Anton B. hat geschrieben:Also ich weiß nicht, ob Pluto in einem Punkt es hier nicht auch falsch darstellt, er es zu salopp formuliert oder ich zu kritisch bin. Nämlich da, wo er sagt, aus einer oder auch mehreren bis vielen Beobachtungen "entstehe" ein Modell "induktiv". In nicht salopper Form anders ausgedrückt: Die Beobachtungen bzw. Wahrnehmungen induzieren das Modell. Genau so sei es ja auch, meint der closs dazu. Und genau dieser Fall würde dann auch treffend als "induktive Methode" der Wissenschaft bezeichnet werden.
Induktion meint hier, dass die Wahrnehmungen bzw. die Beobachtungen direkt auf logisch-rationaler Weise zum Modell führen. Gerade das, so hat der Popper philosophisch analysiert, ist eben nicht der Fall. Nicht der Fall, obwohl uns das "naiv" so vorkommt, denn bevor wir ein Modell kreieren, haben wir irgendwelche Wahrnehmungen, die wir rational, am liebsten mit einer Vorhersagequalität, verstehen möchten.
Logisch-rational, also wirklich induktiv, wäre die Methode, mit Hilfe von Statistiken Modelle generieren zu lassen. Übrigens wäre das schöne an der "induktiven Methode", dass wir uns von "Intersubjektivität" ein gutes Stück weiter in Richtung "Objektivität" bewegen könnten.
Alsio summa summarum eine ganz tolle Sache. Nur eben mit dem Nachteil: Es funktioniert nicht. Die logisch-rationale Methode, die von der Wahrnehmung zum Modell führt und sich nach außen auch noch fruchtbar erweist, gibt es nicht. Deshalb hat Wissenschaftstheorie spätestens seit Popper von der Vorstellung induktiver Methodik für Wissenschaften mit "empirischen" Untersuchungsgegenständen gelöst. Seitdem darf jeder, "hypothetisch" ein Modell entwickeln. Danach kommt der deduktive Teil der Ableitung von Beobachtungsvorhersagen und der Versuch der Falsifizierung. Eben die sogenannte hypothetisch-deduktive Methode
Methodisch kann ich Dir wirklich folgen - ansonsten gar nicht.
Ist Dir bewusst, dass Popper damit den jahrhundertelangen Umgang mit den Begriffen "induktiv" und "deduktiv" um 180° gedreht hat?
Nun ist mein Verdacht, dass Popper diesen jahrhundertelangen Umgang gar nicht falsifiziert hat, sondern einfach ganz woanders ansetzt.
Einige echte Verständnisfragen:
a) Was bedeutet dann das, was Aristoteles sagt? - Warum wird er in wik beim Begriff "Induktion" nach wie vor als Kronzeuge genannt?
b) Was ist falsch an der Aussage
b1) "100.000 Einzelbeobachtungen unterschiedlicher Schwäne zeigen, dass jeder Schwan weiß ist"
b2) "Aus diesen 100.000 Einzelbeobachtungen induziere ich die allgemeine Aussage: Schwäne sind weiß"
b3) "Finde ich unter 100.000 Einzelbeobachtungen 2 schwarze Schwäne, korrigiere ich diese Aussage in: Schwäne sind zu 99,9... % weiß" - also immer noch eine allgemeine Aussage aufgrund von 100.000 Einzelbeobachtungen". -
Das wäre nach jahrhundertelangem Verständnis eine induktiv gewonnene Erkenntnis - man hat von Einzelbeobachtungen auf allgemeine Aussagen geschlossen. - Was macht man im Kritische Realismus (Popper) vom Ergebnis her anders? - Guckt man da nicht auch auf möglichst viele Einzelfälle, um daraus eine möglichst hohe Wahrscheinlichkeit für eine allgemeine Aussage zu gewinnen? - Würdest Du das "deduktiv" nennen?
Nun will ich Dich nicht zwingen, nochmal zu erklären, wie es Popper aufbaut, und dass er quasi die Sache methodisch dreht. - Aber hebelt das das, was ich eben gesagt habe, INHALTLICH aus?
Umgekehrt: Theologie:
Üblicherweise geht ein christlicher Theologe davon aus, dass es (fundamental-theologische/dialektischen/logischen Gründen) Gott gibt (dem muss man ja als Außenstehender nicht zustimmen). - In Folge davon fragt er - salopp formuliert: "Wie kann man die Existenz Gottes in Einzel-Beobachtungen bestätigt sehen". - Das wäre Deduktion: Man schlussfolgert von einer gegebenen Prämisse auf Phänomen in Einzelfällen (bspw. "Wenn es Gott gibt, ist das persönliche Schicksal des Menschen gefügt" - "Wenn mathematische Axiome korrekt sind, dann stimmt 2+2=4 und 1+3=4 und 4+0=4", etc.).
Wir reden hier nicht darüber, ob es zulässig ist, diese Prämisse zu setzen. - Wir sprechen davon, dass es Schlussfolgerungen ins Einzelne gibt, wenn eine allgemeine Aussage gesetzt ist - und das ist nun mal "Deduktion".
Verstehst Du, wenn ich irritiert bin, dass dies nun komplett auf den Kopf gestellt wird?
Eine mögliche Lösung (und mein Verdacht):
Kann es sein, dass die philosophische und die methodische Versionen diametral unterschiedlich sind, weil beide auf komplett unterschiedlichen Ebenen "daheim" sind. - Anders formuliert: Kann es nicht sein, dass Popper deshalb zu seinen Ergebnissen kommt, weil dies der methodische Preis dafür ist, dass er mit seiner Methodik das Problem des unendlichen Regresses gelöst hat? - Was ja an sich ein Geniestreich ist.
Ist das der Grund, warum sich Popper sträubt, "Philosoph" genannt zu werden? - Weil er weiß, dass sein methodisches Modell Begriffe ("induktiv"/"dedujtiv") ganz anders einsetzen muss als die Philosophie? - Das erschiene mir zumindest sehr plausibel.