Alles Teufelszeug?

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Münek
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#461 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » So 14. Feb 2016, 12:06

Thaddäus hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Zur Wesensdefintion von Wissenschaft gehört, dass keine übersinnlich wahrheitsgarantierenden Erkenntnisquellen gesetzt werden dürfen, auf die man dann die Wahrheit und Überzeugungskraft der eigenen Einsichten stützt.
WÄRE es so, dürfte die HKM nicht Teil der Theologie sein, sondern müsste den Geschichts-Wissenschaften untergeordnet werden.
Nein, wieso denn? Die HKM macht genau deshalb aus der alt- und neutestamentlichen Exegese Wissenschaft, weil sie diesem Prinzip folgt. Die HKM ist kein Teil des Glaubens, sie ist Teil der wissenschaftlichen Theologie!

Dass wissenschaftliche Exegese nicht zum Glauben führen soll, ist für Kurt anscheinend nicht nachvollziehbar.

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Münek
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#462 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » So 14. Feb 2016, 12:17

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Als Menschen haben wir nun mal keine anderen Verständnis-Dimensionen, oder sollen wir die unmenschlichen bevorzugen?
Nein - wir sollen erkennen, dass unsere Verständnis-Dimensionen nicht ausreichen, um uns ein Urteil über Gott machen zu können (wenn es ihn gibt) - das reicht schon.

Dann verstehe ich nicht, dass Du Dir herausnimmst, Gott mit bestimmten Attributen auszustatten.

Diese und jene Eigenschaften muss Gott haben, sonst ist er nicht Gott in meinem Sinne.
Tja - so wird anthropozentrisch rumgebastelt was das Zeug hält.

Feuerbach lässt ganz herzlich grüßen. :)

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Münek
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#463 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » So 14. Feb 2016, 12:27

closs hat geschrieben: Und deshalb stimme ich Ratzi zu, wenn er NICHT möchte, dass die HKM über rein wissenschaftliche Aufgaben hinaus interpretatorisch ("Jesus hatte eine Naherwartung") tätig wird.

Umgekehrt ist es richtig. Ratzinger wünscht sich, dass die Alt- und Neutestamentler bei ihrer exegetischen Forschungstätigkeit die wissenschaftliche Grenze - allerdings unter zwingender Berücksichtigung bestimmter Glaubensdogmen - überschreiten.

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Savonlinna
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#464 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » So 14. Feb 2016, 12:42

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:- Wer also meint, "die Welt" ließe sich an menschlichen Verständnis-Dimensionen messen, ist "vor Hiob".
Als Menschen haben wir nun mal keine anderen Verständnis-Dimensionen, oder sollen wir die unmenschlichen bevorzugen?

Es ist eine reine Begriffsfrage. Was der Mensch alles verstehen kann, ist überhaupt noch nicht ausgelotet.
Und wenn der Mensch Verhältnisse, die noch nicht ausgelotet sind, aber deutlich spürbar sind, als "Gott" bezeichnet, dann ist das eben nur eine Definitionsfrage.

Übereinstimmen tue ich mit Dir, sven, darin, dass ein Glaube an irgendetwas, das "möglich" ist, aber nicht als Wirksames auftaucht, Spekualtion ohne Nährwert ist.

Münek hat mühelos eingestanden, dass es selbstverständlich Dinge im All geben kann, die nie je von Menschen erfahrbar sind, weil der Mensch die Organe dafür nicht hat.
Daran aber reibt closs sich auf. Er will dieses Eingeständnis hören, und doch haben ihm dieses Eingeständnis einige schon gegeben.

Der Punkt scheint zu sein, dass man dann auch eingestehen soll, dass "Gott" eine Wahrscheinlichkeitsgröße hat, die vom Menschen nicht erfasst wird.
Aber eben das ist auch nur eine Definitionsfrage. Ich kann alles, was im All schwirrt und wozu der Mensch keine Erfassungsorgane hat, als "Gott" bezeichnen, kann es aber auch lassen. Es macht keinen Unterschied, ob man es tut oder lässt.

Sehr viel wichtiger scheint mir zu sein, wenn wir auf die Erde zurückkehren und die Bewertungssysteme dessen, was hier auf der Erde geschieht, miteinander vergleichen.

