Parusieverzögerung III

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sven23
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#761 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Sa 1. Aug 2015, 13:38

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:dass der Sinn eines Textes herausgearbeitet werden müsse, den der Verfasser in seinem historischen Umfeld zum Ausdruck bringen wollte
Richtig - dieser Sinn wäre: "Der Textverfasser scheint an eine ("äußere") Naherwartung Jesu zu glauben".

sven23 hat geschrieben:bevor eine weitergehende Interpretation erfolgen könne
Die weitergehende Interpretation ist nun weltanschaulich abhängig:
A sagt: Jesus hatte eine Naherwartung im Sinne des AT.
B sagt: Jesus hat etwas ganz anderes gemeint im Sinne eines Paradigmenwechsels.

Nochmal: Wir müssen wissenschaftliche historisch-kritische Analyse trennen von weltanschaulichen Schlussfolgerungen daraus.

Wer ohne Glaubensdogmen auskommt, steht um Längen weniger im Verdacht, ideologisch beeinflußt zu sein, zumal er sich an die strengen Kritikerien der HKM hält.
Es hat ja seine berechtigten Gründe, wenn die mehrheitliche NT-Forschung von einer Naherwartung Jesu ausgeht.
Wenn die Gegner dieser Sichtweise dies auf Augenhöhe (also ohne Glaubensdogmen) widerlegen können, dann wäre es eben so. Aber da kam ja bisher nichts.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#762 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Sa 1. Aug 2015, 15:45

Münek hat geschrieben:Von einer abweichenden Strömung ist mir nichts bekannt.
Eta Linnemann, Spangenberg, Lorenzmeier, Berger, Ratzinger, etc. - Dazu kommen all die Professoren, deren Schüler nichts von dieser Problematik wissen, weil sie aus ihrer Sicht bereits seit Jahrzehnten ausdiskutiert ist.

Münek hat geschrieben:Bisher kam da nix...
Du scheinst so immunisiert zu sein, dass Du nix mitkriegst.

Münek hat geschrieben:Die HKM bedarf Deines Schutzes ganz gewiss nicht.
Meines persönlichen Schutzes gewiss nicht - aber des Schutzes der wissenschaftlichen Zunft.

sven23 hat geschrieben:Wenn die Gegner dieser Sichtweise dies auf Augenhöhe (also ohne Glaubensdogmen) widerlegen können, dann wäre es eben so.
"Widerlegen" kann man es sowieso nicht - "widerlegen" hieße ja "falsifizieren" - das geht weder so- noch anders-rum.

Aber man kann nachweisen, dass die Naherwartungs-These nur unter einem ganz bestimmten Blickwinkel wahrscheinlich erscheint - und unter anderen Blickwinkeln unwahrscheinlich erscheint - beides mit Hilfe der Wissenschaft.

sven23 hat geschrieben:Es hat ja seine berechtigten Gründe, wenn die mehrheitliche NT-Forschung von einer Naherwartung Jesu ausgeht.
Das sind keine harten wissenschaftlichen Gründe, sondern wissenschafts-historische Gründe - es gab eben die Phase, in der man alles in der Bibel positivistisch-hermeneutisch verstehen wollte. - Dieser Ansatz ist inzwischen - freundlich gesagt - nicht mehr der einzige.

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sven23
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#763 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Sa 1. Aug 2015, 16:02

closs hat geschrieben:"Widerlegen" kann man es sowieso nicht - "widerlegen" hieße ja "falsifizieren" - das geht weder so- noch anders-rum.
Aber man kann nachweisen, dass die Naherwartungs-These nur unter einem ganz bestimmten Blickwinkel wahrscheinlich erscheint - und unter anderen Blickwinkeln unwahrscheinlich erscheint - beides mit Hilfe der Wissenschaft.
Auf den Nachweis warten wir aber noch.

closs hat geschrieben: Das sind keine harten wissenschaftlichen Gründe, sondern wissenschafts-historische Gründe - es gab eben die Phase, in der man alles in der Bibel positivistisch-hermeneutisch verstehen wollte. - Dieser Ansatz ist inzwischen - freundlich gesagt - nicht mehr der einzige.
Das ist der allgemein anerkannte Status Quo. Und ich prophezeie, daß sich daran auch so schnell nichts ändern wird. Das sollte man aber nicht verwechseln mit dem Glaubenssektor, da gibt es keine Limits. ;)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Münek
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#764 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Münek » Sa 1. Aug 2015, 16:26

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Von einer abweichenden Strömung ist mir nichts bekannt.
Eta Linnemann, Spangenberg, Lorenzmeier, Berger, Ratzinger, etc. - Dazu kommen all die Professoren, deren Schüler nichts von dieser Problematik wissen, weil sie aus ihrer Sicht bereits seit Jahrzehnten ausdiskutiert ist.

