergebnisoffene Karawane der Exegese zieht weiter.
Erstens ist die HKM (wie die christliche Hermeneutik auch) nur innerhalb ihrer methodischen Grenzen ergebnisoffen - zweitens ist es keine sehr starke Aussage, wenn sie sich als Beiboot vom Mutterschiff der Theologie absetzt.

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#1297 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Münek » So 2. Apr 2017, 04:36

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: wenn die Setzung nicht stimmt, kannst Du die darauf aufbauenden Folgerungen in die Tonne kloppen.
So ist es - deshalb ist eine umfassende Begründung wichtig.
Eine Begründung muss Hand und Fuß haben. Sonst verdient sie ihren Namen nicht. Neben Deinen tautologischen "Argumenten" kommt öfter der Satz, dass Du etwas als "begründet" ansiehst... Was heißt das schon? Begründungen sollten Substanz haben, um überzeugen zu können.

Solange Deine "Begründungen" keine Substanz beinhalten, sind es keine Begründungen, sondern entpuppen sich als Geschwafel und Geschwurbel...

Und selbst das reicht oft nicht, wenn man Folgerungen falsch aufbaut.
Der Knackpunkt ist immer die "Setzung" - nicht die Schlussfolgerungen. Diese sind immer falsch, wenn die Setzung nichts taugt. Man kann mit noch so feinsinnigen hermeneutischen "Begründungen" einer toter Setzung kein Leben einhauchen. "Deine" Hermeneutik ist kein Zauberstab.

closs hat geschrieben:Das ist doch gerade das Problem der HKM: An sich gute Setzung, auch gute Folgerungen, aber auch unpassende Folgerungen.
Es gibt kein Problem. Dass das Reich Gottes nicht gekommen ist, sollte man nicht den Exegeten anlasten.

closs hat geschrieben:]
Münek hat geschrieben:Offensichtlicher kann Selbstbetrug nicht sein: "Ich bestimme, was nach meiner Setzung plausibel und evident ist".
Wieso "Selbstbetrug"? Anders geht es doch nicht
Doch - es geht anders.

Beispiel: Die wirklich renommierten tiefgläubigen Theologen Rahner, Kasper und Küng haben der Versuchung widerstanden, sich selbst um des Glaubens willen in die Tasche zu lügen und offen eingeräumt, dass sich Jesus in seiner Naherwartung geirrt hat. Dir traue ich diese intellektuelle Redlichkeit nicht zu.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nee - die christliche Hermeneutik setzt ja gerade das, was sie hinterher bestätigt sehen will.
Nein - sie will herausfinden, was es bedeutet, wenn ihre Setzung richtig ist.
Was hat die "christliche Hermeneutik" davon, wenn sie versucht HERAUSZUFINDEN, was es bedeutet, WENN ihre Setzung richtig ist ?

Das ist doch Blödsinn.

closs hat geschrieben:Und die HKM will herausfinden, was der Fall ist, wenn ihre methodische Setzung richtig ist.
Nö - die HKM versucht, sich der historischen Wirklichkeit anzunähern. Dabei geht sie als historische Wissenschaft von mehr oder weniger großen Wahrscheinlichkeiten aus - und behauptet nie, "was der Fall ist".

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:An dieser REDLICHKEIT des Gläubigen mangelt es aus meiner Sicht gerade ja.
Dass Du das meinst, ist nicht zu übersehen - aber das ist nicht der Ansatz. - Der Ansatz liegt viel tiefer (s.o.)
Für Dich mögen "Ansätze" wichtig sein, ich räume der Ehrlichkeit Priorität ein.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Anspruchsvoll schon - an der Redlichkeit musst Du allerdings noch ein wenig feilen.
Ich nehme es Dir nicht übel, weil Du Dich da offensichtlich verrannt hast
:lol: :lol: :lol: BEIM TEUTATES. Kurt - der war mal wieder gut. :clap:

