Alles Teufelszeug? V

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sven23
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#1271 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Fr 31. Mär 2017, 17:01

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nach allem was ich von dir lese, legst du großen Wert auf hermeneutische Begründung. Was lässt dich in diesem Fall daran zweifeln?
Seine Aussage, dass die Naherwartung NICHT zeitlich zu verstehen ist, ist hermeneutisch auf den Punkt richtig. - Daraus zu schließen, dass Jesus anders gedacht hat, ist beliebig gedacht - bzw. nicht-hermeneutisch gedacht.
Wenn Hermeneutiker die Texte ignorieren, machen sie keinen guten Job.

Aus den Texten zieht die Forschung nun mal ganz klare Schlüsse:

Die synoptische Tradition ist sich darin einig, dass im Zentrum der Verkündigung Jesu die "Königsherrschaft Gottes" (βασιλεὶα τοῦ θεοῦ/ basileia tou theou) stand (vgl. auch Joh 3,3.5). Er knüpfte dabei an die in der frühjüdischen Tradition verbreitete Vorstellung an, dass Gott gegenwärtig verborgen als König über die Welt herrscht und diese Herrschaft dereinst am Ende der Zeit offenbar werden wird. Im Gegensatz zur Tradition sah Jesus aber bereits seine Gegenwart durch die in seiner Wirksamkeit hereinbrechende Gottesherrschaft geprägt (Lk 11,20; vgl. 10,18). Die entscheidende Heilswende vollzieht sich bereits. Die endgültige Vollendung der Königsherrschaft Gottes steht mit Gewissheit unmittelbar bevor (vgl. Mk 1,15f.; Mt 5,3f.par).

Quelle: bibelwissenschaft.de
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closs
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#1272 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Fr 31. Mär 2017, 17:19

sven23 hat geschrieben:dass Jesus die nahe Gottesherrschaft erwartete. Und das ist nun laut den Texten wirklich nicht zu leugnen.
Warum wiederholst Du ständig Sachen, auf die man antworten muss: "Natürlich leugnen weder HKM noch Theologie, dass Jesus die nahe Gottesherrschaft verkündete (das ist etwas neutraler als "erwartete"). - Wieso sollten sie? - Aber sie legen es komplett unterschiedlich aus. ----- Willst Du es für die nächsten 26.000 Posts nochmal 200 Mal hören?

sven23 hat geschrieben:ist nicht unsere Interpretation :roll: , sondern die logische Folgerung der Forschung auf Grundlage der Texte und ihrer Entwicklung
Es ist eine logische Folge auf Basis dieses Verständnismodells incl. der ihm zugrunde liegenden Setzungen. - Insofern ist es zu respektieren.

sven23 hat geschrieben:Das kannste vergessen.
Das gehört zu redlicher Wissenschaft.

sven23 hat geschrieben:Wenn du schon einem evangelischen Theologen nicht glaubst, dann vielleicht einem katholischen Schwergewicht.
Natürlich gab es in der Theologie in der Hype-Zeit der HKM Versuche, die Bibel per HKM zu verstehen. - Dieses Experiment scheint gescheitert zu sein - man probiert halt mal alles aus. - Die HKM-Hype-Zeit-Theologie ist seit Jahrzehnten nicht mehr entscheidend bei der Auslegung (ich meine damit "INHALTLICHE Auslegung" und nicht nur technische Auslegung) der Bibel-Inhalte. - Siehe dazu auch das Resumé von Ratzinger in einem der Jesus-Bücher.

sven23 hat geschrieben:Game over.
Ja - aber anders, als Du denkst.

sven23 hat geschrieben:Und genau das tut sie eben nicht. Glaubensdogmatiker und Kanoniker unterscheiden eben nicht zwischen authentischen und nicht authentischen Jesusworten oder nachträglichen Einfügungen/Fälschungen. Sie lösen nicht die Widersprüche auf, die sich aus den Texten ergeben.
Missverständnis - beide Methodiken arbeiten ganz unterschiedlich.

