Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
closs
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#961 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mo 12. Okt 2015, 18:52

Queequeg hat geschrieben: Guter clossen, die Rahmenbedingungen deiner Argumentation laufen hier oft nach folgenden Mustern ab. ... So geht das nicht, so funktioniert das einfach nicht, in einem Forum nicht und auch nicht in realiter "Seinsumgebungen".
Zweierlei.

Erstens:
Es geht hier nicht um Mission, sondern um Verstehen (= kapieren, ohne zustimmen zu müssen). - Mir reicht es echt, wenn einer sagt: "Ist überhaupt nicht mein Ding, aber ich bin in der Lage, meine materialistische Perspektive denkerisch zu verlassen und eine andere Perspektive einzunehmen". - Dieser mein Wunsch scheint schwer erfüllbar zu sein. :)

Zweitens:
In einem Forum sollte es schon funktionieren, wenn sich das Forum interdisziplinär versteht. - Oder hast Du schon mal eine Expertengruppe von Naturwissenschaftlern und Theologen/Geisteswissenschaftlern gesehen, die sich nicht gegenseitig kapiert hat? - Ein gutes Beispiel dafür ist überigens Harald Lesch und (der Theologe) Thomas Schwartz (gibt's sogar eine TV-Serie) - die beiden können wirklich die Funktionsweisen beider Perspektiven verstehen und abgrenzen.

Des weiteren funktioniert "meine" Perspektive sehr wohl "realiter" - nur findet das üblicherweise nicht auf der Meta-Ebene interdisziplinärer Betrachtung ab. - Rein praktisch ist das für viele die Grundlage des Lebens, die sie viel ertragen und gut leben lässt (das ist eh die eigentlich wichtige Ebene).

Abzeichnen tut sich hier bei uns auf dem Forum in der Tat deutlich, dass es intellektuell nur sehr schwer bis gar nicht möglich ist, die beiden Perspektiven ("naturalistische" und "spirituell") fruchtbar zu diskutieren. - Aus meiner Sicht hat dies ideologische Gründe, wobei ich (durchaus parteiisch) hinzufüge, dass die Vertreter des Naturalismus hieran einen größeren Anteil tragen.

Unterm Strich verfestigt sich bei mir der Eindruck, dass die Dominanz naturalistischen/materialistischen/kritisch-rationalen Denkens in unserer Zeit so groß ist, dass damit eine Position eingenommen wird, die der Macht-Position der Kirche im Mittelalter sehr ähnlich scheint.

closs
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#962 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von closs » Mo 12. Okt 2015, 18:55

Münek hat geschrieben:"Ich bezweifle stark, dass ich eine Glaubensvorstellung habe, die mit Deiner auch nur im Entferntesten vergleichbar wäre."
Und kommst dann mit einem rein sprachlichen Beispiel ("ich glaube, mein Schwein pfeift" - oder so ähnlich), das mit dem Begriff "Glaube" im weltanschaulichen Sinn ÜBERHAUPT nichts zu tun hat - deshalb habe ich es weggelassen. - Denn ich habe interpretiert, dass Du meinst, keinen weltanschaulichen Glauben zu haben.

Wenn ich Dich damit falsch interpretiert habe, hätte ich Dich in der Tat inhaltlich verfälschend zitiert - DANN täte es mir auch leid und ich würde mich entschuldigen.

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Savonlinna
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#963 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Mo 12. Okt 2015, 19:11

doppelt, sorry
Zuletzt geändert von Savonlinna am Mo 12. Okt 2015, 19:46, insgesamt 1-mal geändert.

