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Geld bekommen, ohne zu arbeiten – ein bedingungsloses Grundeinkommen hört sich ungewöhnlich an. Aber die Gesellschaft braucht neue Lösungen der Umverteilung. // von Valie Djordjevic
Bedingungsloses Grundeinkommen bedeutet, dass jeder Bürger monatlich Geld bekommt, in ausreichender Höhe, ohne dafür zu arbeiten, ohne nachweisen zu müssen, dass er oder sie bedürftig ist. Was zuerst klingt wie eine idealistische Träumerei, ist für immer mehr Leute die Lösung für die ungerechte Verteilung von Arbeit und Reichtum in unserer automatisierten Gesellschaft. Unterstützung kommt dabei auch aus der Commons-Ecke im Netz, denn dort wird deutlich, dass nicht immer Geld die Motivation ist, um etwas zu tun.
Warum ist das wichtig? Immer weniger Menschen in unserer Gesellschaft haben bezahlte Arbeit – und es werden vermutlich in Zukunft noch weniger. Wie verteilt man dann das gesellschaftliche Einkommen?
1) Die Schere zwischen Arm und Reich wird auch in den Industrienationen größer. Das Einkommen muss anders verteilt werden.
2) Das bedingungslose Grundeinkommen befreit die Menschen vor der Existenzangst. Sie müssten nicht arbeiten, um Wohnung und Essen zu bezahlen.
3) Dadurch werden Kapazitäten frei: Für neue Projekte, Kunst – aber auch für Kindererziehung und Pflege von alten Menschen.
Weshalb bedingungsloses Grundeinkommen?
Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) sehen darin ein Instrument der Befreiung: Niemand müsste mehr in Jobs arbeiten, die er hasst, sondern könnte tatsächlich unabhängig überlegen, was er machen will. Das bedingungslose Grundeinkommen wäre ein Mittel an der Gesellschaft teilzuhaben, auch wenn man nicht in Lohn und Brot steht.
Und das wird auch immer notwendiger: Denn Arbeit hat längst nicht jeder – und glaubt man Experten wird sie in Zukunft immer knapper. Constanze Kurz und Frank Rieger (beide sind SprecherInnen des Chaos Computer Club) beschreiben in ihrem Buch „Arbeitsfrei„, dass Maschinen immer mehr Menschen ersetzen werden. Wie sollen wir also in Zukunft unseren Lebensunterhalt verdienen, wenn es keine Arbeit mehr gibt? Mit dem BGE soll diese gesellschaftliche Produktivität umverteilt werden.
Deshalb überrascht es dann doch nicht, dass auch waschechte Kapitalisten das BGE unterstützen. Der bekannteste ist in Deutschland wahrscheinlich der DM-Drogerie-Gründer Götz Werner. Er setzt sich schon länger für das BGE ein und meint, dass das manische Schauen auf die Arbeit uns alle krank macht.
BGE und Internet
Im Netz entstehen viele gesellschaftlich nützliche Werke ganz ohne Geld: Open-Source-Software, Wikipedia-Artikel, Archive mit gemeinfreien Werken. Alle würden nicht funktionieren, wenn nicht Freiwillige dran arbeiten würden. Dadurch entstehen gemeinsame Güter, gemeinsames Wissen, auf das wiederum aufgebaut werden kann, wenn Neues entstehen soll.
Im Netz bieten viele Firmen selbst kein Produkt an, sondern bauen die Infrastruktur, die es den Nutzern erlaubt, ihre Inhalte zu veröffentlichen. Ilja Braun hat in seinem Buch „Grundeinkommen statt Urheberrecht“ einmal drüber nachgedacht, wie kreative Arbeit im Netz finanziert werden kann – das BGE wäre eine Lösung.
"Geistiges Eigentum und freies Wissen - zwischen diesen beiden Polen hat sich die Debatte um das Urheberrecht im Digitalzeitalter eingependelt. Dabei geht es längst um viel mehr: Kreativität ist der wesentliche Produktivfaktor in einer zunehmend auf immaterielle Wertschöpfung ausgerichteten Ökonomie.
Ilja Braun ordnet in seinem Buch »Grundeinkommen statt Urheberrecht?« die unüÂbersichtliche Debatte. Dabei nimmt er von der Kulturflatrate bis zur Idee einer öffentlich-rechtlichen Produktionsfinanzierung die wichtigsten Lösungsansätze kritisch in den Blick, um schließlich den Bogen zur Diskussion um das bedingungslose Grundeinkommen zu schlagen."
http://www.transcript-verlag.de/978-3-8 ... heberrecht
Aber auch außerhalb des Netzes arbeiten Menschen ohne Entlohnung – obwohl ihre Arbeit für das Funktionieren unserer Gesellschaft sehr notwendig ist. Das sind klassischerweise reproduktive Tätigkeiten wie Hausarbeit, Kindererziehung, Pflege von Alten und Kranken. Alles Arbeiten, die in der Regel von Frauen ohne Geld verrichtet werden. Das BGE würde ihnen erlauben, unabhängiger zu sein.
Eine Frage der Prioritäten
Eine Frage, die in diesem Zusammenhang immer wieder auftaucht, ist die Frage nach der Finanzierung. Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens geistert schon seit den 1980ern durch die politische Szene, und so gibt es zahlreiche Modelle, die zeigen, dass ein BGE durchaus finanzierbar wäre – wenn es denn politisch gewollt ist. Beim „Netzwerk Grundeinkommen“ gibt es eine tabellarische Übersicht zu Modellen und Finanzierungen.
Über den Autor / die Autorin. Valie Djordjevic ist Redakteurin bei iRights.info und beschäftigt sich seit Jahren mit den Bedingungen kreativer Arbeit, Remix und Nutzerkreativität.