Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

closs
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#641 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Fr 31. Jul 2015, 19:03

Anton B. hat geschrieben: Um das aber qualifiziert beurteilen zu können, müsstest Du Dich mit der Methodik der HKM auseinander setzen. Das lehnst Du aber ab.
Ich lehne es in diesem Stadium ab, weil es genau darum NICHT geht. - Du steigst immer IN die Methodik und ihr Funktionieren ein, währenddem es hier darum geht, was VOR der historisch-kritischen Arbeit und DANACH passiert.

Nochmal zum Mitschreiben: Die HKM als wissenschaftliche Disziplin ist NICHT Gegenstand der Diskussion (nur in sofern, dass ständig versucht wird, über die HKM als wissenschaftliche Disziplin zu sprechen).

Anton B. hat geschrieben:Außerdem geht es in der Diskussion darum, ob "eine/keine Naherwartung" als historische Äußerung Jesu begründet werden kann.
Wenn es DAS wäre, wäre die Antwort einfach:
1) Es kann historisch-kritisch begründet werden, dass Jesus eine Naherwartung hatte.
2) Es kann historisch-kritisch begründet werden, dass Jesus keine Naherwartung hatte.

Anton B. hat geschrieben:Keine Sorge, die Trennung ist gewährleistet.
Dann sollten HKM-Wissenschaftler aber auch sicherstellen, dass sie nichts thematisieren, worauf es nur geistige Antworten geben kann - denn da hat HKM nichts zu suchen. - Genauso wenig wie Theologie etwas in der Evolutions-Theorie zu suchen hat.

Anton B. hat geschrieben:Die Frage ist, (a) sind es wissenschaftliche Parteien und (b) wie sieht es die Gemeinschaft in toto.
Ich spreche von wissenschaftlichen Parteien (immer vorausgesetzt, es geht um eine Frage, die überhaupt wissenschaftlich zugänglich ist).

Anton B. hat geschrieben: Im Gegensatz zu Deinem Denken in "Dogmatik" geht es hier um die Darstellung des Forschungsstandes.
Wir reden immer noch um den BRei herum.

Anton B. hat geschrieben:Gemäß den Darlegungen Rolands aus dem Komplementärforum geht mit Begründung auf die Texte einzelner Biologen schon seit langem der Trend zur Ablösung der Evolutionstheorie.
Was katastrophal ist. - Aber auch seine Gründe hat.

Denn die weltanschaulich aktiven ET-Anhänger haben kaum eine Gelegenheit versäumt, die ET ideologisch als Ersatz für den Schöpfungs-Mythos zu platzieren. - Und jetzt kommt genauso unqualifizierter Gegenwind.

Mir ist der eine so recht wie der andere: Würde man die weltanschaulich ausufernden ET-Anhänger und die Beton-Kreationisten in einen Sack stecken und drauf schlagen, würde man immer den Richtigen treffen. - Das kommt davon, wenn Extremismus auf Extremismus trifft.

Zur Klarstellung: Ich bin im naturalistischen Rahmen selbstverständlich ein Anhänger der ET. Dies schließt einen geistigen Entwurf der Schöpfung nicht aus. - Beides interferiert nicht. - Und da scheint der eigentliche Knackpunkt zu sein: Es scheint schwer vermittelbar zu sein, dass naturalistische Beschreibung und geistiger Entwurf der Schöpfung nicht interferieren.

Anton B. hat geschrieben: Blödels wie Theissen, Schnelle, Lindemann und Anton B. bekommen aufgrund ihrer ideologisch-dogmatischen Ausrichtung und ihrer geistigen Verknöcherung natürlich nichts davon mit.
Weder Theissen noch Anton sind Blödels - sie haben nur nicht erkannt, dass ihr Weltbild die Schlussfolgerungen aus Modellen und deren wissenschaftlichen Bearbeitung beeinflussen.

Wenn man so kommuniziert, wie Du es immer sagst ("Nach Modell x ist wissenschaftlich begründbar, dass ...") ist es ja gut. - Aber so wird halt in aller Regel nicht kommuniziert. - In aller Regel kommen dann rein weltanschauliche Äußerungen raus, deren Konsens an Dogmatik grenzt (Spangenberg und Berger weisen darauf hin). - AUgstein hat in EINEM Absatz 4 oder 5 rein ideologische Äußerungen gebracht, die er unwidersprochen als "wissenschaftlich belegt" bezeichnen darf. - Und dann wunderst Du Dich, wenn die andere Seite auch zu spinnen anfängt und die ET in Frage stellt?

