Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
Pluto
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#1501 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Mi 21. Okt 2015, 23:34

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Nicht eine Setzung ist die Realität, sondern die gesamte Welt, in die wir alle hineingeboren werden.
Schon klar - Du verstehst wirklich nicht, was gemeint ist. - Das macht auch nichts, solange keiner kommt und behauptet, dass das Eine gesetzt sei und das Andere nicht.
Ich verstehe dein Problem nicht. Inwiefern ist die Existenz der Welt eine Setzung?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#1502 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mi 21. Okt 2015, 23:53

Pluto hat geschrieben:Ich verstehe dein Problem nicht. Inwiefern ist die Existenz der Welt eine Setzung?
Der Mensch hat nur seine Wahrnehmung (damit meine ich auch die naturwissenschaftliche Wahrnehmung/Messung). - Mit dieser Wahrnehmung kann er nicht überprüfen, ob sich seine Wahrnehmung auf "Realität" (im naturalistischen Sinn) oder auf eigene Projektion bezieht. - Das geht grundsätzlich nicht, genauso wenig wie man sich mit der eigenen Hand am Schopf aus dem Sumpf ziehen kann.

Descartes hat dieses von ihm erkannte Problem dadurch gelöst, dass er einen wohlmeinenden Gott gesetzt hat ("Er wird uns schon nicht veräppeln"). - Popper hat dieses Problem gelöst, dass er expressis verbis erst jenseits dieses Problems eingestiegen ist ("Ich fange er da an, wo meine Methodik Sinn macht - sollen die Philosophen sich vorher den Kopf zerbrechen" - ist kein wörtliches Zitat).

Nun sind wir hier uns ebenfalls einig, dass sich unsere Wahrnehmung auf "Realität" im naturalistischen/naturwissenschaftlichen Sinne bezieht - man würde sonst ja verrückt werden. - Insofern geht es nicht um einen Streit, ob Dein Gegenüber "real" oder Projektion von Dir ist. - Aber es ist eben nicht falsifizierbar und muss gesetzt werden - wobei das keiner macht, wenn er nicht drüber nachdenkt - und man muss wahrlich nicht darüber nachdenken.

Wichtig wird es nur dann, wenn behauptet wird, geistiges Denken bedürfe Setzungen (stimmt - das ist so), naturalistisches Denken aber nicht (und das stimmt eben NICHT).

Pluto
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#1503 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Mi 21. Okt 2015, 23:58

closs hat geschrieben:[Der Mensch hat nur seine Wahrnehmung (damit meine ich auch die naturwissenschaftliche Wahrnehmung/Messung). - Mit dieser Wahrnehmung kann er nicht überprüfen, ob sich seine Wahrnehmung auf "Realität" (im naturalistischen Sinn) oder auf eigene Projektion bezieht. - Das geht grundsätzlich nicht, genauso wenig wie man sich mit der eigenen Hand am Schopf aus dem Sumpf ziehen kann.
Wenn das eine Anspielung auf eine Art Matrix-Welt sein soll, kannst du es vergessen.

Eine "Matrix Welt" führt bei der gleichzeitigen Simulation von Trillionen von Lebewesen in Echtzeit zu einem unlösbaren Komplexitäts-Problem.
Und wäre noch die Frage, wer hat diesen Simulations-Computer gebaut, und vor allem WARUM?

Also nochmal... Inwiefern ist die Existenz der Welt eine Setzung?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1504 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Do 22. Okt 2015, 00:05

Pluto hat geschrieben:Wenn das eine Anspielung auf eine Art Matrix-Welt sein soll, kannst du es vergessen.
Persönlich tue ich das auch - aber wir können es nicht per Wahrnehmung falsifizieren. - Es geht ausschließlich um diese erkenntnis-theoretische Einsicht.

