Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
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Pluto
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#2221 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Sa 14. Nov 2015, 14:35

Anton B. hat geschrieben:Bringe doch mal ein Beispiel für eine solche, von den Naturwissenschaften hinterfragte spirituelle Setzung. Ich kann den Charakter einer solchen Setzung derzeit wirklich nicht einordnen.
Z. Bsp.
Spirituelles Postulat (Modell): "Jesus ist Sohn Gottes" — Welche überprüfbaren Vorhersagen macht dieses Modell?

Na? :idea:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Thaddäus
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#2222 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Thaddäus » Sa 14. Nov 2015, 14:48

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Prämisse 1: Alles kann bezweifelt werden.
Diese Prämisse ist ja auch aus Sicht von Descartes (und Augustinus) falsch: "Si enim fallor, sum" - das Ich kann eben NICHT bezweifelt werden.
Nee. Hatten wir schon.
Geht nur wenn man setzt, dass Gott nicht missgünstig ist.
Es ist vielfach versucht worden, Descartes cogito sum zu widerlegen. Meiner Meinug nach ist das bislang noch niemandem gelungen. Sein Beweis funktioniert auch dann, wenn man einen missgünstigen Gott annimmt, der uns in ALLEM täuschen will und täuschen kann.

Bekanntlich geht Descartes in seinen Meditationen methodisch der Frage nach, ob etwas und was übrigbleibt, wenn ich an allem zweifle und davon ausgehe, in allem einer Täuschung zu unterliegen.

Als erstes weist er nach, dass alle meine Sinneswahrnehmungen falsch und eine Täuschung sein könnten.
Sodann weist er nach, dass sogar logische und mathematische Wahrheiten vorgetäuscht sein könnten, nämlich dann, wenn wir einen deus malignus annehmen, einen bösartigen allmächtigen Gott-Dämon, der mir nur vorgaukeln könnte, dass 3+4=7 oder A=A ist etc.

Aber selbst, wenn mich dieser deus malignus noch über die distinkten mathematischen und logischen Wahrheiten täuschen könnte, so kann er mich doch über eines nicht täuschen, dass es nämlich in dem Augenblick, in dem ich denke, ich könnte über alles getäuscht werden, ein zweifelndes Denkendes (Ich) geben muss, welches in diesem Augenblick getäuscht wird.
Das heißt, auch wenn ein an allem Zweifelnder tatsächlich in allem getäuscht wird, so kann dieser Zweifelnde nicht darin getäuscht werden, dass er als Zweifelnder existiert.

Und selbst dann, wenn der allmächtige deus malignus ein denkendes Ich sich selbst nur ausdenkt (um es nämlich täuschen zu können), dann existiert dieses gedachte denkende Ich zumindest in dem Augenblick, in dem es als vom deus malignus Gedachtes denkt, dass es gerade in diesem Augenblick in allem von einem deus malignus getäuscht wird.
Zudem entsteht ein Widerspruch, wenn ein deus malignus sich ein zweifelndes denkendes Ich nur ausdenkt (und damit in die Existenz ruft als zweifelndes Denkendes), um es darüber zu täuschen, dass es als zweifelndes Denkendes exisitiert: denn es existiert in diesem Augenblick als zweifelndes Denkendes und kann nicht gleichzeitig darüber getäuscht werden, dass es existiert (zumindest so lange, bis der deus malignus aufhört, dieses denkende Ich zu denken).

Wendet man gegen diese Argumentation ein, dass sie auf einer Logik beruht, über die man gerade getäuscht werden könnte, so ist das richtig bedeutet aber, dass jede rationale Argumentation in sich zusammenbricht, auch die, es könne an irgendetwas gezweifelt werden.


Der Welt- und Gottesbeweis Descartes beruht darauf, dass Descartes davon ausgeht, dass ein vollkommener Gott auch vollkommen gut sein muss, also gerade kein deus malignus sein kann (dem dann nämlich zur Vollkommenheit gerade die Allgüte feht).
Darum darf der Mensch - nach Descartes - von der prinzipiellen Korrektheit seiner Wahrnehmungen und seinen distinkten (also klaren und deutlichen) Einsichten ausgehen.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Sa 14. Nov 2015, 16:14, insgesamt 6-mal geändert.

