Parusieverzögerung II

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Anton B.
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#761 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Anton B. » Sa 30. Mai 2015, 15:40

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Schade nur, dass Du die historisch-kritische Methode nicht verstehst.
Wir haben relativ wenig historisch-kritisch gearbeitet, das stimmt (mehr textkritisch) - aber eines ist uns NIE passiert: Dass wir aus einem Text der 2. Hälfte des 19. Jh. ÜBER Goethe eine Tatsachen-Aussage über Goethe abgeleitet haben - und genau dieser Anschein wird hier erweckt. Dafür hätte es die Höchstrafe gegeben. - Bei uns hätte es NICHT geheißen "Goethe WAR ein Chauvinist", sondern "Goethe war aus Sicht der 2. Hälfte des 19. Jh. ein Chauvinist.
Bitte schaue Dir die Methode doch erstmal an, bevor Du ein Urteil triffst. Du urteilst nach eigenem Vorstellungsvermögen, hast aber die Hausaufgaben nicht gemacht.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Erstmal ordentliche Positionsidentifizierung und -zuweisung, dann Betrachtung und Auseinandersetzung mit der Position.
NEIN - erst einmal eine eigene Position aufgrund der vorliegenden Quellen (das wären hier die Textstellen sowie die Bibel als Kontext-Geber). Danach kann man sich immer noch korrigieren, wenn man etwas übersehen hat.
Du hast den aktuellen Forschungsstand übersehen. Aber Du korrigierst Dich nicht, sondern argumentierst auf Deinem Kenntnistand beruhend immer weiter.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: Aber diskutieren geht immer.
Ja - über Inhalte - und nicht nur über Positionen anderer. - Wie willst Du ein Gefühl für Inhalte bekommen, wenn Du Dir dieses Gefühl durch Konnotationen Dritter von vorneherein versaust?
Lieber closs! Mir fehlen alle vernünftigen Mittel, um auch nur annähernd in die Reichweite der "Profesionellen" zu kommen. Ich maße mir an, aus Lehrbüchern einen gewissen Forschungsstand zu identifizieren. Das hat aber -- gelinde gesagt -- schon einiges an Anmaßung an sich und da liegt schon ein massives Risiko und eine enorme Gefahr darin.

Die Aufforderung, einfach mal so den Text wissenschaftlich zu interpretieren, stelle ich mit Erwins Vorhaben, im Urlaub per flotter Inaugenscheinnahme nordfranzösischer Küstenkliffs zu fundierten geologischen Aussagen zu kommen, auf eine Stufe.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:In etwa so, wie die Wissenschaften den Fall simulieren, zu welchen Ergebnissen man unter wissenschaftlichen Bedingungen kommen kann?
Verstehe Dich nicht ganz. - Nochmal: Ich halte es für möglich, dass man die Bibel so untersucht, als bestünden sie aus historischen Texten, UND dass man weiterhin den Text-Erstellern aus methodischen Gründen Glaubwürdigkeit zugesteht. - Und dann kann man gucken, was dabei rauskommt. - Das meine ich mit "Simulieren" - also Ausprobieren eines spezifischen methodischen Ansatzes.
Also erstmal WERDEN die Texte als historisch überlieferte Texte betrachtet. Den Texterstellern -- und das solltest Du nachlesen -- wird aber gerade keine Glaubwürdigkeit zugestanden. Und wenn es über einen dargestellten Vorgang auch nur eine Quelle gäbe, könnte unter Umständen durch Ausspielen von einzelnen Textpartikeln gegeneinander doch Wissen generiert werden. Bitte diskutiere nicht, sondern informiere Dich doch bitte über die Methode.