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Scrypt0n
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#964 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Scrypt0n » Mo 12. Okt 2015, 19:26

closs hat geschrieben:Erstens:
Es geht hier nicht um Mission
Doch; nämlich um das ständige Wiederholen deines spirituellen/transzendenzen Standpunktes.

closs hat geschrieben:sondern um Verstehen (= kapieren, ohne zustimmen zu müssen).
Am Verstehen deiner völlig willkürlichen Glaubensaussagen bezüglich eines Seins, unabhängig des Daseins liegt das Problem wohl eher weniger, sondern vielmehr daran dass du nicht akzeptieren willst oder kannst, dass deine Aussagen unabhängig der Nachvollziehbarkeit (sofern man deine willkürlichen Prämissen als gegeben annimmt) als subjektiver Quark, von welchen es übrigens sehr viele Sorten und Aromen gibt - je nach Glaubenseinstellung eben - angesehen wird.

closs hat geschrieben:Des weiteren funktioniert "meine" Perspektive sehr wohl "realiter"
Aber eben nur in deinem Kopf-Kino; das hat mit dem Begriff "Realität" tatsächlich sehr wenig zu tun.

SilverBullet
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#965 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von SilverBullet » Mo 12. Okt 2015, 19:33

Novalis hat geschrieben:Weshalb bist du in einem "Religions"forum, wenn du das alles nur für Denktäuschungen hältst? Das macht für mich keinerlei Sinn.
Weil ich meine Wahrnehmung verbessern möchte.
Also, widerlege meine Aussagen…

Novalis hat geschrieben:Deus est esse (Gott ist die Existenz), ist die theologische Antwort.
“Existenz“ ist (für mich) ein phänomenaler Bedeutungszusammenhang, der innerhalb von Wahrnehmung eine Rolle spielt (analog zu Liebe, Moral usw.).
Wenn ich es richtig verstehe, gibt es im Quantenraum das ein oder andere Existenzproblem.
D.h. mit dem Begriff „Existenz“ können wir die Welt vermutlich noch nicht so richtig beschreiben.

Wie es einen abstrakten Bedeutungszusammenhang ausserhalb eines Wahrnehmungsvorganges geben soll, ist mir schleierhaft.

Es wird nicht leicht werden, die ganzen Handlungsvermutungen, Extremattribute, Personalisierungen und sonstigen abstrakten Bedeutungszusammenhänge auf die Aussage „Gott ist die Existenz“ abzubilden, aber du darfst das gerne versuchen.

Du könntest mit Tieropfern und/oder der Beschneidung beginnen.
Wozu soll das der „Existenz“ nutzen?
Was bringt es der „Existenz“, wenn Wahrnehmungssysteme an sie über das Wort „Gott“ zu „glauben“ versuchen?
Wozu braucht „Existenz“ Auserwählte und Religionen?

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Savonlinna
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#966 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Savonlinna » Mo 12. Okt 2015, 19:44

Novalis hat geschrieben:
Im übrigen kann ich meine Worte nur wiederholen: diese einseitige Trennung von "Wissen" und "Glaube" ist nicht richtig (auch dann nicht, wenn es gebetsmühlenartig wiederholt wird).
[...]
Ich würde "Glaube" mit Vertrauen übersetzen; mit Sicherheit vertraust du auf die Wissenschaft und die Arbeitsergebnisse und Urteile deiner Fachkollegen.

Beides, was Du sagst, habe ich tatsächlich auch bereits im Komfirmandenunterricht und im Religionsunterricht gelernt:

Das Wort "glauben" sei falsch übersetzt, und der christliche Glaube meine nicht, dass man an etwas glaubt.
MIr leuchtet das auch ein. Glauben kann man an den Weihnachtsmann, aber nicht an Gott.
Entweder man weiß um das, was man als "Gott" bezeichnet, oder man weiß es eben nicht.

Dazu ein Zitat von dem sehr einflussreichen Theologen Paul Tillich aus seiner Schrift "Von der Tiefe":

Paul Tillich hat geschrieben:Die Tiefe des Denkens ist ein Teil der Tiefe des Lebens
[...]
„Der Name dieser unendlichen Tiefe und dieses unerschöpflichen Grundes alles Seins ist Gott. Jene Tiefe ist es, die mit dem Wort Gott gemeint ist. Und wenn das Wort für euch nicht viel Bedeutung besitzt, so übersetzt es und sprecht von der Tiefe in eurem Leben, vom Ursprung eures Seins, von dem, was euch unbedingt angeht, von dem, was ihr ohne irgendeinen Vorbehalt ernst nehmt.

