Homöopathie III

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ThomasM
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#721 Re: Homöopathie III

Beitrag von ThomasM » Mo 23. Mär 2015, 17:12

closs hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Das Prinzip der Potenzierung widerlegt sich selbst.
Chemisch gesehen, wohl ja. - Die HP argumentiert aber doch nicht so - sie argumentiert im Sinne energetischer Muster, die um so wirksamer sein können, je "verdünnter" sie sind. - Wie will man so etwas falsifizieren?
Brauchen wir nicht.
Meine Argumentation war auch nicht chemisch, sondern logisch. Und für die allermeisten geisteswissenschaftlichen Disziplinen ist Logik immerhin eine Grundlage.

Wenn HP immer besser wirkt, je "verdünnter das Energiefeld" ist, wirkt es optimal, wenn gar kein Energiefeld vorhanden ist.
Also auch wieder Rückgriff auf Placebo.

Egal mit welchen esoterischen oder geistigen Vorstellungen du das auch immer formulierst. Sobald du ein "je weniger desto besser" formulierst, hats du als zwangsläufige logische Konsequenz das "am besten wenn gar nicht vorhanden".

Gruß
Thomas
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closs
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#722 Re: Homöopathie III

Beitrag von closs » Mo 23. Mär 2015, 17:15

Anton B. hat geschrieben: Es muss irgendwo "Weichenstellungen" gegeben haben, die den Zug der Philosophie dann dahin haben fahren lassen, wo er sich heute gerade befindet.
Korrekt.

Anton B. hat geschrieben:Aber versuche Du erst einmal, den Weg der Metaphysik und Ontologie aus dem Mittelpunkt des philosophischen Geschehens an dessen Rand genau nachzuvollziehen und zu verstehen.
Prinzipiell meine ich, dies hinter mir zu haben. - An welcher Stelle innerhalb der Philosophie es geschehen ist, kann ich im Einzelnen nicht (mehr) nachvollziehen - aber eben im Grundsatz.

Eigentlich fängt es mit dem Universalienstreit an (eigentlich seit Platon): Wiki beschreibt es ganz gut: "In der Philosophie wird seit der Antike eine grundlegende Diskussion darüber geführt, ob man Universalien eine ontologische Existenz beimessen kann oder ob es sich um rein verstandesmäßige Begriffsbildungen handelt. Diese Kontroverse fand in der mittelalterlichen Scholastik einen Höhepunkt und reicht bis in die Gegenwart". - Genau so ist es.

Für beide Systeme gibt es Bücherschränke voll mit Argumenten, die wir uns hier ersparen wollen. - Entscheidend ist: Der sogenannte "Nominalismus" hat sich gegenüber den sogenannten "Realismus" durchgesetzt. - Das hat zur Konsequenz, dass "das, was der Fall ist", ausschließlich aus Sicht der Wahrnehmung beurteilt wird. - Man fragt also NICHT "Was kann sein und/oder was kann unter geistigen Gesichts-Punkten plausiblerweise sein", sondern "Welche Wahrnehmungs-Methoden sind geeignet und wie sind sie zu verfeinern, um das, was der Fall ist, objektiv zu ermitteln".

Dagegen ist zunächst einmal nichts einzuwenden - im Gegenteil: Unter Wahrnehmungs-Gesichtspunkten ist es sogar sehr sinnvoll. - Insofern ist der Eindruck, es gehe um einen Kampf zwischen Wissenschaft und Geist, nicht richtig. - Das Problem entsteht dann, wenn man objektive Wahrnehmung als Maßstab fürs Sein an sich versteht - als wäre das, was der Fall ist, davon abhängig, wie und ob wir es wahrnehmen.

Das philosophische Geschehen des 20. Jh. (und vermutlich noch mehr des 21. Jh) scheint sich nun vollkommen dem Nominalistischen (also nicht der seins-, sondern der wahrnehmungs-orientierter Sicht) verschrieben zu haben. - Und dazu gibt es sicherlich sehr viel zu sagen - insofern sind Deine Buchempfehlungen sicherlich wertvoll. - Aber all dies läuft "innerbetrieblich" innerhalb des nominalistischen Systems ab - also NACHDEM die philosophischen Weichen bereits gestellt sind. - Und weil es sich um ein Danach handelt, sind die Frage davor obsolet - nämlich ontologische und metaphysische Fragen.

