Jenseits von Gut und Böse?

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#141 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von closs » Mi 22. Mär 2017, 02:50

Tyrion hat geschrieben:Aber auch Geisteswissenschaften basieren auf Logik und sollten auch, wenn möglich, Empirie mit einbeziehen.
Das ist leicht einlösbar - das Problem: Logik ist IMMER Folge der Setzung, auf die sie angesetzt wird. - Und um dieses Problem zu minimieren, gibt es Hermeneutik. - Und da kaum einer weiß, was Hermeneutik eigentlich ist, wird sie von Materialisten verachtet. :lol:

Tyrion hat geschrieben: wenn historisch klar ist, dass Josua nicht alle Völker der Umgebung ausgerottet hat und die "Landnahme" historisch langsamer und vor allem friedlicher erfolgte, dann mag das christlichen Dogmatikern, die lieber den in der Bibel beschriebenen Massenmord als real ansehen (und lobpreisen wollen), ein Dorn im Auge sein. Dieses Überprüfen der historischen Hintergünde der Bibel (als ein Beispiel) ist dennoch legitim.
Und wie. - Das ist nicht die Frage.

Das Problem sind die Interpretationen - und da sollten sich kritisch-rationale Wissenschaften tunlichst raushalten, sobald sie in die Nähe geistiger Fragestellungen kommen. - Konkret: Wenn man biblische "Geschichten" bewertet, bewertet man sie primär GEISTIG im Sinne von: "Für welchen geistigen Inhalt steht diese Geschichte?"

Erst als nächstes kommt die Frage "Ist diese Geschichte eigentlich historischer Natur?" - Und da kann die Antwort ja oder nein sein - UND ist meistens irrelevant. - Allerdings wird es dann kompliziert, denn:
1) Es gibt christliche Denominationen, die meinen, alles aus der Bibel habe historisch zu sein.
2) Es gibt aus anderer Sicht Bereiche, deren Historizität wichtig ist, und andere, deren Historizität NICHT wichtig ist.
3) Mein Eindruck: Ich kenne keine als historisch zu postulierenden Stelle, die falsifizierbar wäre.

Das heißt:
1) Die materialistische Fraktion trifft auf ein uneinheitliches Bild.
2) Weiterhin kann sie die Sachen, die historisch wirklich wichtigen Dinge nicht falsifizieren, weil sie nicht falsifizierbar sind (bspw. "Auferstehung")

Tyrion hat geschrieben:Und was passiert: es wird weiter gehetzt und polemisiert, Satan hier, Satan dort, böser Materialismus hier, dumme Menschenrechte dort...
Du scheinst mir wirklich ganz schön verantwortlungslos formatiert worden zu sein - wahrscheinlich liegt es an der Zeit Deines Aufwachsens. - Mit anderen Worten: Rein sachlich sind Deine Eindrücke oder Befürchtungen falsch - da wurdest Du miss-aufgeklärt.

Tyrion hat geschrieben:Sind das nicht die Christen, die gegen die großen Kirchen aufmucken?
Auch da können welche dabei sein, wobei die großen Rom-Kritiker oft ver-säkularisierte Christen sind, die Christentum wie ein Gesellschaftsspiel verstehen. - Da müsste man im Einzelfall gucken.

Nee - ich habe schon die Christen in fundamentaler (nicht "fundamentalistischer") Tradition gemeint. - Wobei ich etwas zurückrudere, weil es von dieser Sorte viele gibt, die einfach demütig schweigen und versuchen, im Alltag einfach christlich zu leben.

Tyrion hat geschrieben:Die genannten verfolgen Politik, Macht. Dahinter steckt kein Weltbild, dahinter steckt eher eine Ideologie, also eine (Ersatz)Religion.
Ich stimmt Dir voll zu - aber warum können sie Zulauf bekommen? Das war meine Frage.

Tyrion hat geschrieben:Wenn du damit den Rückschritt in die Zeit des Denkverbots und des Absolutismus meinst, dann: nein danke
Nein - ich meine die Re-Installierung der Aufklärung.

Tyrion hat geschrieben:Woher dieses Schwarz-weiß-Sehen?
Natürlich sind solche Phänomene multi-kausal zu sehen. Es geht nicht um schwarz-weiß.

Tyrion hat geschrieben:Einfach: Indem keine Seite einen Absolutheitsanspruch vermittelt.
Genau das tun aber die Verfechter des PHILOSOPHISCHEN kritischen Rationalismus (nicht des wissenschatlich-methodischen kritischen Rationalismus - bitte nicht verwechseln).

Tyrion hat geschrieben:Dieses "Ich habe Recht und du bist ein Trottel, wenn du meiner Wahrheit nicht folgst" tötet jeden ernsten Austausch.
Komisch - das ist exakt mein Vorwurf an einige Vertreter unserer "säkulare Fraktion". - Dann machen wir beide es einfach mal besser und zeigen, wie es richtig ist - einverstanden?

Tyrion hat geschrieben:Das fällt mir vor allem gegenüber Nichtmenschen auf - du wertest Tiere ab
Nein, tue ich definitiv nicht. - Du wertest es aus Deinem Weltbild möglicherweise so, aber das kann ich nur schwer beeinflussen.

Tyrion hat geschrieben:Dein Urteil steht von vornherein fest.
Auf der Basis einer von mir GENANNTEN Voraussetzung gibt es ein Urteil, das Mensch und Tier kategorial unterscheidet, aber nicht abwertet.

Tyrion hat geschrieben:"Deine Seite" wirft der Wissenschaft genre Dinge vor, die gar nicht zutreffen
Ich werfe der Wissenschaft buchstäblich NICHTS vor - Wissenschaft ist komplett unschuldig. - Ich werfe nur Menschen etwas vor, die keine klare Trennlinie zwischen Wissenschaft und Weltanschauung machen.

Tyrion hat geschrieben:Dass Christen aber subjektiv sind, sollte auch dir klar sein
Persönliche Erkenntnis ist IMMER subjektiv. - Darüber hinaus kann man Erkenntnis vermitteln, die auf Basis einer spezifischen Setzung intersubjektiv nachvollziehbar sind - das geht auch in der Theologie.

