Alles Teufelszeug? II

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Savonlinna
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#451 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Fr 25. Mär 2016, 01:57

Münek hat geschrieben: Man sollte mit dem "Prämissen-Setzen" vielleicht etwas vorsichtiger sein. ;)
Hier gebe ich Dir Recht.
Zumal die Wissenschaft keineswegs Prämissen "setzt", sondern sie einfach hat, so wie jeder Mensch und jede menschliche Tätigkeit sie einfach hat.
Man soll sie nicht setzen, sondern soll sie im Gegenteil aufstöbern, weil sie meist im Verborgenen wuchern und die Köpfe unklar machen.

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Münek
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#452 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » Fr 25. Mär 2016, 02:25

Savonlinna hat geschrieben:Du lasst ja schon wieder den Kontext aus!
Das ist raffiniert, damit kann man jedem das Wort im Mund herundrehen.
Du bist auch darin closs sehr ähnlich: Ihr beide liebt es, den Kontext zu verfälschen.

Ihr zersägt von beiden Seiten die Ehrlichkeit in Stücke.

Nun halte mal den Ball flach, Schatz, - und werde nicht unsachlich.

Mit "Kontext" meinst Du wahrscheinlich Ratzingers scheinheilige Bemerkung, dass sein abstruser Hinweis auf den Antichristen ("Ehrendoktor der Theologie von der Universität Tübingen") kein Nein zur wissenschaftlichen Bibelauslegung als solche sein
soll
(Bd. 1,S.64).

Dieser Dogmatiker ist scheinheilig und redet mit gespaltener Zunge. Denn einige Sätze weiter schlägt er dermaßen wutentbrannt mit der verbalen Keule auf die wissenschaftlich betriebene Theologie ein (ANTICHRIST), dass man
nur noch erstaunt mit dem Kopf schütteln kann.

Ich habe die entsprechende Passage zitiert; sie spricht eine eindeutige Sprache.

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#453 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » Fr 25. Mär 2016, 02:51

Savonlinna hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Man sollte mit dem "Prämissen-Setzen" vielleicht etwas vorsichtiger sein. ;)
Hier gebe ich Dir Recht.
Zumal die Wissenschaft keineswegs Prämissen "setzt", sondern sie einfach hat, so wie jeder Mensch und jede menschliche Tätigkeit sie einfach hat.

Richtig - eine Mutter, die abends ihrem Kind die Schultasche packt, "setzt" auch nicht, dass die Welt real ist und morgen noch existiert. Und wenn jemand seinen Urlaub plant, setzt er die Existenz der Welt ebenfalls nicht. Sie ist da. :)

Kurt ist sich der Schwäche seiner Setzung/Prämisse m.E. natürlich sehr wohl bewusst. Aus meiner Sicht ist das der Grund, warum er sich mit viel verbalem Einsatz darum bemüht aufzuzeigen, dass die Wissenschaft schließlich auch von einer Prämisse (nämlich
der realen Existenz unseres Universums
) ausgeht.

Dass die von uns real erlebte Welt UNMÖGLICH das Traumprodukt eines Menschen sein kann (für ihn eine denkmögliche Alternative), hat er offensichtlich (noch) nicht verstanden.

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#454 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » Fr 25. Mär 2016, 04:35

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:man setzt voraus, dass Jesus der eingeborene Sohn Gottes ist
Man setzt EINMAL voraus, Jesus ist Gottes Sohn. - In zweiter Perpektive untersucht die Forschung, was wissenschaftlich rauskommt, wenn man NICHT davon ausgeht, dass Jesus Gottes Sohn ist.

Weshalb sollte die historische Forschung davon ausgehen, dass Jesus von Nazareth ein "Sohn Gottes" war?

Denn: Was soll ein SOHN GOTTES sein?

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#455 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » Fr 25. Mär 2016, 05:32

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Setzen und glauben kann jeder, soviel er will. Nur sollte er sich dann nicht wundern, wenn er aus wissenschaftlicher Sicht zu Recht nicht ernstgenommen wird.
Gut möglich. - Wenn es methodisch nicht passt, kann das gut sein.Nur kann dieser Schuss nach hinten losgehen, weil sich damit die Wissenschaft aus der Bibel-Substanz zurückzieht.

Bei dieser Beliebigkeit des "Setzens und Glaubens" geht gewiss kein Schuss nach hinten los.

Die Substanz der historischen Wissenschaft sind geschichtliche Geschehnisse, die sie durch Deutung und
Analyse biblischer Texte mit ausgeklügelten Methoden, so gut es möglich ist, zu rekonstruieren versucht.


Die biblische Geschichte ist die Substanz, nicht geglaubte supranaturalistische Eingriffe aus dem Überraum.

Was Du unter "Bibel-Substanz" verstehst, ist lediglich einfacher Jenseitsglaube.
Was dieser Glaube mit "Substanz" zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht.