Wir werden nicht zu einer vernünftigen Kommunikation und Diskussion fähig sein, wenn Du mit eigenen Vorstellungen hinter ansonsten relativ fest besetzten Begriffen operierst. Deshalb nochmal: Positionen identifizieren und zuweisen! Die Alternative: Laienspielschar im allerschlechtesten Sinne des Wortes.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:bevor Du aufgrund Deines eigenen Vorstellungsvermögens die Methode auf was bestimmtes festnagelst.
Moment - jetzt drehst Du's auf den Kopf: Festnageln tun die Naherwartungs-Verfechter, indem sie den Eindruck erwecken, die Aussage "Jesus hatte selbst eine Naherwartung" gleichsam als wissenschaftliche Tatsachen-Feststellung erscheinen lassen - als hätte der Jesus, den wir treffen würden, wenn wir uns 2000 Jahre zurück-beamen ließen, sicher eine eigene Naherwartung gehabt. - DAS nenne ich Festnageln.
Gebe ich Dir völlig recht. Nur sagt "die Wissenschaft" eben auch, warum und wie und unter welchen Bedingungen sie das festnagelt. Und wenn den wissenschaftlichen Prinzipien entsprechend ein solches Bild entwickelt und darüber ein Konsens im wissenschaftlichen Kontext hergestellt werden kann, ja, dann nennen wir es Wissen. Du als Laie magst es als Tatsache genau so nehmen wie anderes wissenschaftliches Wissen auch oder nicht. "Die Wissenschaftler" wiederum nehmen es sicherlich nicht als Tatsache, sondern als irgendwie bewährtes Modell, das aber weiterhin in Frage gestellt und bearbeitet werden darf.

closs hat geschrieben:Meine Position ist da viel offener:
1) Die äußere Naherwartung Jesu ist bei entsprechender wissenschaftlicher Perspektive und Interpretation bibel-textlich belegbar.
2) Die äußere Naherwartung Jesu ist bei anderer wissenschaftlicher Perspektive und Interpretation bibel-textlich widerlegbar.

Anton B. hat geschrieben: Danach erst kannst Du die Aussagen zur Naherwartung aus dem historisch-kritischen Kontext auch in Beziehung zu Glaubensausprägungen setzen.
Wenn wir uns darauf einigen könnten, dass sich eine belastbare historisch-kritische Aussage nur auf den Text, DESSEN Zeit und DESSEN Verfasser beziehen kann, ist dieses Problem eh gelöst.
Du kannst Deine Position ja gerne den Theologen und Historikern vorstellen. Manchmal muss ein neuer Wind durch alte Hallen wehen. Mir kommt es allerdings vor, als wenn das Problem bestenfalls durch mangelnde Vorstellungskraft und mangelnden Bildungswillen durch den closs schriftlich innerhalb einer Meinungsäußerung im 4jesus.de-Forum gelöst wäre.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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sven23
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#762 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von sven23 » Sa 30. Mai 2015, 15:58

closs hat geschrieben:Was ist denn DAS für eine Logik?

Das ist clossche Logik, denn der hat selber geschieben:
"Welchen Sinn macht das überhaupt, ein inwendiges Reich für "weniger als eine Generation" zu verkünden? - So lange könnte man sich auch gedulden."
Weiß hat das aber schon lange vor dir erkannt. Seine Argumentation kannst du selber nachlesen in:
"Die Predigt Jesu vom Reiche Gottes" von Johannes Weiß

closs hat geschrieben: - "Rembrandt malte dieses Bild im Jahr 1650. Wie hieß der Maler dieses Bildes? - Forschungen zeigen, dass es Rembrandt war". :o
So selbstverständlich ist das gar nicht. Die Forschung hat gezeigt, daß viele Bilder aus der Werkstatt Rembrandts nicht von ihm selbst, sondern von seinen Schülern gemalt wurden, wie das damals üblich war. Die künstlerische Leitung hatte aber immer noch der Meister selber.

closs hat geschrieben: Das "inwendige Reich Gottes" hat doch nichts mit Selbsterlösung zu tun. :o
Im Thomasevangelium hat es aber diese gnostische Komponente. Deshalb wurde es ja nicht in den Kanon aufgenommen, du verstehst?

closs hat geschrieben: Richtig! - Aber wer sagt denn, dass sie die Naherwartung durch Jesus relativiert haben? - Es kann doch genauso die falsche Jesus-Rezeption gewesen sein (wovon ich persönlich im AT-NT-Kontext überzeugt bin).
Weil an keiner einzigen Stelle gesagt wird- auch nicht in den nachträglichen Fälschungen-, daß es eine Falschmeldung war, daß Jesus die Naherwartung verkündete. Im Gegenteil wird nochmal selbst in der Fälschung die Naherwartung bestätigt, um sie dann relativieren zu können.
Auch dein Kardinal Kaspar streitet die Naherwartung durch Jesus nicht ab, er verkleidet sie mit "Verheißungsüberschuss".
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Savonlinna
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#763 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Savonlinna » Sa 30. Mai 2015, 16:16