Tyrion hat geschrieben:Und weil z. B. Materialist meist als Schimpfwort bebraucht wird, um andere anzugreifen und ihnen Defizite vorzuwerfen.
Ja - das tue ich dann, wenn der Materialismus sich selbst-immunisierend in einer absolutistische Haltung des "Wir haben die einzige 'reale" Weltanschauung" gefällt. - Dann nämlich kopiert sie das, was sie der Kirche im Mittelalter vorwirft.

Tyrion hat geschrieben:Das vermute ich jetzt. Wenn aber ein Theologe zu frei denkt, dann wird er doch abgestraft
Hier sprichst Du ein anderes Problem an: Unter "frei" versteht man heute das, was im Wort "Meinungs-Gesellschaft" steckt - das ist zu wenig. - Wenn ich "frei" äußere, dass der Mond größer ist als die Sonne, verliere ich möglicherweise meinen Physik-Lehrstuhl auch, weil ich einfach nicht mehr tragbar bin.

Oder kurz: Freiheit bedingt qualitative Meinungs-Verantwortung - und das ist leider außer Mode geraten, auch in der Theologie.

Tyrion hat geschrieben:Und warum wirfst du den Ismus vor?
Weil es das Wort "die Materiellen" oder "die NAturellen" nicht gibt.

Tyrion hat geschrieben:Du musst nur offen für einen Austausch auf Augtenhöhe sein. Ich lese aus deinen Zeilen, dass du diesen zwar wünschst, aber nicht in der Lage bist, anzubieten
Wenn man über "echte" theologische/philosophische Fragen spricht, muss man geistige Fragen stellen können - also die geistige Dimension verstanden haben. - Genau das wird seitens der "säkularen Fraktion" oft genug verweigert bzw. nicht angeboten.

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#142 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von Novas » Mi 22. Mär 2017, 02:52

closs hat geschrieben:
Tyrion hat geschrieben:Das Verteufeln der Naturwissenschaften findest du auch hier im Forum, findest du bei 2jesus und auch in anderen Religionsforen. Du findest es indirekt auch bei den großen Kirchen, da den Naturwissenschaften immer wieder Vorwürfe gemacht werden.
In Foren, in dem sich immer auch Exemplare von Splittergruppen finden, kann das sein.

Vorwürfe gibt es gegen etwas ganz anderes: Die Vermarktung von Wissenschaft, ohne dem Volk zu sagen, was Wissenschaft ist. - Das wäre aber ein anderes Thema.

Wir können die Wissenschaft als einen Flügel und die Religion als einen anderen Flügel betrachten. Wahre Religion ist ein Licht für die Wissenschaft und Wissenschaft ein Licht für die Religion. Sie erleuchten sich gegenseitig. Leider gibt es das Vorurteil, dass Wissenschaft und Religion unvereinbar sind, was auf eine einseitige oder verzerrte Geschichtsschreibung zurück geht, in der Religion und Wissenschaft in einem ewigen Krieg beschrieben werden.

Viele Menschen haben dieses sehr negative Narrativ in den Köpfen und das erschwert den Dialog. Religion ohne Wissenschaft führt in den Aberglauben und Wissenschaft ohne Religion in den Materialismus, so sehe ich persönlich das ;) Für mich ist es vollkommen klar, dass beide nur zur höchsten Blüte gelangen können, wenn sie sich gegenseitig bewässern, im dialogischen Zusammenspiel antreiben und ergänzen. Das gelingt jedoch nur, wenn man akzeptiert, dass sie eine unterschiedliche Sprache sprechen. Religion muss nicht wissenschaftlich sprechen und Wissenschaft nicht religiös. Auf den Punkt gebracht: es handelt sich um zwei unterschiedliche Erkenntniswege.
Zuletzt geändert von Novas am Mi 22. Mär 2017, 03:02, insgesamt 1-mal geändert.

closs
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#143 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von closs » Mi 22. Mär 2017, 03:01

Novalis hat geschrieben:Für mich ist es vollkommen klar, dass beide nur zur höchsten Blüte gelangen können, wenn sie sich gegenseitig bewässern und ergänzen. Das gelingt jedoch nur, wenn man akzeptiert, dass sie eine unterschiedliche Sprache sprechen. Religion muss nicht wissenschaftlich sprechen und Wissenschaft nicht religiös.
Und damit wären wir in der Früh- und Hoch-Aufklärung - so war es damals gemeint.

Deshalb meine Vision: Lasst uns die Aufklärung re-installieren. :thumbup:

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sven23
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#144 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » Mi 22. Mär 2017, 08:03

Novalis hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Unwahrscheinlich, erst recht nicht nach Auswertung der Quellen.
Wieder mal zirkelreferent: Man wähle eine Methodik, die nur im Rahmen dessen funktioniert, dass Jesus nur ein Wanderprediger ist, und wundere sich dann, dass herauskommt: "Jesus war nur ein Wanderprediger". :lol:


Das ist sicher eine mögliche Perspektive. aber man kann Jesus aus zahllosen Perspektiven betrachten. Er betonte selbst immer wieder, dass er der „ Menschensohn“ ist.
Ob Jesus für sich selbst überhaupt "christologische Hoheitstitel" beansprucht hat, ist in der Forschung umstritten. Einige gehen davon aus, dass ihm diese Titel nachträglich beigelegt wurden.


"Da "Menschensohn" im Aramäischen einfach für "ich" stehen kann, hat man vermutet, dass die Verwendung als Titel erst in der griechischen Gemeinde entstanden sei, die die aramäische Konstruktion mißverstanden habe. Dann ständen am Anfang der Traditionsgeschichte die Aussagen über die irdische Wirksamkeit des Menschensohnes und sein zukünftiges gewaltsames Schicksal, die im Kern auf Jesus zurückgehen könnten. Andere Forscher meinen, Jesus habe den "Menschensohn" als eschatologischen Richter erwartet. Nach der Ostererfahrung sei er dann von der Urgemeinde mit diesem identifiziert worden. Eine eindeutige Klärung scheint angesichts der Quellenlage kaum noch möglich zu sein."