Wenn ihr das tut, werdet ihr vielleicht einiges, was ihr über Gott gelernt habt, vergessen müssen, vielleicht sogar das Wort selbst.
Denn wenn ihr erkannt habt, dass Gott Tiefe bedeutet, so wisst ihr viel von ihm. Ihr könnt euch dann nicht mehr Atheisten oder Ungläubige nennen, denn ihr könntet nicht mehr denken oder sagen: 'Das Leben hat keine Tiefe, das Leben ist seicht, das Sein selbst ist nur Oberfläche.'
Nur wenn ihr das in voller Ernsthaftigkeit sagen könnt, wäret ihr Atheisten, sonst seid ihr es nicht. Wer um die Tiefe weiß, der weiß auch um Gott.
https://books.google.de/books?id=_OhOZc ... ns&f=false
Dieser Ansatz ist mir nachvollziehbar.

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#967 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Münek » Mo 12. Okt 2015, 19:53

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Mit Deiner verbalen Herumeierei hast Du weder definiert noch erklärt, was "geistig" bedeutet.
"Geist" ist (nach christlicher Prämisse - meiner auch) das, aus dem die naturalistische Welt "ist" ("Gott ist Geist", Johannes) UND der Anteil davon im Menschen, um dies zu erkennen.

Unter einer "Definition" verstehe ich etwas anderes.

Ich komme zu dem Schluss, dass Du Dich außerstande siehst, den Begriff "geistig" zu definieren.
Deshalb bleibe ich bei meiner Auffassung: Dein Versuch einer Begriffsdefinition entpuppt sich als
verbale Herumeierei, reines Wortgeklingel ohne Aussagewert.

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#968 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Scrypt0n » Mo 12. Okt 2015, 20:06

Novalis hat geschrieben:Im übrigen kann ich meine Worte nur wiederholen: diese einseitige Trennung von "Wissen" und "Glaube" ist nicht richtig
Selbstverständlich; im Gegenteil wäre alles andere nicht richtig.
Denn per Definition ist "Glaube" eben NICHT "Wissen". Und das, was kein Wissen ist, ist dementsprechend identisch mit Nicht-Wissen.
Eine Ahnung zu haben, ein Gefühl, ein Vertrauen, eine Hoffnung, nicht relevant welches Synonym man sich für "Glaube" auch zurecht legen mag entspricht es in allen Varianten nicht der Definition des Begriffs "Wissen".

So ist das eben. ;)

Festzuhalten ist hier übrigens: Dieses "Gottes Vertrauen", welches du und viele andere Menschen auf der Welt haben ist unabhängig der Religion damit einhergehend auch unabhängig der göttlichen Vorstellung, also die ihm zugesprochenen Wesensarten, Attribute usw...
Bei allen macht die Überzeugung des eigenen Glaubens weiterhin kein Wissen.

Novalis hat geschrieben:Ich würde "Glaube" mit Vertrauen übersetzen
Mhm... sehr fein. Deshalb wird Vertrauen aber noch immer nicht mit Wissen übersetzt...
Es gibt unterschiedliche Grade der Vertrautheit; so wird die Anzahl jener Menschen, denen ich etwas anvertraue, geringer, umso brisanter oder persönlicher der Inhalt ist. Ändert aber daran nichts; zumal der Vergleich ohnehin hinkt, wenn man ihn auf ein unsichtbares, intergalaktisches Wunderwesen in einer transzendenten Dimension zu übertragen versucht, der so ist, wie es eben dem eigenen Glauben entspricht.

Novalis hat geschrieben:mit Sicherheit vertraust du auf die Wissenschaft und die Arbeitsergebnisse und Urteile deiner Fachkollegen.
Du vergleichst Äpfel mit Birnen; denn die Arbeitsergebnisse in den Naturwissenschaften werden a) von unterschiedlichen, voneinander unabhängigen Forschern auf Falsifikation geprüft und b) sind weiter jederzeit (intersubjektiv) überprüfbar...