Während die HKM sich auf die ersten Rezeptions-Texte kalibrieren und diese nach säkularen Regeln der HKM abarbeiten, orientiert sich die Theologie am "Original Jesus" und fragen: "Welche der Rezeptionen sind authentisch zum Original Jesus" - egal ob diese Rezeptionen in älteren oder jüngeren Quellen stehen. - Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Herangehensweise.

Nichtsdestoweniger ist das Ziel sowohl von HKM als auch von Theologie dasselbe: Wer ist und was meint der wirkliche Jesus? - Und "wirklich" ist selbstverständlich nicht von "historisch" zu trennen. - Es sind zwei unterschiedliche Wege zur Wahrheitsermittlung, so dass sich beide Seiten gegenseitig befruchten können.

Der Eine ist fitter, wenn es um die historische Einbettung der Textquellen geht und deren historische Hintergründe (nur als EIN Beispiel) - der Andere ist fitter, wenn es um die Frage geht "Was bedeutet das geistig, also im Hinblick auf Jesus" (auch nur als EIN Beispiel). - Und wenn man wissenschaftlich redlich miteinander umgeht, bringt das beiden Seiten was - und in der Praxis ist das übrigens auch so. - Es ist unfair der HKM gegenüber, sie nur über die ideologischen Marktschreier zu verstehen.

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#1273 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Fr 31. Mär 2017, 17:22

sven23 hat geschrieben:Aus den Texten zieht die Forschung nun mal ganz klare Schlüsse:

Die synoptische Tradition ist sich darin einig, dass im Zentrum der Verkündigung Jesu die "Königsherrschaft Gottes" (βασιλεὶα τοῦ θεοῦ/ basileia tou theou) stand (vgl. auch Joh 3,3.5). Er knüpfte dabei an die in der frühjüdischen Tradition verbreitete Vorstellung an, dass Gott gegenwärtig verborgen als König über die Welt herrscht und diese Herrschaft dereinst am Ende der Zeit offenbar werden wird. Im Gegensatz zur Tradition sah Jesus aber bereits seine Gegenwart durch die in seiner Wirksamkeit hereinbrechende Gottesherrschaft geprägt (Lk 11,20; vgl. 10,18). Die entscheidende Heilswende vollzieht sich bereits. Die endgültige Vollendung der Königsherrschaft Gottes steht mit Gewissheit unmittelbar bevor (vgl. Mk 1,15f.; Mt 5,3f.par).
Quelle: bibelwissenschaft.de
Du zitierst schon wieder diese Stelle und scheinst nicht zu verstehen, dass sie im Sinne von Ratzinger & Co. korrekt ist. - Aber wieder und wieder: Ratzinger versteht das ganz anders als Du.

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#1274 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Fr 31. Mär 2017, 19:52

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Aus den Texten zieht die Forschung nun mal ganz klare Schlüsse:

Die synoptische Tradition ist sich darin einig, dass im Zentrum der Verkündigung Jesu die "Königsherrschaft Gottes" (βασιλεὶα τοῦ θεοῦ/ basileia tou theou) stand (vgl. auch Joh 3,3.5). Er knüpfte dabei an die in der frühjüdischen Tradition verbreitete Vorstellung an, dass Gott gegenwärtig verborgen als König über die Welt herrscht und diese Herrschaft dereinst am Ende der Zeit offenbar werden wird. Im Gegensatz zur Tradition sah Jesus aber bereits seine Gegenwart durch die in seiner Wirksamkeit hereinbrechende Gottesherrschaft geprägt (Lk 11,20; vgl. 10,18). Die entscheidende Heilswende vollzieht sich bereits. Die endgültige Vollendung der Königsherrschaft Gottes steht mit Gewissheit unmittelbar bevor (vgl. Mk 1,15f.; Mt 5,3f.par).
Quelle: bibelwissenschaft.de
Du zitierst schon wieder diese Stelle und scheinst nicht zu verstehen, dass sie im Sinne von Ratzinger & Co. korrekt ist. - Aber wieder und wieder: Ratzinger versteht das ganz anders als Du.
Nein, deine Lesekompetenz läßt zu wünschen übrig. Der letze Satz steht für die Naherwartung.