Pluto hat geschrieben:Eine "Matrix Welt" führt bei der gleichzeitigen Simulation von Trillionen von Lebewesen zu einem unlösbaren Komplexitäts-Problem.
Wenn Gott das ist, was er aus meiner Sicht sein muss, um diesen "Titel" tragen zu können, ist das für ihn kein Problem. - Aber ein guter Impuls, den Du da einwirfst: Ich glaube, dass dieses Komplezitäts-Problem in der sogenannten "Fügung" besteht und gelöst wird.

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#1505 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Münek » Do 22. Okt 2015, 02:53

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ich verstehe dein Problem nicht. Inwiefern ist die Existenz der Welt eine Setzung?
Der Mensch hat nur seine Wahrnehmung (damit meine ich auch die naturwissenschaftliche Wahrnehmung/Messung). - Mit dieser Wahrnehmung kann er nicht überprüfen, ob sich seine Wahrnehmung auf "Realität" (im naturalistischen Sinn) oder auf eigene Projektion bezieht. -

Wie könnte sich eine solche hypothetische Projektion konkret darstellen? Wessen menschliche Projektion könnte die wahrgenommene Welt sein? Deine oder meine Projektion oder aller lebenden Menschen? Wer könnte den Urknall pro-
jiziert haben oder die Entstehung unseres Sonnensystems oder Einsteins Relativitätstheorie? Wer könnte dieser Mister
X sein?


Wenn man eine Projektion 100%ig ausschließen könnte, was dann?

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#1506 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Do 22. Okt 2015, 08:46

Münek hat geschrieben:Wie könnte sich eine solche hypothetische Projektion konkret darstellen?
Das ist eine rein theoretische Frage, die mich persönlich nicht interessiert, weil ich nicht daran glaube.

Münek hat geschrieben:Wessen menschliche Projektion könnte die wahrgenommene Welt sein?
Die Projektion selbst wäre die wahrgenommene Welt.

Münek hat geschrieben:Wer könnte den Urknall projiziert haben oder die Entstehung unseres Sonnensystems oder Einsteins Relativitätstheorie?
Derjenige, der wahrnimmt, dass dieses so ist.

Auch Intersubjektivität ist Wahrnehmung. - Man kann also nicht sagen, etwas "ist" intersubjektiv wahrnehmbar, sondern immer nur: "In meiner Wahrnehmung ist es etwas intersubjektiv wahrnehmbar. - Ob diese Wahrnehmung "real" ist oder Projektion, kann ich mit meiner Wahrnehmung nicht beweisen. - Auch mit meinen Messungen kann ich es nicht beweisen, da ja auch diese meine Wahrnehmung sind".

Wir sprechen hier nicht davon, dass der Urknall eine Projektion ist (wir beide glauben, dass es eine "Realität" ist) - wir sprechen davon, dass wir es nicht merken würden, wenn es eine Projektion wäre.

Münek hat geschrieben:Wenn man eine Projektion 100%ig ausschließen könnte, was dann?
Dann wäre man das, was als "Gott" gezeichnet wird - die totale Koinzidenz von Sein und Wahrnehmung.

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#1507 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Pluto » Do 22. Okt 2015, 09:31

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wessen menschliche Projektion könnte die wahrgenommene Welt sein?
Die Projektion selbst wäre die wahrgenommene Welt.
Nein. (Hatten wir schon oft.)
Ich erinner an die 4 Fs der Biologie (Feed, Fight. Flee & Copulate). Entsprächen diese nicht die Realität, wäre das Leben auf der Erde ausgestorben.
q.e.d.

closs hat geschrieben:Wir sprechen hier nicht davon, dass der Urknall eine Projektion ist (wir beide glauben, dass es eine "Realität" ist) - wir sprechen davon, dass wir es nicht merken würden, wenn es eine Projektion wäre.
Der Urknall hat Spuren hinterlassen, die wir messen und so unsere Theorien überprüfen können.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wenn man eine Projektion 100%ig ausschließen könnte, was dann?
Dann wäre man das, was als "Gott" gezeichnet wird - die totale Koinzidenz von Sein und Wahrnehmung.
Wie ich schon zuvor schrieb, kann man die Idee einer Projektion ausschließen, da man das Komplexitätsproblem der Echtzeit Berechnung einer solchen Vision nicht lösen kann. Daher können wir mit Sicherheit sagen, dass die Welt existiert.
Noch wichtiger in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass man die Existenz der Welt nicht setzen muss.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1508 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Do 22. Okt 2015, 09:33

