Von einer Jungfrau geboren?

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Halman
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#871 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Halman » Di 2. Feb 2016, 13:40

closs hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Im Grunde will er wissen, wie das Universum aus der "Perspektive" einer lichtartigen Weltlnie erscheinen würde, wenn man das Licht als Bezugssystem setzen würde.
Merci - und zwar unabhängig davon, ob man selber diese Welle surfen kann.
Wie sieht die Welt aus sicht des photons aus? Die räumliche Längendimension ist auf null kontrahiert, so dass zwar jedwede Rechts-Links- und Oben-Unten-Richtung beliebig weit reich, aber die Vorne-Hinten gibt es nicht mehr. Die räumliche Welt erscheint zweidimensional.
Als wäre dies nicht schon schwierig genug, ist nicht nur die Länge, sondern auch die Zeit betroffen. Die Eigenzeit des Photons ist unendlich dilatiert, wodurch keine Eigenzeit mehr vergeht: Ein Photon altert nicht.

Ich empfehle Dir in diese Diskussion zur Fragestellung reinzuschauen. Die Beiträge vom dortigen Moderator TomS sind meiner Meinung nach ziemlich gut.
Zitat von TomS:
Für ein Photon mit v=c=1 ist die Wurzel gleich Null, d.h.

Ï„'=0

Dies gilt für beliebige lichtartige Wege (auch in der ART in gekrümmten Raumzeiten). Während ein beliebiger Beobachter zwischen zwei lichtartig getrennten Ereignissen (z.B. Emission und Absorption eines Photons) eine bestimmte Eigenzeit tau misst, so vergeht dennoch für das Photon immer die Eigenzeit Null.

Zitat aus TomS:
Genau! Für ein Photon vergeht keine Eigenzeit; Photonen altern nicht, sie tragen keine "Uhr" mit sich herum.

Das erklärt auch, warum ich so auf dem Unterschied zwischen Koordinaten- und Eigenzeit herumreite: Zum einen ist die Eigenzeit eine prinzipiell messbar Größe, zum anderen taugt im Falle von Photonen deren Eigenzeit gerade nicht als Koordinatenzeit.
(Siehe Koordinatenzeit)

closs hat geschrieben:Lieber Halman, Janina sagt dazu aus physikalisch-mathemathischer Sicht: Das Licht ist dafür als Bezugs-System mathematisch nicht definierbar.
Licht als Bezugssystem zu setzen, ist problematisch, da die Eigenzeit null ist, ebenso Entferungen in Bewegungsrichtung. Daher wählt man normalerweise ein anders Bezugssystem als Koordinantensystem, in dem auch eine Koordinatenzeit vergeht.

closs hat geschrieben:Was schließen wir daraus? - Dass es dieses Bezugs-System der Entität "Photon" (als beliebiger Teil davon) nicht gibt (= Entität ohne Bezugs-System) - oder dass es durch unsere Wahrnehmung (hier denkerische Wahrnehmung: Mathematik) nicht darstellbar ist?
Natürlich gibt es das Photon als physikalische Entität, nämlich als Energiequant, welches sich auf einer lichtartigen Weltlinie mit einem Nullintervall bewegt. Dass die "Perspektive" dieser Entität für uns nicht vorstellbar ist, ist meiner Meinung nach völlig unerheblich für die physikalsiche Realität.

closs hat geschrieben:Wie kann eine Entität KEIN Bezugs-System haben? - Dass es mathematisch nicht darstellbar ist, ist hinnehmbar. - Dass es ontologisch NICHT so sei, ist schwer erklärbar.
Ontologisch ist seit 1905 klar, dass die Quanten des Lichtes existieren. Nun haben wir nur noch das Problem, diese auch zu begreifen.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

closs
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#872 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Di 2. Feb 2016, 13:56

sven23 hat geschrieben:Wir können noch nicht mal sagen, wie die Welt aus Sicht eines anderen Tieres aussieht (Stichwort: Qualiaproblem)
Erst recht gilt das für nicht belebte Materie.
Natürlich - wer käme auf eine solche Idee?

sven23 hat geschrieben:Dagegen potentielle Perspektiven in einem Raum einzunehmen ist natürlich möglich
Nur darum geht es. - Das fängt allerdings bereits damit an, dass man in Googleearth reingeht und sich dort ein Photo anguckt, dass von der Spitze des MountEverest gemacht wurde. - Für jeden, der nicht selbst auf dem Gipfel stand, ist dies eine potentielle Perspektive.

Nichts anderes geschieht, wenn man in der Animation eine Perspektive vom Saturn aus auf die Sonne erstellt: Man sieht vorne einen Teil des Saturn-Ringes und hinten irgendwo einen hellen Fleck, der der Größe der Sonne aus Perspektive des Saturns zeigt - die Größe dieses Lichtflecks ist vom Menschen errechnet (und wird wohl auch korrekt errechnet sein - daran würdest Du ja nicht zweifeln). - Warum ist er korrekt errechnet? Weil wir die Daten dazu haben.