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:ich meine DIE Standard-Auslegungsmethode biblischer Schriften an den theologischen Fakultäten.
Eine Methodik, die selber darauf besteht, keine geistigen Fragen stellen zu können, kann nicht für die substantielle Auslegung der geistigen Bibel Standard-Methodik sein - das ist ein Ding der Unmöglichkeit.
Die historisch-kritische Exegese denkt nicht im Traum daran, die Bibel kirchlich-dogmatisch auszulegen. Das genaue Gegenteil ist der Fall.

closs hat geschrieben:Standard ist die HKM in rein technischen Fragen und rein sachlichen historischen Beobachtungen - aber bitte nicht in Fragen wie: "Was bedeutet dieses Zitat eigentlich WIRKLICH?"
Du irrst Dich - selbstverständlich sind die Exegeten auch "theologisch" unterwegs, interpretieren die Schriften und schreiben tiefsinnige Kommentare. Warum machst Du Dich nicht mal darüber kundig, was bei den Exegeten alles so abgeht?

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Du weißt doch: Die ergebnisoffene Karawane der Exegese zieht weiter.
Erstens ist die HKM (wie die christliche Hermeneutik auch) nur innerhalb ihrer methodischen Grenzen ergebnisoffen - zweitens ist es keine sehr starke Aussage, wenn sie sich als Beiboot vom Mutterschiff der Theologie absetzt.

:lol: :lol: :lol: Tja - so kann man sich die Welt schön reden.

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sven23
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#1298 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » So 2. Apr 2017, 09:49

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Mit keiner Methode der Welt lassen sich Gedanken ermitteln
Man kann sich aber methodisch annähern. - Ein Forensiker oder Psychologe tut tagtägich nichts anderes, enn auch auf einer ganz anderen Ebene.
Man könnte ja mal einen Profiler auf Jesus ansetzen. Ich denke, das Ergebnis wäre noch ernüchternder für dich. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Also immer wieder: die Forschung hält sich an die Texte, Punkt. Alles andere ist willkürliche Kaffesatzleserei.
Das ist
a) methodisch eine Vorgabe der HKM - dagegen ist nichts einzuwenden - denn dieser Ansatz ist ja nicht schlecht.
b) weltanschaulich ein dogmatischer GAU - denn "methodischer Ansatz" ist nicht dasselbe wie "universale Bibelsicht", sondern EIN Ansatz.

Im übrigen hält sich auch die theologische Forschung an die Bibeltexte, nur interpretiert sie sie aus anderer Perspektive.
Eben, aus der posthumen, christlich kontaminierten Perspektive. Dadurch wird die jüdische Glaubenswelt völlig verzerrt und entstellt. Kann man machen, aber dann sollte man so ehrlich sein und sich nicht mehr auf den jüdischen Wanderprediger berufen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Solche Fragen stellen sich Kanoniker nicht, weil sie sie ursprüngliche Bedeutung eines Textes gar nicht interessiert.
Selbstverständlich ist das falsch - sie sind sehr wohl an der ursprünglichen Meinung eines Paulus oder Markus interessiert - auch das eine ideologische GAU-Behauptung.
Diese Definition der kanonischen Exegese findet sich nicht nur bei Wikipedia. Kanoniker geht es nicht um die ursprüngliche Intention des Autors, sondern um die Bedeutung, die spätere Generationen dem Text beigemessen haben, also die pure, kontaminierte Rezeption. Das macht die Kanonik generell aus. Wenigstens das sollte doch inzwischen bei dir hängengeblieben sein. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist nachösterliche, christliche Veränderung/Verfälschung der Naherwartung des Wanderpredigers. Alles längst bekannt.
ODER Ausdruck davon, dass die Textverfasser nachösterlich etwas an Jesus verstanden haben, was vorher nicht verstanden wurde. - Wir sprechen hier von zwei Interpretationen desselben Phänomens.
Nein, wir sprechen von der für seine Anhänger sicher schmerzhaften Einsicht, dass Jesus- genau wie Johannes der Täufer- sich geirrt hat. Die Umdeutung des nahen Gottesreiches nach jüdischem Glauben in eine Naherwartung auf Jesus selbst ist nur in einem heidenchristlichen Umfeld verständlich.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Fundiert heißt, auch die Widersprüche in einem plausiblen Konzept auflösen zu können.
Das ist doch längst geschehen und auch hier im Forum gesehen. - Die Preisfrae lautet hier: "Plausibel" nach welchem methodischen System?
Plausibel nach Verstand und Logik. Wie werden denn die Widersprüche angeblich erkärt oder aufgelöst? Bitte kein allgemeines Geschwafel, sondern konkrete theologische Ausführungen mit Quellenangabe.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eben, gem. christlicher Veränderung seiner Lehre.
"Christlich" ist doch ein Begriff, der erst dann Sinn macht, NACHDEM die Juden nicht mitziehen. -
Vor allem, nachdem Jesus tot war und sich nicht mehr wehren konnte.