Die endgültige Vollendung der Königsherrschaft Gottes steht mit Gewissheit unmittelbar bevor

Ist das so schwer zu verstehen?
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#1275 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Fr 31. Mär 2017, 20:08

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:dass Jesus die nahe Gottesherrschaft erwartete. Und das ist nun laut den Texten wirklich nicht zu leugnen.
Warum wiederholst Du ständig Sachen, auf die man antworten muss: "Natürlich leugnen weder HKM noch Theologie, dass Jesus die nahe Gottesherrschaft verkündete (das ist etwas neutraler als "erwartete"). - Wieso sollten sie? - Aber sie legen es komplett unterschiedlich aus.
Dass Glaubensdogmatiker keine Gesamtkonzept vorweisen können, ist bekannt. Sie benutzen die Schriften wie einen Steinbruch und picken sich die Steine raus, die ihrem Glaubenskonstrukt entsprechen. Dass diese Vorgehensweise aus wissenschaftlicher Sicht induskutabel ist, braucht man eigentlich nicht weiter zu erwähnen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn du schon einem evangelischen Theologen nicht glaubst, dann vielleicht einem katholischen Schwergewicht.
Natürlich gab es in der Theologie in der Hype-Zeit der HKM Versuche, die Bibel per HKM zu verstehen. - Dieses Experiment scheint gescheitert zu sein - man probiert halt mal alles aus. - Die HKM-Hype-Zeit-Theologie ist seit Jahrzehnten nicht mehr entscheidend bei der Auslegung (ich meine damit "INHALTLICHE Auslegung" und nicht nur technische Auslegung) der Bibel-Inhalte.
Die Naherwartung ist eine inhaltliche Auslegung und die HKM sicher kein Experiment. Die historisch-kritische Methode ist die Standardmethode wissenschaftlich motivierter Bibelexegese.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und genau das tut sie eben nicht. Glaubensdogmatiker und Kanoniker unterscheiden eben nicht zwischen authentischen und nicht authentischen Jesusworten oder nachträglichen Einfügungen/Fälschungen. Sie lösen nicht die Widersprüche auf, die sich aus den Texten ergeben.
Missverständnis - beide Methodiken arbeiten ganz unterschiedlich.
Das ist bekannt. Wissenschaft versus peinliche Verwandtschaft der Glaubensdogmatiker.


closs hat geschrieben: Nichtsdestoweniger ist das Ziel sowohl von HKM als auch von Theologie dasselbe: Wer ist und was meint der wirkliche Jesus? -
Das ist doch nun wirklich oft genug gesagt worden:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
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sven23
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#1276 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Fr 31. Mär 2017, 20:17

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nach allem was ich von dir lese, legst du großen Wert auf hermeneutische Begründung. Was lässt dich in diesem Fall daran zweifeln?
Seine Aussage, dass die Naherwartung NICHT zeitlich zu verstehen ist, ist hermeneutisch auf den Punkt richtig. - Daraus zu schließen, dass Jesus anders gedacht hat, ist beliebig gedacht - bzw. nicht-hermeneutisch gedacht.
Da ist die Forschung schon längst viel weiter. Die Naherwartung ist unbestritten, eine Feinjustierung zwischen Nah- und Nächsterwartung ist nicht unbedingt erforderlich.

Der evangelische Theologe Erich Gräßer fragt in seinem Buch "Die Parusieverzögerung in den synoptischen Evangelien und in der Apostelgeschichte"

"Wie kann man Naherwartung gelten lassen und Jesus dennoch von einem katastrophalen Irrtum freisprechen?"

Man ahnt schon, daß ein Freispruch schwierig wird.

"Die Dämonenaustreibungen sind Zeichen des unmittelbar bevorstehenden Hereinbruchs der Gottesherrschaft. Die Wundertaten ......hat alles keinen Sinn, und hängt in der Luft, wenn Jesus das Reich erst nach vielen Generationen erwartet.
Kurz: der Tenor seiner Predigt wie auch seine Verhaltungsweise sind auf die Situation abgestimmt: es ist die letzte Stunde!"


