Derweil habe ich mich in den letzten Tagen mal mit der Frage befasst, wie denn nach der ART das Gravitationsfeld eines Himmelskörpers aussieht, der sich mit einer hohen Geschwindigkeit bewegt, ob also inbesondere das Feld um den Faktor γ = √(1 - v²/c²) "verstärkt" ist, wie man naiverweise erwarten könnte, wenn man davon ausgehen würde, die Quelle des Gravitationsfeldes sei die dynamische Masse aus der SRT.
In der vollständigen ART ist die Betrachtung eines bewegten Gravitationszentrum sehr kompliziert, aber es gibt ja die Näherungsmethode der linearisierten ART (die z.B. meistens für Gravitationswellen verwendet wird), die die Sache ganz erheblich vereinfacht. Dabei spaltet man den metrischen Tensor g_μν auf in den metrischen Tensor der flachen Raumzeit, η_μν = diag(1,-1,-,1,-1), und eine Abweichung h_μν von dieser:
g_μν = η_μν + h_μν
Alle vom metrischen Tensor abgeleiteten Größen entwickelt man dann bis zur 1. Ordnung in h_μν. Die Feldgleichungen können dann auf die Form
д_α
д^α h_μν = - (8πG/c^4) T_μν (1)
gebracht werden, wobei
д_α
д^α der D'Alembert-Operator:
https://de.wikipedia.org/wiki/D%E2%80%9 ... t-Operator
ist. Das ist deswegen sehr hilfreich, weil auch die Maxwell-Gleichungen aus der Elektrodynamik mit dem D'Alembert-Operator geschrieben werden können, wenn man das elektromagnetische Vierer-Potential A^μ und die Lorentzeichung verwendet:
д_α
д^α A^μ = (1/(c ε0)) j^μ
wobei j^μ = (Ï c, \vec j) die elektrische Viererstromdichte ist. Für eine elektrische Punktladung q, die sich in x-Richtung bewegt und zur betrachteten Zeit t = 0 gerade den Koordinatenursprung (x,y,z) = (0,0,0) durchläuft, ist die Viererstromdichte
j^μ = (q c δ(\vec r), q v δ(\vec r), 0, 0)
Dabei ist v die Geschwindigkeit der Ladung und δ(\vec r) die Delta-Funktion, die die Teilchendichte der Punktladung zum Ausdruck bringt: unendlich am Aufenthaltsort (0,0,0) der Ladung, 0 überall sonst. Die Lösung der Maxwell-Gleichungen für eine solche Punktladung ist
A^0 = (γ q / c) / [4 π ε0 √((γx)² + y² + z²)] (2a)
A^x = (γ q v / c²) / [4 π ε0 √((γx)² + y² + z²)] (2b)
Analog betrachten wir als Quelle des Gravitationsfeldes ein Punktteilchen der Masse m, das sich ebenfalls mit der Geschwindigkeit v in x-Richtung bewegt und zur Zeit t = 0 den Koordinatenursprung (0,0,0) durchläuft. Die Komponenten des kontravarianten Energie-Impuls-Tensors des Punktteilchens sind
T^00 = γ m c² δ(\vec r)
T^0x = T^x0 = γ m v c δ(\vec r)
T^xx = γ m v² δ(\vec r)
Daraus berechnen wir den kovarianten Energie-Impuls-Tensor:
T_00 = (η_00)² T^00 = T^00 = γ m c² δ(\vec r)
T_0x = T_x0 = η_00 η_xx = - T^0x = - γ m v c δ(\vec r)
T_xx = (η_11)² T^xx = γ m v² δ(\vec r)
Dabei ist γ m c² = m c² / √(1 - v²/c²) die Energie des Teilchens und γ m v sein Impuls. Durch Einsetzen in die linearisierte Feldgleichung (1) und den Vegleich mit der Lösung der Maxwell-Gleichungen (2a,b) können wir sofort die Lösung für h_μν ersehen:
h_00 = - (2 G γ² m c²) / √((γx)² + y² + z²) (3a)
h_0x = h_x0 = (2 G γ² m v c) / √((γx)² + y² + z²) (3b)
h_xx = - (2 G γ² m v²) / √((γx)² + y² + z²) (3c)
Zunächst einmal fällt sowohl in (2a,b) als auch in (3a,b,c) auf, dass unterhalb des Bruchstrichs ein Faktor γ² vor x² steht. Das bedeutet, dass die Äquipotentialflächen, also die Flächen, die aus den Punkten gebildet werden, für die der Ausdruck unter dem Bruchstrich den gleichen Wert annimmt, nicht mehr kugelsymmetrisch sind wie bei einer ruhenden Quelle, sondern in x-Richtung, d.h. der Bewegungsrichtung der Quelle, gestaucht sind, und zwar um den Lorentz-Faktor γ.