closs hat geschrieben: Die hermeneutische Entwicklung im Christentum der ersten Jahrhunderte ist doch nichts anderes, als was im Judentum hätte als hermeneutische Entwicklung kommen sollen. - Oder anders: Aus christlicher Sicht ist doch das Christentum die Einlösung des AT, also der jüdischen Religion -
Dagegen verwehren sich die Juden ganz entschieden mit aller Hermeneutik, die ihnen zur Verfügung steht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Paulus hat sich ebenso geirrt wie Jesus selbst.
Paulus scheint sich zeitweise geirrt zu haben - das sieht echt so aus. - Aber was hat das mit Jesus zu tun, wenn Paulus ihn nicht richtig versteht?
Um genau zu sein: der größte Teil der paulinischen Theologie hat nicht viel mit Jesus zu tun.
Hier ein kurzer Ausschnitt der Forschungsergebnisse:

Im Lichte des Irrtums Jesu muss auch sein Jüngerkreis gesehen werden. Jesus sammelt nicht die
Repräsentanten einer künftigen Weltgemeinschaft, kein Konzilium der Religionen oder einen Weltrat
der Kirchen, sondern er sammelt zwölf Jünger, gemäß der überkommenen Vorstellung einer heilen
(und im Übrigen nie so bestandenen) Beziehung zwischen Gott und den zwölf Stämmen Israels.
Worum es ihm ging, war die Wiederherstellung und Verherrlichung Israels, die mit Gottes Hilfe nun
endlich geschehen sollte und unmittelbar bevorstand. Die Menschen anderer Völker oder anderer
Religionen lagen nicht in seinem Gesichtsfeld. Für sie hatte er kein Wort. Noch im Neuen Testament
lässt sich diese Haltung Jesu ablesen, wenn er seine Jünger auffordert: „Geht nicht der Heiden
Straßen und betretet auch keine Stadt der Samaritaner. Geht vielmehr zu den verlorenen Schafen des
Hauses Israel. Geht also und verkündet: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen.“ (Mt 10,5b-7)
Noch deutlicher wird Jesus im Gespräch mit einer Nichtjüdin, die ihn um die Heilung ihrer Tochter
bittet: „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.“ (Mt 15,24) Für die
„Heiden“ erklärt sich Jesus als nicht zuständig. Seine Botschaft richtet sich nur an Juden, und er
schärft dies seinen Jüngern eindringlich ein. Für die Forschung sind diese Belege gewichtig, eben
weil sich darin eine Haltung spiegelt, die dem späteren Programm einer Weltmission eigentlich klar
widersprochen hat. Die sich auf Jesus berufende Gemeinde hat bald gehandelt. Der sog. Taufbefehl,
den der Evangelist Matthäus am Ende seines Evangeliums bringt (Mt 28,18-20): „Gehet hin in alle
Welt…“ ist – hierüber herrscht zumindest weitgehende Einigkeit unter den Exegeten – eine Erfindung
des Matthäus, für den die sog. Heidenmission schon eine Realität ist, als er sein Evangelium verfasst.
Dagegen kann man aus der Apostelgeschichte und den Paulusbriefen noch ersehen, dass die allererste
Urgemeinde sich noch an Jesu Weisung gehalten hat, sich von Nichtjuden fernhielt und Gesetze wie
die Beschneidung noch befolgte. Jesus aber war kein Ökumeniker, sondern ein religiöser Partikularist
und Nationalist. Die Ausweitung des Christentums über den engen jüdischen Bereich hinaus war ein
Werk vor allem von Paulus, der damit sein eigenes und anderes Evangelium schafft und seinem Herrn
hier wie in so vielen anderen Punkten nicht gefolgt ist.