Wenn jemand sagt: Alles, was "ist", muss prinzipiell von der Naturwissenschaft erfasst werden können, ansonsten sei es Aberglaube - dann ist das auch in meinen Augen eher dümmlich und nicht ernst zu nehmen.
Kein forschender Naturwissenschaftler würde diese Dummheit begehen. Wissenschaftler sind bescheiden und wissen um ihre Grenze. Sie kennen ja ihre eigenen Methoden und haben keinen Anspruch, mit ihren Methoden mehr zu demonstrieren, als diese Methoden eben hergeben.
Dass es außerhalb ihres selbst abgesteckten Untersuchungsfeldes nichts weiter gibt, wäre eine unwissenschaftliche Aussage.

So weit so gut.
Die Frage wäre dann, was es außer dem, was theoretisch naturwissenschaftlich erfasst werden kann, noch gibt.

Und da gibt es eine Menge, und die streitet hier auch niemand ab: zum Beispiel unsere moralischen Ansprüche, die wir uns selber geschaffen haben und denen wir genügen wollen. Viele setzen sich für Tierschutz ein, und auffallend viele Anti-Gläubige.

Damit demonstrieren sie selber, dass es Werte gibt, die wir selber fähig waren zu schaffen und die aus "Empathie" und "Liebe" heraus geschaffen haben. Gerade Neo-Atheisten - habe ich in einem anderen Forum festgestellt - sind strikt gegen Krieg. Da sind manche Christen anders drauf, sie befürworten Krieg unter bestimmten Umständen.

Dann das, was wir als "Kunst" bezeichnen. Künstler sind von Haus aus spiritueller als "Normalos". Künstler reden nicht viel darüber, eigentlich fast nie, aber sie benutzen dies und jenes ganz selbstverständlich in ihrem Alltag für ihre Produktionen, die ein eingefleischter Materialist als Aberglaube bezeichnen würde.

Ich selber halte diese Dinge, die dem Künstler vertraut sind, als Teil unseres Menschseins, denn der Mensch ist, wie gesagt, unauslotbar, und diese Dinge sind nun einmal universell vorhanden, wenn auch nicht in jedem Menschen aktualisiert.

Jeder Mensch, ob Christ oder erklärter Ungläubiger, hat diese Veranlagung in sich, denn wir finden sie weltweit.
Nur die Bezeichnungen dafür sind andere.
Der Gläubige hat - hier gebe ich Thaddäus entschieden Recht, auch wenn sie es wörtlich so nicht gesagt hat - dem Ungläubigen bezüglich menschlicher Disposition nichts voraus, gar nichts.

Der schaffende Künstler entdeckt so einiges, das der Gläubige auch entdeckt. Nur bezeichnen sie es oft anders.
Ich selber denke mehr und mehr, dass das - was ja zu unserer menschlichen Disposition gehört - auch wissenschaftlich beschrieben werden kann: so wie die Sozialwissenschaften inzwischen Phänomene beschreiben können, die zwischenmenschlicher Natur sind und ganz konkret Menschen beeinflussen: der Massenwahn zum Beispiel, die Massenpsychose etc, aber auch die Gruppendynamik, die mehr an Positivem leisten kann als der Einzelmensch.
Da kann dann gelten: 1+1=3, und das ist in den Sozialwissenschaften bekannt.

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Thaddäus
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#465 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Thaddäus » So 14. Feb 2016, 12:44

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die HKM ist kein Teil des Glaubens, sie ist Teil der wissenschaftlichen Theologie!
Methodisch richtig.
Das ist nicht - methodisch - richtig, es ist in jeder Hinsicht richtig. Denn eine Mehode ist kein Glaubensinhalt.

closs hat geschrieben: Aber Du wirst doch einräumen, dass Du die Bibel anders liest, wenn Du von Gott ausgehst, als wenn Du rein säkular denkst.
Ja, aber dann betreibe ich keine Wissenschaft, so wie ich bei Camus' Sisyphos keine Wissenschaft betreibe, wenn mich dieses Buch existenziell anspricht. In diesem Augenblick bin ich gerade keine unabhängige Literaturwissenschaftlerin. Ich kann das Buch auch literaturwissenschaftlich analysieren, obwohl es existenzielle Bedeutung für mich hat. Meine Analyse darf von dieser existenzielen Bedeutung für mich dann aber nicht beeinflusst werden.

