Impfung -- JA oder NEIN?

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ThomasM
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#941 Re: Impfung -- JA oder NEIN?

Beitrag von ThomasM » Fr 27. Feb 2015, 12:26

closs hat geschrieben: Wenn der offizielle Wissenschafts-Betrieb sagt, dass es sich nach ihren Möglichkeiten so darstellt, dass Impfung von Kinderkrankheiten unverzichtbar ist, versteht das jeder und nimmt es ernst. -
Wenn der offizielle Wirtschafts-Betrieb hinzufügen würde, dass ihm natürlich bewusst sei, diese Frage im komplexen Kontext NICHT abschließend beantworten zu können, würde dies a) ehrlich sein und b) Glaubwürdigkeit stärken. -
Letzteres ist schlicht falsch. Und ein Scheunentor für die, die die Leute emotional lenken wollen.

Falsch ist das, weil der normale Mensch von der Wissenschaft klare Ansagen will und fordert. Also etwa in der Form
- Unsere Renten sind sicher
- Die Atomkraft ist sicher
- Impfung schützt immer
- Schließe nur regelmäßig dein Fenster und die Klimaerwärmung kommt nicht.
...

Weigert sich die Wissenschaft, diese klare Aussagen zu machen, dann wird ihren Aussagen misstraut. Das "aber" wird groß gemacht, man endet in Beliebigkeit, weil die Einschätzung statistischer Risiken den allermeisten Menschen nicht gelingt.
Bestes Beispiel: Das Risiko bei einer Impfung gegen Masern geschädigt zu werden ist massiv viel kleiner als das Risiko, bei der Krankheit Masern geschädigt zu werden. Trotzdem gibt es Impfgegner.

Letzteres ist emotionale Lenkung. Man bläht kleine Risiken auf (z.B. Risiko bei einer Impfung geschädigt zu werden), weil man durch diese Aufblähung Macht gewinnt. Macht über die Leute, Macht über die Gemüter und letztlich politische und wirtschaftliche Macht.
Beispiele gibt es zuhauf, wie Lärmschutz, Kraftwerksbau, Stromtrassen, Klimaerwärmung und eben auch Impfung.

Zum Thema Impfung sei den Impfgegner ein Zitat von Dr. House ans Herz gelegt:
Dr. House hat geschrieben: Wissen sie was sich auch gut verkauft? Kindersärge, die gibt es auch in Froschgrün und Feuerwehrrot.
Gruß
Thomas
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closs
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#942 Re: Impfung -- JA oder NEIN?

Beitrag von closs » Fr 27. Feb 2015, 12:31

Anton B. hat geschrieben:Wo wird in der Wissenschaft denn etwas "objektiv-empirisch nachgewiesen"?
Du bist wirklich eine Ausnahme bei denen, die auf wissenschaftlicher Seite sprechen - und zwar auf eine Weise, der ich zustimme. - Das passt aber eben nicht zu dem, was ständig apodiktisch als wissenschaftliche Wahrheit vertreten wird - wobei alles andere dann als "esoterisch" bezeichnet wird.

Man bekommt hier ständig zu hören, dass Wissenschaft Nachweise führe, während alles andere "irrelevant" sei. - Du setzt zum Beispiel "Realität" in Anführungszeichen (ich ebenso) - ansonsten hört man nichts anderes, als dass nur wissenschaftlich Nachgewiesenes Realität sein könne (ohne Anführungszeichen). - Man schließt aus der Nicht-Nachweisbarkeit von Etwas zwingend, dass dieses Etwas deshalb nicht sein könne (außer als "Fantasie").

Welcher Wissenschafts-Ansatz ist nun der richtige? - Deiner (was ich begrüßen würde) oder der ständig behauptete? - Oder gibt es zwei Arten von "seriösen Büchlein", welche verschiedene Aufschlüsse über den zeitgenössischen Stand der Wissenschaft geben?

closs
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#943 Re: Impfung -- JA oder NEIN?

Beitrag von closs » Fr 27. Feb 2015, 12:53

ThomasM hat geschrieben: Das Risiko bei einer Impfung gegen Masern geschädigt zu werden ist massiv viel kleiner als das Risiko, bei der Krankheit Masern geschädigt zu werden.
Unbestritten - das lässt sich leicht nachweisen. Das wissen auch Impfgegner.