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#642 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » Fr 31. Jul 2015, 19:18

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Aus "Deinem geistigen Meer" :lol: ragt - dem Himmel sei Dank - wie ein Fels in der Brandung die an den theologischen Fakultäten etablierte "historisch-kritische Exegese" als Standardauslegung biblischer Texte und unvoreingenommen forschende Wissenschaft.
Genau da kommt seit einiger Zeit der Dogmatismus her.

Völlig daneben!

Dogmatismus bezeichnet starres, unkritisches Festhalten an Anschauungen, Lehrmeinungen, "Glaubenswahrheiten" ....

Da hast Du Dich in der Tür geirrt. An den theologischen Fakultäten wird neben der "historisch-kritischen Exegese" auch die Dogmatik als eigenständiges Lehrfach gelehrt. Das ist aber eine Tür weiter. In dieser geht es um nichthinterfragbare "Glaubenswahrheiten" (Dog-
men), d.h. um die unantastbare christliche Glaubenslehre.

Dogmatiker dürfen die Glaubensaussagen ihrer Kirche nicht hinterfragen oder in Zweifel ziehen, sonst gibst was von der Glaubenskon-
gregation (Congregatio pro doctrina fidei) kräftig auf die Hörner. :devil:

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#643 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » Fr 31. Jul 2015, 19:22

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Von sogenannten "geistigen Erkenntnissen" und "spirituellen Sichtweisen" oder ähnlichem Schmonzes hält sie aus Grün-
den der "intellektuellen Redlichkeit" - auch wenn es Dir wehtut - zu Recht - NICHTS.
Sie steckt mittendrin, scheint es aber nicht zu bemerken.

Diese unbegründete Behauptung ist mal wieder einer Deiner haltlosen Unterstellungen.

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#644 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Münek » Fr 31. Jul 2015, 19:33

closs hat geschrieben:Nochmal zum Mitschreiben: Die HKM als wissenschaftliche Disziplin ist NICHT Gegenstand der Diskussion (nur in sofern, dass ständig versucht wird, über die HKM als wissenschaftliche Disziplin zu sprechen).

Die HKM IST eine wissenschaftliche Methode! Punkt!

Lies Dir im Übrigen Deinen Satz oben noch mal durch. Merkst Du nicht, dass Du Dir selbst widersprichst?
Was soll dieser Eiertanz?

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#645 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Fr 31. Jul 2015, 20:01

Münek hat geschrieben:Dogmatismus bezeichnet starres, unkritisches Festhalten an Anschauungen, Lehrmeinungen, "Glaubenswahrheiten" ....
Ist es nicht ein starres, unkritisches Festhalten an Anschauungen, Lehrmeinungen, "Glaubenswahrheiten", wenn man die HKM als Instrument versteht, Fragen nach der Naherwartung Jesus beantworten zu können?

"Nicht ohne Grund ist denn auch in der neueren Exegese die These von der Naherwartung Jesus, die vielen Exegeten als nahezu unumstößliches Dogma gilt, bestritten worden oder wenigstens fragwürdig geworden". (Th. Lorenzmeier, Zum Logion Mt. 12,28; Lk. 11,20, In: Festschrift für Herbert Braun, Tübingen 1973, S.301).

Oder Berger schreibt in "Die Bibelfälscher" im Vorwort: "Sie <damit sind u.a. Theißen gemeint> repräsentieren nicht nur das Establishment, sondern dazu eine seit 50 Jahren in sich geschlossene, bis zur Undurchlässigkeit und Unbeweglichkeit starre, neue Rechtgläubigkeit" (dieses Zitat aus Halmans neuem Thread "Exegese - Segen oder Fluch" - eigentlich sollten wir beide Threads zusammenführen).

Münek hat geschrieben:Die HKM IST eine wissenschaftliche Methode! Punkt!
Stimmt - eine Methode, die als solche NICHT im Fokus steht (auch die christliche Theologie bedient sich ihrer dankbar).

Münek hat geschrieben:Merkst Du nicht, dass Du Dir selbst widersprichst?
Das liest Du vielleicht anders, als ich es gemeint habe: Hier wird viel über HKM in ihrer Eigenschaft als wissenschaftliche Disziplin gesprochen, obwohl die HKM als solche NICHT das Thema ist.

Das Thema ist viel mehr, dass und wie man unter Berufung auf die HKM eigene Weltanschauungen unters Volk bringt (bewusst oder unbewusst).

In diesem Sinne gibt es den von Dir so oft beschworenen Konsens zu Jesu Naherwartung NICHT - AUSSER man siedelt ihn in einer bestimmten Gruppe von Theologen an ("eine seit 50 Jahren in sich geschlossene, bis zur Undurchlässigkeit und Unbeweglichkeit starre, neue Rechtgläubigkeit"). - Trotzdem gibt es seit MINDESTENS 1973 eine Gegenbewegung zu dieser Konsens-Truppe, die in puncto Naherwartung zu ganz anderen Ergebnissen kommt (wurde mehrfach zitiert).