Kubitza, Der Dogmenwahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#1299 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » So 2. Apr 2017, 11:32

Münek hat geschrieben:Eine Begründung muss Hand und Fuß haben. Sonst verdient sie ihren Namen nicht.
Stimmt. :lol: - Aber WER entscheidet, was "Hand und Fuß" ist? - "Hand und Fuß" ist doch für einen materiösen HKM-ler etwas anderes als für einen hermeneutischen Theologen.

Münek hat geschrieben:Der Knackpunkt ist immer die "Setzung" - nicht die Schlussfolgerungen. Diese sind immer falsch, wenn die Setzung nichts taugt.
Auch hier sind wir uns einig. - Aber auch hier: WER entscheidet, was eine "etwas taugende Setzung" ist und was nicht? - Aus Sicht der materiösen HKM taugen hermeneutische Setzungen nichts - aus Sicht hermeneutischer Methodik taugen HKM-Setzungen nichts.

Nebenbei: In der Praxis ist es unter echten Profis viel einfacher: Man weiß so in etwa, welche Setzung/Methodik zu welcher Fragestellung passt.

Münek hat geschrieben:Dass das Reich Gottes nicht gekommen ist, sollte man nicht den Exegeten anlasten.
Voraussetzung ("Reich ist nicht gekommen") ist falsch - Schlussfolgerung daraus ("Die Exegeten können nichts dafür") ist richtig. - Altes Drama.

Wenn man über "Naherwartung" spricht, muss man sich bewusst sein, dass damit
a) unmittelbar eintretendes physikalisches Reich Gottes (statt Augustus sitzt jetzt GOtt auf dem Thron in Rom oder Jerusalem) gemeint sein
b) apokalyptisch eintretendes Reich Gottes am Ende der "Weltzeit" irgendwann in 100 oder 100.000 Jahren gemeint sein
c) das Eintreten des göttlichen Reiches durch Jesus gemeint sein kann.

Insofern ist die Aussage "Reich ist nicht gekommen" weltanschaulich belegt im Sinne von Version a).

Münek hat geschrieben:Die wirklich renommierten tiefgläubigen Theologen Rahner, Kasper und Küng haben der Versuchung widerstanden, sich selbst um des Glaubens willen in die Tasche zu lügen
Auch dieser ständig von Dir wiederholter Satz ist rein weltanschaulich belegt und somit wissenschaftlich unredlich.

Redlich wäre, die Geschichte der HKM zu verfolgen, um dann festzustellen, dass es Gründe gab, die Bibel aus der HKM heraus zu verstehen - was heute in der Theologie als gescheitert gilt. - Wichtig war es deshalb, weil es in der Tat sehr viel dogmatischen Schmalz gab - aber diese Zeit ist vorbei. - Und dass der frühere Küng-Assistent Kasper am ehesten an der HKM festhält, ist nicht überraschend. - Das ist ok. - Aber deshalb anderen, die NICHT oder nicht mehr an diesem Ansatz festhalten, zu unterstellen, sie würden sich "in die Tasche lügen", ist einfach nicht satisfaktionsfähig - das ist schlechtes Niveau.

Münek hat geschrieben:Was hat die "christliche Hermeneutik" davon, wenn sie versucht HERAUSZUFINDEN, was es bedeutet, WENN ihre Setzung richtig ist ?
Was hat die HKM davon, wenn sie herausfinden will, zu welchen Erkenntnissen ihre methodischen Setzungen führen?

Antwort: Genau darum geht es doch: Wie weit komme ich mit meinem Ansatz? - Was denn sonst?

Münek hat geschrieben: die HKM versucht, sich der historischen Wirklichkeit anzunähern.
In der Tat: Das versucht sie - und in vielen Fällen mit großem Erfolg.