Götter, Geister und Dämonen sind übrigens substanzlos... ;)

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#456 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » Fr 25. Mär 2016, 06:22

closs hat geschrieben:Entweder Wissenschaft ist zu spirituell-geistigen Fragestellungen fähig, dann ist sie im Boot - oder eben nicht, dann ist sie eben nicht im Boot.

Mit "spirituell-geistigen" (übrigens: spirituell heißt "geistig"), also mit nebulösen geistig-geistigen Fragestellungen a la Kurt befasst sich die Wissenschaft aus gutem Grund nicht. Auf gar keinen Fall will sie in das spirituell-geistige "Glaubensboot".

Aber das habe ich Dir schon mehr als einmal klarzumachen versucht. Es ist nämlich genau umgekehrt, die Dogmatik möchte allzugern einen Fuß in die Tür der historisch-wissenschaftlichen Theologie bekommen. Dazu müsste sie sich läutern. In ers-
ter Linie knochen-ehrlich sein. Aber gerade dazu ist sie nicht fähig.

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#457 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » Fr 25. Mär 2016, 06:36

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: wer nicht erkennt, dass dies ein astreiner Zirkelschluss ist, dem ist nun wirklich nicht mehr zu helfen.
Stimmt - und weil kanonische Exegeten nicht so dämlich sind, wie Du es gerne hättest, machen sie einen solchen Schwachsinn nicht.

"Kanonische Exegeten" liegen nach meiner Vermutung noch als frischgebackene "Stutenkerle" in Ratzingers Backofen.

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#458 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Fr 25. Mär 2016, 08:34

Münek hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Du lasst ja schon wieder den Kontext aus!
Das ist raffiniert, damit kann man jedem das Wort im Mund herundrehen.
Du bist auch darin closs sehr ähnlich: Ihr beide liebt es, den Kontext zu verfälschen.

Ihr zersägt von beiden Seiten die Ehrlichkeit in Stücke.

Nun halte mal den Ball flach, Schatz, - und werde nicht unsachlich.

Mit "Kontext" meinst Du wahrscheinlich Ratzingers scheinheilige Bemerkung, dass sein abstruser Hinweis auf den Antichristen ("Ehrendoktor der Theologie von der Universität Tübingen") kein Nein zur wissenschaftlichen Bibelauslegung als solche sein
soll
(Bd. 1,S.64).

Dieser Dogmatiker ist scheinheilig und redet mit gespaltener Zunge. Denn einige Sätze weiter schlägt er dermaßen wutentbrannt mit der verbalen Keule auf die wissenschaftlich betriebene Theologie ein (ANTICHRIST), dass man
nur noch erstaunt mit dem Kopf schütteln kann.

Ich habe die entsprechende Passage zitiert; sie spricht eine eindeutige Sprache.

Münek hat auf keinen Fall sinnentstellend zitiert. Ratzinger meint mit dem Antichristen vielleicht nicht die historisch-kritische Methode, aber doch zumindest die, die sie anwenden und zu den Ergebnissen kommen, die ihm nicht gefallen.
Dass er überhaupt den Antichristen bemühen muss, spricht ja schon Bände, denn es zeigt, dass er argumentativ und inhaltlich der Forschung nichts entgegenzusetzen hat.
Das Ganze zeigt aber auch, dass der Spagat, den Thaddäus ja sehr gut beschrieben hat, zwischen Forschung und Glauben eigentlich nicht gelingen kann. Ratzinger lobt einerseits die historisch-kritische Methode, die ja für die Forschung unverzichtbar ist, welche die Vorraussetzung für den Verbleib an den Universitäten ist, andererseits liefert eben diese Forschung Ergebnisse, die das biblische Jesusbild doch stark in Frage stellen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#459 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Thaddäus » Fr 25. Mär 2016, 09:25

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Welche Prämissen meinst du?
Die HKM hat methoden-bedingt die Prämisse, dass Jesus NICHT "Gott"/"Gottes Sohn" ist.
Nein, dies ist keine Prämisse der historisch-kritischen Methodik, und kein mir bekannter historisch-kritisch arbeitender Exeget behauptet solches!
Ganz und gar abenteuerlich ist zudem die Konsequenz deiner Unterstellung, denn sie bedeutet ja nicht weniger, als dass man als historisch-kritisch arbeitender Theologe grundsätzlich nicht gläubig sein kann.

Es ist nicht einmal eine Prämisse der HKM, dass Jesus tatsächlich gelebt hat, denn sie analysiert lediglich Texte, und das kann sie auch dann, falls Jesus nur eine fiktive Figur sein sollte. Auch dann blieben ihre Ergebnisse korrekt, nur müsste man sie etwas anders formulieren. Es hieße dann: Die Autoren der Evangelien haben der (fiktiven) Figur Jesus aus Nazareth eine Naherwartung zugeschrieben usw.
Da aber historisch-kritisch sehr viel dafür spricht, dass Jesus aus Nazareth ein real gelebt habender Jude war, der, aus Nazaeth stammend, in Galiläa herumgewandert ist, sich eine Jüngerschaft gesammelt hat, bestimmte Inhalte gelehrt hat, bestimmte Taten vollbrachte, die seine Anhänger u.a. als Wunder deuteten und der schließlich verurteilt und hingerichtet wurde; spricht die Forschung von ihm wie von einer realen, gelebt habenden Person der antiken Historie, von der wir heute aufgrund der überlieferten Geschichten etwas wissen, die andere über ihn aufgeschrieben haben.

