Alles Teufelszeug? II

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sven23
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#491 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Fr 25. Mär 2016, 17:31

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Aber ganz unabhängig davon kann man mit historisch-kritischer Methode nachweisen, dass diese Figur auf Grund der zur Verfügung stehenden Quellen eine Naherwartung hatte.
Man kann es eben NICHT "nachweisen" - man kann verkünden, was die Ergebnisse aus einem spezifischen Ansatz heraus sind.
Genau so gut könntest du behaupten, man könne aus Goethes Faust nicht ableiten, dass Dr. Faustus ein Gelehrter/Wissenschaftler ist, der nach Wissen und Erkenntnis strebt. Genau das aber läßt sich anhand der Textquellen eindeutig belegen.
Im NT ist die Lage etwas komplexer, aber anhand der Textquellen belegbar und nachvollziehbar. Der Jesus der Evangelien glaubte an das zeitliche nahe Gottesreich.
„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen

In diesem Zusammenhang muß auch die Ethik Jesu gesehen werden, die nicht auf Langfristigkeit ausgelegt ist.

"Die Bezogenheit der Königsherrschaft Gottes auf sein Schöpfersein macht zugleich die Radikalität ihres Anspruchs aus. Jesus konfrontierte den ganzen Menschen mit der anbrechenden Heilswende.
...
Dieser Radikalität des Anspruches der Gottesherrschaft entspricht auch die Ethik Jesu.
...
So handeln kann nur, wer sein Vertrauen ganz auf Gott und seine anbrechende Herrschaft setzt. Für irdische Lebenssicherung bleibt da kein Platz (Mt 6,24 par)"

Quelle: bibelwissenschaft.de
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SilverBullet
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#492 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von SilverBullet » Fr 25. Mär 2016, 17:43

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben: Warum sollte ein 2D-Lebewesen nicht erkennen können, dass eine Intelligenz mit ihm kommunizieren möchte?
Aber wenn das 2D-Lebewesen nicht davon ausgeht, dass es Nicht-Falsifizierbares jenseits von 2D gibt, wird es jegliche Kommunikation als inner-2D-liche Kommunikation interpretieren.
Was hat das mit Nicht-Falsifizierbarem zu tun?
Das 3D-Lebewesen wirkt auf die 2D-Umgebung derart ein, dass eine Kommunikation von den 2D-Lebewesen als "wirklich" erfahren wird (intersubjektiv).
Das 2D-Lebewesen kann sagen „beweise, dass du eine weitere Dimension zur Verfügung hast, indem du ein Objekt von A nach B transportierst, ohne dass ich den Weg verfolgen kann“. Das 3D-Lebwesen kann dies unter Nutzung der 3.Dimension durchführen und gut ist es. Da braucht es keine Nicht-Falsifizierbarkeit – dein Beispiel ist somit nicht für die Religionssituation geeignet.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Das „Soll-Erkannt-Werden“ ist ein untaugliches Prinzip.
Hä? - Du musst doch subjektiv erkennen, dass etwas "von oben" kommt, um die Qualität der Kommunikation richtig einzuordnen - oder nicht?
Nein, man braucht das religiös/philosophische Hineindeuten nur, wenn man keine Kommunikation "in der Wirklichkeit" durchführt. Gläubige reden sich ein, dass eine Kommunikation vorliegt. Dies ist aber zwischen Lebewesen mit unterschiedlichen Dimensionen nicht notwendig. Sie können für alle Beteiligten in Form von "Wirklichkeit" kommunizieren. - dein Beispiel 2D/3D-Beispiel ist somit nicht für die Religionssituation geeignet.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Es ist exakt deine Selbsttäuschung, dass du das Wort „Gott“ wie ein „Ding“ verwaltest.
Es ist die Voraussetzung, um Gott als Realität zu erkennen, falls es ihn gibt.
Am Anfang steht die Frage „wer soll die Welt erschaffen haben?“

Darauf gibt es keine Antwort, sondern es bleibt immer nur diese Frage übrig.
Als „Lösung“ sagen die Gläubigen: „egal, wir verwenden einen Namen und verhalten uns, als ob wir irgendetwas gegenüber stehen würden“.