Quelle: Bibelwissenschaft.de
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#145 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von NIS » Mi 22. Mär 2017, 08:35

Novalis hat geschrieben:
NIS hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben: Das funktioniert leider erschreckend gut. Oder auch die unsinnige Trennung zwischen Religion und Wissenschaft, die den Menschen nicht weiter hilft. Wenn sie Zusammenwirken könnten sie beide viel mehr erreichen.
"Spalte den Geist des Menschen in Gut und Böse und herrsche über den Menschen."
(Die Weisheit der Schlange)


Genau von dieser Spaltung ist die Welt geprägt, repräsentiert durch den Teufel, der ein Sinnbild für den individuellen und kollektiven Egozentrismus ist. Jesus hingegen ist ein Sinnbild für die positive Umkehrung dieses Denkens, weswegen er früher als "Heiland" bezeichnet wurde, weil er einen Weg zeigt, wie der menschliche Geist von seiner Spaltung geheilt werden kann.

BEWUSSTSEIN GOTTES (RATIO)

Was hältst Du davon, Novalis?
Der Heilige Geist (Hauke)

WISSEN VON MACHT

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Tyrion
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#146 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von Tyrion » Mi 22. Mär 2017, 18:37

closs hat geschrieben:
Tyrion hat geschrieben:Warum darf ich dann nicht sagen, dass ich mich nur um das Haus kümmern will?
Natürlich wird das respektiert. - Das Problem taucht dann auf, wenn Du ideologisch darauf bestehst, dass Dein Haus "die Welt" ist.

Warum ideologisch? Wenn ich sage, dass ich mein Haus sehen und erkennen kann und ich dieses als die Welt ansehe - und ich das, was ich nicht sehen kann, nicht beurteilen will - wo ist das eine Ideologie. Das ist doch eine Keule, die du da schwingst. Umgekehrt kann man auch sagen, dass das darauf Bestehen, dass jenseits des Hauses eine weitere Welt existiert, eine rein ideologische Sichtweise ist. Keine der beiden Seiten kann belegen, Recht zu haben. Ich sehe die Aggression hier wirklich auf der Seite der Theologie, die denen, die nur das Haus betrachten, vorwerfen, sie würden irren, anstatt nur aufzuzeigen, dass sie sich irren könnten. Letzteres wüäre o.k., ersteres ist leider eher die Praxis.

Tyrion hat geschrieben:Was ist dann so verkehrt, so schlecht am Begriff "Welt"?
Nichts - sie ist (in christlichem Sprech) "gut". - Das Problem ist, wenn man "die Welt" von ihrem Ursprung abtrennt und selber zu Gott macht. - Brötchen sind gut, solange sie nicht beanspruchen, Bäcker zu sein.

Das macht doch niemand. Ernsthaft - wenn man eine Sicht auf die Welt hat, die beispielsweise Gott ablehnt und ohne dieses Konstrukt auskommt, dann wäre es doch völlig unlogisch, aus der Abwesenheit eines Gottes zuschließen, dass es einen Gott gibt, dieser aber nun die Semmel ist. Ist es nicht vielmehr so, dass es für die, die sich sicher sind, Gott existiere, unerträglich erscheint, dass manche Menschen sich die Welt ohne Gott erklären? Dann ist das einfachste, diese Menschen eben anzugreifen und ihnen vorzuwerfen, sie würden sich selbst zu Gott machen.

Bei mir war das anders rum: Ich habe versucht, die Frage "Welche Eigenschaften muss das Vollkommene (alias "Gott") haben", philosophisch/dialektisch zu klären, und bin - für mich überraschend - beim christlichen Gottbegriff gelandet - war echt nicht beabsichtigt.

Oh, das ist spannend. Ich habe ähnlich gehandelt und komme zu gegenteiligen Schluss. Der christliche Gottbegriff umfasst ein wütendes, rassistisches, massenmordendes Wesen, das perfide, böse, grausam und gemein ist. Dass das für dich Vollkommenheit darstellt, wundert mich. Für mich schließt das christliche Gottesbild jede Erhabenheit aus. Gott ist doch nicht böse und grausam. Dann wäre er sehr unvollkommen, finde ich. Jahwe ist böse und grausam. Jahwe ist eine Erfindung der Menschen.

Tyrion hat geschrieben:Und das ist extrem anmaßend, denn "satanisch" ist für ihn nicht positiv besetzt, sondern extrem abwertend gemeint.
Und wie. - Ohne philosophische Vorbildung kann man das wahrscheinlich nicht verstehen - es sei denn, geistig-instinktiv. - Solche Leute gibt es übrigens oft.

Dann verstehe ich es wohl nicht. Für mich bleibt es anmaßend, arrogant und kurzsichtig.

Tyrion hat geschrieben: Man muss sich als Mensch nicht den Kopf zerbrechen, was es an unbeschreibbaren Dingen geben mag.
Wenn man NICHT die letzten Fragen stellen will ("Wo komme ich her?/"Wo gehe ich hin?"/etc. muss man das nicht. - Aber dann soll man es auch bleiben lassen.

Es geht doch nicht um das Stellen der Fragen, es geht um Antworten auf diese. Und die kannst du auch nicht geben, da du nicht weißt, was sein wird, wohin du gehst. Du vermutest, du spekulierst, du glaubst, du hoffst, aber du weißt nicht. Und ja, ich stelle mir diese Fragen auch nicht, denn ich weiß, dass ich keine Antwort erhalten werde, die irgendwie belastbar ist.

Und da ist meine Kritik an materialisischen Philosophien, dass sie qua Selbstdefinition solche Fragen nicht beantworten können, sich aber gleichzeitig einmischen in Sachen, von denen sie nichts verstehen.

Interessant, denn ich sehe es genauso, nur umgekehrt. Religiöse Philosophien geben auch keine Antworten, jedenfalls keine, die klar und sinnvoll sind. Sie beschreiben Hoffnungen, sie vermuten, aber sie mischen sich in Dinge ein, von denen sie nichst verstehen (die Erde steht still, die Erde ist eine Scheibe, Evolution existiert nicht usw.).

Tyrion hat geschrieben: Die Anmaßung derer, die vermuten, dass die, die nicht oder anders vermuten, Satan vertreten, ist unerträglich arrogant und feindselig.
So ist es nicht gemeint. - Nicht der Mensch ist satanisch, sondern sein Handeln ist bewusst oder unbewusst satanisch.

Dennoch eine argumentative Totschlagkeule. Das ist so, wie früher in den USA jeder, der nicht systemkonform war, als Kommunist verunglimpft wurde.