Dass der Jude Jesus aus Nazareth darüber hinaus - tatsächlich - Gottes Sohn ist (was immer man hierunter konkret versteht), wird von der HKM nicht ausgeschlossen. Sie kann zur Klärung der Frage, ob er es - tatsächlich - war, mit ihren Methoden nur nichts Sinnvolles beitragen. Sie kann dazu nur feststellen, dass Jesus in diversen Textstellen von den Autoren als Sohn Gottes bezeichnet wird.

closs hat geschrieben: Dies ist deshalb eine Prämisse, weil die HKM auch dann nicht akzeptieren könnte, dass er es ist, weil es nicht falsifizierbar ist, ob er es ist oder nicht.
Es muss die historisch-kritische Methode nicht interessieren, ob es falsifizierbar ist oder nicht, ob Jesus aus Nazareth tatsächlich Gottes Sohn ist oder nicht. Sie untersucht die Texte methodisch. Es spielt für ihre methodischen Untersuchungen der Texte keine Rolle, ob Jesus auch noch wesensgleich mit Gott-Vater ist. Die Ergebnisse der Untersuchungen der Texte bleiben diesselben, egal ob Jesus aus Nazareth nur ein Mensch war oder ob er darüber hinaus auch noch wesensgleich mit Gott ist. Wichtig ist ausschließlich, was in den Texten steht, und irrelevant sind irgendwelche metaphyischen Annahmen über ihn.

closs hat geschrieben: Das heisst: Die HKM muss den möglichen Fall ausschließen, dass Jesus tatsächlich "Gott"/"Sohn Gottes" ist - somit ist sie prämisse-bedingt nur innerhalb dessen ergebnisoffen, was übrigbleibt.
Genau das ist falsch.

Du ziehst dich bei deiner Einschätzung der HKM hartnäckig immer wieder auf eine Ansicht zurück, die nachweislich falsch ist. Das ist so, wie wenn ein Schüler im Mathematikunterricht bockig und uneinsichtig darauf beharrt, dass sein nachweislich falsches Ergebnis doch richtig sei. Irgendwann hört die Diskussion auf, und es gibt eben eine "ungenügend" als Note.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Fr 25. Mär 2016, 11:05, insgesamt 2-mal geändert.

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#460 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Thaddäus » Fr 25. Mär 2016, 09:54

Münek hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Das glaube ich Dir. - Aber wie würde die HKM begründen, dass sie vorher Gegenteiliges "nachgewiesen" hätte?[/b]

Die HKM spricht NIEMALS von "Nachweisen", sondern immer nur von mehr oder weniger großen "Wahrscheinlichkeiten" der Richtigkeit ihrer historischen Forschungsergebnisse.
Es ist ohnehin recht albern, wenn Leute, denen bestimmte (wissenschaftliche) Erkenntnisse nicht gefallen, "Beweise" einfordern (die sie für ihre eigene, zumeist viel schlechter begründete, Überzeugung selbstverständlich ebenfalls nicht vorweisen können). Gerade so, als ob die eigene Theorie oder Hypothese schon deshalb wissenschaftlich gleichberechtigt mit einer anderen sei, weil die andere ja nicht "zwingend beweisbar" ist.
Zwingende Beweise gibt es ausschließlich in der Mathematik und Logik und selbst da sind direkte Beweise oft nicht möglich, sondern nur indirekte (über den Beweis, dass die gegenteilige Annahme falsch sein muss).
Eine Theorie, ein Modell oder eine Hypothese ist dann einer konkurrierenden vorzuziehen, wenn sie mit möglichst wenig Annahmen möglichst viel plausibel und in sich konsistent erklären kann. In den allermeisten Fällen kann klar entschieden werden, für welche Theorie, welches Modell und welche Hypothese dies zutrifft. Dann darf man gegebenenfalls auch von einem "Nachweis" sprechen und zwar solange, bis die präferierte Theorie, das präferierte Modell oder die präferierte Hypothese falsifiziert wird oder durch etwas noch Besseres ersetzt wird.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was also soll Deine merkwürdige Frage?
Thaddäus sprach vom "Nachweis", dass Jesus eine Naherwartung gehabt habe.
Richtig, und zwar exakt im obigen Sinne. Selbstverständlich kann man historisch kritisch in den Texten nachweisen, dass Jesus mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Naherwartung hatte, denn genau das ergibt die Analyse der einschlägigen Textstellen. Sie ergibt nicht, dass er glaubte, dass Himmelreich sei noch weit entfernt.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Fr 25. Mär 2016, 10:00, insgesamt 2-mal geändert.

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