Savonlinna hat geschrieben:Der menschliche Anstand fordert, dass man nicht unter Nietzsche etwas laufen lässt, was das Gegenteil von Nietzsches Denken ist.
Damit ist es nicht getan - nimm mal Kant: Er wird sowohl als der "Papst" der Aufklärung verstanden als auch als Überwinder der Aufklärung - für beides gibt es genug Gründe.
Dein Satz stimmt dann, wenn sicher ist, was ein Autor wirklich gedacht hat - dazu wird man in unterschiedlichen Zeiten sehr unterschiedliche Antworten finden - jeweils von Akademikern. - Dann liest man dann Sätze wie "Die neuere Forschen versteht x inzwischen ganz anders als früher, weil ... " - und denselben Satz liest man dann auch 100 Jahre später. - Das geht nicht bei jedem Autoren, aber oft bei Autoren, die sehr Grundlegendes gedacht haben.
Savonlinna hat geschrieben:Erst als ich dann etwas von Heidegger las, merkte ich, dass Du Heidegger verfälschst.
Und dann kommt der nächste und merkt, dass DU Heidegger verfälscht. - Und der Übernächste kommt und merkt, dass der Nächste, der merkt, dass Du Heidegger verfälschst, Deine Auffassung verfälscht - und so geht das ewige weiter.
Savonlinna hat geschrieben:Dir reicht sogar ein einziges Eckhart-Zitat, um Eckhart in Grund und Boden zu verfälschen.
Vielleicht verfälscht Du ihn ja - oder auch nicht. - Ich merke halt bei einer Lektüre, dass da einer Satz für Satz Sachen rauslässt, die mit meinem Weltbild korrelieren - und überprüfe dann in der Tat NICHT, ob es Zufall ist. - Ich denke dann eher, dass es so etwas wie eine Universalität des Geistes gibt, der sein Licht überall hinterlässt.
Was übrigens Heidegger angeht: Ich glaube schon (aus Anmerkungen seines Spätwerks, die ich irgendwo in mir gespeichert habe), dass er am Ende seines Lebens seine "Ontologie" geistig verstanden hat (also vertikal zwischen Mensch und Gott). - Das war mein Eindruck damals - wollte man es genauer wissen, müsste man sich jetzt volle Pulle in Literatur reinhängen.
Aber wie gesagt: Das ist nicht das Entscheidende. - Das Entscheidende ist, dass Heidegger etwas hinterlassen hat, das (evt. entgegen seiner eigenen Absicht) wunderbar passt auf das Verhältnis zwischen "Gott" ("Sein") und "Mensch" ("Seiendes"). - Marx hat Hegels Dialektik auch ganz anders verwendet als Hegel - und trotzdem ist die marxistische Dialektik nicht ohne Hegel denkbar.
Savonlinna hat geschrieben:Dein Dasein/Sein-Denken hat nicht die Qualität eines Heideggers, wenn ich das mal so sagen darf.
Das darfst Du, weil es selbstverständlich stimmt. - Aber man kann von seinem Denken profitieren, indem man es strukturell versteht und ins Spirituelle transponiert.
"Die Undefinierbarkeit des Seins dispensiert nicht von der Frage nach seinem Sinn, sondern fordert dazu gerade auf".
Martin Heidegger, Sein und Zeit
"Die Einheit der horizontalen Schemata von Zukunft, Gewesenheit und Gegenwart gründet in der ekstatischen Einheit der Zeitlichkeit. Der Horizont der ganzen Zeitlichkeit bestimmt das, woraufhin das faktisch existierende Seiende wesenhaft erschlossen ist".
Martin Heidegger, Sein und Zeit
Und vieles andere mehr. - Ich werde jetzt NICHT anstrengenderweise und nutzloserweise ausführen, warum diese und andere Sätze von Heidegger geistig transponiert verstanden werden können (wenn man sie überhaupt transponieren muss) - aber man kann begründen, warum sie in geistigem/transzendentem Verständnis auffällig viel Sinn machen. - Ob dies dem Autor bewusst war oder ob er dieses Potential "nur" in sich unbewusst getragen hat, ist eine interessante Frage, aber nicht entscheidend.
Savonlinna hat geschrieben:Du bestehst darauf, Falschaussagen über berühmte Autoren machen zu dürfen. Warum?
Das sagt normalerweise der Wissenschaftler, wenn ein anderer Wissenschaftler sein Autorenbild nicht teilt - man drückt sich dann etwas verdeckter aus, tut aber im Grunde dasselbe, was Du gerade tust.
Savonlinna hat geschrieben:Denn Du schneidest Heidegger alles das ab, was über Dich hinausgeht.
Ich nehme das raus, was transzendent verwertbar ist - das mag sein.
Savonlinna hat geschrieben:Das bist ja Du, der das allergrößte Gewicht darauf legt, von den berühmtesten Philosphen bestätigt zuw erden.
"Bestätigt" ist der falsche Ansatz. - Ich bin entzückt, wenn ich bemerke, dass ich am selben Strang ziehe wie ein Plato oder Augustinus oder Descartes oder Hegel oder Heidegger oderoderoder - und NICHT am selben Strang ziehe wie ein Sartre oder die Analytische Philosophie. - Man kann von diesen Leuten so viel lernen, was man selber gar nicht so gut hinkriegt - aus meiner Sicht ist das Luxus pur.
Savonlinna hat geschrieben:Warum kannst Du nicht wahrheitsmäß sagen, dass Du keine Ahnung hast, wie Philsoph A das gemeint hat,
Erstens weil ich in erheblich vielen Fällen schon meine, eine Ahnung zu haben, wie Philosoph x das meint - aber tatsächlich auch manchmal nicht mehr.
Wie können wir heute überhaupt wissen, wie ein Mensch vor meinetwegen 500 oder 1.000 Jahren gedacht hat? - Neulich habe ich im Umkreis der "Schwarzen Hefte"-Diskussion um Heidegger eine Interpretation eines jüdisch-französischen Wissenschaftllers gehört, die komplett anders ist als die Interpretation des Mainstreams. - Dieser Wissenschaftler hat den Heidegger-Unterschied zwischen europäischem und jüdischen Denken (der Heidegger immer wieder zum Nazi-Strick gemacht wird) GANZ anders erklärt (wer mag, kann im ZEIT-Archiv schätzungsweise im Jahr 2013 rumsuchen) - also zur Verteidigung Heideggers interpretiert - und das als Jude, der sich ja am ehesten aufregen könnte. - War ganz anders und hoch interessant.
Tja - und jetzt? - Wie hat Heidegger (stellvertretend für "Autor") tatsächlich gedacht? - Diese Frage scheint ja nicht so sehr vom Autor, als vielmehr von der Rezeption der Zeit abhängig zu sein. - Und was meinst Du mit "falsifizieren"? - Die EIGENE Interpretation als "wahr" darzustellen? - Da wäre ich vorsichtig.
Savonlinna hat geschrieben:Wenn Du meinst, dass ich Dich falsch verstanden hätte, dann korrigierst Du mich ohne Ende.
Wir leben ja beide noch - wir können uns also konkret austauschen. - Was glaubst Du, wie gerne ich mal mit Descartes sprechen würde - geht aber nicht.