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Angenommen nur mal, "Gott" offenbare sich in der Art jeglicher Wahrnehmung. Dann wärest Du ein permanenter Gottesleugner, weil Du die Wahrnehmung kategorial von Gott unterscheidest.
Sehe ich genau umgekehrt: WEIL ich MEINE "Wahrnehmung von Gott" von "Gott selbst" unterscheide, kann ich Gott überhaupt als Mensch gerecht werden - denn sonst wäre Gott nicht mehr als meine Wahrnehmung - das wäre Blasphemie pur. - Das ist genau das Thema in Buch "Hiob".
Der Unterschied zwischen uns ist wahrscheinlich, dass ich mich mehr am philosphischen Denken orientiere, während Du einer Religion gerecht werden musst oder willst.
Du willst "Gott" gerecht werden und siehst nicht, dass Du da wieder Deine eigenen Vorstellungen benutzt.
Beim Philosophieren geht das nicht, wie Du es machst.
Du arbeitest nicht sauber mit Deinen Prämissen - und damit komme ich nicht zurecht.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich bin da sehr viel mehr auf der Seite von Hegel, wo die These in der Synthese "bewahrt" und gewürdigt wird: als notwendige Stufe, deren Extrakt wertvoll und aufbewahrenswert ist, auch wenn die Stufe überwunden ist. Nichts war umsonst, alles ist - und bleibt - Teil der Erkenntnis.
Da sind wir uns wieder einig. - Jede gott-"gefällige" Handlung des Menschen ist aufhebbar ("bewahrt") in Gott. - "Erlösung" im christlichen Sinne ist die "Aufhebbar-Machung" des Menschen in Gott.
Du stimmst mir zu, indem Du erst meine Aussage verändern musst. Ich sprach nicht von "Jede gott-"gefällige" Handlung des Menschen", sondern von "Nichts war umsonst, alles ist - und bleibt - Teil der Erkenntnis."
Wir sind uns da eben nicht einig. Ich kann mit einem Gottesbild nichts anfangen, in dem "gottgefällig" und "nicht-gottgefällig" unterschieden wird.
Wo soll denn der Maßstab sein, was Gott gefällt und was nicht - außer in Deiner persönlichen Entscheidung für einen Maßstab?

closs hat geschrieben:Ich rätsele, warum Du einerseits "Gott" und "Wahrnehmung von Gott" kategorial NICHT getrennt haben willst, gleichzeitig aber zwischen "These" und "Synthese" unterscheidest.
Hegels Anwendung der Dialektik ist eine echte Alternative zu dem, was Du schreibst.
Für möglich halte ich nach wie vor, dass Du Dich eines streng-rationalen Gebäudes bedienst, aber das Gegenteil meinst.
Aber ganz ganz wirklich halte ich das auch wieder nicht für möglich, dass man dermaßen dualistisch schreibt und in Wirklichkeit dialektisch denkt.
Denn was Hegel ausmacht - das Werden, die Entwicklung -, das hast Du verbal immer strikt abgelehnt.
Allerdings bin ich auch kein Hegelianer. Aber mein Denken ist dialektisch.
Öhm, ich hoffe, das war jetzt eine Form von Erklärung bezüglich Deines "Ich rätsele".

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Das sind bereits inhaltliche Aussagen, die Du als Realität dargestellt hast, und zwar mit diesem negativem Unterton.
Stimmt - ich habe versucht, mit den Begriffen "Ego" und "Selbst" die positiven und negativen Apsekte des Ichs zu benennen.
Das "Ich" ist also für Dich nicht identisch mit dem Ego?
Falls ja, wäre das endlich mal eine Brücke.
Bisher dachte ich, Du meinst: das Ich muss sich als Irrtum erkennen, sonst könne man nicht Gott erkennen - bzw. muss hinter die Ich-Bildung wieder zurück zum Universalen - also wieder bewusstlos werden.