Anton B.
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#646 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von Anton B. » Fr 31. Jul 2015, 20:11

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: Um das aber qualifiziert beurteilen zu können, müsstest Du Dich mit der Methodik der HKM auseinander setzen. Das lehnst Du aber ab.
Ich lehne es in diesem Stadium ab, weil es genau darum NICHT geht. - Du steigst immer IN die Methodik und ihr Funktionieren ein, währenddem es hier darum geht, was VOR der historisch-kritischen Arbeit und DANACH passiert.
Was passiert denn danach? Und wo und durch wen passiert es denn?

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Außerdem geht es in der Diskussion darum, ob "eine/keine Naherwartung" als historische Äußerung Jesu begründet werden kann.
Wenn es DAS wäre, wäre die Antwort einfach:
1) Es kann historisch-kritisch begründet werden, dass Jesus eine Naherwartung hatte.
2) Es kann historisch-kritisch begründet werden, dass Jesus keine Naherwartung hatte.
Einfach ist das nicht. Es gibt aber einen ausgeprägten Konsens innerhalb der Forschenden.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Keine Sorge, die Trennung ist gewährleistet.
Dann sollten HKM-Wissenschaftler aber auch sicherstellen, dass sie nichts thematisieren, worauf es nur geistige Antworten geben kann - denn da hat HKM nichts zu suchen.
Sie thematisieren ja auch nichts, "... worauf es nur geistige Antworten geben kann." Das müsstest Du nur zur Kenntnis nehmen.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: Im Gegensatz zu Deinem Denken in "Dogmatik" geht es hier um die Darstellung des Forschungsstandes.
Wir reden immer noch um den BRei herum.
Geht es Dir darum, was VOR und NACH dem Forschungsstand passiert? Wo und durch wen?

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: Blödels wie Theissen, Schnelle, Lindemann und Anton B. bekommen aufgrund ihrer ideologisch-dogmatischen Ausrichtung und ihrer geistigen Verknöcherung natürlich nichts davon mit.
Weder Theissen noch Anton sind Blödels - sie haben nur nicht erkannt, dass ihr Weltbild die Schlussfolgerungen aus Modellen und deren wissenschaftlichen Bearbeitung beeinflussen.
Sage ich doch: Blödels! Und begründen konntest das auch noch nicht. Einmal sagst Du, es ist wissenschaftlich, dann kommst Du mit Beeinflussungen aus Weltbildern. Denn Wissenschaft ist ja gerade, sich von subjektiven Weltbildern zu lösen.

closs hat geschrieben:Wenn man so kommuniziert, wie Du es immer sagst ("Nach Modell x ist wissenschaftlich begründbar, dass ...") ist es ja gut. - Aber so wird halt in aller Regel nicht kommuniziert. - In aller Regel kommen dann rein weltanschauliche Äußerungen raus, deren Konsens an Dogmatik grenzt (Spangenberg und Berger weisen darauf hin).
In aller Regel erreicht diese Form der Kommunikation den closs ja nicht. Wie könnte sie auch: Er schaut ja erst gar nicht in wissenschaftliche, zusammenfassende Werkchen, wie z.B. Lehrbücher, rein. Aber Arbeit im Steinbruch der Theologie leistet er dagegen gerne. Er sucht sich heraus, was ihm passt und macht die Augen dann zu, wenn es ihm nicht passt. Als Nicht-Theologe begibt er sich gerne in den theologischen Fachdiskurs, die kompilatorischen Zusammenstellungen der Lehrbücher, die nun eher auf sein Qualifikationsniveau zugeschnitten sind, meidet er.

Unter diesen Umständen fallen Deine Anwürfe von "Präjudizierung", "Dogmatismus", "Weltbild" usw. ziemlich direkt auf Dich zurück.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#647 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » Fr 31. Jul 2015, 20:25

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Jesus trinkt zum letzten Mal, bevor er am Mahl im Reich Gottes teilnimmt. Möglicherweise hofft er aber, das Reich Gottes breche so bald herein, dass ihm der Weg durch den Tod erspart bleibt
Möglicherweise hofft er auch, dass er im Lotto gewinnt. - Dein zitierter Satz ist nur dann möglich, wenn man sich komplett von jeglichen geistigen Grundlagen der Bibel entfernt - und das im Fach Theologie.

