Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Anton B.
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#2021 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Anton B. » Sa 7. Nov 2015, 20:46

Ich spreche von Wissen, das nicht nur in Einlösung eines Modells sicher ist, sondern in Bezug auf das Objekt sicher ist - und das ist nach Descartes nur möglich beim Satz "Cogito - ego sum". - In allen anderen Fällen NICHT (ich stimme Descartes zu).
Also Du sprichst von einem Wissensbegriff, der für fast nichts gut ist.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: weil damit nur das Nicht-Zutreffen einer gedanklichen Vorstellung, nämlich diese gemessen an Beobachtungen, vollzogen werden kann.
Da hast Du wohl recht - aber ich denke schon, dass Du weißt, dass sich der Begriff "Wissen" auf methoden-vorgegebenes Modell-Wissen beschränkt, welches man im Kritischen Rationalismus ansiedelt.
Von mir aus "... auf methoden-vorgegebenes Modell-Wissen beschränkt." Die Methode ist begründet in dem Sinne, warum sie zu benutzten ist. Und es ist klar, dass die Methode kein "bewiesenes Wissen" begründet. Das klarzustellen, darum ging es mir. Jedenfalls steht die Methode als auch das durch sie generierte Wissen nicht in irgendeinem "Zentrum der Beweiskraft".
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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sven23
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#2022 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von sven23 » Sa 7. Nov 2015, 20:47

Savonlinna hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Und kommt zum Ergebnis: Selbst wenn alles Täuschung wäre, wäre das Ich unabhängig davon. - Denn man könne zwar anderen mein Ich als Täuschung vorgaukeln, aber nicht dem Ich selbst - .
Wie bitte gaukelt man anderen sein "Ich" als Täuschung vor?
Descartes spricht von keinem "Ich".
Da irrst du.
Im lateinischen Original heißt es wohl: ego cogito, ergo sum
https://de.wikipedia.org/wiki/Cogito_ergo_sum
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

SilverBullet
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#2023 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von SilverBullet » Sa 7. Nov 2015, 20:47

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Geh zu den Steinwerfern (eine andere Kultur), präsentiere deine „Homogenität“ und überzeuge sie, dass es nicht notwendig ist, eine junge Frau zu massakrieren.
Du irrst vollkommen ab. - Das ist gerade so, als wolle man "Demokratie" daran messen, dass sich Nordkorea nordkoreanische Republik nennt.
Wieso irre ich ab?
Es geht darum, dass du über „Homogenität“ zu begründen versuchst, dass unabhängig gleicher/ähnlicher „Hineinfühl-Inhalt“ vorhanden sein soll.

Dazu frage ich: „wie überzeugst du deine Kollegen, die sich genau wie du mit dem Hineinfühlen beschäftigen, davon, dass sie dem falschen Inhalt folgen, wenn sie Steine werfen“

Als Antwort kommt dann nichts über das „Hineinfühlen“, sondern nur eine Stelle aus einem alten Buch.

Was soll das für eine Art von „Inhalt“ sein, wenn du dich noch nicht einmal mit den Gleichgesinnten austauschen kannst?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Wie kann man beweisen, dass tatsächlich eine Identifikation von „etwas“ durch „etwas“ stattfindet und diese beiden „etwas“ deckungsgleich sind?
Verstehe Dich nicht ganz - es geht hier darum, dass das "Ich" nur durch sich selber sein Bewusstsein feststellen kann
Du behauptest, dass ein Wahrnehmungsinhalt, der nur in der Wahrnehmung vorkommt, „wirkliche Existenz“ haben soll.
Darüber hinaus behauptest du den Vorgang des „sich Erkennens“.

Du sprichst ja nicht davon, dass es nur eine Wahrnehmungsüberzeugung ist, also eine Konstellation, die irgendwie zustande kommt, sondern, dass das „Ich“ das Einzige sei, über dessen „Sein“ es keinen Zweifel geben kann – dann beweise es: zeige auf, wie es funktioniert, wie es abläuft und was die Bestandteile sein sollen.

