Analytische Philosophie - Ein gefährlicher Hund?

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#91 Re: Analytische Philosophie - Ein gefährlicher Hund?

Beitrag von closs » Sa 29. Aug 2015, 14:48

Anton B. hat geschrieben:Selbst bestens bewährte Modelle erheben aus der Wissenschaft heraus den Anspruch, bestens bewährte Modelle, aber nicht "Wirklichkeit" zu sein.
Dieser Deiner Meinung konnte ich immer zustimmen - allein: Ergebnisse auf Basis wissenschaftlicher Modelle werden hier im Forum und vor allem in der medialen Öffentlichkeit als "Wirklichkeits"-Ergebnisse rezipiert ("Dann 'ist' es so").

Wollen wir weiterhin daran erinnern, dass normalerweise wissenschaftliche Arbeit so pragmatisch ist, dass solche wissenschafts-theoretischen Ausführungen irrelevant sind (Wenn ein Wissenschaftler sagt, dass dieser Stein x ein Schiefer-Stein ist, wird hoffentlich keiner auf die Idee kommen, wissenschaftstheoretische Diskussionen führen zu wollen).

Allerdings kann der Hinweis auf den grundsätzlichen Modell-Charakter in sehr komplexen Gebilden sehr sinnvoll sein - wie etwa bei der QT oder beim menschlichen Körper oder eben bei geisteswissenschaftlichen Fragen, bei denen man von vorneherein weiss, dass man nicht DIE eine Antwort zu erwarten hat.

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sven23
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#92 Re: Analytische Philosophie - Ein gefährlicher Hund?

Beitrag von sven23 » Sa 29. Aug 2015, 14:57

Anton B. hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Ja, es ist erstaunlich, dass sven diesen Artikel nicht versteht. Er sagt doch genau das, was closs sagt, sven.
Aber nicht in Bezug auf Ratzinger, wie closs das immer behauptet. Glaubensdogmatische Ansätze verhindern Ergebnisoffenheit. Dann muß man eine klare Trennlinie ziehen.
Reden wir immer noch von dem "historischen Jesus"?
Wenn ich Ratzinger richtig verstanden habe, setzt er den historischen mit dem biblischen Jesus gleich. Er unterscheidet da nicht und lehnt jede Mythologisierung ab und geht besonders bei Jesus von der göttlichen Inspiration der Bibelschreiber aus.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#93 Re: Analytische Philosophie - Ein gefährlicher Hund?

Beitrag von Anton B. » Sa 29. Aug 2015, 15:00

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Selbst bestens bewährte Modelle erheben aus der Wissenschaft heraus den Anspruch, bestens bewährte Modelle, aber nicht "Wirklichkeit" zu sein.
Dieser Deiner Meinung konnte ich immer zustimmen - allein: Ergebnisse auf Basis wissenschaftlicher Modelle werden hier im Forum und vor allem in der medialen Öffentlichkeit als "Wirklichkeits"-Ergebnisse rezipiert ("Dann 'ist' es so").
Das klarzustellen, ist ja meine Mission hier. ;-)

closs hat geschrieben:Allerdings kann der Hinweis auf den grundsätzlichen Modell-Charakter in sehr komplexen Gebilden sehr sinnvoll sein - wie etwa bei der QT oder beim menschlichen Körper oder eben bei geisteswissenschaftlichen Fragen, bei denen man von vorneherein weiss, dass man nicht DIE eine Antwort zu erwarten hat.
Ja, damit müsste man sich nochmal in Ruhe beschäftigen.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#94 Re: Analytische Philosophie - Ein gefährlicher Hund?

Beitrag von Anton B. » Sa 29. Aug 2015, 15:19

sven23 hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Reden wir immer noch von dem "historischen Jesus"?
Wenn ich Ratzinger richtig verstanden habe, setzt er den historischen mit dem biblischen Jesus gleich. Er unterscheidet da nicht und lehnt jede Mythologisierung ab und geht besonders bei Jesus von der göttlichen Inspiration der Bibelschreiber aus.
Die Frage für mich wäre: Wie identisch ist der historische Jesus des Ratzinger-Buches mit dem "historischen Jesus" der historischen-Jesus-Forschung. Nicht in der dargestellten Ausprägung, sondern von der "Definition" des Forschungsansatzes her.

Präziser:

(1) Referenziert Ratzinger mit seinem historischen Jesus ganz sicher auf den "historischen Jesus" der historischen-Jesus-Forschung?

(2) Wenn (1) gegeben ist, welchen "Impact" hatte/hat sein "Modell" des "historischen Jesus" auf das Gebiet der historischen-Jesus-Forschung?
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#95 Re: Analytische Philosophie - Ein gefährlicher Hund?

Beitrag von closs » Sa 29. Aug 2015, 15:27

sven23 hat geschrieben:Glaubensdogmatische Ansätze verhindern Ergebnisoffenheit.
Ein allerletztes Mal, dann geb ich's auf:

Glaubens-dogmatische Fragen spielen erst eine Rolle, nachdem die Wissenschaft ihre Arbeit gemacht hat.