Stufen der Naherwartung:
"Man hat nun gemeint, die eschatologische Erwartung Jesu aufteilen zu müssen in eine erfüllte Erwartung, eine Nächsterwartung, eine Naherwartung und eine Fernerwartung."
Erich Gräßer

Und nun kommts:
Laut Gräßer gehören erfüllte Erwartung und Fernerwartung nicht zur ältesten Tradition. Das ist der entscheidende Hinweis, weshalb man diese nicht Jesus zuschreiben kann. Es bleiben also noch Nah- und Nächsterwartung, die man Jesus zuschreiben kann.
Gräßer hält aber die weitere Stufung in nah und nächst für überflüssig.

"Der Unterschied ist im Blick auf die Sache bedeutungslos und in der Überlieferung auch nicht sicher zu greifen. Wer möchte sagen, ob Jesus mit Stunden oder Tagen gerechnet habe? Die geringere oder größere Nähe der Krisis ist auch nicht das Wesentliche, sondern allein der Gedanke, daß es die letzte Stunde ist und "daß das Reich Gottes jetzt ganz gewiss kommt.""
Erich Gräßer

Ich denke, jetzt wirds ein bißchen klarer, warum die Mehrheit der NT-Forschung davon ausgeht, daß Jesus sich in Bezug auf die Naherwartung geirrt hat.
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#1277 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Hemul » Fr 31. Mär 2017, 20:36

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nach allem was ich von dir lese, legst du großen Wert auf hermeneutische Begründung. Was lässt dich in diesem Fall daran zweifeln?
Seine Aussage, dass die Naherwartung NICHT zeitlich zu verstehen ist, ist hermeneutisch auf den Punkt richtig. - Daraus zu schließen, dass Jesus anders gedacht hat, ist beliebig gedacht - bzw. nicht-hermeneutisch gedacht.
Da ist die Forschung schon längst viel weiter. Die Naherwartung ist unbestritten, eine Feinjustierung zwischen Nah- und Nächsterwartung ist nicht unbedingt erforderlich.
Und warum nicht? :roll: Jesus wusste doch gem. Matthäus 24:36 offensichtlich selbst nicht wann sein Vater das Finish einläutet:
36 Von dem Tage aber und von der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.
Kann es sein, dass Kubitza&Co Jesus etwas in den Mund legen was er soooooooooooooooo niemals gesagt hat? ;)
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

closs
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#1278 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Fr 31. Mär 2017, 21:11

sven23 hat geschrieben:deine Lesekompetenz läßt zu wünschen übrig. Der letze Satz steht für die Naherwartung.
Und wieder transformierst Du mangelnde Fähigkeit, Texte aus verschiedene Perspektiven zu lesen, in naßforsche Sprüche. - Konkret:

Die Theologie liest diesen Satz mehrheitlich im Sinne von "In Jesus bzw. dessen Auferstehung ist der Beginn der Gottesherrschaft besiegelt". - Da muss man nicht zustimmen - aber verstehen kann man es doch wollen.

sven23 hat geschrieben:Dass Glaubensdogmatiker keine Gesamtkonzept vorweisen können, ist bekannt. Sie benutzen die Schriften wie einen Steinbruch und picken sich die Steine raus, die ihrem Glaubenskonstrukt entsprechen. Dass diese Vorgehensweise aus wissenschaftlicher Sicht induskutabel ist, braucht man eigentlich nicht weiter zu erwähnen.
Die alte Pro-Domo-Leier:
1) Unhaltbare Behauptung 1("Glaubensdogmatiker = kein Gesamtkonzept" ---hä?)
2) Unhaltbare Behauptung 2 ("Theologie/Hermeneutik = Cherry-Picking" --- hä?)
3) DARAUF bauende SChlussfolgerung ("wissenschaftlich indiskutabel" --- ja, das stimmt - DANN ist es indiskutabel :lol: )
4) Unausgesprochen: Überholtes Pro-Domo-Wissenschaftsverständnis ("Wissenschaft ist im Umkreis der Theologie nur die HKM" --- :shock: )

