Flavius hat geschrieben:
Nun gibt es Mutationen (oder Neu-Entwicklungen), die sich z.B. erst nach Millionen Jahren voll entfaltet haben - DANN erst dem Träger oder der Art von Nutzen sind. WOHER "weiss die Zelle, das Kopier-Kontroll-System und folgende spätere Auslese denn welche der vielen Mutationen in 100 Millionen denn nützlich sein werden ! ? ?
Entweder hat die Zelle eine bislang ungeklärte Zielstrebigkeit (wie sie Tiere oft haben).
Oder die Neu-Entwicklung, die Mutation weiss um das Endziel (aber woher?) -und entwickelt dann folgerichtig u. konsequent über z.B. 2-10 Mio Jahre etwas oftmals Hinderliches oder - solange noch nicht voll entwickelt !- meistens erstmal Unnützes. DAS widerspricht einer wesentlichen Aussage der ET !!
Bin mal gespannt, ob DU das eigentlich große Problem (für die ET) überhaupt siehst ...
Ich finde es interessant, vor allem aber sehr kurios, wie ihr hier über die Evolutionstheorie diskutiert. Z.B. damit, ganz bestimmte archeologische Fossilienfunde anzugreifen (weil nur ein Exemplar bislang gefunden wurde) oder die Relevanz dieses Fundes zu verteidigen (als spräche das unmittelbar FÜR die ET). Auch wie eine etwaige Teleologie in der Natur ins Feld geführt wird (und dass ein Gott hinter dieser Teleogie stehen müsste) ist sehr kurios.
Die ET ist keine Theorie, die
unmittelbar bestätigt oder widerlegt werden könnte. Weder durch Funde prähistorischer, versteinerter Tiere oder Pflanzen, noch durch mehr oder weniger direkte Beobachtung wie z.B. die Veränderung der Schnäbel bei den Darwinfinken oder irgendwelchen Birkenspannern. Das ist - mit großem Verlaub gesprochen - wirklich Unsinn, weil es von einem falschen Verständnis zeugt, welche Funktion und Bedeutung Wissenschaft, wissenschaftliches Arbeiten, Theorien, Modelle, Hypothesen haben und weil die Evolutionstheorie auch gar nicht verstanden ist.
Natürlich bewähren sich Mutationen nicht über Zeitspannen von mehreren Millionen Jahren. Auftretende Mutationen können sich bestenfalls bewähren unter den unmittelbaren Umwelten, in denen Organismen leben. Bleiben die Umwelten von Organismen über lange Zeiträume stabil, dann können sich Mutationen, die eine verbesserte Anpassung an diese Umwelt bedeuten, natürlich durchsetzen. Auf der Erde gab es lange Zeiträume mit sehr giftiger Atmosphäre (aufgrund von Vulkanausbrüchen etc.). Mutationen, die ein Überleben in dieser giftige Atmosphäre verbessern, werden weiter vererbt, weil besser angepasste Individuen sich besser reproduzieren können. Ändert sich die Atmosphäre langsam zu einer sauerstoffhaltigeren, dann setzen sich andere Mutationen durch. Mutation und Selektion sind die Grundlage für alle Anpassungsprozesse. Nicht mehr und nicht weniger.
Die ET kann nicht unmittelbar widerlegt oder bestätigt werden, weil sie eine Meta-Theorie ist, die lediglich den Interpretationsrahmen für viele Einzeltheorien liefert, auf denen sie aufbaut. So ist die gesamte Genetik letztlich eine Untertheorie der ET und wird von ihr aus interpretiert. Es ist nicht möglich, durch statistisch-genetische Verfahren die Urmutter der Menschheit in Afrika zu lokalisieren (von der wir alle abstammen), wenn man nicht die ET akzeptiert.
Es ist kein Problem, für die Veränderung der Schnäbel der Darwinfinken irgendeine andere theoretische Erklärung zu finden als die ET. Jede andere theoretische Erklärung ist aber schlechter als die ET. Die ET bewährt sich dadurch als die beste und eleganteste Theorie, weil sie sehr viele Phänomene aus sehr unterschiedlichen Bereichen miteinander verbinden und sie erklären kann. Unter anderem auch die fossilen Funde, die gemacht werden.
Jeder Mensch mit Verstand wird konzidieren, dass die ET eine Menge Lücken aufweist. Aber darum geht es gar nicht. Lücken (der Bestätigung) gibt es in jeder Theorie. Wissenschaftliche Forschung besteht darin, diese Lücken im Laufe der Zeit zu füllen.
Wissenschaftstheoretisch ist es unsinnig, die Relevanz einzelner Funde z.B. zu kritisieren, denn man muss nicht nur die Funde berechtigt kritisieren, sondern vor allem auch
eine andere und bessere Theorie zur Erklärung vorlegen, die wissenschaftlich akzeptabel ist.
Es nützt hier auch nichts, transzendente Entitäten wie Götter oder irgendwelche teleologischen Kräfte zur Erklärung zu postilieren (wie das z.B. Thomas Nagel tut), weil dadurch am Ende immer Entitäten eingeführt werden müssen (oder kuriose Naturgesetze), die wissenschaftlich schlicht und einfach niemals nachweisbar sind oder die mathematisch gestützt werden könnten. Damit wird nicht nur gegen das wissenschaftliche Ökonomieprinzip verstoßen (also gegen Ockhams Messer), sondern auch elementar gegen die Methodik der Wissenschaften. Wunder, Mirakel, Teleologie und Götter verstoßen gegen jede Art von Wissenschaft, weil sie sich jedem wissenschaftlichen Zugriff per definition entziehen. Dies gilt auch für die Geisteswissenschaften, denn eine bestimmte Interpretation z.B. einer Erzählung des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges kann nicht dadurch gestützt werden, dass ein Interpret behauptet, die Richtigkeit seiner Interpretation sei ihm durch einen Gott, einen Engel odern dem Teufel offenbart worden.
Die Einführung letztlich transzendenter Entitäten erfolgt niemals aus
wissenschaftlichen Gründen, sondern aus anderen. Sie erfolgt, weil man bereits an etwas glaubt und diesen Glauben in Erklärungen unbedingt einbringen möchte. Das ist kein wissenschaftlicher Grund! Im Gegenteil ist das zutiefst unwissenschaftlich.
Alle Wissenschaften sind nicht nur methodisch atheistisch, sie sind grundsätzlich atheistisch; und der Hinweis auf renommierte Wissenschaftler, die aber doch gläubig seien nützt überhaupt nichts, denn auch schizophrene Einstellungen zur Erklärung der Welt können vertreten werden und sind nicht verboten. Aber genau darum handelt es sich: letztlich um eine schizophrene Haltung.