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: und damit Heidegger und Hegel grundlegend verfälscht
Begriffs-Aufnahmen und folgende Begriffs-Veränderungen gibt es ständig in der Geistes-Geschichte - das halte ich nicht für unredlich.
Na ja - dann wird die Ideologiekritik nie aussterben, wenn man meint, hier im Forum unter historisch-kritischer Forschung etwas zu verkaufen, was ihr nicht zugehört, oder als Heidegger und Hegel etwas zu verkaufen, was ihnen nicht zugehört.
Da gehöre ich wohl doch noch zum altmodischen Stamm, der sowas als Verfälschung ansieht.
Weiterdenken - ja, natürlich. Selbstverständlich. Aber dem Forum erzählen, dass man was von Philosoph X erzählt, aber nur die eigenen Ideen im Namen von Philsoph X verkauft - nicht mit mir. ;)
Und ich frage mich, wer das akzeptieren würde.
Du selber ja auch nicht, wenn Du nicht hinnehmen willst, dass man im Namen der historisch-kritischen Forschung Sachen sagt, die eine wissenschaftliche Forschung nie sagen würde.

Ich bin darum für saubere Trennung, zumindest für ein Bemühen darum.

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sven23
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#764 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von sven23 » Sa 30. Mai 2015, 16:20

closs hat geschrieben: Meine Position ist da viel offener:
1) Die äußere Naherwartung Jesu ist bei entsprechender wissenschaftlicher Perspektive und Interpretation bibel-textlich belegbar.
2) Die äußere Naherwartung Jesu ist bei anderer wissenschaftlicher Perspektive und Interpretation bibel-textlich widerlegbar.
Damit hast du sehr schön dargelegt, wie beliebig closssche "Theologie" ist.
Und genau deshalb arbeitet man in der historisch-kritischen Methode so eben nicht.
Nochmal zur Erinnerung:
https://www.uni-due.de/EvangelischeTheo ... hode.shtml

Aber deine Ausführungen zeigen mir, daß du sie weder gelesen, geschweige denn verinnerlicht hast.

Johannes Weiß war da Ende des 19. Jahrhunderts schon wesentlich weiter. Er erkannte nämlich:
"Für den theologischen Historiker gelten dieselben Grundsätze wie für den profanen"
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#765 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von closs » Sa 30. Mai 2015, 16:33

Anton B. hat geschrieben:Bitte schaue Dir die Methode doch erstmal an, bevor Du ein Urteil triffst.
Merkst Du eigentlich, dass Du ungern inhaltlich einsteigst und lieber auf Sekundär-Literatur verweist?

Also konkret: War die uns in der Uni angedrohte "Höchstrafe" bei historisch-kritischer Arbeit berechtigt oder nicht?

Anton B. hat geschrieben:Du hast den aktuellen Forschungsstand übersehen.
Und schon wieder gehst Du nicht auf Inhalte ein: Lehnst Du den Weg ab, erst einmal eine eigene Position aufgrund der vorliegenden Quellen (das wären hier die Textstellen sowie die Bibel als Kontext-Geber) zu erarbeiten?

Anton B. hat geschrieben:Du hast den aktuellen Forschungsstand übersehen.
Der kommt danach. - Wenn man wissenschaftlich arbeitet, wird man diesen durchgängig analysieren und feststellen, wo man eventuell selber Denkfehler gemacht hat - oder wo die aktuelle Forschung eventuell Denkfehler gemacht hat. - Oder nicht?

Anton B. hat geschrieben: Mir fehlen alle vernünftigen Mittel, um auch nur annähernd in die Reichweite der "Professionellen" zu kommen.
Sei nicht so bescheiden. - Bedenke: Bei den philologischen Forschungen spielen Denkweisen und Moden der jeweiligen Zeit eine größere Rolle als bei den Naturwissenschaften.

Russische und amerikanische Geologen konnten in Zeiten des Kalten Kriegs problemlos zusammenarbeiten, weil Gesteins-Formationen nicht ideologisch konnotierbar sind. - Bei Philologie ist das ganz anders. - Du irrst, wenn historisch-kritische Wissenschaft einen objektiven Faktenstatus zur Folge haben könnte, wie dies in Naturwissenschaften gang und gäbe ist.