closs hat geschrieben: Mir geht es nicht darum, dass Wissenschaft zur ancilla ecclesiae wird, sondern dass WISSENSCHAFTLICH unter den obigen Annahmen (stell Dir vor, a) es gäbe Gott/B) es gäbe Gott NICHT) etwas anderes dabei rauskommt, wenn es über handwerkliche Dinge (Quelle x aus Zeit a, Zeitgeschehen wie folgt, Sprachkritik wie folgt, etc.) hinausgeht. - Und deshalb stimme ich Ratzi zu, wenn er NICHT möchte, dass die HKM über rein wissenschaftliche Aufgaben hinaus interpretatorisch ("Jesus hatte eine Naherwartung") tätig wird.
Ja, aber dann betreibt Ratzinger eben keine theologische Wissenschaft mehr, sondern er spricht von seinem Glauben und was die Bibel/das NT für ihn existenziell bedeutet. Bei ihm leidet aber die wissenschaftliche Analyse, weil er manche ihrer Ergebnisse ausbelendet, da sie seinen Glauben stören.
Zuletzt geändert von Thaddäus am So 14. Feb 2016, 12:45, insgesamt 1-mal geändert.

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#466 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » So 14. Feb 2016, 12:45

Savonlinna hat geschrieben:Teilweise stimme ich Dir zu. closs hinterfragt zu wenig, denkt nicht ausreichend in die Tiefe, bleibt bei Begriffen stehen. Insofern ist dieses Konstrukt nur ihm selber plausibel; es ist zu verworren und aus der Weigerung, Begriffe zu hinterfragen, gespeist. Letzteres zum Beispiel würde Ratzinger nie tun.

In einigen Teilen aber gebe ich ihm Recht, denn das, was Du als "Fakten" bezeichnest, ist ebenfalls hinterfragbar.
Ihr seid Euch beide, was die Un-Bereitschaft - möglicherweise Un-Fähigkeit -, sich selber zu hinterfragen, betrifft, außerordentlich ähnlich.

Tja - es muss ja schließlich einen Grund geben, weshalb ich Kurt so schätze.

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#467 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » So 14. Feb 2016, 13:10

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Viele Fantasiekonstrukte zeichnen sich durch nicht Falsifizierbarkeit aus. Erhöht das ihre Wahrscheinlichkeit?
Bei spirituellen Dingen ist es halt grundsätzlich so, weil der Gegenstand, um den es geht, nicht im falsifizierbaren Raum (= naturalistische Welt) ist. - Gibt es KEINE geistige Welt, sieht es für mich duster aus - gibt es sie, dann sieht es für die Naturalismus-Leute duster aus.

Das siehst Du falsch.

Es mag sein, dass es für Dich - wie Du einräumst - duster aussähe, gäbe es keine "geistige Welt".
Naturalisten sind da anders gestrickt. Würden sie erkennen, dass tatsächlich eine "geistige Welt"
existierte, würden sie erstaunt und erfreut festellen: "Ach, sowas Schönes gibt es auch."

So ist es. Das kannst Du mir glauben.

Man sollte für alles offen sein, auch für "geistige Welten" - man muss nur nicht jeden Blödsinn glauben.

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#468 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Münek » So 14. Feb 2016, 13:12

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#469 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » So 14. Feb 2016, 14:03

Münek hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Ihr seid Euch beide, was die Un-Bereitschaft - möglicherweise Un-Fähigkeit -, sich selber zu hinterfragen, betrifft, außerordentlich ähnlich.

Tja - es muss ja schließlich einen Grund geben, weshalb ich Kurt so schätze.

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#470 Re: Alles Teufelszeug?

Beitrag von Savonlinna » So 14. Feb 2016, 14:15

Thaddäus hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Und deshalb stimme ich Ratzi zu, wenn er NICHT möchte, dass die HKM über rein wissenschaftliche Aufgaben hinaus interpretatorisch ("Jesus hatte eine Naherwartung") tätig wird.
Ja, aber dann betreibt Ratzinger eben keine theologische Wissenschaft mehr, sondern er spricht von seinem Glauben und was die Bibel/das NT für ihn existenziell bedeutet. Bei ihm leidet aber die wissenschaftliche Analyse, weil er manche ihrer Ergebnisse ausbelendet, da sie seinen Glauben stören.
closs hat sich das, was er da über Ratzinger schreibt, nur ausgedacht. Er liebt es, andere - besonders berühmte Leute - so zu verfälschen, dass sie mit seiner Sicht identisch scheinen.

Ich hoffe, Du gibst mir noch den Link, Thaddäus, auf den Du Dich beziehst, wenn Du über Ratzinger sprichst.
Ich kenne Ratzinger in Deinen Worten so gar nicht wieder, bin aber natürlich bereit, mich zu korrigieren.
Ich brauche aber Original-Texte, die ich dann untersuchen kann. Ich selber habe kürzlich das Vorwort zu seinem Jesus-Band 1 mehrmals durchgelesen.

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