Savonlinna hat geschrieben:Woran erkennt man, ob jemand die Bibel "geistig" liest, und woran dann eben auch, wenn jemand das nicht tut.
Dazu gibt es leider keine klare Antwort, da auch geistiges Lesen auf verschiedenen Levels stattfinden kann. - Man kann es also nicht daran messen, ob jemand zu dieselben Ergebnissen kommt wie man selber. - Konkret:
Es gibt hier im Forum ein paar Leute, bei denen ich spüre, dass es geistige Menschen sind. - Diese Menschen haben aber trotzdem eine andere Perspektive, die bspw. geprägt ist von:
a) eigenen Formatierungen bezüglich ihres bisherigen Lebens, und
b) damit anderem Sprachgebrauch.
a) führt zu Kontaminierungen, die bei jedem anders sind ("Kontaminierung", weil niemand rein geistig denken kann - es ist immer eine eigene Note dabei). - b) führt zu ganz anderen Ausdrücken, die nach Prüfung genau dasselbe bedeuten können, was man selber meint, oder auch nicht.
Ein Beispiel für a): Es gibt hier ständig mal Diskussionen über "Gnade" oder "Wille" - oder "Ist Jesus nur Mensch oder auch Gott?" - oder "Werden nur wenige oder alle gerettet?". - Solche Fragen können unter geistig eingestielten Christen sehr kontrovers diskutiert werden, obwohl nur eine Antwort richtig ist. - Der Grund dafür: Jeder Mensch ist in einer anderen heilsgeschichtlichen Phase - oder anders gesagt: in einer unterschiedlichen Phase der Aufhebung - ABER: Trotzdem auf derselben Schiene.
Ein Beispiel für b): Die Sprachebenen können hier sehr unterschiedlich angelegt sein - der eine ist eher der intellektuelle Typ, der Phänomene allgemeingültig formulieren will - der andere spricht individuell aus persönlichem Erleben. - Wieder ein anderer hat einen naturwissenschaftlichen Hintergrund (und ist trotzdem geistig/transzendent orientiert) - der andere ist Hausmeister. Wenn all diese die gleiche geistige Tiefe empfinden, klingt das sprachlich trotzdem ganz anders.
Würde man all diese Äußerungen der genannten Beispiele schriftlich niederlegen (hier im Forum ist es ja so) und historisch-kritisch auslegen wollen, wäre das sehr schwer. - Denn - zu Ende gedacht: Der gleiche Satz kann substantiell/geistig aus zwei Mündern etwas komplett Unterschiedliches bedeuten - und umgekehrt können sehr unterschiedliche Sätze substantiell/geistig dasselbe bedeuten. - Wie man DAS methodisch unterscheiden können will, ist für mich nach wie vor ein ungelöstes Rätsel.
Ich mache es mir da zugegebenerweise einfach und halte es mit Christoph Martin Wieland, der sinngemäß sagt: "Geist kann und muss man nicht beweisen - er erkennt sich gegenseitig". - Dahinter liegt die Erkenntnis, dass Sprache immer nur der Versuch ist, in einem Befindliches geeignet zu chiffrieren. - Und diese Versuche bleiben immer im Versuchs-Stadium - es sei denn, man spricht innerhalb der naturalistischen Methodik, die hier aber nichts helfen kann.
Savonlinna hat geschrieben:Also wäre geistiges Lesen der Bibel: die Bibel mit der eigenen Existenz in Verbindung bringen. Richtig?
Ja, natürlich -- es sei denn, man liest eine Bibel genauso wie ein Telefonbuch, weil man selbst nicht betroffen ist oder aus methodischen Gründen nicht betroffen sein darf ("Ergebnisoffenheit").