Ich sage: exakt das, kannst weder du noch irgendein ein Philosoph.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Da das aktive Gehirn die Grundlage ist
Du schmuggelst hier eine ideologische Prämisse ein - und schon kannst Du Deine weitere Argumentation knicken.
OK, es ist eine 100% Vermutung, denn in 100 von 100 Narkosefällen (also Bewusstlosigkeit) kam es nicht zu einem „Erkennen eines Ich durch sich selbst“.
Mir ist kein Fall bekannt, bei dem ein Patient über seine „Selbst-Erkennens-Gedanken während der Narkose“ berichtet hat.
Viele wachen danach auf und fragen: „wann ist die Operation?“…

closs hat geschrieben:Da dieses wissbare Ich erkennt, dass eben dieses Ich für das Ich das einzig Wissbare ist, stellt es sich gerade NICHT ins Zentrum der Beweiskraft
Interessant:
Das „Ich“ soll erkennen und denken und soll weit und breit der einzige handelnde und festlegende Bestandteil sein, aber im Mittelpunkt soll es dadurch natürlich nicht stehen.
Das halte dies für kein „überzeugendes Argument“.

SilverBullet
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#2024 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von SilverBullet » Sa 7. Nov 2015, 20:59

Savonlinna hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Für welche Aussage möchtest du eine Quelle genannt bekommen?
Ich schrieb, dass Du grundsätzlich keine Quellen angibst.
Insofern kann ich nicht unterscheiden, ob bereits die Quelle ideologisch argumentiert oder ob Du selber eine seriöse Quelle in Weltanschauung oder Ideologie umsetzt.
Wenn ich über das Gehirn konkrete Daten und Bezeichnungen anführe, dann kannst du diese Punkte leicht über das Internet einsehen. Falls nicht, ist ein konkrete Rückfrage der beste Weg.

Des Weiteren formuliere ich meine Vermutung als Vermutung.
Was soll es bringen, wenn ich noch mal jemanden nennen kann, der es vermutet?
Lässt du dich von Namen beeindrucken?
(selbst wenn das so wäre, möchte ich diesen Taschenspielertrick nicht anwenden)

Meine Meinung stehe im Grunde hunderten von Jahren einer philosophischen Entwicklung gegenüber.
Da wirst du bestimmt viele konkrete Gegenargumente aufbringen können, so dass es in Einzelfällen tatsächlich um Quellen gehen kann.

Savonlinna hat geschrieben:Wenn Du "Geist" hundertprozentig als Suggestion behauptest, dann brauche ich dafür eine Quelle, ansonsten ist es Deine Deutung.
Fasch.
Ich frage, was „Geist“ sein soll.
Als 100prozentige Suggestion habe ich das Erzählen bezeichnet:
Wenn jemand von „Gott“, „Geist“ und den „transzendenten Erfahrungen“ erzählt bekommt, handelt es sich somit 100prozentig um eine Suggestion.

Savonlinna hat geschrieben:Dennoch scheinst Du die Basis Deines Entflammtseins nicht mehr zu überprüfen. Für Dich scheint klar, dass alles dem Gehirn entstammt.
Und das macht Dich zum Weltanschauler. Du scheinst nicht mehr zurücktreten zu können und zu fragen: "Stimmt das überhaupt?"
Falsch.
Ich formuliere meine Vermutung als Vermutung.
(natürlich kann ich nur hoffen, dass ich es nicht allzu oft vergesse)

Des Weiteren habe ich exakt in meinem letzten Beitrag an dich geschrieben:
Der Vorteil bei meiner Vermutung ist, dass sie sehr konkret ist. Damit ist sie sehr gut angreifbar (falsifizierbar).
Wie ich schon mal geschrieben habe, betrachte ich einen aufgedeckten Irrtum, als Chance, um meine Wahrnehmung, „mein Verstehen“ zu verbessern.


In einem anderen Beitrag schireb ich:
Ich versuche meine Vermutung genau so zu verwalten:
1. es ist aktuell ganz klar eine Vermutung
2. das Ziel ist die Bestätigung oder Widerlegung durch Erkenntnisse über das Gehirn
Mein Wille und Wunschdenken stehen nicht im Mittelpunkt


Ich denke damit ist deine Meinung über ein „nicht mehr zurücktreten können“ klar widerlegt und du solltest davon Abstand nehmen.

Savonlinna hat geschrieben:Vielleicht hast Du irgendwo in Deinen posts geschrieben, dass das für Dich eine "Setzung" ist, das ist möglich, ich habe nur sehr wenig von Dir gelesen, meist allerdings überflogen.
Wenn du es nicht liest, was soll dann dein Urteil taugen?