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Du definierst, dass da kein Anschluss sei und leugnest dabei diese Möglichkeit.
:?:

Der Mensch denkt aus sich heraus (aus wem sonst?) und kann bei diesem Denken verbunden sein mit etwas, was nicht von ihm ist. - Wo ist da ein Widerspruch?
Unserer beider Positionen zum Threadthema sind klar. Wir müssen das nicht wieder von vorne aufrollen, denke ich. Auch wenn Du jetzt umformulierst.


closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich hingegen sage, dass da ein Anschluss sei
Ich auch.
Ja, aber es ist nicht so wichtig, ob wir die gleichen Worte benutzen. Wir meinen grundlegend anderes.


closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Du hast mich da leider nicht verstanden.
Es ist auch nicht immer einfach. ;)
"Uns ist ein Kind geboren", das weist auf einen älteren Mythos hin: die Geburt des göttlichen Kindes im Menschen.
Das genau aber versuchst Du ja mit diesem Thread außer Kraft zu setzen.


closs hat geschrieben:Für mich wäre die entscheidende Frage, ob Du das, an das man angeschlossen sein kann, diesseitig ("Dasein") oder jenseitig ("etwas anderes als das Dasein") verstehst.
"Diesseitig" und "jenseitig" sind Vokabeln des Raums. Diesseits der Grenze, jenseits der Grenze kann man zum Beispiel sagen.
Welche "Grenze" ist hier gemeint?
Möglicherweise fragst Du nach der Grenze zwischen Mensch und Gott.

Angenommen also, der Mensch ist beim kreativen Schreiben angeschlossen an Gott. Ihm kommen jede Menge Inspirationen.
Wie soll dieser Mensch unterscheiden, ob sie von jenseitig oder von diesseitig kommen?
Man muss ja irgend ein Kriterium haben, was als "diesseitig" und was als "jenseitig" verstanden wird.
Oder in Deiner Sprache, welche Ideen aus dem Dasein stammen oder aus etwas anderem als dem Dasein.

Wo genau befindet sich dieses "andere", damit man es als jenseitig bezeichnen kann?

Beim schöpferischen Schreiben kommt es einem oft so vor, als ob man es nicht selber erfunden hat.
Man spuckt Sätze und Formulierungen aus, die man "normal" gar nicht schreiben würde.
Was genau passiert da?

Ich habe die gleiche Frage schon mal gestellt bezüglich des Wachtraumes kurz vorm Einschlafen. Da laufen Filmchen ab, die man nie selber hätte drehen können.
Wo kommt das alles her?

Im Drogenrausch kann es passieren, dass Mensch X plötzlich das Gefühl hat, im Ich von Mensch Y zu stecken, der ebenfalls im Rausch ist.
Möglicherweise schwappen unsere "Unterbewusstseine" mal hier hin, mal dorthin. Sie sind nicht so stark abgegrenzt wie unsere Bewusstseine.

Ich selber finde sogar, dass mein Ich auch ziemlich viel spazieren geht. Es ist selten zu Hause, sondern befindet sich immer da, womit ich mich gerade beschäftige.
Es ist völlig ein Rätsel, was das Ich genau ist und wo es immer ist. Da es ohnehin nicht räumlich vorhanden ist - mein Körper schon, aber nicht mein Ich -, kann man es auch nicht diesseits oder jenseits von etwas einordnen.

Das, woran man "angeschlossen" ist, kann zum Beispiel die eigene Kindheit sein, die man vergessen hat und die plötzlich wieder hochschießt, wenn man den Riegel nach unten öffnet.
Aber jeden Tag, jede Sekunde haben wir auch Ideen, die nicht aus unserer Kindheit stammen, sondern von wo anders her.
Wer traut sich zu sagen: Idee 1 stammt aus dem Dasein, Idee 2 stammt aus dem Sein oder aus Gott?