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#723 Re: Homöopathie III

Beitrag von closs » Mo 23. Mär 2015, 17:17

ThomasM hat geschrieben:Wenn HP immer besser wirkt, je "verdünnter das Energiefeld" ist, wirkt es optimal, wenn gar kein Energiefeld vorhanden ist.
Nein - 1/n = ungleich 0. - Das wäre ebenfalls logisch.

Wie schon oft gesagt: Mir liegt gar nicht so viel daran, eine HP-Wirkung zu verfechten. - Mir geht es vielmehr darum, wie man erklären kann, dass sich um HP-Ärzte Placebo-Effekt- und Anekdoten-Cluster bilden können. - Wenn mir jemand erklären kann, warum der mehrfach erwähnte Kölner Arzt reihenweise schulmedizinisch aus-therapierte schwere Psychosen heilen konnte, OHNE dass eine HP-Wirkung im Spiel war, ist das ausreichend. - Diese Erklärung müsste berücksichtigen, dass
a) das Ergebnis weit über dem lag, was man unter "Placebo-Effekt" versteht, und
b) das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussagbar war.
Zuletzt geändert von closs am Mo 23. Mär 2015, 17:22, insgesamt 1-mal geändert.

ThomasM
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#724 Re: Homöopathie III

Beitrag von ThomasM » Mo 23. Mär 2015, 17:19

closs hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Wenn HP immer besser wirkt, je "verdünnter das Energiefeld" ist, wirkt es optimal, wenn gar kein Energiefeld vorhanden ist.
Nein - 1/n = ungleich 0.
lim (n-> 00) 1/n = 0
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Anton B.
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#725 Re: Homöopathie III

Beitrag von Anton B. » Mo 23. Mär 2015, 17:24

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Die HP argumentiert aber doch nicht so - sie argumentiert im Sinne energetischer Muster, die um so wirksamer sein können, je "verdünnter" sie sind. - Wie will man so etwas falsifizieren?
Das muss man nicht falsifizieren.
Also ich finde, der closs ist da auf genau dem richtigen Wege, wenn wir uns wissenschaftlich mit "seinem Phänomen" beschäftigen wollen.

Er braucht ein wissenschaftliches Modell! Das bietet er ungefähr wie folgt an:

Es gibt energetische Muster, die umso wirksamer sein können, je "verdünnter" sie sind.

Es handelt sich wohl nicht um das komplexeste Modell. Damit es "wissenschaftlich" sein kann, muss es potentiell falsifizierbar sein. Gut, dass es der closs erkannt hat. Und natürlich liegt hier auch (auch das hat er erkannt) der Fallstrick.

Es ist nicht gesagt, welche "energetischen Muster" genau gemeint sind und "können" heißt ja wohl: es kann auch nicht sein. Das heißt: auch alle Beobachtungen, die keine "Wirksamkeit" zeigen -- und seien ausschließlich solche Beobachtungen gemacht worden -- bestätigen dieses Modell!. Eine Falsifizierung ist gar nicht vorstellbar bzw. in den Möglichkeiten gar nicht vorgesehen.

Da komme ich natürlich auf dasselbe Endergebnis wie Pluto (Reine Behauptung), aber closs hat den für sich bisher besten Zugang zu der Thematik gefunden.

Und das muss auch honoriert werden!
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#726 Re: Homöopathie III

Beitrag von closs » Mo 23. Mär 2015, 17:33

ThomasM hat geschrieben:lim (n-> 00) 1/n = 0
Schon - aber dieser Limes ist eine Begrenzung, die nie erreicht wird - es wird niemanden geben, der eine Verdünnung Dunendlich fertigbringen kann.