Savonlinna hat geschrieben:Ich bin eigentlich sehr konkret in meinen Beispielen. Kann mich nicht erinnern, dass das auf Dich Wirkung hatte.
Worüber redest du?
Über „Traumbilder, die niemals von dir stammen können“?

Savonlinna hat geschrieben:Ja, doch. Ich bräuchte Wochen dazu. Wenn ich erst mal wüsste, auf welchen Theoretikern Du fußt, dann kann ich da rascher erkennen, ob diese wirkliche Wissenschaftler sind oder davon schwärmen, was die Gehirnwissenschaft eines Tages alles mit den Menschen anstellen kann.
Falsch.
Rede in der Sache, nicht über die Menschen.

Savonlinna hat geschrieben:Ja, es ist offenbar, weil ich da schon sehr lange posts zu diesem Thema geschrieben habe - meiner Erinnerung nach auch an Dich. Du hast darauf geschwiegen.
Benenne die Stellen, dann hole ich es nach.

Savonlinna hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Was stellst du dir denn so als „Erzeugungsprodukt“ vor?
Ich wünschte von DIR die Belege Deiner Überzeugung zu haben. Versuch nicht auszuweichen.
Weisst du eigentlich noch was du schreibst?
Du hast mir den „Vorwurf“ gemacht, dass nicht klar sei, ob das Gehirn „nur reagiert“ oder „etwas erzeugt“.
Dann ist es doch logisch zu fragen, was es denn erzeugen soll.
Da du hierzu keine Vorstellungen lieferst, entlarvt dies deine Haltung als substanzlos.

Savonlinna hat geschrieben:Auf welche Forscher beziehst Du Dich in dem Punkt, dass alles vom Gehirn produziert wird?
Naja, ich vermeide es grundsätzlich mich auf einzelne Forscher zu beziehen, denn ich finde es lächerlich mit Namen zu argumentieren, zumal es sich bei diesen Leuten mangels Forschungsergebnissen schnell um eigene Spekulationen handelt.

Meine Recherche, zu offenen Fragen, läuft über das Internet ab.
(zahlreiche unterschiedliche Seiten – eine Vorliebe habe ich keine)

Als „gesichertes Wissen“ betrachte ich Experimente über die Technik des Gehirns:
Elektrische Impulse
Neuronenzellen
Gliazellen
Neuronales Netz
Plastizitätsfunktionalitäten
usw.

Als „gesichertes Wissen“ betrachte ich Krankheitsbilder und die dort sichtbar werdenden Effekte:
Synästhesien
Agnsoien
Split-Brain
usw.

Als „gutes Wissen“ betrachte ich die evolutionäre Einteilung der Gehirnentwicklung:
640 Mio Jahre von einfachen Anfängen bis hin zu den grossen Säugetiergehirnen.

Als „gutes Wissen“ betrachte ich Versuche mit Neugeborenen:
Daraus resultieren Erkenntnisse über vererbte Fähigkeiten.
Es ist erstaunlich, was diese kleinen Gehirne bereits können, ohne dass sie es lernen konnten.

Als „weniger gutes Wissen“ betrachte ich Erkenntnisse aus Studien:
An dieser Stelle gibt es wohl deutliche Kritik in Richtung Neurowissenschaft.
So gut und aussagekräftig sind die bildgebenden Verfahren und ihre Anwendung wohl nicht.

Als „regelrechtes Fundament“ betrachte ich funktionierende Erkenntnisse aus der Implantationstechnik und der Informatik:
Wenn Sinneszellen durch Computerchips ersetzt werden, zeigt dies die Korrektheit der Erkenntnisse.
Dass die Sinneszellen elektrische Impulse liefern, die neuronal Vverarbeitet werden, ist (für mich) der unbestreitbare Eintritt in eine Datenverarbeitung. Wenn diese Virtualität, wie ich schon geschrieben habe, nicht mehr explizit verlassen wird, müssen die Zusammenhänge (Bewusstsein) genau darin statt finden.

Vor dem Hintergrund einer Datenverarbeitung und einer evolutionären Entwicklung, kann man Prinzipien für die Wahrnehmung ableiten.
Ich betrachte dies als sehr gut fundiert, aber diese Zusammenhänge gehören zu meiner Vermutung.