Und nochmals: Es geht hier NICHT um Wissenschaft, die ihren Sachfragen nachgeht, sondern - um es abzukürzen - um Anthropozentrismus: "Ich als Mensch entscheide, was das Maß ist".

Augenwischerei, denn auch Religionen lassen Menschen entscheiden. Bei den ZJ machen es die Leute in ihrem Wachturm-Hochhaus, bei den Katholiken der papstund die Kurie, bei den Evangelikalen die einzelnen Gemeindegurus, die dezentral die Schrift wortwörtlich auslegen und daraus entscheiden, was Maß ist. Es ist immer ein Anthropozentrismus, Religionsvertreter tun nur so, dass es ihnen von Gott eingegeben wurde, was das Maß ist. Auch die Bibel wurde von Menschen aufgeschrieben. Sie legten das Maß fest - beispielsweise, wofür alles gesteinigt werden sollte. Sie machen es nur schlimmer: sie schieben Gott vor, damit ihre Entscheidung, was das Maß ist, nicht einmal hinterfragt werden kann. Und wenn man es doch tut, dann wenden sie gerne Gewalt an (früher körperlich, heute psychologisch).

Tyrion hat geschrieben:Es ist eben die Ablehnung allen Rationalen
Es gibt in der Theologie keine Ablehnung des Rationalen. - Christlich versteht man unter "Aufklärung", dass die menschliche Vernunft
a) zum Verstehen und Gestalten der Welt da ist (Wissenschaft, Zivilisation, etc)

Ersteres ist relativ neu - die längste Zeit wurde das Verstehen der Welt sehr kritisch gesehen und diese Aufklärung vehement bekämpft.

b) aber auch zum Erkennen, dass Gott größer ist als menschliche Vernunft - dass also GEISTIG (nicht wissenschaftlich) der menschliche Vernunft-Horizont nicht maßstabs-tauglich ist.

Das ist eine Setzung, dafür braucht man keine Vernunft, sondern Gehorsam, Unterordnung. Es ist das Akzeptieren, dass man unwürdig ist im Vergleich zu Gott. Der Ober sticht den Unter, Hierarchie. Ich sehe da nur sehr eingeschränkte Vernunft, die nötig ist, das zu schlucken und anzunehmen.

Tyrion hat geschrieben:Ich bin Naturwissenschaftler. Ich vertrete daher ein naturwissenschaftliches Weltbild.
Es gibt viele Wissenschaftler, die trotzdem kein naturalistisches Weltbild haben, weil sie dieses einordnen können in einem geistigen Weltbild.

Klar, es gibt Gläubige auch unter Naturwissenschaftlern. Es geht aber doch um den Dialog. Und die Gläubigen sollten die Menschen, die ein - wie sagst du? naturalistisches Weltbild vertreten, nicht abwerten, bekämpfen, runtermachen, sondern sie auf Augenhöhe annehmen, wenn sie den Dialog wollen. Ich sehe aber meist direkte Anfeindungen. Und das sehr einseitig.

Tyrion hat geschrieben: Oder muss ich immer bei wissenschaftlichen Publikationen einen Disclaimer anbringen, dass ich mir bewusst bin, dass es jenseits des Beobachtbaren noch andere Dinge geben mag
Du sitzt hier einer "Bright-Propaganda" auf. - Es ist eine Erfindung ideologischer Naturalisten, dass Wissenschaft im Gegensatz zu geistigen Weltbildern stünde und dementsprechend von der "geistigen Fraktion" abgelehnt werden würde.

Es war simple Ironie. Aber mit einem Kern, den ich durchaus so sehe - ich empfinde es als herablassend, wenn ich abgewertet werde, weil ich die Möglichkeit einer geistigen Ebene nicht als Fakt, sondern nur als Möglichkeit annehme. Und wenn ich hier lese, wie vehement beispielsweise manche Mechanismen der Natur ablehnen, weil sie bei allem, was irgendwie naturwissenschaftlich erklärbar ist, "bäh" rufen, dann fühle ich mich oft wie im falschen Film.
Warum fühlen sich Menschen durch ein auf die weltliche Ebene beschränktes Weltbild so schnell provoziert?

Dies geht einher mit einer bewussten oder unbewussten Vermischung von "Wissenschaft" und "Weltanschauung". - "Wissenschaft" ist KEINE Weltanschauung, sondern eine methodische Sach- (und nicht Gesinnungs-) Disziplin, die nach festen Regeln untersucht und beschreibt. - Das wissen die Theologen, aber ihnen wird dies propagandistisch abgesprochen.

Wieder eine interessante Spiegelung - es wird also ein Vorwurf gemacht, der nicht gerechtfertigt ist, dann aufgezeigt, dass der Inhalt dessen, was vorgeworfen ist, falsch ist und das Falsche dann so auf den projeziert wird, dem man es vorwirft. Genau so habe ich es auch den Naturwissenschaften gegenüber beschrieben. Irgendwie witzig... (bitte nicht falsch verstehen)

Tyrion hat geschrieben:Daher ist für mich dieses "weltliches Denken = Satan" ein übles Denkmuster aus dem Mittelalter
Da bist Du in Deinem Verständnis fehlgeleitet worden.

Inwiefern?

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#147 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von Tyrion » Mi 22. Mär 2017, 19:07

closs hat geschrieben:Deshalb noch einmal zusammengefasst:

1) Wissenschaft ist ein Instrument für den Menschen und an sich "gut".
2) "Weltliches Denken" bezeichnet den Ersatz Gottes durch das Ich.

Dann gibt es doch gar kein weltliches Denken. Oder du meinst mit Gott nicht Gott, sondern nur sowas wie die Legislative, also das Festsetzen von Normen, das du nur Gott zuschreibst, aber trotzdem kein problem damit hast, dass dies Menschen machen, solange sie sich auf Gott berufen. Das könnte ich auch (ohne an meinem Weltbild etwas zu ändern). Die Existenz Gottes ist nicht belegt, nicht sicher. Insofern kann es auch sein, dass es deine "geistige Ebene" gar nicht gibt. Wenn du das aber einen Absolutheitsanspruch erzeugst, wird das diskutieren unnütz, klar. Das wäre aber nicht schlimm. Wenn du aber daraus noch einen Absolutheitsanspruch in Bezug auf Normen und Moral verkündest, dann zwingst du deine Sicht anderen auf. Und da hört der Spaß auf. Dass das nicht mehr so einfach ist, mag für viele traurig sein, ich finde es ganz ehrlich gut so. Und ich werde dafür zum Glück nicht mehr gefoltert, was ich auch gut so finde.