Das heisst, wir können jenseits unserer unmittelbaren sinnlichen Erfahrung (jenseits = keiner von uns war je auf dem Saturn - und man konnte bereits diese Simulation machen, bevor irgendeine Sonde von uns dort selber eine Photo gemacht hätte) die Perspektive einer Entität (hier: Saturn) simulieren ("Entität" sei hier definiert als etwas, was nicht Produkt unserer Wahrnehmung ist, sondern auch ohne unsere Wahrnehmung als existent angenommen werden kann - hier der Saturn).

Eine weitere mögliche Animation wäre, die Zeit miteinbeziehen: Welche Perspektive ist vom Saturn aus simulierbar in Hinblick auf die relative Bewegung zwischen Saturn und Jupiter? - Man wird erkennen können, dass Jupiter und Saturn unterschiedliche Umlaufzeiten haben und deshalb mit der Zeit in unterschiedlichen Konstellationen sind. - Einverstanden?

So - nun ist auch das Photon eine Entität (Ich gehe davon aus, dass es NICHT Produkt menschlicher Wahrnehmung ist). - Also müsste seine Perspektive in Bezug auf Raum und Zeit eigentlich simulierbar sein. - Ist es für uns aber nicht, wie uns unsere Naturwissenschaftler sagen. - Und jetzt die entscheidende philosophische (nicht naturwissenschaftliche) Frage (für die Naturwissenschaft ist der Käse gegessen - eigenes System überschritten - irrelevant):

Ist es möglich, dass eine Entität innerhalb (!) des Universums nicht nur in seiner Perspektive nicht simulierbar ist, sondern auch ohne eigene Perspektive "ist"? - Das sind zwei Paar Stiefel, denn die Entität ändert sich nicht dadurch, dass unsere Wahrnehmung (hier Physik/Mathematik) deren Perspektive nicht simulieren kann?

Wäre sie lediglich nicht simulierbar (also von uns nachvollziehbar einnehmbar), wäre dies ein Wahrnehmungs-Problem unsererseits und hätte mit der Realität nichts zu tun. - Gäbe es ontologisch keine Perspektive, wäre dies eine schwerwiegende Aussage im Sinne von:
Es gibt Sein/Realität/Entität innerhalb des Universums, das weder mit Raum noch mit Zeit in Bezug steht, weil sonst ein p(pot) dazu vorhanden wäre.

Du kannst hier gerne aussteigen - aber das ist der eigentliche Kern, der nichts mit Verrennen, sondern mit Fragen zu Ende denken zu tun hat (also über das System-Mandat der Wissenschaft hinausgeht).

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Münek
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#873 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Münek » Di 2. Feb 2016, 13:57

closs hat geschrieben:Obendrauf kommt jetzt ja noch, dass es gerade das Christentum ist, die mit der Chiffre "Gott" eine Instanz des Nicht-Anthropozentrischen einführt im Sinne von: "Meine (Gottes) Gedanken sind nicht Eure Gedanken" alias "Mein p(pot) ist einer, den Ihr nicht kennt, der aber ontologisch/letztlich/systemübergreifend objektiv ist".

Die anmaßende Vorstellung, es gäbe einen Gott, der die Welt um des Menschen willen geschaffen hat, ist Anthropozentrismus pur.

Naturalisten wissen um die Winzigkeit und Bedeutungslosigkeit des
Menschen angesichts der Unendlichkeit des Universums.

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#874 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Di 2. Feb 2016, 14:05

Savonlinna hat geschrieben:Damit hast Du Dich wunderbar selber beschrieben.
Halten wir fest: Aus irgendeinem Grund verstehen wir Dinge exakt um 180° verdreht. - Ich versuche, die System-Beschränktheit des Naturalismus zu bekämpfen - Du meinst, mein Denken sei naturalistisch. - Ich werfe der Philosophie vor, dass sie nicht über System-Beschränkung hinausgeht - Du meinst, das gelte für mich. -- Ich will differenzieren zwischen Anthropozentrik und Ontologie - Du nennst dies undifferenziert. - Das ist alles sehr merkwürdig.

Savonlinna hat geschrieben:Langsam habe ich den Verdacht, dass Du mich nicht auf dem Radar hast.
Deine Erlebens-Weisheiten gefallen mir sehr gut. - Ich tue mir jedoch bei Dir nach wie vor schwer, wenn es über das Anthropozentrische hinausgeht. - Ich weiss bis heute nicht, was Du unabhängig von Deiner Wahrnehmung als "real" verstehst.

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#875 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Di 2. Feb 2016, 14:16

Münek hat geschrieben:Die anmaßende Vorstellung, es gäbe einen Gott, der die Welt um des Menschen willen geschaffen hat, ist Anthropozentrismus pur.
Es ist eine Vorstellung des Menschen und somit anthropozentrisch - richtig.

Diese Vorstellung impliziert aber ebenfalls, dass menschliche Perspektive NICHT das Maß ist - damit ist diese Vorstellung weniger anthropozentrisch als der Naturalismus, der das menschlich Fassbare als das Maßstäbliche definiert.