Weil es bei Menschen funktioniert, dass wir allen Zusammenhängen wie einer Persönlichkeit gegenüberstehen, denken die Gläubigen, sie hätten einen besonderen (transzendenten) Zugang entdeckt, der quasi durch „sein Vorhandensein“ den Gesamtsachverhalt als gültig erweist.
Tatsächlich kann ein Mensch zu einem Bleistift, wie zu allen beliebigen Rätseln oder abstrakten Bedeutungen eine Beziehung aufbauen, sobald er diese Zusammenhänge vermenschlicht.
Reine Selbsttäuschung.

Du vermenschlichst eine Fragesituation, mehr nicht.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Es fehlt sozusagen das Wirklichkeitskonzept, um überhaupt von einem „Jemand“ sprechen zu können.
Das Konzept gibt es schon, aber nicht den Beweis dafür
Du wirst kein Konzept liefern können, in dem die Frage aus dem anfänglichen Schöpferverdacht nicht mehr enthalten ist. Das Wort „Beweis“ ist vollständig uninteressant, solange noch kein Konzept vorliegt.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Bei der „hermeneutischen Methodik“ bekommt man maximal nur „den Witz“ heraus, den man vorne hineinsteckt.
Missverständnis: Gerade der Hermeneutische Zirkel stellt sicher, dass das Vorher verändert wird, weil man sich entwickelt.
Mit dem „hermeneutischen Zirkel“ versucht sich ein Leser die Meinung zu generieren, als habe er einen Text verstanden, mehr nicht. Wenn sich der Leser seine Haltung „schön denken“ will, dann macht er das einfach – kein Problem.

Du kritisierst immer die Verwendung von Methodik innerhalb der Naturwissenschaft, dabei verwendest du für deine Weltbild-Illusion die schlechteste aller Methoden.
Vermutlich liegt genau darin der Grund, dass du nicht erkennen kannst, welch fataler Fehler in der Behandlung der Frage (aus dem Anfangsverdacht) als Antwort liegt.

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sven23
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#493 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Fr 25. Mär 2016, 17:46

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Du behauptest damit gleichzeitig, ein Theologe, der historisch-kritisch arbeitet, könne nicht gleichzeitig glauben, das Jesus "Gottes-Sohn" ist, - und das ist faktisch falsch.
Das ist tatsächlich falsch - aber Du erinnerst Dich vielleicht an das STERN-Interview (mit Linnemann oä), bei dem der gläubige Theologe sinngemäß gesagt hat: "Klar kenne ich die Ergebnisse meiner HKM-Forschung - aber privat glaube ich sie nicht". - Das kommt dann raus.
Nur der Ordnung halber: es war der evangelische Neutestamentler Lindemann in einem Spiegel-Interview.
Auszug daraus:
SPIEGEL: Wenn sich nahezu alles, was über Jesus in der Bibel steht, als unhistorisch erwiese, könnte es Ihren Glauben erschüttern?
Lindemann: Nicht im geringsten....

und weiter:
SPIEGEL: Papst Johannes Paul II. und seine Hoftheologen ignorieren fast immer, was die Jesus-Forschung in den 250 Jahren seit der Aufklärung erbracht hat. In einer "Handreichung" des Vatikans zum so genannten Heiligen Jahr 2000 wird behauptet, "dass es sich bei den Evangelien um Lebensbeschreibungen Jesu handelt".
Lindemann: Das wird seit Jahrzehnten von keinem ernst zu nehmenden Exegeten mehr behauptet.
...
SPIEGEL: Der Papst hält an den beiden Aposteln als Autoren fest, und er verkündet, die Evangelien seien zwar Glaubensschriften, aber "als historische Zeugnisse nicht weniger zuverlässig".
Lindemann: Ich kenne jedenfalls im deutschsprachigen Raum keinen Exegeten, auch keinen katholischen, der sich so äußert.