Tyrion hat geschrieben:Das Verteufeln der Naturwissenschaften findest du auch hier im Forum, findest du bei 2jesus und auch in anderen Religionsforen. Du findest es indirekt auch bei den großen Kirchen, da den Naturwissenschaften immer wieder Vorwürfe gemacht werden.
In Foren, in dem sich immer auch Exemplare von Splittergruppen finden, kann das sein.

Wer bestimmt, was nur eine Splittergruppe ist und was nicht...? Evangelikale haben viel Einfluss, die ZJ sind weltweit vertrteten (usw.). Nur Splittergruppen?

closs hat geschrieben:Das ist leicht einlösbar - das Problem: Logik ist IMMER Folge der Setzung, auf die sie angesetzt wird. - Und um dieses Problem zu minimieren, gibt es Hermeneutik. - Und da kaum einer weiß, was Hermeneutik eigentlich ist, wird sie von Materialisten verachtet. :lol:

Wo verachte ich Hermeneutik? In deinen Augen bin ich ja auch Materialist, nehme ich an...

Das Problem sind die Interpretationen - und da sollten sich kritisch-rationale Wissenschaften tunlichst raushalten, sobald sie in die Nähe geistiger Fragestellungen kommen. - Konkret: Wenn man biblische "Geschichten" bewertet, bewertet man sie primär GEISTIG im Sinne von: "Für welchen geistigen Inhalt steht diese Geschichte?"

Wer ist "man"? Natürlich ist es eine Frage dessen, was man erreichen will. Wenn ich eine abstraktes Gemälde erfassen will und dieses begreifen will, ergibt es wenig Sinn, dem Maler mangeldne Handwerksfühigkeit vorzuwerfen und sich über den Pinselstrich auszulassen. Das ergibt dann wenig Sinn. Dennoch kann es interessant sein, die Technik zu beleuchten, wie das Bild entstand. Es ist nur eine andere Fragestellung.
Das Problem entsteht ja erst dann, wenn derjenige, der das Kunstwerk interpretiert, es abstrakt sieht, die Intention beleuchten will, daraus Rückschlüsse zieht, die er anderen Menschen aufzwingt, indem er Moralvorgaben macht. Ich habe es jetzt sehr plakativ ausgedrückt.
Du bewertest Massenmord-Legenden und Rassismus der Bibel abstrakt, fragst dich, was dahinter stehen könnte und setzt dabei einen positiven, nicht mordenden Gott voraus. Das sei dir unbenommen. Ich sehe, dass andere die Geschichten leider anders lesen ud als Folge beispielsweise selbst rassistisch handeln oder morden. Dann ist es doch legitim, zu hinterfragen, warum die Geschichte so notiert wurde, dass sie entsprechzend missverstanden werden kann, wenn sie doch ganz anders gelesen werden sollte... Ich folgere daraus eben, dass die Geschichte aus Menschenhand stammt und Gott hier keine Rolle spielt. Du siehst es anders. Du siehst nicht nur einen Text, ein Kunstwerk, sondern einen tieferen Sinn auf höherer Ebene. Erneut: es kann ja sein, dass dieser schlicht nicht vorhanden ist.

3) Mein Eindruck: Ich kenne keine als historisch zu postulierenden Stelle, die falsifizierbar wäre.

Irrelevant. Nicht mögliche Falsifizierbarkeit ist kein Positivargument.

Das heißt:
1) Die materialistische Fraktion trifft auf ein uneinheitliches Bild.
2) Weiterhin kann sie die Sachen, die historisch wirklich wichtigen Dinge nicht falsifizieren, weil sie nicht falsifizierbar sind (bspw. "Auferstehung")

Wo ist das Problem? Das Problem entsteht doch erst durch die Folgerungen.

Tyrion hat geschrieben:Und was passiert: es wird weiter gehetzt und polemisiert, Satan hier, Satan dort, böser Materialismus hier, dumme Menschenrechte dort...
Du scheinst mir wirklich ganz schön verantwortlungslos formatiert worden zu sein - wahrscheinlich liegt es an der Zeit Deines Aufwachsens. - Mit anderen Worten: Rein sachlich sind Deine Eindrücke oder Befürchtungen falsch - da wurdest Du miss-aufgeklärt.

Ich schreibe polarisierend, übertreibend, ironisch. Und nein, ich beziehe mich dabei nicht nur auf "so könnte es sein", sondern auch darauf, was ich erlebt habe, was ich selbst als Erwiderungen erhalte, wenn ich mit religösen Menschen diskutiere und auf Kampagnen, die ich erlebe (die von religiösen Menschen betrieben werden). Dabei wechsle ich sie Rhetorik aber in bewusst plump, um damit Ironie aufzuzeigen.

Tyrion hat geschrieben:Die genannten verfolgen Politik, Macht. Dahinter steckt kein Weltbild, dahinter steckt eher eine Ideologie, also eine (Ersatz)Religion.
Ich stimmt Dir voll zu - aber warum können sie Zulauf bekommen? Das war meine Frage.

Das ist eine Folge der Freiheit. Freiheit hat eine Kehrseite. Dennoch bevorzuge ich persönlich die Freiheit, muss aber die Kehrseite dann akzeptieren.

Tyrion hat geschrieben:Woher dieses Schwarz-weiß-Sehen?
Natürlich sind solche Phänomene multi-kausal zu sehen. Es geht nicht um schwarz-weiß.

Dafür ist deine Rhetorik aber sehr schwarz-weiß-malerisch.

Tyrion hat geschrieben:Einfach: Indem keine Seite einen Absolutheitsanspruch vermittelt.
Genau das tun aber die Verfechter des PHILOSOPHISCHEN kritischen Rationalismus (nicht des wissenschatlich-methodischen kritischen Rationalismus - bitte nicht verwechseln).

Den vermisse ich dann bei den meisten Religionsvertretern (auch bei Franziskus, als Beispiel).

