Novalis hat geschrieben:
Gnostiker wurden - wie so viele andere auch - verfolgt und umgebracht, weil sie nicht linientreu waren. Denn gläubig waren sie, nur nicht in dem vorgeschriebenen Raster.
Nun muss man aber innehalten und nachforschen, was damals Gnostiker glaubten und taten und dies nicht aus einer heutigen Sichtweise betrachten und beurteilen. Hier nur ein sehr kurzer Überblick:
Die Urchristen hatten eine befreiende, erlösende frohe Botschaft, voller Hoffnung und Freiheit. Gnostiker, die meist aus hellenistischen Schulen kamen, verbanden den Träger dieses Evangeliums, Jesus Christus, mit ihrer philosophischen Lehre und begannen damit den Zugang zum Herrn mit einer Lehre zu behindern. Sie setzen sich als Lehrer und die Lehre selbst zwischen den Menschen und Gott. Jesus als Erlöser, seine Gnade, wurden nur zugänglich, wenn man sie wieder mit Werken verband. Zurecht empörten sich damals jene Christen, die ihre persönliche Gotteserfahrung mit diesem wieder gesetzlichen Gottesbild nicht vereinbaren konnten. Hier stellt sich nun auch für uns heute dieselbe Frage: Lassen auch wir es zu, dass Menschen den Zugang zu Gott an Bedingungen knüpfen, oder kämpfen wir mit Eifer in der Liebe Gottes für die Liebe Gottes?
Gnostische Sekten wichen ab dem 5. Jahrhundert auf die arabische Halbinsel aus und dort traf sie später Mohammed an. Er hatte Verbindungen zu diesen christlich-gnostischen Sekten und sein Gottesbild und sein Bild von Christen leitete er von diesen Sekten ab. Vieles im Koran, was Mirjam und Isa betrifft, sind gnostisches Gedankengut. Auch die Vorstellung das Paradies durch Werke erlangen zu können (oder nicht, denn Allah prädestiniert).
Ein ferner Widerhall dieser christlich-gnostischen Lehre stellen die Rosenkreuzer-Lehren des 14. Jahrhunderts dar (verstärkt im 15. Jahrhundert durch arabische Einflüsse nach dem Fall Konstantinopels) und die Freimaurer-Lehren, die ab dem frühen 18. Jahrhundert Bedeutung gewannen. Inzwischen sind in diesen Lehren eine umfangreiche Kosmologie eingeflossen und sie kommen gerade jenen Menschen entgegen, die nur durch den Intellekt geistliches erfassen können und nicht durch das Herz. Die göttliche Person Jesus Christus gibt es nicht mehr, seine Erlösung durch das Kreuz, seine Auferstehung, hat hier nur mehr eine Platzhaltereigenschaft.
Im 19. Jahrhundert nimmt der Gründer der "Bibelforscher" einige Grundhaltungen des Freimaurertums (so etwa die Werke) in seine Lehre hinein. Was heute oftmals als gnostisches oder esoterisches Christentum bezeichnet wird, entwickelte sich unter dem Einfluss fernöstlicher Weisheitslehren in der theosophischen oder anthroposophischen Gesellschaft ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Spätestens nun wurde auch die Reinkarnation in gnostisch-christlichen Sekten gelehrt.
Christliche Gnosis ist nicht homogen, kann es ihrem Wesen nach gar nicht sein, denn sie ist eine Lehre, eine Philosophie. Eine Lehre ist von Menschen abhängig und damit variabel, manchmal sogar austauschbar. Sie erstreckt sich von Rosenkreuzern, Freimaurern, Zeugen Jehovas (in kleiner Dosis) bis hin zu Walldorfschulen und Mesmerismus oder Esoterik mit nur mehr etwas christlichem. Ja selbst im Sufismus, bei den Derwischen und im Neodruidentum findet sich eine rückgekoppelte christliche Gnosis.
Der Jesus der Gnosis ist also ein grundsätzlich anderer, als der Jesus seiner Gemeinde.
Servus