Und damit ist das Ragout gerührt und wird als "einzig redlich" bezeichnet - weisst Du eigentlich, was Du da tust?

sven23 hat geschrieben:Die Naherwartung ist eine inhaltliche Auslegung
Wenn Du "inhaltlich" und "methodisch präjudiziert" vereinbaren kannst, ist Dir zuzstimmen. Denn die physikalisch-zeitliche Naherwartung ist in der Tat eine vertretbare Interpretation. - Dass Interpretationen IMMER "Kinder" der ihnen zugrunde liegenden MEthodik sind, sollte einem philosophisch Interessierten nicht unverborgen bleiben. - Das gilt selbstverständlich auch für die christliche Hermeneutik.

sven23 hat geschrieben:Wissenschaft versus peinliche Verwandtschaft der Glaubensdogmatiker.
q.e.d.

closs hat geschrieben: Nichtsdestoweniger ist das Ziel sowohl von HKM als auch von Theologie dasselbe: Wer ist und was meint der wirkliche Jesus?
Das ist doch nun wirklich oft genug gesagt worden:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen
Erwecke doch nicht den Eindruck, als wäre es damit getan - ist es eben nicht. - Würdest Du Dich genauso redlich mit christlicher Hermeneutik beschäftigen wie die andere Seite mit HKM, würdest Du nicht so reden. - Das alte Lied: Man igele sich ideologisch ein und rede aus diesen Kokon forsch heraus.

sven23 hat geschrieben:Die Naherwartung ist unbestritten
Du schaffst es, gegen die diametrale Haltung der Theologie zu sagen, die Naherwartung ("in Deinem Sinne", meinst Du ja) als "unbestritten" darzustellen. - Für Nordkoreaner ist es ebenfalls unbestritten, dass ihre Republik demokratisch ist. - Stelle Dich doch endlich der Realität und denke REDLICH darüber nach, warum sie so ist.

sven23 hat geschrieben:Es bleiben also noch Nah- und Nächsterwartung, die man Jesus zuschreiben kann.
JA - das sagt doch Ratzinger& Co auch - nur interpretiert er es ganz anders als die HKM.

sven23 hat geschrieben:Ich denke, jetzt wirds ein bißchen klarer, warum die Mehrheit der NT-Forschung davon ausgeht, daß Jesus sich in Bezug auf die Naherwartung geirrt hat.
Nein - es wird nur dann klarer, wenn man "Naherwartung" physikalistisch ("Apokalypse") interpretiert. - Außerdem ist das Wort "Erwartung" bereits eine Behauptung - Jesus kann es genauso gut gewusst haben.

Das Problem, "Naherwartung" apokalyptisch zu verstehen, hatten die Urchristen auch - insofern hat sich in 2000 Jahren teilweise sehr wenig entwickelt. :D - Aber einige heilsgeschichtlichen Vorreiter haben recht frühzeitig begriffen, dass Jesus es ganz anders gemeint hatte - UND er gewusst hat, dass es dauern würde, bis es im allgemeinen Bewusstsein "sackt" - an die vielen Bibelstellen, an denen Jesus darauf hinweist, dass er (noch) nicht verstanden wird, muss ich hoffentlich nicht schon wieder erinnern.

Problem der HKM:
Da sie kritisch-rational, also letztlich materialistisch fundamentiert ist, KANN sie nicht auf eine solche Lösung kommen, selbst wenn diese theologische Lösung historisch der Fall war - es würde ihren methodischen Setzungen widersprechen. - Aber das ist nicht das Problem der Theologie.