Ich sehe das Problem woanders: Die eigentlichen Argumente der Impfgegner sind zu komplex, um einen Nachweis zu führen. - Das heisst ausdrücklich NICHT, dass deshalb die Impfgegner recht hätten. - Aber es heisst eben auch, dass deren langfristig angelegten Argumente/Befürchtungen nicht falsifizierbar sind. Und deshalb mein Punkt: Wissenschaft ist bei zu komplexen Fragestellungen überfordert. - Das wirft ihr ja keiner vor - aber die Apodiktik, mit der Wissenschaft gelegentlich auftritt, wird schon als Provokation verstanden.

Diese Problematik taucht bei verschiedensten Themen auf - ob Impfen von immunsystem-stärkenden Kinderkrankheiten, ob Homöopathie, ob chinesische Medizin, ob Elektro-Smog, ob Gentechnik - also vollkommen unterschiedliche Themen. - In allen Fällen gibt es wirklich gute Gründe für die wissenschaftlich vorherrschende Meinung - aber es gibt trotzdem keine Antworten auf komplexe Fragen wie:

1) Wie wird in unserer hochziviliserten Zeit das Immun-System verändert/geschwächt und wohin führt dies für die nächsten Generationen?
2) Welche Rolle spielt eigentlich die Epigenetik bei all diesen Fragen und wo können hier "Schaltungen" erfolgen, deren Folgen wir nicht absehen können?
3) Wer sagt, ob heutige Grenzwerte (Elektrosmog, etc.) relevant sind für langfristige Folgen?
4) etc.

Solche Fragen kann man bislang anscheinend nur weltanschaulich beantworten. - Wollen wir deshalb Wissenschaft durch Weltanschauungen ersetzen? NEIN, wollen wir natürlich NICHT. - Aber es wäre schon ein großer Schritt nach vorne, wenn die Wissenschaft nicht so triumphierend-apodiktisch auftreten würde, sondern bescheiden sagen würde (aufs Thread-Thema bezogen): " Wir können definitiv nachweisen, dass das Risiko bei einer Impfung gegen Masern geschädigt zu werden, massiv viel kleiner als das Risiko, bei der Krankheit Masern geschädigt zu werden. Deshalb empfehlen wir Impfungen. - Ob es langfristige Risiken in Bezug auf unser Immun-System gibt, wissen wir nicht". - Und dann kann man sogar noch hinzufügen: "Aber wir schätzen dieses Risiko nicht übermäßig hoch ein".

Es gibt unter den Impfgegnern auch Fachärzte für Allgemeinmedizin (ich weiß von mindestens zwei im Umkreis von 20 km) - das sind keine Deppen und auch keine esoterischen Träumer, sondern begründen ihre Meinung medizinisch. - Sie können ja unterm Strich irren - aber das kann die heutige Wissenschafts-Meinung zu diesem Thema eben auch.

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#944 Re: Impfung -- JA oder NEIN?

Beitrag von Scrypt0n » Fr 27. Feb 2015, 13:00

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Wo wird in der Wissenschaft denn etwas "objektiv-empirisch nachgewiesen"?
Zum Beispiel hier:
closs hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben: Das Risiko bei einer Impfung gegen Masern geschädigt zu werden ist massiv viel kleiner als das Risiko, bei der Krankheit Masern geschädigt zu werden.
Oder gewisse Experimente im z.B. Labor! :)

ThomasM
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#945 Re: Impfung -- JA oder NEIN?

Beitrag von ThomasM » Fr 27. Feb 2015, 13:28

closs hat geschrieben: Es gibt unter den Impfgegnern auch Fachärzte für Allgemeinmedizin (ich weiß von mindestens zwei im Umkreis von 20 km) - das sind keine Deppen und auch keine esoterischen Träumer, sondern begründen ihre Meinung medizinisch.
Meine Ansicht zu Medizinern und deren Kenntnisse in Statistik ist - sagen wir mal - gering.

Viele Menschen, und vor allem Ärzte bei all ihrer Studiertheit, machen den Fehler der selektiven Datenauswahl.
An das Ereignis x wird sich erinnert, weil es in irgendeiner Weise besonders war. An die Ereignisse y,z,u,v,.... nicht.
Also wird das Ergebnis von x zum Allgemeinplatz erhoben und als Wirklichkeit verkauft.