Deshalb ist die vorrangige Beschäftigung mit Primär-Literatur (hier: die Literatur, die Forschungs-Gegenstand ist) unabdingbar - ansonsten weiss man nicht, wie und wo man von wissenschaftlichen Aussagen manipuliert wird und wo nicht. - Das gilt NICHT für objektivierbare Dinge wie "Alter eines Manuskripts", etc. - es gilt sehr wohl für Lese-Weisen eines Textes.

Konkret: Die heute in der historisch-kritischen Sparte der Theologie (möglicherweise) überwiegende Meinung, Jesus habe selbst eine Naherwartung gehabt, ist kein objektiv wissenschaftliches Ergebnis, wie Du es aus geologischen Studien kennst - es ist vielmehr EINE wissenschaftlich belegbare Interpretation.

Anton B. hat geschrieben: Den Texterstellern -- und das solltest Du nachlesen -- wird aber gerade keine Glaubwürdigkeit zugestanden.
Muss ich nicht - ich wollte es von Dir hören. - Denn genau DAS ist eine Grundlage text-kritischer Arbeit - die aber bei diesem Thema hier keine Rolle zu spielen scheint.

Anton B. hat geschrieben:Bitte diskutiere nicht, sondern informiere Dich doch bitte über die Methode.
Du bist da echt auf dem falschen Dampfer: Ich bin zwar wahrhaft kein Meister dieses Fachs - aber immerhin habe ich darin einige Jahre gearbeitet. - Und genau DESHALB bin ich erschrocken, auf welche Weise Meinungen ("Jesus HATTE eine Naherwartung") als historisch-kritische Tatsachen verkauft werden sollen.

Anton B. hat geschrieben:Du kannst Deine Position ja gerne den Theologen und Historikern vorstellen.
Kalter Kaffee - nichts anderes höre ich, wenn ich mit Theologen spreche.

Anton B. hat geschrieben:Nur sagt "die Wissenschaft" eben auch, warum und wie und unter welchen Bedingungen sie das festnagelt.
Natürlich tut sie das. - Sie sagt aber nicht, dass sie damit ihre Perspektive festnagelt und dies nur EINE Perspektive ist.

Meinst Du wirklich, ein sauberes Abarbeiten von Methodik berechtigt einen dazu, festzunageln, was Tatsache zu sein hat?

In der Theologie wird im Großen und Ganzen über "Naherwartung Jesu" gar nicht mehr diskutiert (über "Naherwartung Urchristen" schon), weil sie substantiell als haltlos abgehakt ist. - Natürlich weiss man trotzdem, dass man bei entsprechender methodischer Herangehensweise eine "Naherwartung Jesu" interpretieren kann - aber man sieht dies als Beispiel für eine Überdehnung historisch-kritischer Interpretations-Spielräume.

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Münek
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#766 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Münek » Sa 30. Mai 2015, 16:40

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: Danach erst kannst Du die Aussagen zur Naherwartung aus dem historisch-kritischen Kontext auch in Beziehung zu Glaubensausprägungen setzen.
Wenn wir uns darauf einigen könnten, dass sich eine belastbare historisch-kritische Aussage nur auf den Text, DESSEN Zeit und DESSEN Verfasser beziehen kann, ist dieses Problem eh gelöst.

Nichts anderes macht die neutestamentliche wissenschaftliche Forschung.

Anton B. hat recht. Du hast die historisch-kritische Methode schlicht nicht verstanden, unterstellst ihr
dennoch eine Denk- und Vorgehensweise, die völlig aus der Luft gegriffen ist. Ich kann da nur mit dem
Kopf schütteln.

Du erweckst bei mir den Eindruck, "unbedingt DEIN Ding durchziehen zu wollen" - koste es, was es wolle...

closs
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#767 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von closs » Sa 30. Mai 2015, 17:04

sven23 hat geschrieben:Weil an keiner einzigen Stelle gesagt wird- auch nicht in den nachträglichen Fälschungen-, daß es eine Falschmeldung war, daß Jesus die Naherwartung verkündete
Wie sollte das geschehen? - Jesus hat es doch (zumindest nach meiner Überzeugung) WIRKLICH gesagt - es wurde aber äußerlich verstanden. - Es ist doch keine Falschmeldung - wieso sollte man dementieren???.