Das Problem dabei:
Da wir Menschen sind, ist alles, was wir sagen, anthropomorph (geht gar nicht anders). - Aber mit diesem Anthropomorphen können wir inhaltlich Anthropozentrisches oder nicht Anthropozentrisches vertreten - insofern sollten wir vielleicht zukünftig "anthropomorph "und "anthropozentrisch" unterscheiden:

anthropomorph = Darstellung im Rahmen unserer menschlichen Möglichkeiten (also immer)
anthropozentrisch = Maßgeblichkeit menschlicher Bewertung

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#876 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Di 2. Feb 2016, 14:57

Halman hat geschrieben:Wie sieht die Welt aus sicht des photons aus?
Wieder mal ein super link :thumbup: - da stehen genau die Antworten, die spirituell zu erwarten sind und trotzdem physikalischer Natur sind. - Ich zitiere hier für alle nur EINEN kurzen Abschnitt:

"Was passiert eigentlich mit dem Raum aus Sicht des Photons? - Er muss natürlich verschwinden, da auf der Reise eines Photons der Startpunkt - unabhängig davon, wo er liegt - gleich dem Zielpunkt ist, unabhängig davon, wo dieser liegt. Und für diese Reise benötigt das Photon selbstverständlich auch keine Zeit, selbst wenn es dabei ein komplettes, ruhendes Universum "durchquert". - Für uns sieht das natürlich anders aus."


Wir wären eigentlich da, wo ich schon die ganze Zeit hinwollte, wenn wir hier anknüpfen würden und damit etwa den Begriff "Instantanität" beleuchten würden. - Oder auf spiritueller Ebene fragen würden: "Warum ist (laut Bibel) ist Alpha und Omega für Gott EIN Punkt, während wir damit Anfang und Ende der Weltzeit erleben?".

Halman hat geschrieben: Daher wählt man normalerweise ein anders Bezugssystem als Koordinantensystem, in dem auch eine Koordinatenzeit vergeht.
Verständlich - was bleibt uns anderes übrig?

Halman hat geschrieben:Ontologisch ist seit 1905 klar, dass die Quanten des Lichtes existieren. Nun haben wir nur noch das Problem, diese auch zu begreifen.
Wenn man geistige Aussagen der Bibel versteht, sollte dies nicht zu schwer sein. - Wie und ob es wissenschaftlich möglich ist, weiss ich nicht.

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#877 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von sven23 » Di 2. Feb 2016, 15:16

closs hat geschrieben:- Gäbe es ontologisch keine Perspektive, wäre dies eine schwerwiegende Aussage im Sinne von:
Es gibt Sein/Realität/Entität innerhalb des Universums, das weder mit Raum noch mit Zeit in Bezug steht, weil sonst ein p(pot) dazu vorhanden wäre.
Der Versuch, mit Ontologie in die Physik einzudringen, hat noch nie zu was Sinnvollem geführt. Deshalb hantiert auch Naturwissenschaft nicht mit solchen Begriffen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#878 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Di 2. Feb 2016, 15:27

sven23 hat geschrieben:Der Versuch, mit Ontologie in die Physik einzudringen, hat noch nie zu was Sinnvollem geführt.
Innerhalb der Physik nicht - weil es nicht ihr Feld ist. - Philosophie dagegen "versucht, die Welt und die menschliche Existenz zu ergründen, zu deuten und zu verstehen" (wik) - und zwar unabhängig von Einzel-Disziplinen.

Halmans Link ist diesbezüglich übrigens wirklich erhellend UND physikalisch zudem.

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Münek
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#879 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von Münek » Di 2. Feb 2016, 15:31

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die anmaßende Vorstellung, es gäbe einen Gott, der die Welt um des Menschen willen geschaffen hat, ist Anthropozentrismus pur.
Es ist eine Vorstellung des Menschen und somit anthropozentrisch - richtig.

Diese Vorstellung impliziert aber ebenfalls, dass menschliche Perspektive NICHT das Maß ist - damit ist diese Vorstellung weniger anthropozentrisch als der Naturalismus, der das menschlich Fassbare als das Maßstäbliche definiert.

Umgekehrt ist es richtig.

Der Naturalist weiß um die Bedeutungslosigkeit des Menschen angesichts der Unendlichkeit des Univerversums.
Der Gläubige maßt sich an zu unterstellen, die Welt sei um seinetwegen von einem Gott geschaffen worden -
einem gütigen allmächtigen Wesen, das den gläubigen Menschen nach seinem irdischen Tod mit Unsterblichkeit,
seiner sichtbaren Gegenwart und ewiger Seligkeit belohnt.

Das ist egoistischer Anthropozentrismus in Reinkultur. Schlimmer geht es nicht. Der Mensch - Krone und Ziel
der Schöpfung.

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#880 Re: Von einer Jungfrau geboren?

Beitrag von closs » Di 2. Feb 2016, 16:13

Münek hat geschrieben:Umgekehrt ist es richtig.
Wenn man den Naturalismus zum Maßstab nimmt, hast Du recht. - Wenn man den Naturalismus lediglich einen in sich objektivierenden Anthropozentrismus erkennt, ist es andersrum. - Es ist tatsächlich die Frage, an welchem Punkt man kalibriert.

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