Natürlich ist das Ergebnis x medizinisch begründet. Aber es ist eben nicht repräsentativ.

Dieser Mangel an Kenntnissen in der Statistik ist übrigens allgemein verbreitet in der medizinischen Wissenschaft.
Da gab es letztens einen Fall:

In einer Studie hatten renomierte Autoren einen statistischen Zusammenhang behauptet (Pessimisten leben länger).
Die Studie wurde veröffentlicht und Teil der "wissenschaftlich gesicherten Kenntnis".
Zwei Statistiker (nicht-Mediziner) hörten davon und fanden in der statistischen Methodik einen Fehler. Korrigiert man den, ist das Ergebnis "die Einstellung eines Menschen hat keinen Einfluss auf die Mortalität".
Das haben sie dann versucht zu veröffentlichen. Vergeblich. Warum?
Die eine Hälfte der Peer Reviewer sagten, sie seinen nicht geeignet, weil sie keine Kenntnisse in Statistik hätten.
Die andere Hälfte erklärte sich für befangen, da sie mit den Autoren der Orginalstudie zusammenarbeiteten.
Kein Reviewer -> keine Veröffentlichung -> keine Korrektur des Fehlers.

Gruß
Thomas
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#946 Re: Impfung -- JA oder NEIN?

Beitrag von Anton B. » Fr 27. Feb 2015, 13:31

Scrypt0n hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Wo wird in der Wissenschaft denn etwas "objektiv-empirisch nachgewiesen"?
Zum Beispiel hier:
closs hat geschrieben:
Oder gewisse Experimente im z.B. Labor! :)
Nein! Eine Beobachtung genauso wie statistische Auswertungen von Beobachtungen sind immer das, was sie sind. Zum einen Beobachtungen und zum anderen Beobachtungen, die statistisch ausgewertet wurden. Jede Beobachtung genauso wie jede statistische Auswertung ist aber in sich interpretierbar.

Das ist unter anderem der Grund, warum auch die Beobachtungen des Sonnenwunders von Fatima, closs'ens Beobachtungen hinsichtlich der "Wirksamkeitspraxis" der HP als auch jede andere Beobachtung interpretiert werden muss, sofern sie sich in einen wissenschaftlichen Kontext stellt.

Lieber ScryptOn: Schon mal einen Zahlendreher im Experimentprotokoll produziert? Irgendwas falsch abgelesen? Fehlerhaftes "Messgerät" verwendet? Oder die Beobachtungstheorie wechselt und die Interpretation interpretiert auf einmal was ganz anderes? Ja, sogar das "Phänomen" an sich kann sich dadurch ändern, weil alles in uns rein muss und hinter dem speziellen Wahrnehmungsapparat ebenfalls eine Beabachtungstheorie steht. Im Rahmen der Wissenschaftstheorie sprechen wir beim Auftreten "komischer" Beobachtungen deshalb ja auch von einer Beobachtungsanomalie. Das heißt, wir interpretieren die Beobachtung gemäß einer bestimmten Beobachtungstheorie, die Beobachtung passt aber in deren Modell nicht rein. Und ganz zum Schluss interpretieren wir dann auch womöglich noch die Beobachtungsanomalie an sich.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#947 Re: Impfung -- JA oder NEIN?

Beitrag von closs » Fr 27. Feb 2015, 14:01

ThomasM hat geschrieben:Meine Ansicht zu Medizinern und deren Kenntnisse in Statistik ist - sagen wir mal - gering.
Im konkreten Fall: Diese (Impfgegner-) Ärzte wissen natürlich auch, dass die Impfrisiken geringer sind als die Risiken bei Masern-Erkrankung - dem setzen sie aber entgegen: Kinder, deren Eltern Masern hatten und die gesund sind, bekommen bei ärztlicher Betreuung keine Komplikationen.

Allerdings wird dieses Argument irgendwann zum Auslaufmodell werden, weil es ja kaum noch Masern gibt und somit diese Kinder keine Eltern werden können, die Masern hatten - insofern werden vermutlich auch heutige ärztliche Impfgegner in der nächsten Generation lieber impfen.