Da ich keine eigenen Tests durchführen kann, versuche ich täglich, die neusten Forschungsergebnisse zu „Gehirn“ und „Wahrnehmung“ einzusehen, um Widerlegungen für meine Vermutung aufzuspüren.

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#2025 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Sa 7. Nov 2015, 21:04

Anton B. hat geschrieben:Jedenfalls steht die Methode als auch das durch sie generierte Wissen nicht in irgendeinem "Zentrum der Beweiskraft".
Dann besprich das mal mit denen, die hier ständig unter dem Hinweis auf "Wissenschaft" ihre eigenen weltanschaulichen Äußerungen als nachgewiesen erachten.

Anton B. hat geschrieben:Also Du sprichst von einem Wissensbegriff, der für fast nichts gut ist.
Es geht erst mal drum, was man unter "Wissen" verstehen soll. - Und da sagt Descartes eben (wie ich meine, zu Recht), dass wir nicht "wissen" können, sondern nur glauben können, ob die Res extensa "real" oder "Täuschung" sind. - Seine Begründung dazu ist aus meiner Sicht nicht widerlegbar.

Steigt man bei Popper ein, sieht es ganz anders aus, weil man dort unter "Wissen" eine methoden-bezogene Größe versteht. - Das ist voll ok - aber eben etwas anderes.

sven23 hat geschrieben:Im lateinischen Original heißt es wohl: ego cogito, ergo sum
Nein - ursprünglich heisst es "ego". - Erst durch die Druckerei wurde es zu einem "ergo".

Eigentlich ist das wurscht - wenn nicht einige auf die Idee kämen, das "ergo" zu übersetzen mit "Ich denke und somit bin ich". - Das ist natürlich Quatsch. - Als sei das Denken ein "Macher".

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#2026 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von sven23 » Sa 7. Nov 2015, 21:13

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Im lateinischen Original heißt es wohl: ego cogito, ergo sum
Nein - ursprünglich heisst es "ego". - Erst durch die Druckerei wurde es zu einem "ergo".
.
Dann sei bitte so gut und korrigiere den Wikpedia Artikel. :lol:
"Die bis heute oft zitierte Formulierung „cogito, ergo sum“ stammt aus einer Verkürzung des lat. „ego cogito, ergo sum“ aus der Principia philosophiae."
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#2027 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Sa 7. Nov 2015, 21:22

SilverBullet hat geschrieben:Was soll das für eine Art von „Inhalt“ sein, wenn du dich noch nicht einmal mit den Gleichgesinnten austauschen kannst?
Gerade da geht es ja - es kommt wirklich vor, dass sich innerhalb weniger Minuten wildfremde Menschen gegenseitig geistig erkennen. - Egal, ob das ein Christ oder ein buddhistischer Mönch oder ein chinesischer Pianist ist.

Aber - und das ist Dein Punkt: Es gibt auch viele, die sich nicht gegenseitig erkennen. - Das hat damit etwas zu tun, dass sich an den Weisheits-SChriften (egal welcher Kulturen) der jeweilige geistige Status der Menschen reibt: Manche verstehen gar nicht, manche etwas, manche viel - manche auch aggressiv verirrt (siehe bspw. Hexenverfolgung).

Ich kann Dir keine Hoffnung auf eine objektive Version geistigen Verständnisses machen - das geht nur individuell - das geht nur gegenseitig. - Geistiges ist nicht beweisbar, erkennt sich aber gegenseitig.

SilverBullet hat geschrieben:Du behauptest, dass ein Wahrnehmungsinhalt, der nur in der Wahrnehmung vorkommt, „wirkliche Existenz“ haben soll.
Nein - "wirkliche Existenz" "ist" nicht durch Wahrnehmung, kann aber vom Menschen nur über Wahrnehmung erkannt werden.

Welche "Existenz" kennst Du, die NICHT über Deine Wahrnehmung geht? - Ich kenne keine.

SilverBullet hat geschrieben:dass das „Ich“ das Einzige sei, über dessen „Sein“ es keinen Zweifel geben kann
Keinen Zweifel aus Sicht menschlicher Wahrnehmung - richtig. - Jegliche andere menschliche Wahrnehmung ist zweifelhaft.

