closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Entweder Du meinst im biologischen Bereich, dann ist es nur durch die Biologie belegbar.
Das wäre eventuell die epigenetische Variante - aber darüber müssen Biologen nachdenken.
Und ihnen dabei auf die Finger gucken. Es ginge in Richtung Biologismus und würde den Missbrauch von Wissenschaft um nichts weniger vorantreiben als das, was wir hier schon angeschnitten haben.
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Oder Du denkst Dir etwas aus
Der Mensch kann nicht immer unterscheiden, ob er mit seinen Gedanken etwas findet oder erfindet.
Dazu hat der Mensch seinen Verstand! Er kann herausfinden, welche psychischen oder weltanschaulichen Implikationen ihn antreiben, in so einer Richtung überhaupt nachzudenken.
closs hat geschrieben: - Ich schließe nicht aus, dass es bei diesem Gedanken etwas zu finden gibt.
Der Mensch wird finden, wenn er etwas finden will. Wenn ich einem Kind Schuldgedanken eingeben will, dann suche ich in der Bibel, und ich werde etwas finden, womit ich das erreichen kann.
Wenn da keine moralische Selbstkontrolle da ist, wird man sein Kind zerstören.
Hier greift die Wortkombination "Erkenntnis und Interesse".
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Man kann echt viel Unheil anrichten
Auch das - deshalb sollte man damit auch nicht auf den Marktplatz gehen.
Aus Deiner Reaktion merke ich, dass Dir dieses Thema nicht geheuer ist.
"Nicht geheuer" geht in etwa in die richtige Richtung.
Mir ist durch Deine Formulierungen wieder etwas bewusst geworden, was ich durch meine momentane Konzentration auf den "Neuen Atheismus" und dessen weltanschaulichen Implikationen etwas aus dem Auge verloren habe:
die teuflische Fratze des Christentums.
Die ist dem Biologismus ebenbürtig, der die Biologie in eine Fratze verwandelt und ein Machtmittel an die Hand gibt, die Naturwissenschaft dazu zu missbrauchen, ethische Normen nicht nur abzuleiten, sondern auch noch durchsetzen zu wollen.
closs hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Was ist der Sinn dabei?
Das es wahr sein könnte und man nicht weggucken sollte.
"Wahr" ist das, was der Mensch als wahr definiert und wahr macht. Dieser unselige Glaube, dass der Mensch nicht selber dafür verantwortlich ist, was er für wahr halten will, hat höhnische Ergebnisse gezeitigt.
Auf der einen Seite kämpfe ich dafür, dass die Definition von "menschlicher Freiheit" nicht den Biologen und Neurologen überlassen wird und dann ihnen noch am Ende die Möglichkeit gibt, Menschen als Unfreie
zu behandeln, sie also so zurechtzuoperieren, dass sie am Ende das sind, was vorher definiert wurde -
und auf der anderen Seite kommt vom abergläubischsten Christentum der nächste Drachenarm hoch: dass Moralisches vererbbar sein soll.
Es war das primitivste Christentum - in seinen dunkelsten Zeiten -, das die Seelen der Menschen nicht nur vergiften wollte, sondern auch vergiftet hat dadurch, dass man aus der Bibel Normen abgeleitet hat, mit denen man die Menschen in Angst und Schrecken versetzt hat.
Den Teufel gibt es nicht, aber teuflische Bedürfnisse sehr wohl.
Das moderne - evangelische - Christentum, so wie ich es kennengelernt habe, hat sich von solchen magischen Überzeugungen lange verabschiedet. Es stammt aus dem magisch denkenden Heidentum, das es lange mit sich geschleppt hat, teilweise noch immer mit sich schleppt in einzelnen Bereichen - Abendmahl zum Beispiel -, auch in der Dämönenaustreibung noch immer mit sich schleppt, aber zumindest nicht im evangelischen Bereich.
Aber leider ist das Bedürfnis einiger moderner Menschen sehr hoch, an das "Magische" wieder zu glauben und es aus der Bibel herauszuzerren, als sei es eine objektive Wahrheit.
closs hat geschrieben:- Ich habe mich längst von dem Gedanken verabschiedet, dass der Mensch sein Schicksal steuern könnte. - Gestalten an verschiedenen Stellen, ja --insgesamt steuern, nein.
Das kann als Argument nicht gelten, wenn man selber das Schicksal steuern will, indem man Überzeugungen, die in der Bibel nun wiederum aus uralten Zeiten konserviert mitgeschleppt wurden, wieder ans Licht zerrt und sich fragt, ob moralische Flüche oder moralisches Verhalten sich unsichtbar vererben können.
Mir geht da leider die Sprache aus, um genau zu beschreiben, welches Entsetzen mich bei solchen Überlegungen packt.
Dass der Mensch sein Schicksal nicht steuern kann, ist ja klar - ich wüsste nicht, dass das jemand anzweifelt.
Aber daraus zu schließen, dass es wahr sein könnte, dass das Schicksal in dieser ganz bestimmten Weise - Vererbung - funktionieren könnte, ist doch nun gerade der Versuch, dem "Schicksal" seine Wege scheinbar abzutrotzen:
zu sagen: "Ha, ich vermute jetzt, wie das Schicksal funktioniert. Und vielleicht kann das sogar die Biologie nachweisen.'
Dieses Denken ist extrem von der Naturwissenschaft geprägt, indem man versucht, "Gott" in seiner Wirkungsweise materialistisch zu beschreiben.
Und damit Macht zu haben, wie "Gott" Angst und Schrecken in vor allen Kindern zu verbreiten.
Nicht umsonst hat gerade das jüdisch-christliche Denken immer und immer wieder das Götzen-Denken aus seinen Reihen ausschließen wollen, mit dem man das göttliche Wirken konkretisieren und materialisieren wollte, wie in einem Biologiebuch aufzeichnen wollte ->
'Das göttliche Schicksal funktioniert so und so, erstens, zweitens, drittens.'
Man unterstellt da dem "unbegreiflichen Gott" seine persönlichen Begriffe - und für diese persönlichen Begriffe ist der Mensch selber verantwortlich.
Er spielt Schicksal - mit der Vorgabe, er habe ein paar göttliche Schicksalswege erraten - und vollzieht dann diesen "Schicksalswillen".
Ich erinnere an das Theaterstück
"Andorra" von Max Frisch.
Da stellt ein ganzes Dorf fest, dass "das jüdische Kind Andri" - ein Findelkind - typisch "jüdische Verhaltensweisen" hat, wie "starkes Interesse an Geld".
Andri als Heranwachsender überprüft sich und muss zugeben: 'Ich habe ein starkes Interesse an Geld.' Er erkennt alle ihm zugesprochenen jüdischen Merkmale wieder, nimmt sein Jude-Sein an.
Andri wird - als jüdischer Junge - von dem Dorf dann ermordet.
Es stellt sich aber heraus, dass er nie Jude war, er war Kind christlicher Eltern.
Frisch wollte aufzeigen, dass es die Menschen sind, die mit ihren Projektionen auf andere das Schicksal dieser Menschen mitgestalten.