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sven23
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#96 Re: Analytische Philosophie - Ein gefährlicher Hund?

Beitrag von sven23 » Sa 29. Aug 2015, 16:40

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Glaubensdogmatische Ansätze verhindern Ergebnisoffenheit.
Ein allerletztes Mal, dann geb ich's auf:

Glaubens-dogmatische Fragen spielen erst eine Rolle, nachdem die Wissenschaft ihre Arbeit gemacht hat.
Also wenn die Wissenschaft gefunden hat, daß Jesus eine Naherwartung gehabt hat, dann kommen die Glaubensdogmatiker und bügeln das wieder weg, oder wie stellst du dir das vor?
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#97 Re: Analytische Philosophie - Ein gefährlicher Hund?

Beitrag von closs » Sa 29. Aug 2015, 17:03

sven23 hat geschrieben:Also wenn die Wissenschaft gefunden hat, daß Jesus eine Naherwartung gehabt hat
Die Wissenschaft KANN gar nicht ohne weltanschauliche Interpretation zu diesem Ergebnis kommen - dieselben Texte und wissenschaftlichen Hintergründe lassen ganz andere Schlussfolgerungen zu.

sven23 hat geschrieben:wie stellst du dir das vor?
Dass man nach der beobachtenden Wissenschaft (dieser Text wurde da und da geschrieben/zur Zeit Jesu gab es folgende Strömungen in der Gesellschaft/der Schreiber des Textes ist kein Zeitgenosse Jesu und stammt aus Uppsala/etc.) einen Schnitt macht und dann sagt: "So - ab jetzt ziehen wir unsere weltanschaulich geprägten Schlussfolgerungen daraus". - Und dann wird Ratzinger sagen "Ich mach das so" und Kubitza "Ich mach das anders".

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#98 Re: Analytische Philosophie - Ein gefährlicher Hund?

Beitrag von sven23 » Sa 29. Aug 2015, 17:10

closs hat geschrieben:Die Wissenschaft KANN gar nicht ohne weltanschauliche Interpretation zu diesem Ergebnis kommen - dieselben Texte und wissenschaftlichen Hintergründe lassen ganz andere Schlussfolgerungen zu.
Dann kommt eben die Mehrheit der NT-Forscher zu dem "weltanschaulichen" Schluss, daß Jesus eine Naherwartung hatte. So besser?

closs hat geschrieben: Und dann wird Ratzinger sagen "Ich mach das so" und Kubitza "Ich mach das anders".
Nee, Ratzinger hält die HKM nur bedingt geeignet für die Bibelexegese, besonders weil die Schriften gem. kirchlicher Lehre göttlich inspiriert seien. Da ist schon ziemlich früh Ende Gelände für die HKM.
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#99 Re: Analytische Philosophie - Ein gefährlicher Hund?

Beitrag von closs » Sa 29. Aug 2015, 17:17

sven23 hat geschrieben:Dann kommt eben die Mehrheit der NT-Forscher zu dem "weltanschaulichen" Schluss, daß Jesus eine Naherwartung hatte.
De facto ist das richtig. - Man wird es aber nicht so bezeichnen, sondern als ergebnisoffenes Resultat wissenschaftlicher Forschung darstellen. - Ich frage mich manchmal wirklich, ob den Forschern in solchen Fällen das A-Priori ihrer Forschungen bewusst ist.

sven23 hat geschrieben:Nee, Ratzinger hält die HKM nur bedingt geeignet für die Bibelexegese
Bzw. nur so weit, wie die HKM greift. - Die HKM kann nicht wissenschaftliche Aussagen darüber treffen, ob es bspw. einen Heiligen Geist gibt - das ist Glaubenssache.

Im übrigen: Die Grauzone zwischen Exegese und Hermeneutik ist eh ein Problem - da wäre es schön, mal einen Profi dazu zu hören (wiki reicht da nicht). - Das Thema könnte sein: Wo ist die Trennlinie zwischen rein sachlicher Quellen-Untersuchung und inhaltlicher/weltanschaulicher Interpretation derselben. - Persönlich mache ich diese Trennlinie zwischen "Exegese" und "Hermeneutik" - ob das gut genug ist, weiß ich nicht.

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sven23
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#100 Re: Analytische Philosophie - Ein gefährlicher Hund?

Beitrag von sven23 » Sa 29. Aug 2015, 17:27

closs hat geschrieben:Bzw. nur so weit, wie die HKM greift. - Die HKM kann nicht wissenschaftliche Aussagen darüber treffen, ob es bspw. einen Heiligen Geist gibt - das ist Glaubenssache.
Das hat auch niemand behauptet. Aber eine Aussage, daß Jesus eine Naherwartung hatte, muß erlaubt sein. Im Grunde sagt Ratzinger: die HKM darf keine Aussagen machen, die dem kirchlichen Jesusbild widersprechen könnten.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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