Das heisst aber nicht, dass nur das Ich die einzig sichere Existenz "ist". Descartes spricht aus der Perspektive der Wahrnehmung.

SilverBullet hat geschrieben: exakt das, kannst weder du noch irgendein ein Philosoph
Was konkret ist in Descartes' logischer Darstellung angreifbar?

SilverBullet hat geschrieben:OK, es ist eine 100% Vermutung, denn in 100 von 100 Narkosefällen (also Bewusstlosigkeit) kam es nicht zu einem „Erkennen eines Ich durch sich selbst“.
Dieser Meinung wäre Descartes auch gewesen, wenn es damals schon Narkosen gegeben hätte. - Ich bin ratlos, warum Du solche Argumente bringst.

SilverBullet hat geschrieben:Das „Ich“ soll erkennen und denken und soll weit und breit der einzige handelnde und festlegende Bestandteil sein, aber im Mittelpunkt soll es dadurch natürlich nicht stehen.
Kennst Du etwas anderes als Deine Wahrnehmung, durch das Du erkennen kannst?

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#2028 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Sa 7. Nov 2015, 21:32

sven23 hat geschrieben:Dann sei bitte so gut und korrigiere den Wikpedia Artikel.
Warum sollte ich? - Geh davon aus, dass es in der Uni so gelehrt wird.

In den Meditationes schreibt Descartes: "Nachdem ich alles genug und übergenug erwogen habe, muß ich schließlich festhalten, daß der Satz "Ich bin, Ich existiere" <Original: 'Ego sum, ego existo"), sooft ich ihn ausspreche oder im Geiste aufasse, notwendig wahr sei".

Die Geschichte mit der Drucklegung in Paris und dem damit passierten Druckfehler habe ich in einer Vorlesung gehört - auch Descartes' Reaktion: Es war im wurscht. - Trotzdem wichtig: Der Urtext hatte das "ergo" nicht. - Für wikipedia könnte das zu speziell sein

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#2029 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Sa 7. Nov 2015, 22:04

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Wie bitte gaukelt man anderen sein "Ich" als Täuschung vor?
Descartes spricht von keinem "Ich".
Da irrst du.
Im lateinischen Original heißt es wohl: ego cogito, ergo sum
https://de.wikipedia.org/wiki/Cogito_ergo_sum
Wir reden hier von verschiedenen Büchern.

Die früheste Aussage tätigte Descartes laut Wikipedia auf Französisch: "je pense, donc je suis", in seinem "Discours", 1637 erschienen.
Die "Meditationen" erschienen 1641, die "Principia" 1644. Die letzten beiden wurden zunächst auf Latein veröffentlicht.

In den "Meditationen" finde ich im Moment tatsächlich die Aussage "Cogito, ergo sum" wörtlich überhaupt nicht, auch nicht die Aussage "ego cogito, ergo sum", sondern nur: "ego sum, ego existo" - was aber nicht betonen soll, dass es sich um ein Ich handelt, sondern dass er selbst, Descartes, es ist, der alles registriert, und sei es eine Täuschung.

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#2030 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von SilverBullet » Sa 7. Nov 2015, 22:19

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Was soll das für eine Art von „Inhalt“ sein, wenn du dich noch nicht einmal mit den Gleichgesinnten austauschen kannst?
Gerade da geht es ja - es kommt wirklich vor, dass sich innerhalb weniger Minuten wildfremde Menschen gegenseitig geistig erkennen. - Egal, ob das ein Christ oder ein buddhistischer Mönch oder ein chinesischer Pianist ist.

Aber - und das ist Dein Punkt: Es gibt auch viele, die sich nicht gegenseitig erkennen. - Das hat damit etwas zu tun, dass sich an den Weisheits-SChriften (egal welcher Kulturen) der jeweilige geistige Status der Menschen reibt: Manche verstehen gar nicht, manche etwas, manche viel - manche auch aggressiv verirrt (siehe bspw. Hexenverfolgung).
Es ist eine „Schönwettersituation“:
Wenn es um nichts geht, „funktioniert“ es tadellos – alle sind sich sowieso schon einig.
In kritischen Fällen, wenn also Leistung gefragt ist, kann man es nicht gebrauchen.