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#1279 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Sa 1. Apr 2017, 06:16

Hemul hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Seine Aussage, dass die Naherwartung NICHT zeitlich zu verstehen ist, ist hermeneutisch auf den Punkt richtig. - Daraus zu schließen, dass Jesus anders gedacht hat, ist beliebig gedacht - bzw. nicht-hermeneutisch gedacht.
Da ist die Forschung schon längst viel weiter. Die Naherwartung ist unbestritten, eine Feinjustierung zwischen Nah- und Nächsterwartung ist nicht unbedingt erforderlich.
Und warum nicht? :roll: Jesus wusste doch gem. Matthäus 24:36 offensichtlich selbst nicht wann sein Vater das Finish einläutet:
36 Von dem Tage aber und von der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.
Kann es sein, dass Kubitza&Co Jesus etwas in den Mund legen was er soooooooooooooooo niemals gesagt hat? ;)
Nein, werter Hemul, das haben schon Paulus und die Evangelisten besorgt. Heute muss die Forschung wieder mühsam auseinanderfieseln, was authentisch und nicht authentisch ist.
Aus Sicht von Jesus war es ja auch egal, ob die Installation der Gottesherrschaft nun ein paar Tage früher oder später stattfinden sollte, mit Gewissheit stand sie aber unmittelbar bevor. Deshalb mahnte er zur Umkehr und zwar nicht die ganze Welt, sondern richtete sich an das jüdische Volk, dem er angehörte (Ich bin gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel).
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#1280 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Sa 1. Apr 2017, 07:30

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:deine Lesekompetenz läßt zu wünschen übrig. Der letze Satz steht für die Naherwartung.
Die Theologie liest diesen Satz mehrheitlich im Sinne von "In Jesus bzw. dessen Auferstehung ist der Beginn der Gottesherrschaft besiegelt". - Da muss man nicht zustimmen - aber verstehen kann man es doch wollen.
Das ist schon eine komplette Umdeutung der jesuanischen Glaubenswelt. Sicher hat die Umdeutung schon bald nach seinem Tod eingesetzt: der Verkünder wurde zum Verkündeten. The show must go on. Niemand gesteht sich gerne selbst ein, einem falschen Propheten hinterhergelaufen zu sein. Heutige Theologen und Glaubensdogmatiker begnügen sich damit, für diese Verfälschung Begründungen nachzuschieben.
Die neutestamentliche Forschung aber will den "erhöhten" Jesus von möglichst vielen Rezeptionsschichten befreien und zum Kern vorstossen. Dabei ist die historisch-kritische Methode unabdingbar.

.".. Unabdingliche Voraussetzung aber ist die historische Methode in der Befragung der Texte. Exegese ist ja als Interpretation historischer Texte ein Stück Geschichtswissenschaft.“
Rudolf Bultmann

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dass Glaubensdogmatiker keine Gesamtkonzept vorweisen können, ist bekannt. Sie benutzen die Schriften wie einen Steinbruch und picken sich die Steine raus, die ihrem Glaubenskonstrukt entsprechen. Dass diese Vorgehensweise aus wissenschaftlicher Sicht induskutabel ist, braucht man eigentlich nicht weiter zu erwähnen.
Die alte Pro-Domo-Leier:
1) Unhaltbare Behauptung 1("Glaubensdogmatiker = kein Gesamtkonzept" ---hä?)
Ich kenne keinen Glaubensdogmatiker/Kanoniker, der die Widersprüche innnerhalb der Texte plausibel in einem Gesamtkonzept aufgelöst hätte. Man sucht sich das raus, was einem genehm ist und ignoriert das, was unangenehm ist. Thaddäus, aber auch namhafte Kritiker weisen immer wieder auf dieses unzulässige Cherrypicking hin. In der Wissenschaft ein "no go".


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Naherwartung ist eine inhaltliche Auslegung
Wenn Du "inhaltlich" und "methodisch präjudiziert" vereinbaren kannst, ist Dir zuzstimmen. Denn die physikalisch-zeitliche Naherwartung ist in der Tat eine vertretbare Interpretation. - Dass Interpretationen IMMER "Kinder" der ihnen zugrunde liegenden MEthodik sind, sollte einem philosophisch Interessierten nicht unverborgen bleiben. - Das gilt selbstverständlich auch für die christliche Hermeneutik.
Die Texte an sich sind ja in gewisser Weise schon präjudizierend, da sie immer schon die eigene Theologie des Schreibers enthalten. Die Schwierigkeit besteht nun darin, zu erkennen, was Theologie des Schreibers ist und wo es authentische Bezüge zur Lehre Jesu gibt. Eine mühsame Arbeit, die sich Glaubensdogmatiker ersparen. Sie basteln sich nach gusto was zusammen. Heraus kommt ein Kauderwelsch aus den unterschiedlichsten Interpretationen, die oft genug zueinander diametral im Widerspruch stehen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wissenschaft versus peinliche Verwandtschaft der Glaubensdogmatiker.
q.e.d.
Wenn das ernst gemeint ist, wäre das schon mal ein Erkenntnisfortschritt. :lol:

closs hat geschrieben: Nichtsdestoweniger ist das Ziel sowohl von HKM als auch von Theologie dasselbe: Wer ist und was meint der wirkliche Jesus?
Das ist doch nun wirklich oft genug gesagt worden:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
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Erwecke doch nicht den Eindruck, als wäre es damit getan - ist es eben nicht. -
Ähm, eben doch. Die Naherwartung ist breiter Konsens in der Forschung. Daran hat auch ein Ratzinger nichts ändern können. In der Wissenschaft stößt eben auch die Unfehlbarkeit des Papstes an ihre natürlichen Grenzen. ;)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Naherwartung ist unbestritten
Du schaffst es, gegen die diametrale Haltung der Theologie zu sagen, die Naherwartung ("in Deinem Sinne", meinst Du ja) als "unbestritten" darzustellen. -
In der neutestamentlichen Forschung arbeitet die peinliche Verwandtschaft der Gaubensdogmatiker und Kanoniker eigentlich eher selten. :lol:
Was sich Glaubensdogmatiker zusammenrühren, ist für die Forschung so gut wie irrelevant.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es bleiben also noch Nah- und Nächsterwartung, die man Jesus zuschreiben kann.
JA - das sagt doch Ratzinger& Co auch - nur interpretiert er es ganz anders als die HKM.
Das Problem ist, sie können keine fundierte Begründung liefern. Deshalb sind sie auf den Glaubensentscheid angewiesen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich denke, jetzt wirds ein bißchen klarer, warum die Mehrheit der NT-Forschung davon ausgeht, daß Jesus sich in Bezug auf die Naherwartung geirrt hat.
Nein - es wird nur dann klarer, wenn man "Naherwartung" physikalistisch ("Apokalypse") interpretiert. - Außerdem ist das Wort "Erwartung" bereits eine Behauptung - Jesus kann es genauso gut gewusst haben.
Sagen wir so: er meinte es zu wissen, als er sagte: Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen....
Natürlich meinte Jesus die Gottesherrschaft "physikalistisch", so wie es das Judentum heute noch tut. Jesu Naherwartung ist - wie Theißen richtig sagt- überhaupt nur im Kontext der jüdischen Glaubenswelt verständlich. Aber im Gegensatz zum traditionellen Judentum sah er die Gottesherrschaft als unmittelbar bevorstehend an. Deshalb mahnte er zur Umkehr, weil die Zeit drängte. Eine gewisse Anhängerschar unter den Unterpriviligierten konnte er damit um sich versammeln, da er ihnen einen herausragende Rolle in der neuen Herrschaftsordnung versprach. (Die letzten werden die ersten sein....)

closs hat geschrieben: Aber einige heilsgeschichtlichen Vorreiter haben recht frühzeitig begriffen, dass Jesus es ganz anders gemeint hatte -
Nachdem die Vorhersagen nicht eingetroffen waren, war es ja nicht allzu schwer, zu begreifen, dass Jesus sich geirrt hatte. Nachdem der Verkünder zum Verkündeten geworden war und auch der Verkündete sich weigerte, wiederzukommen, erfand Paulus die Idee der Parusieverzögerung.
Damit war der Grundstein für zukünftige Theologen gelegt, die Naherwartung auf den St. Nimmerleinstag verschieben zu können.

closs hat geschrieben: ...- an die vielen Bibelstellen, an denen Jesus darauf hinweist, dass er (noch) nicht verstanden wird, muss ich hoffentlich nicht schon wieder erinnern.
Ich ich muss dich hoffentlich nicht zum x-ten Mal erinnern, dass es keine derartige Aussage im Zusammenhang mit der Naherwartung gibt. :roll:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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