Der Denkfehler steckt (wie meistens) doch ganz am Anfang. - Du steigst danach ein. - Wenn das die historisch-kritische Forschung auch täte (ich schreibe hoffnungsvoll im Potentialis), wäre es ein GAU.

sven23 hat geschrieben:So selbstverständlich ist das gar nicht.
Aha - plötzlich denkt man historisch-kritisch - gut so.

sven23 hat geschrieben:Im Thomasevangelium hat es aber diese gnostische Komponente.
Ja und? - Was hat das mit unserer Frage zu tun?

sven23 hat geschrieben:Auch dein Kardinal Kaspar streitet die Naherwartung durch Jesus nicht ab, er verkleidet sie mit "Verheißungsüberschuss".
Wenn man es so isoliert stehen lässt, ist dies aus meiner Sicht eine Fehlleistung. - Sachlich nicht erklärbar.

sven23 hat geschrieben:Damit hast du sehr schön dargelegt, wie beliebig closssche "Theologie" ist.
Nee - wie relativ theologische Aussagen sind - das ist meine Aussage.

sven23 hat geschrieben:Nochmal zur Erinnerung
Merkst Du nicht, dass da möglicherweise auch das Problem dieser Diskussion liegt? - Beispiel:

"Seit der Aufklärung hat sich die Auffassung herausgebildet, dass wir denjenigen Sinn eines Textes herausarbeiten müssen, den der/die Autor/in im historischen Ursprungs-Kontext zum Ausdruck gebracht hat, und nicht den, den spätere Leserschaften ihm zuerkannt haben oder zuerkennen. Diese Herangehensweise macht die historisch-kritische Methode aus".

Lies das mal genau.

Das spätere Deutungen nicht der Maßstab sein dürfen, sondern der Text selbst, ist klar. - Aber was hier NICHT steht, ist, dass dies umgekehrt auch nicht für die Zeit gilt, über die dieser Text schreibt. Es steht also nicht drin, dass der Sinn des Textes ausschließlich aus dem Text selbst, dessen Zeit und dessen Autor interpretiert werden darf.

So aber - und das ist mein Verdacht seit langem - wird der Eindruck erweckt, dass der Sinn des behandelten Textes als Maßstab für das gelten sollte, was er beschreibt - was natürlich grottenfalsch ist. - Also wenn DA einer drauf reinfällt und das auch noch Wissenschaft nennt, dann gute Nacht.

Falls das jetzt zu allgemein war, nochmal konkret:
Der Schreiber/der Text lassen erkennen, dass man zur Zeit der Verfassung dieses Textes gemeint hat, Jesus habe selbst eine Naherwartung gehabt. Das kann man in der Tat historisch-kritisch herausarbeiten - und dem stimme ich ausdrücklich zu.

Das heisst aber auch: Die Tatsache, dass man zur Zeit der Verfassung dieses Textes gemeint hat, Jesus habe selbst eine Naherwartung gehabt, sagt über den wirklichen Jesus wissenschaftlich NICHTS aus - allenfalls kann man mutmaßen, dass der Text mit Jesu eigener Haltung übereinstimmt - und dann interpretiert man halt dementsprechend.

Der "wirkliche" Jesus ist DER Jesus, den wir antreffen würden, wenn wir uns heute 2000 Jahre zurück-beamen lassen würden. Nur dieser Jesus ist der reale Jesus. - Diesen realen Jesus haben wir nicht zur Verfügung - das müsste IMMER dazugesagt werden.

Also versucht man, Jesus unter verschiedenen Perspektiven wissenschaftlich zu ermitteln. - Egal, was man ermittelt: Es ist immer eine Projektion der Forscher-Perspektive, die man als solche verteidigen kann - aber man spricht dann nicht über Jesus, sondern über seine eigene Perspektive.

Insofern halte ich es für wissenschaftlich unsäglich, als Quasi-Tatsache hinzuwerfen: "Der reale Jesus hatte eine Naherwartung". - Richtig wäre: "Nach unseren Regeln erscheint Jesus als jemand, welcher eine Naherwartung hatte (ob's wirklich so war, wissen wir nicht)". - Ist das so schwer zu begreifen?