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#148 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von Tyrion » Mi 22. Mär 2017, 19:07

Tyrion hat geschrieben:Dieses "Ich habe Recht und du bist ein Trottel, wenn du meiner Wahrheit nicht folgst" tötet jeden ernsten Austausch.
Komisch - das ist exakt mein Vorwurf an einige Vertreter unserer "säkulare Fraktion". - Dann machen wir beide es einfach mal besser und zeigen, wie es richtig ist - einverstanden?

Finde ich gut und ich versuche es ja auch - auch hier in diesem Dialog.

Tyrion hat geschrieben:Das fällt mir vor allem gegenüber Nichtmenschen auf - du wertest Tiere ab
Nein, tue ich definitiv nicht. - Du wertest es aus Deinem Weltbild möglicherweise so, aber das kann ich nur schwer beeinflussen.

Ich empfinde es so, dass du Tiere extrem abwertest und dabei nicht einmal Interesse hast, dein Urteil zu hinterfragen oder auf Fakten aufzubauen. Mein Eindruck: du legst fest, wie Tiere sind und beurteilst sie darauf aufbauend (und eventuell nutzt du Gott als Ausrede dafür, dass du recht hast, da du es mit "aus christlicher Sicht" titulierst). Ich habe immer wieder nachgefragt, ob du tieferes Wissen zur Ethologie besitzt - du hast sie nicht, willst sie aber auch nicht haben. Mein Eindruck ist dann: Klar, denn das Wissen könnte dein Urteil beeinflussen, das aber willst du nicht, da dein urteil feststeht. Und um es nicht zu negativ wirken zu lassen, lehnst du die Wertung ab und spiegelst sie dem gegenüber, der die Wertung meint zu erkennen. Das ist wie eine Wand, die nicht nachgibt, weil sie nicht nachgeben kann. Du willst hier auch nicht nachgeben - du "weißt", dass du recht hast (Absolutheitsanspruch) und lehnst widersprechende Fakten ab (es wäre o.k., wenn du die Fakten entkräftest und dann interpretierst, aber du interessierst dich hier leider nicht einmal für die Fakten, was schade und ungerecht ist). Ich hatte es mal mit dem Urteil über Aborigenes Australien vergleichen. Für dich wären diese Menschen damals auch geistlos gewesen, da dich nicht interessiert hätte, ob sie zu Transzendez fähig sind, denn sie waren damals als Tiere angesehen, also per se nicht transzendenzfähig. Heute ist klar, dass auch das Menschen sind, früher wurden sie gejagt und geschossen. Aber das ist ein anderes Thema. Und das bringt leider nichts, da du die absolute Wahrheit für dich beanspruchst und diese für dich nicht diskutierbar ist. Leider ist damit die Hoffnung, wir beide könnten es besser machen, stark erschwert. Und das erlebe ich leider häufig auf der ideologischen Seite (Ideologie inklusive Religion).

Tyrion hat geschrieben:Dein Urteil steht von vornherein fest.
Auf der Basis einer von mir GENANNTEN Voraussetzung gibt es ein Urteil, das Mensch und Tier kategorial unterscheidet, aber nicht abwertet.

Ob die genannte Voraussetzung richtig oder falsch ist, interessiert dich dabei nicht. Und die Kategorien werden durchaus als Bewertung gesehen. Deshalb darfst du beispielsweise Tiere essen, Menschen aber nicht.

Tyrion hat geschrieben:Und weil z. B. Materialist meist als Schimpfwort bebraucht wird, um andere anzugreifen und ihnen Defizite vorzuwerfen.
Ja - das tue ich dann, wenn der Materialismus sich selbst-immunisierend in einer absolutistische Haltung des "Wir haben die einzige 'reale" Weltanschauung" gefällt. - Dann nämlich kopiert sie das, was sie der Kirche im Mittelalter vorwirft.

Nein, denn es geht nicht um "real". Da missverstehst du die naturbezogenen Weltanschaunungen. Es geht um "überprüfbar". Und da kopiert sie nicht die Kirchen.

Tyrion hat geschrieben:Das vermute ich jetzt. Wenn aber ein Theologe zu frei denkt, dann wird er doch abgestraft
Hier sprichst Du ein anderes Problem an: Unter "frei" versteht man heute das, was im Wort "Meinungs-Gesellschaft" steckt - das ist zu wenig. - Wenn ich "frei" äußere, dass der Mond größer ist als die Sonne, verliere ich möglicherweise meinen Physik-Lehrstuhl auch, weil ich einfach nicht mehr tragbar bin.

Wobei man plausibel aufzeigen kann, dass dieser Professor irrt. Wenn ein Theologe von der unbefelckten Empfängnis abrückt und diese nur als Symbol interpretiert, ist das nicht so einfach. Da geht es nicht um Überprüfbarkeit, da geht es um Macht und Einschränkung der Interpretationsfreiheit.

Tyrion hat geschrieben:Du musst nur offen für einen Austausch auf Augtenhöhe sein. Ich lese aus deinen Zeilen, dass du diesen zwar wünschst, aber nicht in der Lage bist, anzubieten
Wenn man über "echte" theologische/philosophische Fragen spricht, muss man geistige Fragen stellen können - also die geistige Dimension verstanden haben. - Genau das wird seitens der "säkularen Fraktion" oft genug verweigert bzw. nicht angeboten.

Wie kann man etwas anbieten, was man nicht glaubt? In letzter Konsequent würde das heißen, dass Theologen mit Atheisten nicht auf Augenhöhe sprechen könne oder wollen. Sie werten Atheisten dann ab, weil sie nicht "die geistige Dimension" verstehen. Zeitgeich wollen Theologen mit Quantenphysikern über Konsequenzen der Quantenphysik diskutieren (und tun dies auch). Leider verstehen sie diese nicht (das fällt auch Quantenphysikern selbst schwer). Trotzdem kommt es zu ernsthaftem Austausch. In dem Fall dreht sich der Physiker halt niht arrogant weg, sondern versucht, eine gemeinsame Ebene zu finden und eben symbolhaft zu erklären.

Was noch offen ist:
Warum sind Gläubige so schnell beleidigt, eingeschnappt und werden dann aggressiv? Wie gesagt, ich empfinde schon alleindie Rhetorik als aggressiv (sei es Franziskus, sei es die deine, wenn es um Kampf geht...). Ich lese aus deinen Aussagen sehr viel Verbitterung gegenüber Menschen, die deinen Glauben nicht annehmen wollen.