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Münek
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#2223 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Münek » Sa 14. Nov 2015, 14:55

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Fällt dir gar nicht auf, dass du nicht ins Detail gehen kannst?
In die Details Deines Modells gehe ich tatsächlich nicht.

Du zeigtest Dich bisher nicht in der Lage, Details DEINES Modells (zweite Ebene) zu benennen. Da kommt einfach nix.

Deine ständigen Versuche, konkreten Fragen mit fadenscheinigen "Gründen" auszuweichen,
nehmen "skurrile" Formen an. Lege doch einfach mal DEIN Glaubenskonstrukt offen.

Was schwebt Dir da konkret vor? Du musst doch ganz bestimmte Vorstellungen haben.

Anton B.
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#2224 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Anton B. » Sa 14. Nov 2015, 15:04

Pluto hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Bringe doch mal ein Beispiel für eine solche, von den Naturwissenschaften hinterfragte spirituelle Setzung. Ich kann den Charakter einer solchen Setzung derzeit wirklich nicht einordnen.
Z. Bsp.
Spirituelles Postulat (Modell): "Jesus ist Sohn Gottes" — Welche überprüfbaren Vorhersagen macht dieses Modell?

Na? :idea:
Keine "vernünftigen" Beobachtungsvorhersagen, würde ich mal sagen. Nicht zuletzt mit Berufung auf Hume.

Also ist es doch keine naturwissenschafte Theorie, kein naturwissenschaftliches Modell! Inwiefern positioniert sich jetzt die Naturwissenschaft begründend dazu? Ich würde sagen: Garnicht!

"Jesus ist Sohn Gottes" wird nicht naturwissenschaftlich vertreten, ja nicht mal untersucht, die explizite Aussage "Jesus ist nicht Sohn Gottes" aber genauso wenig..

Und genau das meinte ich. Eine "spirituelle Aussage", zu der sich Naturwissenschaft überhaupt sich äußert.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#2225 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Sa 14. Nov 2015, 15:08

Savolinna hat geschrieben:Du verstehst sie eben alle konsequent falsch.
Bist Du da sicher? - Meinst Du wirklich, dass Leute von Augustinus bis Ratzinger (da gehört auch Hegel dazu) 'Gott' NICHT als logisch notwendig verstehen?

Savolinna hat geschrieben:ICH SPRACH VON THEOLOGIE!!!
Wenn Du unter Theologie verstehst, dass man versucht, induktiv nachzuzeichnen, was deduktiv gesetzt ist ("Gott"), dann kann ich Dir folgen. - Wenn Du unter Theologie vollkommen neutral "die Lehre von Gott" verstehst ("Was haben die Inkas damals geglaubt?"), kann ich Dir ohnehin folgen. - Ganz unterschiedliche Ansätze.

Savonlinna hat geschrieben:Du sprachst ja gar nicht von Fundamenal-Theologie. Du sprachst von Theologie.
OK - dann müssten wir die verschiedenen theologischen Stränge untersuchen

Savonlinna hat geschrieben:Ich habe nicht geleugnet, dass es ein Fundament dafür gibt. Nur Du kennst keins, kannst nie eins benennen.
In Deiner Sprache offensichtlich noch nicht.

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#2226 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Sa 14. Nov 2015, 15:13

Savonlinna hat geschrieben:Descartes sagt: egal, wie sehr ich mich täusche: es bin immer ich, der sich täuscht.
Somit ist dieses Ich selbst dann außer Zweifel, wenn es an allem zweifelt.

Savonlinna hat geschrieben:Descartes will also auf das Denken als entscheidende Substanz hinaus.
Ja.

Savonlinna hat geschrieben:Das Ich wird von ihm nicht problematisiert.
Aber das "Ich-bin" - "Cogito, e(r)go sum" und "Si enim fallor, <ego> sum" sind synonyme Aussagen - nur dass 1000 Jahre dazwischen sind.

Savonlinna hat geschrieben:Er sagt: ich kann in allem getäuscht werden, nur in einem nicht: Das Denken ist immer dabei, bei jeglicher Täuschung.
Ja.