@Anton
Auch an Dich:
closs hat geschrieben: Mir liegt gar nicht so viel daran, eine HP-Wirkung zu verfechten. - Mir geht es vielmehr darum, wie man erklären kann, dass sich um HP-Ärzte Placebo-Effekt- und Anekdoten-Cluster bilden können. - Wenn mir jemand erklären kann, warum der mehrfach erwähnte Kölner Arzt reihenweise schulmedizinisch aus-therapierte schwere Psychosen heilen konnte, OHNE dass eine HP-Wirkung im Spiel war, ist das ausreichend. - Diese Erklärung müsste berücksichtigen, dass
a) das Ergebnis weit über dem lag, was man unter "Placebo-Effekt" versteht, und
b) das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussagbar war.

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#727 Re: Homöopathie III

Beitrag von Pluto » Mo 23. Mär 2015, 18:13

closs hat geschrieben:@Anton
Auch an Dich:
closs hat geschrieben: Mir liegt gar nicht so viel daran, eine HP-Wirkung zu verfechten. - Mir geht es vielmehr darum, wie man erklären kann, dass sich um HP-Ärzte Placebo-Effekt- und Anekdoten-Cluster bilden können. - Wenn mir jemand erklären kann, warum der mehrfach erwähnte Kölner Arzt reihenweise schulmedizinisch aus-therapierte schwere Psychosen heilen konnte, OHNE dass eine HP-Wirkung im Spiel war, ist das ausreichend. - Diese Erklärung müsste berücksichtigen, dass
a) das Ergebnis weit über dem lag, was man unter "Placebo-Effekt" versteht, und
b) das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussagbar war.
Wie so oft fehlen auch hier die Fakten.

Woher weiss man ob es diesen Kölner Arzt gibt, oder ob er nur eine erfundene Gestalt ist, um die Behauptungen der HP-Befürworter zu untermauern?

Mich interessiert im Moment mehr, wie man die Behauptungen (a) und (b) nachweisen kann. Erst danach kann über Schlussfolgerungen nachgedacht werden.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#728 Re: Homöopathie III

Beitrag von Anton B. » Mo 23. Mär 2015, 18:28

closs hat geschrieben:Mir liegt gar nicht so viel daran, eine HP-Wirkung zu verfechten. - Mir geht es vielmehr darum, wie man erklären kann, dass sich um HP-Ärzte Placebo-Effekt- und Anekdoten-Cluster bilden können.
Nu, ja, aber wenn die HP wirklich funktionierte, wäre dies doch bestimmt eine mögliche Erklärung für Deine Wahrnehmungen.

closs hat geschrieben:Wenn mir jemand erklären kann, warum der mehrfach erwähnte Kölner Arzt reihenweise schulmedizinisch aus-therapierte schwere Psychosen heilen konnte, OHNE dass eine HP-Wirkung im Spiel war, ist das ausreichend. - Diese Erklärung müsste berücksichtigen, dass
a) das Ergebnis weit über dem lag, was man unter "Placebo-Effekt" versteht, und
b) das Ergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit voraussagbar war.
Die Erklärung müsste aber genauso berücksichtigen, wie es bei Individuen zu den Modellbildungen a) und b) kommt. Und viel wichtiger: Sie müsste erklären, warum das Individuum die beiden Modelle nicht hinterfragt, sondern als gegeben voraussetzt.

Eigentlich müsste das Individuum auch etwas über die mangelnde Intersubjektivität, Kohärenz und Stabilität der Beobachtungen, die seine Annahmen stützen sollen, nachdenken. Warum vertraut das Individuun den einen Beobachtungen, weist aber andere ab? Welche Begründung gibt es für die Abweisung.

Ich kann Dir Da keine Erklärung anbieten. Mein Ratschlag ist, Du setzt Dich bewusst mit dem auseinander, was Deiner Annahme "HP wirkt" nicht entspricht. Insbesondere solltest Du Deine naheliegenden "guten" Gründe identifizieren, warum diese Beobachtungen nichts taugen.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Anton B.
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#729 Re: Homöopathie III