Das ist halt der Spagat zwischen Wissenschaft und Glaubendogmen.
Zuletzt geändert von sven23 am Fr 25. Mär 2016, 19:06, insgesamt 2-mal geändert.
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sven23
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#494 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Fr 25. Mär 2016, 17:55

closs hat geschrieben: Müsste man da nicht sagen:
"Ja - einige Rezipienten haben tatsächlich geglaubt, dass Jesus eine "äußere" Naherwartung hatte - das sagt uns die HKM. - Aber wenn Jesus wirklich der war, für den ihn die christlichen Kirchen halten, spricht einiges dafür, dass sich diese Rezipienten geirrt haben, weil ....."
Dieser differenzierte Umgang wäre exakt das, was ICH unter wissenschaftlicher Redlichkeit verstehen möchte.
Genau das tut doch die Forschung. Sie sagt: der Jesus der Evangelien hatte eine Naherwartung, egal ob er eine literarische oder historische Person war. Thaddäus hat es dir doch erklärt: ob dieser Jesus der Sohn Gottes war, läßt sich mit keiner Methode der Welt ermitteln.
Die Forschung kann lediglich beschreiben, dass es den Glauben daran gab.
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Savonlinna
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#495 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Fr 25. Mär 2016, 18:20

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:...
Thaddäus hat es dir doch erklärt: ob dieser Jesus der Sohn Gottes war, läßt sich mit keiner Methode der Welt ermitteln.
Natürlich ließe sich das methodisch vermitteln. Das ist doch nun wirklich kein Problem.

Und es ließe sich teiweise sogar mit der HKM vermitteln.
Denn diese kann unterscheiden, ob ein Text historisch gemeint ist oder theologisch.
Falls der Text theologisch gemeint ist - was in den Evangelien wohl vorwiegend oder sogar ausschließlich der Fall ist -, dann muss geklärt werden, was es theologisch bedeutet, der Sohn Gottes zu sein.

Und da kann man schön säuberlich alle Varianten aufzählen, die bislang bekannt sind:
- Es könnte symbolisch gemeint sein.
- Es könnte archetypisch gemeint sein.
- Es könnte visionär gemeint sein
- Es könnte ein Jenseits betreffen, für das es im Menschen selber angelegte Vorahnungen gibt
- Es könnte ein immanentes Reich Gottes betreffen, das in jedem liegt, der Zugang dazu aber nur über Vertrauen läuft
usw.

Und alle diese Varianten deuten "Sohn Gottes" als vorhanden. Nur eben nicht historisch, sondern theologisch.

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sven23
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#496 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Fr 25. Mär 2016, 19:12

Savonlinna hat geschrieben: Und alle diese Varianten deuten "Sohn Gottes" als vorhanden. Nur eben nicht historisch, sondern theologisch.
Das ist ja was anderes als es das Christentum, bzw. die Kirche vertritt.
Dass die Bezeichnung "Sohn Gottes" ein religiöser Ehrentitel war, den auch viele weltliche Herrscher für sich beanspruchten, ist ja bekannt.
Die Kirche meint es aber als tatsächlichen, historischen, "eingeborenen" und leiblichen Sohn Gottes. Und das ist mit keiner Methode der Welt zu ermitteln.
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#497 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 25. Mär 2016, 19:18

Savonlinna hat geschrieben:Mich hat das darum so verblüfft, weil es da offenbar um eine gezielte Maßnahme ging, die den Gläubigen helfen sollte, ihnen Figuren zur Idenfikation zu bieten.
Das entspricht auch meinem Kenntnisstand - es gibt dazu meines Wissens den Begriff "Zeugen des Glaubens" - sonst wäre Johannes Paul II nicht so schnell selig gesprochen worden.