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#2227 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Sa 14. Nov 2015, 15:35

sven23 hat geschrieben:Prämisse 1:
Es könnte einen allmächtigen Gott geben, der mich täuscht.
Ja - in Bezug auf jegliche Wahrnehmung. - Aber nicht darin, dass "Ich-denke". - Insofern basiert Deine Konklusion auf einer falschen Prämisse.

Sven hat geschrieben: dann widerspräche es seiner Allmacht, wenn er dich nicht in deiner Existenz täuschen könnte. (siehe oben)
Richtig - das weiss aber Descartes ebenfalls - weshalb er ja an einen wohlwollenden Gott glauben muss. - Der entscheidende Satz bei Descartes ist: "Egal, was ist - ich bin bleibe ein Denkender, der dies erfasst - und somit "bin-ich". - Denn denken kann ich nur, wenn "ich-bin".

sven hat geschrieben: Ist sogar biblisch, denn Gott kann ja angeblich nicht lügen.
Kann er auch nicht. - Zusammenhang? - Moment: Wenn Gott dem Menschen zeigen wollte, dass seine Wahrnehmung nichts taugt, wäre das keine Lüge, sondern ein Zeigen.

sven hat geschrieben:Wie, du nimmst Kant, Pascal, Nietzsche,Russel, Wittgenstein und viele andere nicht ernst?
Da schließe ich mich dem Votum von Olaf L. Müller an, dem nach mit Putnam erstmals Descartes widerlegbar geworden ist ("Wirklichkeit ohne Illusion"). (Was man sich genau angucken müsste - angeblich 500 Seiten Beweisführung)

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#2228 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Sa 14. Nov 2015, 15:38

Münek hat geschrieben:Übrigens unterscheidet dieser Mythos zwischen Gott und Geist (Gen. 1,2): Nicht Gott schwebte
über dem Wasser, sondern sein Geist. Wenn Gott aber selbst "Geist ist", wozu bedarf es dann eines weiteren Geistes ?
Weil Gottes Geist als Offenbarungsform verstanden wird, die als Wirkkraft innerhalb der Schöpfung aktiv ist - das ist die Offenbarungsform "Vater" nicht - sie steht für "Schöpfung". - Hier sind das Zeugen und das Austragen offenbarungs-mäßig geteilt. - Beides ist "Gott".

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#2229 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Sa 14. Nov 2015, 15:40

Münek hat geschrieben:Und genau DAS scheint Kurt augenscheinlich nicht zu kapieren oder erkennen zu wollen.
Doch - das ist doch die poppersche Setzung, dass dies als "real" zu verstehen ist. - Sonst könnte doch Wissenschaft gar nicht anfangen zu arbeiten.

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#2230 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Sa 14. Nov 2015, 15:51

Pluto hat geschrieben:Geht nur wenn man setzt, dass Gott nicht missgünstig ist.
Das bezieht sich auf die Wahrnehmung, nicht auf's Denken. - Selbst wenn der Mensch getäuscht werden würde (was ja niemand, schon gar nicht Descartes, glaubt), würde er im Faktum, dass er denkt, NICHT getäuscht werden - also "ist-er".

Pluto hat geschrieben: Woher weißt DU, dass "faule Eier" dabei sind?
Die Annahme, dass sich Täuschung nicht nur auf Wahrnehmung der Res extensa, sondern auch aufs Denken selbst bezieht, ist ein solches.

Pluto hat geschrieben:Unsere Wahrnehmung entstand nicht um die Realität (Wahrheit) zu erkennen, sondern um das Überleben möglichst zu sichern.
Weshalb der Mensch bspw. Kontraste verstärkt wahrnimmt, obwohl eine Nachmessung ergeben würde, dass ein graues Quadrat dunkler oder heller ist, als er denkt. - Da kann ich keine Täuschung erkennen - eher eine Hilfe.

Putnam hat geschrieben:/Olaf_Mueller%20-%20Gegen%20cartesische%20Skepsis.pdf]In vier Schritten gegen die cartesische Skepsis[/url]
Ja - genau diese Schrift meine ich. - Das müsste man mal überprüfen - wird aber sehr schwer sein. - Hier wären vor allem die Prämissen zu untersuchen, auf denen die folgende Logik aufbaut. - Wie gesagt: Für uns hier im Forum so gut wie nicht machbar.

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