Weiterhin fällt auf, dass (2b) und (3b,c) nur dadurch ungleich 0 sind, dass sich die Quelle bewegt, also v > 0 ist. Für eine ruhende Quelle mit v = 0 würden nur (2a) und (3a) verbleiben.
Und in (3a) fällt auf, dass sich über dem Bruchstrich ein Faktor γ² findet. Die Komponente h_00 ist also in dem Fall, dass sich die Quelle des Gravitationsfeldes bewegt, um den Faktor γ² = 1 / (1 - v²/c²) gegenüber dem Fall, dass die Quelle ruht, vergrößert. Man könnte nun versucht sein, dies so zu verstehen, dass das Feld tatsächlich um diesen Faktor verstärkt ist, also um einen Faktor, der sogar noch größer ist als der Faktor γ, um den die Energie (bzw. die dynamische Masse) gegenüber dem Ruhezustand vergrößert ist.
Doch mit solchen Schlussfolgerungen muss man vorsichtig sein. Schauen wir uns mal an, wie sich Testteilchen unter dem Einfluss des Gravitationsfeldes verhalten. Nehmen wir als erstes ein Testteilchen, das in der (y,z)-Ebene, also in der Ebene senkrecht zur Bewegungsrichtung der Quelle, zunächst ruhe. Die Beschleunigung, die dieses Testteilchen erfährt, ergibt sich aus der Geodätengleichung
d² x / dτ² = - Γ^x_00 c²
d² y / dτ² = - Γ^y_00 c²
d² z / dτ² = - Γ^z_00 c²
Dabei sind Γ^x_00, Γ^y_00 und Γ^z_00 die relevanten Christoffelsymbole. Die Beschleunigung in x-Richtung können wir außer acht lassen, da sich das Testteilchen in der (y,z)-Ebene befinden soll. Für die Beschleunigung in y- und z-Richtung ergibt sich
d² y / dτ² = - (G γ² y m c^4) / ((γx)² + y² + z²)^(3/2) (4a)
d² z / dτ² = - (G γ² z m c^4) / ((γx)² + y² + z²)^(3/2) (4b)
Wie man sieht, geht die Beschleunigung mit γ², d.h. durch die Bewegung der Quelle ist die Beschleunigung, die das Testteilchen erfährt, gegenüber einer ruhenden Quelle um den Faktor γ² vergrößert. Doch betrachten wir ein zweites Teilchen, eines, das sich ebenfalls in der (y,z)-Ebene befindet, sich jedoch ebenso wie die Quelle mit der Geschwindigkeit v in x-Richtung bewegt. In diesem Fall folgt aus der Geodätengleichung
d² y / dτ² = - (Γ^y_00 γ c² + Γ^y_xx γ v² + 2 Γ^y_x0 γ v c)
d² z / dτ² = - (Γ^z_00 γ c² + Γ^z_xx γ v² + 2 Γ^z_x0 γ v c)
Aufgrund der Bewegung des Testteilchens in x-Richtung kommen also noch weitere Christoffelsymbole hinzu, nämlich Γ^y_xx, Γ^z_xx, Γ^y_x0, Γ^z_x0. Die resultierende Beschleunigung, in der Eigenzeit des Testteilchens bemessen, ist dann
d² y / dτ² = - (G y m c^4) / ((γx)² + y² + z²)^(3/2) (5a)
d² z / dτ² = - (G z m c^4) / ((γx)² + y² + z²)^(3/2) (5b)
Gegenüber dem in der (y,z)-Ebene ruhenden Testteilchen sind die γ²-Faktoren also verschwunden. Hinzu kommt: da sich das Testteilchen bewegt, stimmt seine Eigenzeit Ï„ nicht mit der Koordinatenzeit t überein, es gilt dÏ„ = dt/γ. Bemisst man die Beschleunigung nun in der Koordinatenzeit statt in der Eigenzeit, so werden (5a,b) zu
d² y / dt² = - (G y m c^4) / [γ²((γx)² + y² + z²)^(3/2)] (5a')
d² z / dt² = - (G z m c^4) / [γ²((γx)² + y² + z²)^(3/2)] (5b')
Die γ²-Faktoren wandern damit unter den Bruchstrich, die Beschleunigung ist also
kleiner als bei ruhender Quelle.