Nun mal langsam. Warum meinst du denn, haben die Schreiber das Abendmahl so dramatisch als Abschiedsmahl inszeniert? Willst du ihnen geistige Grundlagen absprechen?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#648 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von sven23 » Fr 31. Jul 2015, 20:41

closs hat geschrieben: 1) Es kann historisch-kritisch begründet werden, dass Jesus eine Naherwartung hatte.
2) Es kann historisch-kritisch begründet werden, dass Jesus keine Naherwartung hatte.
Die Frage ist aber, welche Variante sich besser begründen läßt und die wahrscheinlichere ist, unter Zuhilfenahme aller verfügbaren Quellen und Parameter. Und da hat sich in der neutestamentlichen Forschung die Naherwartung durch Jesus mehrheitlich als die am besten begründbare heraus kristallisiert.
Das ist State of the art.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#649 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Fr 31. Jul 2015, 21:28

sven23 hat geschrieben:Warum meinst du denn, haben die Schreiber das Abendmahl so dramatisch als Abschiedsmahl inszeniert?
Meinst Du, weil sie den Anbruch des Gottesreiches erwartet haben?

Anton B. hat geschrieben:Was passiert denn danach?
Man interpretiert - und Interpretation ist, wenn es um geistige Fragestellungen geht,
a) notwendig und
b) weltanschaulich geprägt.

Konkret: Luk. 17,21 (Luther 1899) spricht vom Gottesreich als "inwendiges" Reich - das nehmen Wissenschaftler zu Kenntnis. - Der eine Wissenschaftler sieht darin eine Bestätigung für seine These, dass Jesus ein "inneres" Reich Gottes gepredigt hat, der andere sieht darin eine Einzelaussage, die für sein Gesamt-Urteil eines "äußeren" Reichs nicht entscheidend ist.

Das ist das, was "danach" passiert - also NACH der historisch-/text-kritischen/also wissenschaftlichen Untersuchung der Texte. - Dies ist nicht zu kritisieren - hier geht es einzig und allein darum, dass es dem weltanschaulich geprägten Urteil des Wissenschafters obliegt, aus seinen wissenschaftlichen Beobachtungen eine entsprechende Schlussfolgerung zu ziehen. - Und da plädiere ich dafür, dass man den wissenschaftlichen und interpretativen Teil einer Forschung erkennbar unterscheidet - mehr will ich gar nicht.

Anton B. hat geschrieben: Es gibt aber einen ausgeprägten Konsens innerhalb der Forschenden.
Was sagt das inhaltlich aus? - Zumal dieser Konsens spätestens seit 1973 in Frage gestellt wird: "Nicht ohne Grund ist denn auch in der neueren Exegese die These von der Naherwartung Jesus, die vielen Exegeten als nahezu unumstößliches Dogma gilt, bestritten worden oder wenigstens fragwürdig geworden". (Th. Lorenzmeier, Zum Logion Mt. 12,28; Lk. 11,20, In: Festschrift für Herbert Braun, Tübingen 1973, S.301). (Lorenzmeier zitiert dazu in den Anmerkungen einige seiner Wissenschafts-Kollegen, die dies unterstreichen).

Anton B. hat geschrieben:Sie thematisieren ja auch nichts, "... worauf es nur geistige Antworten geben kann."
Doch - es ist schon ein Unterschied, ob die HKM verwendet wird, wenn es um Quellen-Analyse, Linguistik, zeitgeschichtliche Informationen, etc. geht, oder ob man die geistige Frage stellt, ob Jesus eine "äußere" Naherwartung hatte.

Allenfalls könnte man fragen, ob Urchristen und Schreiber eine "äußere" Naherwartung hatten - das geht, weil man die Texte der Schreiber und unabhängige Quellen zur Zeitgeschichte hat. - Aber was Jesus SELBST erwartet hat, ist pure Spekulation - im Gegenteil: Unter geistigen Gesichtspunkten (Motiv-Forschung AT/NT - Äußerungen Jesu darüber, dass er nicht verstanden wird - etc.) ist es naheliegend, dass Jesus KEINE Naherwartung hatte (wobei man ernsthaft darüber diskutieren könnte, warum Motiv-Forschung AT/NT - Äußerungen Jesu darüber, dass er nicht verstanden wird - etc. nicht auch Teil einer HKM-Forschung sein sollten.

Anton B. hat geschrieben:Geht es Dir darum, was VOR und NACH dem Forschungsstand passiert? Wo und durch wen?
Nicht nach dem Forschungs-STAND, sondern vor und nach der eigentlichen wissenschaftlichen Arbeit (die - zum 100sten Mal - überhaupt nicht kritisiert oder in Frage gestellt ist).