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#768 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von closs » Sa 30. Mai 2015, 17:10

Münek hat geschrieben:Nichts anderes macht die neutestamentliche wissenschaftliche Forschung.
Warum wird sie dann so dargestellt, als würde sie genau das Gegenteil machen?

Warum werden Historisch-Kritische so zitiert, als habe die Aussage "Jesus hatte eine eigene Naherwartung" gleichsam Tatsachen-Rang? - Statt zu sagen: "Der Verfasser des Textes erscheint als jemand, der glaubt, dass Jesus selbst eine Naherwartung hatte" ----????---

Warum wird unter dem Etikett der Wissenschaftlichkeit der Eindruck erweckt, der Textverfasser berichte authentisch in Bezug auf Jesu eigener Haltung? - Wo es doch x Bibelstellen gibt, die nahelegen, dass er eben dieses NICHT tut?

Ist DAS historisch-kritische Wissenschaft? - Ich glaube nein.

Anton B.
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#769 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Anton B. » Sa 30. Mai 2015, 17:12

closs hat geschrieben:Merkst Du eigentlich, dass Du ungern inhaltlich einsteigst und lieber auf Sekundär-Literatur verweist?
[...]
Und schon wieder gehst Du nicht auf Inhalte ein: Lehnst Du den Weg ab, erst einmal eine eigene Position aufgrund der vorliegenden Quellen (das wären hier die Textstellen sowie die Bibel als Kontext-Geber) zu erarbeiten?
Sicher doch, weil:

Anton B. hat geschrieben: Mir fehlen alle vernünftigen Mittel, um auch nur annähernd in die Reichweite der "Professionellen" zu kommen.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: Mir fehlen alle vernünftigen Mittel, um auch nur annähernd in die Reichweite der "Professionellen" zu kommen.
Sei nicht so bescheiden. - Bedenke: Bei den philologischen Forschungen spielen Denkweisen und Moden der jeweiligen Zeit eine größere Rolle als bei den Naturwissenschaften.
Du magst es Bescheidenheit nennen. Ich nenne das Gegenteil, nämlich Anton B. steigt in die wissenschaftliche Exegese und die Rekonstruktion des "historischen Jesus" ein, einfach nur Hybris.

closs hat geschrieben:Russische und amerikanische Geologen konnten in Zeiten des Kalten Kriegs problemlos zusammenarbeiten, weil Gesteins-Formationen nicht ideologisch konnotierbar sind. - Bei Philologie ist das ganz anders. - Du irrst, wenn historisch-kritische Wissenschaft einen objektiven Faktenstatus zur Folge haben könnte, wie dies in Naturwissenschaften gang und gäbe ist.
Alles ist ideologisch konnotierbar. Da macht die Geologie (Kreationismus) keine Ausnahme. Außerdem hatte der Ostblock -- insbesondere die Sowjetunion -- schon so manches geologisches Sondergut.

closs hat geschrieben:Deshalb ist die vorrangige Beschäftigung mit Primär-Literatur (hier: die Literatur, die Forschungs-Gegenstand ist) unabdingbar - ansonsten weiss man nicht, wie und wo man von wissenschaftlichen Aussagen manipuliert wird und wo nicht. - Das gilt NICHT für objektivierbare Dinge wie "Alter eines Manuskripts", etc. - es gilt sehr wohl für Lese-Weisen eines Textes.
Und das machst Du und kommst dann zu "closs'schem Wissen". Erwin macht das auch und kommt zu - na, ja, was auch immer.