Es ist interessant, die beiden Beispiele mit den Testteilchen auf den elektromagnetischen Fall zu übertragen. In (2a,b) ist das elektromagnetische Viererpotential angegeben, man benötigt aber noch das elektrische und magnetische Feld \vec E, \vec B, um die Kraft auf ein Testteilchen zu berechnen. Mit
\vec E = - grad A^0/c -
д_t \vec A
\vec B = rot \vec A
ist
E_x = (γ x q) / ((γx)² + y² + z²)^(3/2) (6a)
E_y = (γ y q) / ((γx)² + y² + z²)^(3/2) (6b)
E_z = (γ z q) / ((γx)² + y² + z²)^(3/2) (6c)
B_x = 0 (6d)
B_y = - (γ z q v/c²) / ((γx)² + y² + z²)^(3/2) (6e)
B_z = (γ y q v/c²) / ((γx)² + y² + z²)^(3/2) (6f)
Für das in (y,z)-Ebene ruhende Testteilchen ist nur das elektrische Feld relevant, dessen Komponenten (6a,b,c) alle um den Faktor γ verstärkt sind. Das Testteilchen wird von einer bewegten Quelle folglich stärker angezogen bzw. abgestoßen als von einer ruhenden Quelle. Ist das Testteilchen jedoch in x-Richtung bewegt, so kommt aufgrund der Lorentzkraft auch das magnetische Feld zum Tragen. Ist die Geschwindigkeit des Testteilchens in x-Richtung ebenso groß wie die der Quelle, also v, so ist die auf das Testteilchen wirkende Kraft, wenn wir dessen Ladung als -q annehmen:
F_y = - q (E_y - v B_z) = - q² (1 - v²/c²) (γ y q) / ((γx)² + y² + z²)^(3/2) = - q² (y q) / [γ ((γx)² + y² + z²)^(3/2)]
F_z = - q (E_z v v B_z) = - q² (1 - v²/c²) (γ z q) / ((γx)² + y² + z²)^(3/2) = - q² (z q) / [γ ((γx)² + y² + z²)^(3/2)]
Die Kraft ist damit um den Faktor 1/γ verkleinert, aufgrund des Einflusses des magnetischen Feldes. Die in der Koordinatenzeit bemessene Beschleunigung ist demnach, mit \vec F = γ m \vec a:
a_y = F_y / (γ m) = - q² (y q) / [γ² m ((γx)² + y² + z²)^(3/2)]
a_z = F_z / (γ m) = - q² (z q) / [γ² m ((γx)² + y² + z²)^(3/2)]
also gegenüber dem Fall, dass die Quelle des Feldes ruht, um den Faktor 1/γ² verkleinert, genauso wie beim Gravitationsfeld. Der Einfluss des magnetischen Feldes ist damit dem Einfluss der zusätzlichen Christoffelsymbole (Γ^y_xx, Γ^z_xx, Γ^y_x0, Γ^z_x0) im analogen Fall beim Gravitationsfeld vergleichbar.
Zusammenfassend ist somit zu sagen, dass gar keine eindeutige Angabe dazu möglich ist, ob das Gravitationsfeld eines sich schnell bewegenden Körpers um den Faktor γ verstärkt ist, da das Feld eines bewegten Körpers wesentlich komplizierter ist als das eines ruhenden Körpers. Einige der Feldkomponenten sind tatsächlich um den Faktor γ oder sogar γ² verstärkt, je nach Situation - z.B. je nachdem, ob ein Testteilchen, auf das das Feld wirkt, gerade in Ruhe ist oder sich mit dem gravitierenden Körper mitbewegt - kommen jedoch weitere Feldkomponenten zum Tragen, die in Summe den verstärkenden Effekt kompensieren oder überkompensieren, so dass es passieren kann, dass ein Testteilchen sogar schwächer beschleunigt als es der Fall wäre, wenn der gravitierende Körper ruhen würde. Das gilt nicht nur für das Gravitationsfeld, sondern ganz ähnlich auch für das elektromagnetische Feld.