Zurzeit wird Thread
Wird die Philosophie unterschätzt? u.a. kontrovers über die "Gewalt in der Bibel" diskutiert. Da meine Stellungsname dazu nicht philosophischer Art ist, sondern religiöser, habe ich mich entschlossen, mich hier zu dieser kontroversen Thematik zu äußern.
Als Christ verstehe ich meinen Glauben als eine Religion, welche die Liebe und Nächstenliebe ins Zentrum rückt und ich bin davon überzeugt, dass hier im Forum und darüber hinaus viele Christen diese Überzeugung teilen.
Die Christenheit präsentiert sich in der Welt nicht als monolithischer Block, sondern in der Vielschichtigkeit verwandter Strömungen, welches sich teilweise kontrovers begegnen. So ist auch der Umgang mit den »Gewaltversen« des Alten Testaments verschieden.
Vielleicht finden sich hier einige im ersten zitierten Satz aus dem Buch
Der Atheismus-Wahn von Alister McGrath und Joanna Collicutt McGrath wieder, der auf Seite 114 unter dem Kapitel
"Wie man das Alte Testmant lesen sollte" zu finden ist:
Natürlich finden viele moderne, jüdische und nicht-jüdische Leser aufgrund ihrer kulturellen Distanz zu der längst vergangenen Ära viele Teile des Alten Testaments merkwürdig, vielleicht sogar entsetzlich.
Auch ich räume ein, dass mich zumindest manche biblische Textstellen befremden. Doch schauen wir weiter, was McGrath hierzu auf den Seiten 114-115 sagt:
Historisch betrachtet ist es wichtig anzuerkennen, dass diese antiken Texte inmitten eines Volkes entstanden, das darum rang, eine Art von Gruppen- oder Nationalidentität zu bewahren, während es von allen Seiten angegriffen wurde. Es versuchte, sich seine menschliche Situation in Beziehung zu einem Gott zu erklären, über dessen Wesen es im Laufe der Zeit immer mehr lernte. Während der zirka 1.000-jährigen Entwicklung seines Gottesverständnisses entstand das Material, aus dem die Schriften des Alten Testaments bestehen, und zwar sowohl mündlich als auch schriftlich.
Auch Sabatina James äußerst sich in ihrem Buch
Scharia in Deutschland zu diesem Thema:
... Auch andere, vergleichbare Geschichten, in denen Gott hart mit den Menschen umgeht, sind historische Parabeln, keine Kampfaufrufe an uns. Der Gott des Alten Testaments sprach durch sündige Menschen, durch Propheten und Lehrer. Abraham und Moses vorzuwerfen, dass sie sich nicht an die Kultur und Normen des 21. Jahrhunderts gehalten haben, wäre ein geradezu absurder Anachronismus. Wer wissen will, wie der Gott des Christentums ist, muss dagegen auf Jesus von Nazareth schauen. Er ist die vollkommene Selbstoffenbarung Gottes.
... Oft wird der Zusammenhang bestimmter Textstellen ignoriert, um alttestamentarische Gewalt mit der islamistischen Gewalt gleichzusetzen und letztere zu relativieren. Doch das ist theologischer Analphabetismus. Die so gerne zitierten »Gewaltverse« aus dem Alten Testament sind auch kein neues Problem für die Kirche. Ebenso wenig sind sie eine Entdeckung von von Muslimen oder Atheisten, mit der sich Christen nun endlich befassen müssten. Bereits in den ersten Jahrhunderten des Christentums lehrten christliche Theologen wie Origenes aus Alexandrien (ca. 185–254 n. Chr.), dass das Alte Testament nur vom Neuen Testament her zu interpretieren ist, sprich vom Standpunkt Christi aus. Und dieser hat weder Gewalt gelehrt noch Gewalt ausgeübt. Er war vielmehr Opfer der Gewalt durch andere.
Barino Barsoum thematisierte dies in Gegenüberstellung zum Islam im Video
Muslime & Bibel:
Zitat von Al Hayat TV Net:
Zusammenfassend können wir sagen, dass die Gewalt im Alten Testament ein zeitlich und geografisch begrenztes Mittel war damit sich das Volk Israel in einer kriegerischen Zeit gegen seine Feinde behaupten konnte.
Der Tanach (AT) enthält nicht nur normative Texte, wie den Dekalog, sondern auch narrativ-deskriptive Texte, in denen einfach berichtet wird, z.B. über
Lot und seine Töchter. Auch dies dient gläubigen Bibellesern zur "Belehrung" und "Unterweisung" (s. 2 Tim 3:16), aber nicht als Vorbild, es genau so nachzuahmen.
Alister McGrath führte dazu auf Seite 116 seines Buches aus:
Zitat aus Der Atheismus-Wahn:
Jesus hat den Wein des Evangeliums nicht de novo geschaffen, sondern das Wasser des jüdisches Gesetzes genommen und es in etwas Besseres umgewandelt. Die Schriften des Alten Testaments werden durch einen christologischen Filter oder ein christologisches Prisma gelesen und interpretiert. Aus diesem Grund wird das kultische Regelwerk, das auf den Seiten des Alten Testaments ausbreitet wird, nicht von Christen angewandt - noch wurde dies jemals zuvor von ihnen getan.
Welche Botschaft hatte Jesus? Als Jesus befragt wurde, wer unser Nächster sei, antwortete er mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samarither. Demnach ist jeder unser Nächster. Wir sollten handeln, wie der barmherzige Samarither.