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#149 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von Tyrion » Mi 22. Mär 2017, 19:23

Novalis hat geschrieben:Wir können die Wissenschaft als einen Flügel und die Religion als einen anderen Flügel betrachten. Wahre Religion ist ein Licht für die Wissenschaft und Wissenschaft ein Licht für die Religion. Sie erleuchten sich gegenseitig. Leider gibt es das Vorurteil, dass Wissenschaft und Religion unvereinbar sind, was auf eine einseitige oder verzerrte Geschichtsschreibung zurück geht, in der Religion und Wissenschaft in einem ewigen Krieg beschrieben werden.

Puh, du verwendest so "schöne" Bilder, wirkst so verbindend, und haust dann so nebenbei einen derartigen Hammer an Vorwurf raus.
Beispiel: Gab es keinen Prozess gegen Galileo Galilei? Und wann wurde Galilei rehabilitiert? Im Jahr 1992! 1633 wurde er zu lebenslangem Hausarrest verurteilt. Die RKK hat das Urteil bis in die 90er-Jahre aufrecht erhalten.
Das ist nur ein Beispiel - und ja, man kann das Urteil aus dem Jahr 1633 als historischen Fehler ansehen, ebenso den Druck, den damals Wissenschaftler erleiden mussten. Für dich alles alter Kaffee. Aber ich wuchs in einer katholischen Kirche auf, in der dieses Urteil noch immer rechtens und richtig war. Und du erdreistest dich, von verzerrter Geschichtsschreibung zu schwadronieren?

Ich sehe aktuell den Einfluss der ID-Fanatiker in den USA, die versuchen, selbst die pure Theorie der Evolution aus den Schullehrplänen zu verdrängen. Die christliche Seite bekämpft hier wissenschaftliche Erkenntnisse (ja, es ist da nicht die RKK).

Mir reicht es, wenn sich die Religionen nicht in die Wissenschaften einmischen, was die Theoriefindung und das Denken angeht. Was die Moral angeht (Ethikkommission), haben Religionsvertreter wiederum das Recht, sich einzubringen (und das ist gut so). De faxto kämpft Religion aber oft gegen Wissenschaft - anstatt sich zu ergänzen.

Ohne deinen Seitenhieb hätte ich die diesen "frommen Wunsch" fast abgenommen.
Religion ohne Wissenschaft führt in den Aberglauben und Wissenschaft ohne Religion in den Materialismus, so sehe ich persönlich das ;)

Wieder dieses Schlagwort, das auch closs so gerne anbringt. Du argumentierst an der Realtität vorbei. Wie ich schon schrieb - Ethikkommissionen gbt es, die Religionen bringen sich ein, wo sie sich einbringen sollen. In der puren Theoriefindung sind sie aber schädlich. Und die pure Theoriefindung hat mit Materialismus nichts zu tun. Ich fürchte eher, du verstehst nicht, was Wissenschaftlichkeit bedeutet (da ist closs offensichtlich weiter).

Für mich ist es vollkommen klar, dass beide nur zur höchsten Blüte gelangen können, wenn sie sich gegenseitig bewässern, im dialogischen Zusammenspiel antreiben und ergänzen. Das gelingt jedoch nur, wenn man akzeptiert, dass sie eine unterschiedliche Sprache sprechen. Religion muss nicht wissenschaftlich sprechen und Wissenschaft nicht religiös. Auf den Punkt gebracht: es handelt sich um zwei unterschiedliche Erkenntniswege.

Der eine Weg existiert, er ist greifbar, der andere ist potentiell vorhanden, kann aber auch schlicht ein Irrweg sein, da eingebildet. Deine Haltung klingt gut, ich fürchte aber, sie würde, konsequent umgesetzt, Wissenschaft blockieren und einschränken. Dass sich beide Seiten positiv befruchten können, sehe ich auch - deshalb sind ja gerade interdisziplinäre Diskussonsrunden wichtig. Oder beispielsweise der Austausch eines Prof. Lesch mit Theologen. Aber die Theologen sollten sich aus der Kosmologie als Disziplin raushalten und Lesch sich aus der Theologie als Disziplin. Die Folgerungen aus beide Disziplinen kann man aber quervernetzen.

Und zum Glück geht das heute - selbst die RKK sieht seit 1992 ein, dass man einen Mensch, der davon überzeugt ist, dass die Erde um die Sonne kreist und die Sonne Flecken aufweist, dafür nicht lebenslang in Haft sein muss. Der Weg zur tiefgreifenden Anerkennung der Freiheit der Wissenschaft ist aber ein weiter. Du musst nur hier im Forum die Evolutionsthreads lesen - klar, das ist nicht die RKK, sondern das sind eher religiöse Fanatiker, die hier das Wort führen, aber es ist ein Meinungsquerschnitt. Daher bin ich froh, dass ich mich in meiner Forschung nicht mit Theologen einlassen muss. Ich bin aber bereit, mit diesen über die Folgerungen zu diskutieren. Das ist aber ein Unterschied.

closs
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#150 Re: Jenseits von Gut und Böse?

Beitrag von closs » Mi 22. Mär 2017, 20:07

Tyrion hat geschrieben:Wenn ich sage, dass ich mein Haus sehen und erkennen kann und ich dieses als die Welt ansehe - und ich das, was ich nicht sehen kann, nicht beurteilen will - wo ist das eine Ideologie.
Nirgends - üblich ist aber: "Es gibt nur mein Haus. - Nur das ist für mich intersubjektiv nachweisbar". - Und das ist dann schon Ideologie.

Tyrion hat geschrieben:Das macht doch niemand.
Doch - das ist die Nummer des PHILOSOPHISCHEN kritischen Rationalismus und all der daraus entspringenden philosophischen Richtungen, die heute dominieren. (Immer wieder: der METHODISCHE kritisch Rationalismus ist voll ok - das Problem ist, wenn man ihn zur Philosophie erhebt)

Tyrion hat geschrieben:Dann ist das einfachste, diese Menschen eben anzugreifen und ihnen vorzuwerfen, sie würden sich selbst zu Gott machen.
Aber so läuft es nicht. - Normalerweise wissen diejenigen, die sich selber zu Gott machen, gar nicht, dass es so ist. - Es gibt eine Kultur der profitablen Bewusstlosigkeit, die meistens dann sogar darauf besteht, als "aufgeklärt" zu gelten. - Irrnis und Wirrniss.

