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von erbreich » Fr 4. Mär 2016, 10:57
Warum sind wir eigentlich so darauf aus, dass unsere Mitmenschen unsere Überzeugungen teilen? Was haben wir gewonnen, wenn unsere Mitmenschen unsere Überzeugungen mit einem lauten "Amen" quittieren?
Mir scheint, je mehr wir auf der Absolutheit und dem einzig rechtgläubigen (Bibel-) Verständnis beharren und alle, welche diese - unsere - Anschauung nicht teilen gar bedenkenlos dem Satan zuordnen, desto stärker wirkt ein unerkannter Zweifel in uns selber. Ein Zweifel, der offenbar nicht sein darf.
Wenn wir aber wissen, dass Zweifel zum Glauben dazugehört (sonst wäre der Glaube nicht Glaube, sondern Wissen - und selbst Wissen existiert nur im Sinne von Hypothesen, lässt also dem Zweifel Raum), dann äussert sich unser Glaube gerade auch im unaufhörlichen untersuchenden Zweifeln oder, positiv gesagt: Dann ist unser Glaube ein prüfender Glaube und nicht Blindgläubigkeit.
Ein prüfender Glaube ist anderen Menschen und deren Weltanschauungen - und nicht nur der eigenen, sondern aller Religionen und Überzeugungen - gegenüber offen und ist weit mehr darauf aus, von ihnen auch für das Gehen seines eigenen Weges zu lernen als darauf, sie zu verurteilen und zu verdammen. Und dies gar noch mit der Heiligen Schrift seiner Religion in den drohenden Händen (oder Äusserungen). Wohin solches Verhalten führt kennen wir zu Genüge, aus der Geschichte ebenso wie aus der aktuellen Gegenwart.
Liebe, Verständnis, Erbarmen führen zum Frieden zwischen Menschen, nicht Rechthaberei und Verurteilung:
,Die anderes als dies verkünden als die rechte Lehre,
Die Reinheit haben sie verfehlt, sind unvollkommen!'
So hört man vielfach die Sektierer reden.
In Leidenschaft zu eigener Ansicht sind sie ganz entbrannt.
,Hier nur ist Reinheit!', also redet man.
Nicht spricht man anderen Lehren Reinheit zu.
Vielfältig festgelegt sind so Sektierer,
Vom eigenen Weg nur reden sie mit Nachdruck.
Indem auf seinem Urteil man besteht,
Sich selber als den Maßstab nimmt,
Nur mehr noch kommt man in der Welt ins Streiten.
Doch wenn da aufgegeben alles Aburteilen,
Nicht wird man Streit erzeugen in der Welt.
(Buddha, Sutta-Nipata, Verse 891,892,894)