Namen allein reichen natürlich nicht.

Um Deine Behauptungen überprüfen zu können, benötige ich entsprechende Zitate zum Thema.
Bitte in einem Umfang, der es mir gestattet, mich mit ihren Begründungen in Detail sachlich
auseinandersetzen zu können.

Bei Spangenberg musstest du allerdings schon einräumen, dass er sich in der von Dir genannten
Dissertation zum eigentlichen Thema überhaupt nicht geäußert hat. :thumbdown:

So, jetzt bin ich mal gespannt, was Du lieferst...

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Münek
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#765 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Münek » Sa 1. Aug 2015, 16:35

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die HKM bedarf Deines Schutzes ganz gewiss nicht.
Meines persönlichen Schutzes gewiss nicht - aber des Schutzes der wissenschaftlichen Zunft.

Moment, mein Freund.

Du hattest geschrieben: "... eben weil ICH die HKM ... schützen will."

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#766 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Sa 1. Aug 2015, 17:41

sven23 hat geschrieben:Auf den Nachweis warten wir aber noch.
Hatten wir auch schon - guck mal bei Lorenzmeier in der Festschrift für Herbert Braun. - Da (und nicht nur da) ist beschrieben, warum die positivistische Theologie nur EINEN Ansatz zur Parusie-Frage bereitstellt. - Ratzinger, Berger und andere wurden auch schon zitiert. - Der Grund für andere Sichtweisen wurde wiederholt genannt und seitenweise aufgeführt. - Was soll das?

sven23 hat geschrieben:Das ist der allgemein anerkannte Status Quo. Und ich prophezeie, daß sich daran auch so schnell nichts ändern wird.
Es kann in der Tat sein, dass es zu einer Trennung zwischer positivistischer und christlicher Theologie kommt.

"Wie versteht man die Bibel unter agnostischen Gesichtspunkten ohne jegliche Anteilnahme am substantiellen (!!!) Inhalt von AT und NT" contra "Wie versteht man die Bibel unter Einbeziehung der HKM unter geistigen Gesichtspunkten" - kann so kommen.

Münek hat geschrieben:Um Deine Behauptungen überprüfen zu können, benötige ich entsprechende Zitate zum Thema.
Bis auf Linnemann gab es Zitate dazu wörtlich oder umschrieben sowie Quellenangabe - ich müsste sie auch wieder suchen und werde das NICHT tun. - Ete Linnemann ist Bultmann-Schülerin, wurde Professorin, hat historisch-kritisch veröffentlicht, bis sie sich von der HKM in deren Wirkungsweise distanziert hat.

Linnemanns Werk selbst ist mir nicht bekannt - es geht hier darum, dass es seit (spätestens) den 70ern ein Gegengewicht zur positivistischen Theologie gibt.

Im übrigen sollst Du nicht meine Behauptungen überprüfen, sondern selber nachdenken. - Es gab doch jetzt wirklich schon über hunderte Seiten ausführliche Begründungen, warum die HKM à Kubitza & Co nicht der Stein der Weisen ist, sondern EINE Sicht, die man haben kann. - Schau Dir doch erst mal diese Begründungen INHALTLICH an, bevor Du nachprüfst, wo sie stehen.

Münek hat geschrieben:Bei Spangenberg musstest du allerdings schon einräumen, dass er sich in der von Dir genannten Dissertation zum eigentlichen Thema überhaupt nicht geäußert hat.
Er hat auf die Problematik verwiesen, wie man Jesus verstehen kann - eben "äußerlich" oder "inwendig". - Wie will man das per HKM herausfinden, wenn man nicht AT-/NT-Motive miteinbezieht und das Motiv "Sie verstanden ihn nicht?"

Eigentlich ist es witzig: Letztlich geht es in der Theologie nach wie vor um den Paradigmen-Wechsel zwischen AT und NT.