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#969 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von JackSparrow » Mo 12. Okt 2015, 20:20

closs hat geschrieben:Aber der Film selber bleibt unverändert das, was er "ist".
Wie ich schon schrieb. Wenn man die DVD bearbeitet, bearbeitet man auch den Film. Bearbeitet man die DVD mit einem hinreichend großen Holzhammer, kann niemand mehr rekonstruieren, was auf der DVD mal drauf war.


Novalis hat geschrieben:Wesentlich ist: "Religiosität" gehört offenbar zum menschlichen Wesen.
Das Vertrauen in einen allwissenden Führer gehört zum menschlichen Wesen.

Deus est esse (Gott ist die Existenz)
Wenn wir schon ein besseres Wort dafür haben, brauchst du es nicht Gott zu nennen.


Münek hat geschrieben:Unter einer "Definition" verstehe ich etwas anderes.
Das, woraus die Welt ist, hat schon einen Namen. Wenn nun jemand sagt, Geist sei das ebenfalls das, woraus die Welt ist, ist das eine Aussage der Form A = B. Also die Definition eines Synonyms.

Novas
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#970 Re: Und nochmal: Sein und Wahrnehmung

Beitrag von Novas » Mo 12. Okt 2015, 20:20

Savonlinna hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:
Im übrigen kann ich meine Worte nur wiederholen: diese einseitige Trennung von "Wissen" und "Glaube" ist nicht richtig (auch dann nicht, wenn es gebetsmühlenartig wiederholt wird).
[...]
Ich würde "Glaube" mit Vertrauen übersetzen; mit Sicherheit vertraust du auf die Wissenschaft und die Arbeitsergebnisse und Urteile deiner Fachkollegen.

Beides, was Du sagst, habe ich tatsächlich auch bereits im Komfirmandenunterricht und im Religionsunterricht gelernt:

Das Wort "glauben" sei falsch übersetzt, und der christliche Glaube meine nicht, dass man an etwas glaubt.
MIr leuchtet das auch ein. Glauben kann man an den Weihnachtsmann, aber nicht an Gott.
Entweder man weiß um das, was man als "Gott" bezeichnet, oder man weiß es eben nicht.

Dazu ein Zitat von dem sehr einflussreichen Theologen Paul Tillich aus seiner Schrift "Von der Tiefe":

Paul Tillich hat geschrieben:Die Tiefe des Denkens ist ein Teil der Tiefe des Lebens
[...]
„Der Name dieser unendlichen Tiefe und dieses unerschöpflichen Grundes alles Seins ist Gott. Jene Tiefe ist es, die mit dem Wort Gott gemeint ist. Und wenn das Wort für euch nicht viel Bedeutung besitzt, so übersetzt es und sprecht von der Tiefe in eurem Leben, vom Ursprung eures Seins, von dem, was euch unbedingt angeht, von dem, was ihr ohne irgendeinen Vorbehalt ernst nehmt.

Wenn ihr das tut, werdet ihr vielleicht einiges, was ihr über Gott gelernt habt, vergessen müssen, vielleicht sogar das Wort selbst.
Denn wenn ihr erkannt habt, dass Gott Tiefe bedeutet, so wisst ihr viel von ihm. Ihr könnt euch dann nicht mehr Atheisten oder Ungläubige nennen, denn ihr könntet nicht mehr denken oder sagen: 'Das Leben hat keine Tiefe, das Leben ist seicht, das Sein selbst ist nur Oberfläche.'
Nur wenn ihr das in voller Ernsthaftigkeit sagen könnt, wäret ihr Atheisten, sonst seid ihr es nicht. Wer um die Tiefe weiß, der weiß auch um Gott.
https://books.google.de/books?id=_OhOZc ... ns&f=false
Dieser Ansatz ist mir nachvollziehbar.

Vielen Dank. So sehe ich das auch.

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