closs hat geschrieben:Konkret: Die heute in der historisch-kritischen Sparte der Theologie (möglicherweise) überwiegende Meinung, Jesus habe selbst eine Naherwartung gehabt, ist kein objektiv wissenschaftliches Ergebnis, wie Du es aus geologischen Studien kennst - es ist vielmehr EINE wissenschaftlich belegbare Interpretation.
Nur wird in der Literatur von "Konsens" gesprochen. Die genannten Wiki-Artikel z.B. zitieren Konsens.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben: Den Texterstellern -- und das solltest Du nachlesen -- wird aber gerade keine Glaubwürdigkeit zugestanden.
Muss ich nicht - ich wollte es von Dir hören. - Denn genau DAS ist eine Grundlage text-kritischer Arbeit - die aber bei diesem Thema hier keine Rolle zu spielen scheint.
Komisch. Merz & Theißen sagen, dass das "Abstreifen" der Absicht und Meinung des Autors als auch der nachträglichen Redaktionen für diese Methodik ganz essentiell ist. Aber Du wirst es wohl besser wissen.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Bitte diskutiere nicht, sondern informiere Dich doch bitte über die Methode.
Du bist da echt auf dem falschen Dampfer: Ich bin zwar wahrhaft kein Meister dieses Fachs - aber immerhin habe ich darin einige Jahre gearbeitet. - Und genau DESHALB bin ich erschrocken, auf welche Weise Meinungen ("Jesus HATTE eine Naherwartung") als historisch-kritische Tatsachen verkauft werden sollen.
Die Zeit geht halt voran, aber nicht jeder geht mit. Und statt "Tatsachen", um da mal ganz vorsichtig zu sein, sollten wir vielleicht von einem weitgehenden Konsens in der Forschungsgilde sprechen. Denn so wie es aussieht, hast Du genau damit die allergrößten Schwierigkeiten.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Nur sagt "die Wissenschaft" eben auch, warum und wie und unter welchen Bedingungen sie das festnagelt.
Natürlich tut sie das. - Sie sagt aber nicht, dass sie damit ihre Perspektive festnagelt und dies nur EINE Perspektive ist.
Wenn etwas wissenschaftlich erarbeitet ist, dann ist es Produkt der wissenschaftlichen Methodik. Wenn Du darüber nachdenkst, ist es nicht schwer zu verstehen. Genauso ist der "historische Jesus" Produkt der historisch-kritischen Methode. Wo ist das Problem?

closs hat geschrieben:Meinst Du wirklich, ein sauberes Abarbeiten von Methodik berechtigt einen dazu, festzunageln, was Tatsache zu sein hat?
Kannst Du Deine "Tatsache", vulgo "Realität", "was der Fall ist" nicht einfach für Dich behalten. Die Wissenschaft jedenfalls ermittelt aufgrund der eigenen Methodik Modelle, begründet sie, und vertritt sie dann als wissenschaftliches Wissen.

closs hat geschrieben:In der Theologie wird im Großen und Ganzen über "Naherwartung Jesu" gar nicht mehr diskutiert (über "Naherwartung Urchristen" schon), weil sie substantiell als haltlos abgehakt ist. - Natürlich weiss man trotzdem, dass man bei entsprechender methodischer Herangehensweise eine "Naherwartung Jesu" interpretieren kann - aber man sieht dies als Beispiel für eine Überdehnung historisch-kritischer Interpretations-Spielräume.
Referenz?
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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Münek
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#770 Re: Parusieverzögerung II

Beitrag von Münek » Sa 30. Mai 2015, 17:22

sven23 hat geschrieben:
Aber deine Ausführungen zeigen mir, daß du sie weder gelesen, geschweige denn verinnerlicht hast.

Johannes Weiß war da Ende des 19. Jahrhunderts schon wesentlich weiter. Er erkannte nämlich:
"Für den theologischen Historiker gelten dieselben Grundsätze wie für den profanen"

Richtig! Und das wird richtigerweise heute nicht anders gesehen.

Zu den Methoden der neutestamentlichen Exegese heißt es u.a. im "Arbeitsbuch zum Neuen Testament"
von Hans Conzelmann/Andreas Lindemann, 14. Auflage, S. 3 u.a.:

"Die biblischen Texte werden methodisch nicht anders behandelt als andere literarische Erzeugnisse,
insbesondere solche der Antike.
"

Kurt scheint stattdessen zu erwarten, die historisch forschenden Theologen hätten bei der Auslegung biblischer Texte zwingend eine "geistige Perspektive einzunehmen". Ich interpretiere dies so, dass die Wissenschaftler auf gar keinem Fall "ihre Glaubensbrille abnehmen dürfen",
wenn sie zur Textanalyse schreiten, um zu "biblisch-korrekten" Ergebnissen zu gelangen.
Zuletzt geändert von Münek am Sa 30. Mai 2015, 17:32, insgesamt 1-mal geändert.

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