Pluto hat geschrieben:Woher kommt der Geist, wenn nicht vom Gehirn?Anders gefragt: Wenn Geist göttlich inspiriert wurde, wozu brauchen wir dann ein komplexes Gehirn?
Mich freut es, dass Du hier Fragesätze formulierst, anstatt sofort vermeintliche Antworten zu geben. Das ist ein sehr sympathischer Charakterzug an Dir. In dieser „Herzensweite des Fragens“, kann sich ein Gespräch ereignen. Es würde auch Sinn machen, wenn wir verschiedene Varianten der Beantwortung durchspielen. Wenn wir uns die Geschichte anschauen, so kann man einen ausgeprägten „Geist-Materie-Dualismus“ beobachten. Wenn man sich länger damit beschäftigt, dann ist der Dualismus sehr unbefriedigend. Jeder, der ein bisschen darüber nachdenkt, wird ihn nach der einen oder anderen Seite hin auflösen wollen: also entweder in die „materialistische“ oder „spirituelle“ Richtung neigen.
Das spirituelle Paradigma lautet im Grunde: alles ist letztlich Geist oder Bewusstsein, das ist die wahre Natur der Dinge. In der Terminologie der östlichen Religiosität: die materielle Welt, die wir wahrnehmen, die uns wirklich erscheint, also die Erscheinungswelt, ist illusionär („Maya“). Unser Leben in Raum und Zeit wird mit einen Traum verglichen, welchen der Geist träumt, während das, was wir den „Tod“ nennen, einem Aufwachen aus dem Traum entsprechen würde. „Materie“ wird als etwas aufgefasst, was vom Geist kreiert wird, demnach besitzt sie keine eigenständige Existenz aus sich selbst heraus. „In a nutshell“: der spirituelle Mensch löst den Dualismus zugunsten von Geist und Bewusstsein auf, die als eigentliche Wirklichkeit gesehen werden.
Versuche doch mal – selbst wenn Du dem bisher nicht zustimmen konntest – mit diesem Konzept zu spielen. Wenn es so ist, weshalb gibt es diese komplexe Struktur des Gehirns, wie konnte sie überhaupt entstehen, setzt das nicht eine wirkende Intelligenz voraus, macht da nicht die Idee eines universalen Geistes Sinn, auch wenn wir ihn rational nicht begreifen? In welcher Beziehung stehen dann „Geist“ und „Gehirn“? Sicher kann man materialistisch den Geist, als einen Aspekt des Gehirns beschreiben, schließlich ist der Geist eine erkennbare Aktivität des Gehirns. Der Materialist meint, wenn er von Geist spricht, diese Aktivität, als ein Teil des körperlichen Selbst. Ich, als spiritueller Mensch, meine etwas, was darüber hinaus geht, etwas, was über die Erfahrung von Zeit und Raum hinaus geht, diese transzendiert.
Etwa so, wie der Puppenspieler die Puppe transzendiert, so transzendiert, meiner Ansicht nach, der Geist den Körper. Selbst wenn Du das nicht glaubst, so ist es eine ernst zu nehmende Sichtweise, die von vielen Menschen befürwortet wurde und wird. Wenn Du nur die Puppe im sichtbaren Bereich der Bühne betrachten würdest, dann könntest Du zu der Ansicht gelangen, dass der Puppenspieler „in“ der Puppe sei, sein Geist auf die Puppe begrenzt, und der Geist tot, wenn die Puppe regungslos da liegt. Doch wir wissen: der Puppenspieler und die Puppe sind zweierlei, wenn die Puppe sich nicht mehr regt, dann weil der Puppenspieler sie nicht mehr bewegt. Nicht die Puppe belebt aus sich selbst heraus den Geist, sondern der Geist des Puppenspielers die Puppe.
Was macht Dich so sicher, dass es sich im Hinblick auf die Realität von Körper und Geist nicht genau so verhält? Du verneinst es, nimmst es nicht ernst, weil es deinem bevorzugten - materialistischen - Glauben widerspricht. Du selektierst also zugunsten deiner geglaubten Weltanschauung. Die Frage „was ist Bewusstsein und wie ist es entstanden?“ ist jedenfalls ebenso rätselhaft, wie die Frage, warum und woraus vor 14 Milliarden Jahren der Kosmos aus einem superheißen Urknall entstanden ist - und wie muss der Kosmos beschaffen sein, damit menschliches, nennen wir es mal 'intelligentes' Leben dabei heraus kommt? Bisher konnten Materialisten darauf keine wirklichen zufriedenstellenden Antworten geben. Ich denke, dass hier eine metapyhsische Erklärung sehr naheliegend und empfehlenswert ist.
Wenn Du meinst, dass es auch ohne diese geht, dann beweise es, in dem Du das „schwierige Problem des Bewusstseins“ (the hard problem of consciousness ~ David Chalmers) ein für alle mal löst und dann einen bewusstseinsfähigen Roboter baust. Ich finde die Idee, dass das möglich ist, durchaus interessant und schließe es nicht kategorisch aus, denn vielleicht ist das irgendwann ebenso selbstverständlich, wie heute die Raumfahrt und irgendwann womöglich interstellare Reisen, die schon im Kino vorgeträumt werden

Sehenswert ist sicher dieser TEDTalk von David Chalmers. "Our consciousness is a fundamental aspect of our existence, says philosopher David Chalmers: "There's nothing we know about more directly.... but at the same time it's the most mysterious phenomenon in the universe."