Münek hat geschrieben:Du hattest geschrieben: "... eben weil ICH die HKM ... schützen will."
Meine Herrn!! - Sicherlich nicht als persönlicher Schutzpatron - in unserer Diskussion stehe ich dafür. - Im Großen müssen das die Theologen unter sich ausmachen.

Anton B.
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#767 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von Anton B. » Sa 1. Aug 2015, 17:50

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Du hattest geschrieben: "... eben weil ICH die HKM ... schützen will."
Meine Herrn!! - Sicherlich nicht als persönlicher Schutzpatron - in unserer Diskussion stehe ich dafür. - Im Großen müssen das die Theologen unter sich ausmachen.
Sankt Closs, der Schutzpatron der theologischen Forschung ...
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#768 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Sa 1. Aug 2015, 18:01

Anton B. hat geschrieben:Sankt Closs, der Schutzpatron der theologischen Forschung ...
Meine Frau wird sich freuen, mit einem Heiligen verheiratet zu sein - vielleicht gibt's da ja dann mehr Kredit bei der Bank. :thumbup:

Im übrigen wäre es nicht zu viel verlangt, wenn solche Fragen innerhalb der Wissenschaft geklärt werden würden - und zwar nicht, wer am lautesten schreit, sondern nach seriösen Kriterien.

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sven23
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#769 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von sven23 » Sa 1. Aug 2015, 19:03

closs hat geschrieben:Hatten wir auch schon - guck mal bei Lorenzmeier in der Festschrift für Herbert Braun. - Da (und nicht nur da) ist beschrieben, warum die positivistische Theologie nur EINEN Ansatz zur Parusie-Frage bereitstellt. - Ratzinger, Berger und andere wurden auch schon zitiert. - Der Grund für andere Sichtweisen wurde wiederholt genannt und seitenweise aufgeführt. - Was soll das?
Lorenzmeier gibt aber wenigstens zu, daß die Naherwartung breiter Konsens ist. Er stellt sie zwar in Frage, liefert aber keine qualifizierten Begründungen. Ratzinger und Berger sind Leute, die ohne Glaubensdogmen nicht auskommen. Das disqualifiziert sie aber für sauberes wissenschaftliches Arbeiten - zumindest in den Themen, für die sie Glaubensdogmen benötigen - denn wie wir ja wissen: wer den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhebt, muß sich auch mit den Kriterien der Wissenschaft messen lassen.
https://www.uni-due.de/EvangelischeTheo ... hode.shtml


closs hat geschrieben: . - Es gab doch jetzt wirklich schon über hunderte Seiten ausführliche Begründungen, warum die HKM à Kubitza & Co nicht der Stein der Weisen ist, sondern EINE Sicht, die man haben kann. -
Es war aber nichts Überzeugendes dabei. Es hat ja auch gute Gründe, warum die Mehrheitsmeinung eine starke Postion hat.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#770 Re: Parusieverzögerung III

Beitrag von closs » Sa 1. Aug 2015, 19:54

sven23 hat geschrieben:Lorenzmeier gibt aber wenigstens zu, daß die Naherwartung breiter Konsens ist.
Stimmt - gegen den er angeht.

sven23 hat geschrieben: Ratzinger und Berger sind Leute, die ohne Glaubensdogmen nicht auskommen. Das disqualifiziert sie aber für sauberes wissenschaftliches Arbeiten
Was sollen diese Schutzbehauptungen immer? - Warum gehen wir nicht inhaltlich ran?

sven23 hat geschrieben: Es hat ja auch gute Gründe, warum die Mehrheitsmeinung eine starke Postion hat.
Diese starke Position wurde im 20. Jh. erkämpft und ist schon längst im Wackeln - wie gesagt: Studierte Theologen kennen in der Regel diesen Konflikt aus der Vergangenheit, ohne dass er einen Einfluss auf ihr Studium gehabt hätte.

Es hat sich um eine Mehrheitsmeinung nicht innerhalb der wissenschaftlichen Exegese, sondern der HKM (also einem Teilbereich), weil sich im letzten Jahrhundert für einige Zeit die positivistische Theologie ziemlich stark positionieren konnte. - Es wurde an dieser Stelle oft genug begründet, warum man mithilfe der HKM in der Frage der Parusie problemlos auf das gegenteilige ERgebnis kommen kann.

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