Falls es stimmt, dass alle Menschen miteinander verbunden sind, ohne es zu wissen: dann tauschen sie sich ständig unbewusst aus, reagieren aufeinander.
Falls es weiterhin stimmt, dass alles, was geschieht, letztendich heilsam ist: dann wären Deine Fragen anders gelagert.
Dann würde die Frage nämlich lauten: Kann man diesen Prozess, der Schöpferisch-Heilsames intendiert und bewirkt, als "göttlich" bezeichnen oder kann man es auch anders bezeichnen?

Egal, wie man es bezeichnet: wir wissen nicht, woher es kommt. Und wer sagt: "von Gott", hat nur dem Unwissen einen Namen gegeben.
Und wer sagt: "von der Evolution", hat ebenfalls nur der Unwissenheit einen Namen gegeben.
Und das Gleiche gilt, wenn man als Antwort "Natur" oder "Geist" oder "Materie" sagt.
Es sind immer nur Benennungen einer ungelösten Frage.

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#1509 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Do 22. Okt 2015, 10:11

Pluto hat geschrieben: Entsprächen diese nicht die Realität, wäre das Leben auf der Erde ausgestorben. q.e.d.
Du machst auf elegante Weise denselben Fehler wie Münek. - Denn selbst der Urknall könnte Projektion sein.

Nochmals (damit wir uns nicht in falsche Diskussionen verrennen):
Wir streiten NICHT darüber, ob die Welt "real" oder "Projektion" ist, sondern lediglich darüber, dass wir beides nicht unterscheiden können.

Auf dieser Basis:
Was wäre, wenn unser Leben in einem "Raum" (eigentlich müsste man ""Raum"" sprechen, weil man in diesem Zusammenhang gar nicht genug """""" verwenden kann), den wir nicht im geringsten kennen, und aus dem wir die naturwissenschaftliche Welt (Urknall, Materie) projezieren? - Wir könnten es nicht nachprüfen (denn auch Messungen sind Wahrnehmungen).

Pluto hat geschrieben:Wie ich schon zuvor schrieb, kann man die Idee einer Projektion ausschließen, da man das Komplexitätsproblem der Echtzeit Berechnung einer solchen Vision nicht lösen kann.
Dieses Problem tritt aber erst auf, wenn man vorher davon ausgeht, dass die Grundlage dafür die "naturwissenschaftliche Welt" ist. - Bei meinem obigen Ansatz ist es irrelevant.

Pluto hat geschrieben:Noch wichtiger in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass man die Existenz der Welt nicht setzen muss.
Es ist aber ein Zirkelschluss, weil man auf diese Setzung erst dann verzichten kann, wenn man die Existenz der naturwissenschaftlichen Welt als gegeben ansieht. - Dies ist bei meinem obigen Ansatz nicht der Fall - also muss man setzen.

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#1510 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Do 22. Okt 2015, 10:22

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Entsprächen diese nicht die Realität, wäre das Leben auf der Erde ausgestorben. q.e.d.
Du machst auf elegante Weise denselben Fehler wie Münek. - Denn selbst der Urknall könnte Projektion sein.

Nochmals (damit wir uns nicht in falsche Diskussionen verrennen):
Wir streiten NICHT darüber, ob die Welt "real" oder "Projektion" ist, sondern lediglich darüber, dass wir beides nicht unterscheiden können.
Doch, man kann beides unterscheiden.
Einfach darum, weil "Projektion" ein Begriff für etwas ist, das von Nicht-Projektion unterscheidbar ist.
Sonst würde der Begriff ja keinen Sinn machen.
Man hat den Begriff "Projektion" nicht als Synonym für Identität definiert.

Ich habe immer wieder das Gefühl, dass manche Menschen die sprachlichen Begriffe nicht als Begriffe erkennen, sondern mit der Realität verwechseln.
Und darum nicht unterscheiden können, ob ein Begriff eine Finte ist oder etwas Sinnvolles bezeichnet.

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