Münek hat geschrieben:Die historisch-kritische Exegese denkt nicht im Traum daran, die Bibel kirchlich-dogmatisch auszulegen.
Sagt doch keiner. - Aber es KÖNNTE doch ein Interesse bestehen herauszufinden, was mit einem Text in aller Tiefe gemeint ist. :angel:

Münek hat geschrieben:Du irrst Dich - selbstverständlich sind die Exegeten auch "theologisch" unterwegs, interpretieren die Schriften und schreiben tiefsinnige Kommentare.
Bitte genau lesen: Ich sprach von der HKM als Methodik und nicht von den Exegeten. - Natürlich sind die Exegeten theologisch unterwegs, aber sie stehen halt im Zwiespalt zwischen methodischen Erfordernissen der HKM und theologischem Blick. - Was dabei rauskommen kann, hast Du beim STERN-Gespräch mit Linnemann (?) gesehen.

Wissenschaftlich sauber gedacht heisst das: Eine historisch-kritische Exegese kann nicht theologisch sein, wenn man sie methodisch ernst nimmt. - In diesem Sinne wäre es aus meiner Sicht besser, wenn man von einer historisch-gestützten theologischen Exegese sprechen würde.

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#1300 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » So 2. Apr 2017, 11:48

sven23 hat geschrieben:Eben, aus der posthumen, christlich kontaminierten Perspektive.
Andere sagen: "aus der posthumen (wobei das bei Jesus ein komisches Wort ist :lol: ), hermeneutisch entwickelter Perspektive im Sinne Jesu".

Du meinst historisch-kritisch, dass das "Posthume" eine Entfernung von Jesu Absichten ist, andere sagen, dass es eine Annäherung ist. - Diese Frage lässt sich historisch -kritisch nicht klären, weil die HKM metkhodisch nur "Entfernung" sagen KANN - sie KANN gar nicht methodisch anders.

sven23 hat geschrieben:Diese Definition der kanonischen Exegese findet sich nicht nur bei Wikipedia.
Diese Definition ist doch richtig - Du verstehst sie nur nicht, wie sie theologisch verstanden wird. - Du unterscheidest nicht zwischen "Text" und "Jesus" und meinst deshalb, die Texte seien das Original - genau das sagt die Kanonik NICHT: Sie sagt, in den Texten ist das eigentlich Original Jesus verborgen.

sven23 hat geschrieben:Plausibel nach Verstand und Logik.
Genau so interpretieren Hermeneutik und Kanonik auch - das kommen wir nicht weiter.

sven23 hat geschrieben:Dagegen verwehren sich die Juden ganz entschieden mit aller Hermeneutik, die ihnen zur Verfügung steht.
So ist es - sie haben andere hermeneutische Setzungen.

Das ist wie beim Brexit. - Aus britischer Sicht ist man selber das Original, aus europäischer Sicht ist Europa das Original. - Die jüdische Hermeneutik fand ich immer gut repräsentiert in einem Satz, den ich mal vor langer Zeit in einer englischen Zeitung gelesen habe:

Hintergrund: Der Ärmelkanal war total vernebelt, so dass der Schiffsverkehr stark eingeschränkt war - aus englischer Sicht hieß das:
"Fog over the Channel - Europe cut off".

sven23 hat geschrieben:Wie werden denn die Widersprüche angeblich erkärt oder aufgelöst?
Dadurch, dass die Auferstehung Jesu selbst das Eintreffen des nahe Gottesreichs ist. - Nein, Quellen suche ich dazu NICHT raus, weil es mir zuviel Arbeit ist - es reicht, wenn Du in eine x-beliebige Uni mit theologischer Abteilung gehst und Dich dort mal schlau machst. - Um es klar zu sagen: Wir reden hier nicht von einer atemberaubenden Hypothese, sondern vom theologischen STANDARD.

sven23 hat geschrieben:Hier ein kurzer Ausschnitt der Forschungsergebnisse
Das ist seitens Kubitza kein "Forschungsergebnis", sondern die weltanschauliche Verwertung von Interpretationen aus HKM-Beobachtungen. - Deshalb muss es prinzipiell nicht falsch sein, aber es entspricht nicht der Arbeitsweise der Theologie, die Historie im Licht der Heilsgeschichte versteht - ein Gedanke, auf den die HKM überhaupt nicht kommen KANN.

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