DAVOR wird definiert, welche Schwerpunkte man legen will - hält man sich bspw. nur am untersuchten Text und dessen Umfeld oder bezieht man bspw. Motiv-Forschung AT/NT oder Äußerungen Jesu darüber, dass er nicht verstanden wird, mit ein. - Es ist eine Entscheidung DAVOR, was man für seine wissenschaftliche Arbeit als relevant oder irrelevant verstehen will.

DANACH wird interpretiert - und da wird ein Agnostiker/Atheist ganz sicher anders interpretieren als ein Christ. - NICHT, weil der Agnostiker/Atheist frei von Dogmen ist und der Christ nicht, sondern weil die jeweilige Weltanschauung zu anderen Ergebnissen aus den wissenschaftliche erarbeiteten Daten kommt.

Anton B. hat geschrieben:Einmal sagst Du, es ist wissenschaftlich, dann kommst Du mit Beeinflussungen aus Weltbildern.
Die pure HKM-Arbeit ist wissenschaftlich - das DAVOR und DANACH ist weltanschaulich. - Am Ende kommt eine wissenschaftlich gestützte weltanschauliche Aussage heraus.

Anton B. hat geschrieben:Er schaut ja erst gar nicht in wissenschaftliche, zusammenfassende Werkchen, wie z.B. Lehrbücher, rein.
Theissen/März sind sogar Standard-Bücher für Theologie-Examina - und spiegeln gleichzeitig nichts anderes als den gerade vorherrschenden Wind in den theologischen Fakultäten. - Meines Wissens hat Ratzinger als Papst da eine Kehrtwende gemacht - also wird demnächst ein anderer Wind vorherrschen. - Beides ohne Wertung.

Oder meinst Du wieder methodische Lehrbücher? - Dann sage ich Dir erneut, dass es nicht um die Methodik an sich geht, sondern wodurch sie eingerahmt werden ("vorher" - "nachher"). - Du darfst davon ausgehen, dass sowohl agnostische als auch christliche Exegeten gleichermaßen mit der HKM vertraut sind - DAS ist nicht das Problem. - Und genau das scheinst Du partout nicht einsehen zu wollen - Du versuchst das Problem INNERHALB der Wissenschaft zu lösen. - Da gibt's aber nichts zu lösen, weil (streng!!) innerhalb der Wissenschaft nichts schief läuft.

Anton B. hat geschrieben:die nun eher auf sein Qualifikationsniveau zugeschnitten sind
Leider ja - ich wäre auch gerne mal mainstream-gefällig. - Man kann sich's aber nicht raussuchen.

Anton B. hat geschrieben:Unter diesen Umständen fallen Deine Anwürfe von "Präjudizierung", "Dogmatismus", "Weltbild" usw. ziemlich direkt auf Dich zurück.
Es fällt auf JEDEN zurück - es gibt keine geistige Fragestellung, die nicht mit dem Geist dessen zu tun hat, der sich damit beschäftigt.

Natürlich versuche ich, biblische Texte christlich zu verstehen - meistens klappt's. - Aber ich WEISS, dass ich weltanschaulich "belastet" reingehe. - Die wissenschaftliche Konsens-Truppe ist EBENFALLS weltanschaulich "belastet" - ob sie verschweigt, es zu wissen, oder es wirklich nicht erkennt, weiss ich nicht. - Letzteres könnte leider möglich sein.



Nebenbei: Die emeritierte Theologieprofessorin Eta Linnemann (Leer) hat übrigens zur Abkehr von der historisch-kritischen Bibelauslegung aufgerufen. Diese Arbeitsweise sei außerhalb der Theologie längst aufgegeben worden, weil sie sich nicht als sachgemäß erwiesen habe. "Kein Althistoriker oder Altphilologe würde heute noch mit den ihm vorliegenden Texten in der Weise umgehen". - Sie selbst hat sich bereits 1978 von dieser Art der Bibelauslegung abgekehrt.

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#650 Re: Historische Textkritik- Was bleibt am Ende des Tages?

Beitrag von closs » Fr 31. Jul 2015, 21:49

sven23 hat geschrieben:Und da hat sich in der neutestamentlichen Forschung die Naherwartung durch Jesus mehrheitlich als die am besten begründbare heraus kristallisiert.
Für eine Zeit - man denkt heute viel differenzierter. - Nichtsdestoweniger: "Deine" Version ist durchaus begründbar.

sven23 hat geschrieben:Das ist State of the art.
Das ist keine qualitative Aussage. - Im übrigen spricht viel dafür, dass dieser State of Art schon längst überholt ist (auch das ist ausdrücklich keine qualitative Aussage).

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