Tyrion hat geschrieben:Oh, das ist spannend. Ich habe ähnlich gehandelt und komme zu gegenteiligen Schluss.
Es kommt drauf dann, ob man als Maßstab die "geistige Entität Gott" nimmt oder die geschilderte "Offenbarungs-Größe Gott". - Zudem ist zu beachten, dass es einen heilsgeschichtlichen Prozess der "Kirche" (= Gemeinde Jahwes/Gottes) vom AT ins NT hineingibt - da muss natürlich dann bestmöglichen Status nehmen. - Denn: Auch Gottesbilder sind immer wieder satanisch kontaminiert. - Ist ziemlich einfach, wenn man "Gott" und "Gottes-Vorstellung" unterscheidet.

Tyrion hat geschrieben:Es geht doch nicht um das Stellen der Fragen, es geht um Antworten auf diese.
Alle Antworten dieser Art sind spekulativ - wobei "spekulativ" nicht den pejorativen Anstrich des 20. Jh. hat, sondern sich an die ursprüngliche Bedeutung hält:
"Spekulation (von lateinisch speculari = beobachten) ist eine philosophische Denkweise zu Erkenntnissen zu gelangen, indem man über die herkömmliche empirische oder praktische Erfahrung hinausgeht und sich auf das Wesen der Dinge und ihre ersten Prinzipien richtet" (wik).
Anders geht es nicht, da Gott als nicht-naturalistische Entität nicht naturalistisch-empirisch nachweisbar ist - prinzipiell nicht.

Tyrion hat geschrieben:Sie beschreiben Hoffnungen, sie vermuten, aber sie mischen sich in Dinge ein, von denen sie nichst verstehen (die Erde steht still, die Erde ist eine Scheibe, Evolution existiert nicht usw.).
Auch da solltest Du Dich erst mal am besten Fall orientieren - konkret: Die Theologien der großen Kirchen mischen sich nicht in Evolutions-Fragen ein.

Allerdings: Es wird sehr wohl für möglich gehalten, dass Gott sich unter Ausschaltung der Naturgesetze offenbart. - Das ist keine theologische Erwartung, sondern dem Umstand geschuldet, dass der Mensch mit seinem Vorstellungs-Horizont nicht zu bestimmen hat, was sein kann und was nicht sein kann.

Tyrion hat geschrieben:Dennoch eine argumentative Totschlagkeule.
Insofern NICHT, als dass sogar der Papst bekennt, nicht frei vom Satan zu sein - es ist also nicht nur Fremdbezichtigung, sondern auch Selbstbezichtigung. - "Sündígkeit" (= Folge der Existenz Satans) wird theologisch nicht als Willensgröße, sondern als unvermeidbares Attribut des Menschen gesehen - und zwar ALLER Menschen.

Tyrion hat geschrieben:Augenwischerei, denn auch Religionen lassen Menschen entscheiden.
"Religionen" sind Teil des "Fürstentums der Welt" - also weltliche Größen. - Im besten Fall (und das kommt durchaus oft vor) sind sie menschliche Einrichtungen im Sinne Gottes - aber es gibt auch die schlechteren Fälle. - "Religion" ist nicht dasselbe wie "Gott".

Tyrion hat geschrieben:Ersteres ist relativ neu - die längste Zeit wurde das Verstehen der Welt sehr kritisch gesehen und diese Aufklärung vehement bekämpft.
Auch das stimmt nicht. - Die Früh-Aufklärung war eine christliche Veranstaltung. - Die Wissenschaften des Mittelalters wurden von Mönchen geführt.

Das Problem kam erst, als sich "Aufklärung" in ein autonomes (= anthropozentrisches) Phänomen entwickelt hat. - Und hinzu kommt: Die Kirche hat eher zu früh als zu spät dagegen gehalten. - Die Urban Legend, dass ein die Aufklärung vertretener Galileo gegen eine aufklärungs-feindliche Kirche stand, war immer bösartig motiviert. - Das war in Wirklichkeit sehr viel differenzierter.

Tyrion hat geschrieben:Das ist eine Setzung, dafür braucht man keine Vernunft
Wenn man zu Ende denkt, ist es eine Setzung aus Vernunft. - Kant hat es verstanden und andere auch - aber es ist bis heute nicht durchgedrungen. - Der Mensch scheint schwarz-weiß zu denken: "Entweder ich bin mit meiner Vernunft absoluter Maßstab oder ich bin Sklave". - Statt zu sagen: "Die menschliche Vernunft ist ein hohes Gut, das uns große Möglichkeiten gibt. - Bei geistigen Fragen aber sagt uns die Vernunft, dass etwas darüber sein könnte, was größere Vernunft ist". - Und schon sind wir wieder beim Pärchen "Anthropozentrismus versus Theismus".

Tyrion hat geschrieben:Ich sehe aber meist direkte Anfeindungen.
Es würde reichen, wenn beide Seiten sagen würden: "Es gibt sehr gute Gründe für mein Weltbild. Aber Du könntest recht haben".

Tyrion hat geschrieben:wenn ich abgewertet werde, weil ich die Möglichkeit einer geistigen Ebene nicht als Fakt, sondern nur als Möglichkeit annehme.
DANN wirst Du NICHT abgewertet. - Probleme gibt es dann, wenn Du ausschließt, dass es Gott als eigenständige trans-naturalistische Entität geben könnte - und dies auch noch "beweist" :devil: .

Tyrion hat geschrieben:Genau so habe ich es auch den Naturwissenschaften gegenüber beschrieben. Irgendwie witzig... (bitte nicht falsch verstehen)
Das ist ok - das heisst schon mal, dass wir das Gleiche nicht gut finden. - Das ist mir viel wert. - Und Du erkennst jetzt, dass es diese Spiegelung gibt - auch viel wert.

Tyrion hat geschrieben:Inwiefern?
Weil das dialektische Grundmuster von "gut" und "böse" eine tiefe philosophische Bedeutung hat, die von denen, die sich über Satan, etc. lustig machen, nicht verstanden wird, weshalb man sich entsprechend "aufgeklärt" fühlt.

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