Beitrag von Anton B. » Mo 23. Mär 2015, 19:09

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Aber versuche Du erst einmal, den Weg der Metaphysik und Ontologie aus dem Mittelpunkt des philosophischen Geschehens an dessen Rand genau nachzuvollziehen und zu verstehen.
Prinzipiell meine ich, dies hinter mir zu haben. - An welcher Stelle innerhalb der Philosophie es geschehen ist, kann ich im Einzelnen nicht (mehr) nachvollziehen - aber eben im Grundsatz.
Also ich weiß es garnicht. Deshalb dachte ich auch, der closs als "Botschafter" der Ontologie könnte es mir darlegen. Womöglich dabei auch was lernen. Mich interessiert insbesondere, wo die Wissenschaft "geistig" herkommt. Aber in dem Zusammenhang auch, wo Metaphysik, Ontologie usw. abgeblieben sind.

closs hat geschrieben:Aber all dies läuft "innerbetrieblich" innerhalb des nominalistischen Systems ab - also NACHDEM die philosophischen Weichen bereits gestellt sind.
Soweit ich das in der Kürze prüfen konnte, hat der Nominalismus weder innerhalb der Wissenschaften eine besondere Bedeutung, noch stellt er einen äußeren "Rahmen" dafür dar.

Mal eine andere Frage: Wie steht Ontologie eigentlich zu "sinnlicher Erfahrung"?
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#730 Re: Homöopathie III

Beitrag von closs » Mo 23. Mär 2015, 19:22

Anton B. hat geschrieben:Warum vertraut das Individuun den einen Beobachtungen, weist aber andere ab? Welche Begründung gibt es für die Abweisung.
Menschen tun sich schwer, ihre praktische Vernunft komplett abzuschalten. - Beispiele:

Wenn Nurofen mit Hinweis auf wissenschaftliche Studien (die ja in IHREM Sinne gar nicht in Frage gestellt werden sollen) bei einem Krankheits-Bild x als Mittel der Wahl dargestellt wird, die Mutter oder inzwischen ersatzweise noch mehr KiTa-Personal feststellt, dass das Kind damit nur KiTa-fähig gehalten wird, aber "etwas in sich rumträgt", dann werden letztere aus Gründen der "praktischen Vernunft" mit großer Wahrscheinlichkeit recht haben - auch wenn es nicht explizit per Studie erwiesen ist, dass sie recht haben.

Wenn ein Spezial-HP-Arzt in Köln dafür unter Kollegen bekannt ist, dass er bei der der Behandlung schulmedizinisch aus-therapierter Psychosen hevorragende Erfolge erzielt, UND ein HP-Arzt, der selber bereits zwei Patienten hat, auf die das zutrifft, UND dies bei "unserer" erwähnten Bekannten dann genauso funktioniert, ist dies natürlich keine wissenschaftliche Studie. Trotzdem werden sich die Betroffenen nicht ausreden lassen, dass es sich hierbei lediglich um subjektive Eindrücke handle, die - wie man aus wissenschaftlichen Studien nachweisen könne - generell der Täuschung unterliegen könnten.

Wenn eine wissenschaftliche Statistik sagt, dass 35% deutscher Moslems "extremistisch" seien, wird sich die Bevölkerung nicht einreden lassen, dass dies die Realität in ihrem Umfeld abbildet (mit Ausnahme vielleicht von Ballungsgebieten). - Oder - was ganz schlimm ist - sie lässt es sich WIRKLICH einreden, obwohl es einfach nicht stimmt.

Dass in diesem speziellen Fall geklärt ist, warum diese Differenz zwischen praktischer Vernunft und wissenschaftlicher Aussage besteht (nämlich eine sehr ungewöhnliche Definition von "Extremismus" seitens der Statistiker), ist eher die Ausnahme. - Die Regel ist, dass man etwas vorgeknallt bekommt, was einem mindestens spanisch vorkommt und eben NICHT der Alltagserfahrung entspricht. - Und wenn das zu oft vorkommt, lassen sich die Leute nicht mehr vormachen, dass es an der der Täuschung unterliegenden subjektiven Wahrnehmung liegt - selbst wenn es im Einzelfall tatsächlich so sein kann.

Menschen tun sich schwer, ihre praktische Vernunft komplett abzuschalten - persönlich halte ich dies für ein wertvolles Korrektiv.

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