ThomasM hat geschrieben:
Dazu kommt noch eine Eigenschaft der Naturwissenschaft, die ebenfalls hier hinderlich ist, die Objektivität und Wiederholbarkeit. Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass Sinn, Leid, Freude, Aufgabe usw. subjektiv sind und eventuell auch nicht wiederholbar. Also nicht naturwissenschaftlich untersuchbar.
Zu der Frage, woher diese Gefühle und Regungen kommen, für gibt es eventuell eine Antwort. Man kann Reaktionsmechanismen finden, an deren Ende eine solche Gefühlsregung steht (z.B. Schmerz).
Aber die Frage, was diese Gefühle und Regungen SIND, ist nicht zu beantworten.
Hallo Thomas,
wieder ein wirklich tiefgehendes Thema, danke dafür.
Ein paar Überlegungen:
Der
physische Schmerz ist auch unbeschreibbar.
Ein Arzt kann nicht feststellen, ob der Patient simuliert oder ob er wirklich Schmerzen hat.
Der Arzt kann den Patienten von oben bis unten untersuchen und vielleicht zum Ergebnis kommen: es ist ales in Ordnung, es dürften eigentlich keine Schmerzen vorhanden sein -
und doch weiß man in der Medizin, dass es physische Schmerzen
gibt, als physische Qual erlebt werden, obwohl keine physische Ursache auffindbar ist. Es gibt sogar den Phantomschmerz, der physisch erlitten wird.
Mit anderen Worten: auch der Naturwissenschaftler kann physischen Schmerz nicht in seiner Eigenart beschreiben - er muss dem Patienten glauben.
Das gilt jetzt auch für Freude und ein gegenteiliges Gefühl, die nicht physisch bedingt sind.
Das könnte dafür sprechen, dass man auch körperliche Schmerzen dem psychischen Bereich zuordnet, weil sie naturwissenschaftlich nicht beschreibbar sind.
Nehmen wir ein Baby, das lange weint, und dann hat es die Mutter hingekriegt, dass es nun lacht und sich freut.
Da ein Baby nicht heucheln kann, wissen wir durch die Körpersprache des Babies, dass es Freude empfindet.
Ähnlich bei einem Hund, der gefährlich kläffend auf einen zurast, dem man vor Schreck sein Butterbror vor die Pfoten wirft, woraufhin der Hund anfängt, mit dem Schwanz zu wedeln und zu fresen - das Butterbrot.
Wir wissen sofort: der Hund freut sich jetzt, er wird mich nicht beißen. Er findet mich jetzt toll.
Schlussfolgerung:
Schmerz, Freude, Wut können nur persönlich erfahren werden, aber sie sind dennoch intersubjektiv vorhanden, weil sie in fast allen Menschen und auch in Tieren nach gleichem Muster sichtbar werden.
Genaugenommen wissen wir allerdings nicht, was der andere wirklich wahrnimmt, wenn er eine rote Wand sieht.
Wie genau sieht er das Rot? Er hat nur gelernt, es von Rosa abzugrenzen; aber sieht er es so wie ich?
Es ist unbeantwortbar.
Weiterhin weiß man auch nicht, wie jemand eine Farbe psychisch erlebt.
Wir malen uns unsere weißen Innenwände zwar gerne in grün um, wenn wir depressiv sind - weil Grün oder Blau das Gemüt aufheitert -, und das wäre dann wieder intersubjektiv, weil viele Menschen auf die gleiche Farbe gemütsmäßig gleich reagieren.
Aber wie genau dieses Gefühl sich anfühlt, das weiß niemand außer dem Betreffenden, und nicht einmal der weiß das immer.
Fragt man jemanden, ob er glücklich ist, dann kann ein Zögern kommen. Schließlich entscheidet er sich: Ja, ich bin glücklich.
Das heißt, dass auch die Begriffe nur sehr grob einteilen und der gefühlsmäßige Zustand viel komplexer ist.
ThomasM hat geschrieben:Das zentrale Problem ist, dass dies Begriffe aus der persönlichen Ich-Sicht sind. ICH weiß. dass ich Freude empfinden. ICH weiß, was ich als sinnvoll erachte. ICH weiß, dass ich eine Aufgabe habe. usw. Mir brauche ich das nicht erklären.
Aber wie erkläre ich das jemanden anders, ohne wieder Begriffe zu nehmen, die aus derselben Perspektive stammen und damit in derselben Weise unerklärt sind?
Da Gefühle meistens intersubjektiv sind, konnten sich ja überhaupt erst Begriffe wie "Freude" und "Kummer" bilden.
Es reicht dann eben, zu sagen: "Ich empfinde Freude", und der andere weiß in etwa, was damit gemeint ist.
Wenn ein anderer dieses Gefühl nicht kennt, ist er tatsächlich hilflos. Wenn sein Baby lacht, muss er auswendig lernen:
Das Baby verzieht das Gesicht so und so - kann ihm jemand aufmalen -, es strampelt gleichzeitg mit den Beinen und stoßt die und die Töne aus - kann ihm jemand auf Tonband vorspielen -, und dann weiß er: mein Baby hat alles, was es braucht.
Einem Schauspieler gelingt es, Freude in sich zu erzeugen, weil die Figur, die er spielt, Freude empfindet.
Also kennt der Schauspieler die Grundelemente der Freude, kann sie sogar auf Abruf produzieren, ohne dass er selber Grund hat, sich zu freuen.
Ich habe das eben ausprobiert: es gelingt, wenn man die innen-körperlichen Vorgänge dabei stimuliert.
Ich habe also eben Freude empunden, ohne dass ich mir dabei einen Grund ausgedacht habe. Wir scheinen als Menschen so disponiert zu sein, dass dieser bestimmte Erregungszustand uns zur Verfügung steht.
Insofern ist das tatsächlich sowohl im Subjekt erfahrbar als auch intersubjektiv vorhanden.
Man muss sich damit abfinden, dass es sprachlich nicht beschreibbar ist, dass sprachliche Kommunikation da ihr Ende findet.
Aber andere Kommunikationsformen versagen da nicht.
ThomasM hat geschrieben:Benutze ich den Begriff "Intention" oder "Qualia", dann habe ich nicht erklärt, was ein Gefühl IST oder eine Absicht IST. Ich habe nur einen Begriff durch einen anderen ersetzt. Könnte ich sagen "Freude ist, wenn das zweite Neuron hinten links feuert", dann hätte ich eine äußerliche Erklärung und dann wäre Freude auch nichts weiter als ein Naturvorgang.
So klappt das aber nicht.
Ich glaube, Freude wird nicht dadurch
nicht zu einem Naturzustand, dass ich die Begleiterscheinungen beschreibe.
Ich kann meinen Schauspielschülern durchaus erläutern, welche inneren Vorgänge sie erzeugen müssen, damit ihre Tränen fließen und sie glaubhaft Trauer über den Verlust eines Menschen darstellen können.
Trotzdem könnten sie es nicht beschreiben, "wie es sich anfühlt".
Wir können auch nicht beschreiben, wie Schokolade schmeckt.
Dennoch erkennen wir den Geschmack, wenn man uns die Augen zubindet und uns verschiedene Sachen in den Mund steckt: Gurke, Salz, Schokolade.