Es gibt dafür nur eine Reaktion: Zweifel

(die ständigen Rituale, Belohnungs- und Bestrafungsfantasien in den Religionen, bestätigen diesen Umstand)

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Du behauptest, dass ein Wahrnehmungsinhalt, der nur in der Wahrnehmung vorkommt, „wirkliche Existenz“ haben soll.
Nein - "wirkliche Existenz" "ist" nicht durch Wahrnehmung, kann aber vom Menschen nur über Wahrnehmung erkannt werden.
Du möchtest sagen, dass das „Ich“ nicht nur in der Wahrnehmung vorkommt?

Damit würdest du letztlich die Dualismusbehauptung aufstellen, dass es einen unsichtbaren „Ich“-Teil geben soll, der in der Wahrnehmung, ohne Sinneszellen, „erkannt“ wird und irgendwie direkt mit der materiellen Welt interagieren können soll.

Ich habe dir dazu die Wechselwirkungsfrage gestellt, und du hattest keine Ahnung, wie das möglich sein soll. Du kannst das Gehirn und dessen Schaltfunktionen über elektrische Impulse, nicht mit einem „unsichtbaren Ich“ in Einklang bringen. Es ist keine Schnittstelle erkennbar, du weist, nicht was das „Ich“ sein soll und den notwendigen Kontakt zu elektrischen Impulsen, die sich nachweislich, wie das behauptete „Ich“, im Kopfraum aufhalten, kannst du nicht herstellen – das ist nicht sehr viel.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:dass das „Ich“ das Einzige sei, über dessen „Sein“ es keinen Zweifel geben kann
Keinen Zweifel aus Sicht menschlicher Wahrnehmung - richtig.
Wie kommst du darauf, dass es keinen Zweifel gibt?
Das Gehirn und die dortigen Vorgänge erzeugen den Zweifel.
Warum denkst du, kommen Neurowissenschaftler auf die „Idee“ das Gehirn zur alleinigen Grundlage von Bewusstsein zu erklären?

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:exakt das, kannst weder du noch irgendein ein Philosoph
Was konkret ist in Descartes' logischer Darstellung angreifbar?
Es ist eine Erfindung, die sich rein innerhalb von Wahrnehmung die Anteile herauspickt, die im Zusammenhang mit vorausgehenden „unsichtbar Welt“-Fantasien, den Anschein von Stimmigkeit erzeugen soll:
eine Denktäuschung.

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Das „Ich“ soll erkennen und denken und soll weit und breit der einzige handelnde und festlegende Bestandteil sein, aber im Mittelpunkt soll es dadurch natürlich nicht stehen.
Kennst Du etwas anderes als Deine Wahrnehmung, durch das Du erkennen kannst?
Falsch.
Weder „meine Wahrnehmung“ noch „ich erkennen kann“ ist sinnvoll formuliert, denn „Ich“ kann zu keinem Zeitpunkt angeben, was vor sich geht.

„Ich erkenne“ ist schnell gesagt (das wissen vor allem die Philosophen), aber es gibt aktuell niemanden, der diesen Vorgang herstellen kann.
Alle verwenden irgendwie das „Verstehen“, aber keiner kann sagen, was dort passiert.

Anstatt zu sagen: „das Ich-Denken ist die einzige, ultimative Erkenntnis“, sollte man sich fragen, was das Bewusstsein sein soll, wenn es auf der einen Seite keinerlei Ahnung und Einblicke hat, aber auf der anderen Seite nie Fehler im „Umgang“ mit den Zusammenhängen macht.

Das Bewusstsein ist stolz und inbrünstig überzeugt „etwas“ zu sein und „etwas“ zu machen, aber wenn es konkret um die Einzelheiten geht, ist es so schlau wie „fünf Meter Feldweg“.

Ich sage, dass dieser Umstand verräterisch ist und unbedingt erklärt gehört.
(Qualia „verhalten sich“ alle nach diesem Prinzip:
„Überzeugung von Etwas“, ohne jegliche Ahnung, aber mit exakt richtigem Umgang)

Da hilft es rein gar nichts, wenn es sich die Philosophie mit „grobmotorischen Aussagen“ in einem Denkzusammenhang gemütlich macht.
Dadurch entstehen lediglich schwebende Kartenhäuser, die am Ende, Lichtjahre von einer Lösung entfernt sind.

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