Savonlinna hat geschrieben: Die Dogmenbildung hat da für mich einen ganz neuen Aspekt bekommen.
Was hier oft verkannt wird: Dogmen sind Lehrsätze, deren Inhalt ohnehin nicht falsifizierbar sind (zumindest ist mir kein Dogma bekannt, das falsifizierbar wäre). - Es geht um Orientierungs-Pfeiler, die in den Boden gerammt werden - sicherlich auch in Abgrenzung von säkularen Maßstäbe.

Savonlinna hat geschrieben:Vielleicht bist Du ur-katholisch und weißt es gar nicht.
Möglich - obwohl ich mich erst nach der Jahrtausendwende damit vertieft beschäftig habe. - Deren Fundamental-Theologie ist schlicht sehr tief durchdacht.

Savonlinna hat geschrieben:Aber es könnte manches erklären, zum Beispiel die Anpasserei mittels der Sprache.
Wenn ich Dich recht verstehe: Ich halte es für legitim, die eigene Sprache situativ an begriffliche Vorstellungen des Gegenübers anzupassen - wenn man sie einordnen kann. - SChwierig wird es - wie hier auf dem Forum - wenn verschiedene Leute mit verschiedenen Begrifflichkeiten unterwegs sind.

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Savonlinna
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#498 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Fr 25. Mär 2016, 19:19

sven23 hat geschrieben: Die Kirche meint es aber als tatsächlichen, historischen, "eingeborenen" und leiblichen Sohn Gottes. Und das ist mit keiner Methode der Welt zu ermitteln.
Jau, sven! :D Was "die" Kirche meint, ist mit keiner Methode der Welt zu ermitteln. Da versagt selbst die HKM und sogar die kanonischen Kanonen.

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#499 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Fr 25. Mär 2016, 19:22

Savonlinna hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die Kirche meint es aber als tatsächlichen, historischen, "eingeborenen" und leiblichen Sohn Gottes. Und das ist mit keiner Methode der Welt zu ermitteln.
Jau, sven! :D Was "die" Kirche meint, ist mit keiner Methode der Welt zu ermitteln. Da versagt selbst die HKM und sogar die kanonischen Kanonen.
Da sind wir uns ;) mal endlich einig. :thumbup:
Zuletzt geändert von sven23 am Fr 25. Mär 2016, 19:54, insgesamt 2-mal geändert.
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#500 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Fr 25. Mär 2016, 19:24

sven23 hat geschrieben:Genau so gut könntest du behaupten, man könne aus Goethes Faust nicht ableiten, dass Dr. Faustus ein Gelehrter/Wissenschaftler ist, der nach Wissen und Erkenntnis strebt. Genau das aber läßt sich anhand der Textquellen eindeutig belegen.
Das schon - das sind rein historische Aussagen, die nichts mit Werk-Interpretation zu tun haben. - Genau da sehe ich die HKM (nach Deinem Verständnis).

sven23 hat geschrieben:„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen
Da ist ihm zu widersprechen, wenn es Tatsachen-Rang beansprucht - das ist eine Glaubensaussage bzw. eine Aussage auf Basis einer speziellen Methodik.

sven23 hat geschrieben:So handeln kann nur, wer sein Vertrauen ganz auf Gott und seine anbrechende Herrschaft setzt. Für irdische Lebenssicherung bleibt da kein Platz (Mt 6,24 par)" Quelle: bibelwissenschaft.de
Das wiederum ist ok. - Die anbrechende Herrschaft kann man auch - wie es kirchlich-theologish weitgehend getan wird - mit dem Kommen Jesu selbst verbunden sein - "das Gottesreich ist mitten unter Euch" (oder so ähnlich). - Dass ein an Gott orientierter Mensch keiner irdischen Lebenssicherung bedarf ( Jesus spricht davon, dass der Menschensohn, also er, nicht weiss und wissen müsse, wo er am nächsten Tag seinen Kopf hinbettet), ist eh ein Allgemeinplatz.

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