Unabhängig davon eine Frage: Ist meine Vermutung richtig, dass epigenetische Phänomene (Gen-Aktivität) vererbt werden können?

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#948 Re: Impfung -- JA oder NEIN?

Beitrag von Pluto » Fr 27. Feb 2015, 14:15

closs hat geschrieben:Kinder, deren Eltern Masern hatten und die gesund sind, bekommen bei ärztlicher Betreuung keine Komplikationen.
Auc das gehört in die Rubrik "urban legend".

closs hat geschrieben:Allerdings wird dieses Argument irgendwann zum Auslaufmodell werden, weil es ja kaum noch Masern gibt und somit diese Kinder keine Eltern werden können, die Masern hatten - insofern werden vermutlich auch heutige ärztliche Impfgegner in der nächsten Generation lieber impfen.
Das Thema ist im Gegenteil hochaktuell, denn es kommen ständi neue Krankheiten und Impfstoffe auf uns zu. Ich denke da an AIDS, Hepathitis-C und Ebola.

closs hat geschrieben:Unabhängig davon eine Frage: Ist meine Vermutung richtig, dass epigenetische Phänomene (Gen-Aktivität) vererbt werden können?
JEIN! Der Mechanismus der Epigenitk wurde vor einiger Zeut sehr genau untersucht.
Es handelt sich dabei um die Methylierung von Basen in der DNA-Kette. Die Methyl-Gruppen werden tatsächlich teilweise mitkopiert, aber sie verschwinden in der Regel nach wenigen Generationen wieder wenn sie nicht ständig aktiviert werden. Epigenetische Veränderungen (ein gutes Beispiel ist Fettleibigkeit) sind nicht dauerhaft vererbbar.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#949 Re: Impfung -- JA oder NEIN?

Beitrag von sven23 » Fr 27. Feb 2015, 14:30

closs hat geschrieben:Eben - und genau das übergeht die Wissenschaft, da nicht greifbar. - Sobald Zusammenhänge zu komplex für eine wissenschaftliche Beschreibung sind, gelten sie als irrelevant.
Dafür haben ja die Esoteriker den Überblick. :lol:

closs hat geschrieben: Da wird es Stimmen geben, für die ein durch Krankheit aufgebauter Immunschutz qualitativ etwas anderes ist als ein durch Impfung aufgebauter Immunsschutz.

Ja, Stimmen aus der Esoterik Welt. Belege gibt es für diese Behauptung keine.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#950 Re: Impfung -- JA oder NEIN?

Beitrag von closs » Fr 27. Feb 2015, 14:33

Pluto hat geschrieben:aber sie verschwinden in der Regel nach wenigen Generationen wieder wenn sie nicht ständig aktiviert werden
Das ist sehr interessant. - Nun stell Dir jetzt mal folgendes Szenario vor (viele Szenarien möglich - beziehen wir es auf das Thema Masern-Impfung.

Szenario 1:
Eltern hatten Masern, was sich epigenetisch niederschlägt - ergo: Die Kinder erben es. - Nun bekommen die Kinder ebenfalls Masern und sind epigenetisch vorbereitet.

Szenario 2:
Eltern hatten KEINE Masern, was sich epigenetisch niederschlägt - ergo: Die Kinder erben es. - Nun bekommen die Kinder ebenfalls Masern und sind epigenetisch NICHT vorbereitet. - Spätestens bei deren Kindern müsste man impfen, weil die Masern sie unvorbereitet treffen würden.

Jetzt stelle Dir weiterhin vor, dass es ja nicht nur um Masern geht, sondern um alles, was der Mensch so durchmacht (Allergien, Antiobiotika, Feinstaub, Elektrosmog, Lärmverschmutzung, etc.) - alles Dinge, die sich epigenetisch niederschlagen und vererbt werden. - Am Ende kommt eine Kombination an Gen-Aktivierungen raus, deren Bedeutung/Folgen wir unmöglich kennen können.

Deswegen muss man sich nicht vor den Zug werfen - aber man sollte sich klar darüber werden, dass reduktive Studien nicht die ganze Wahrheit abbilden müssen. Denn solche komplexe Phänomene, wie eben beschrieben, sind im Einzelfall schlicht nicht abbildbar. - Und an dieser Stelle erklärt sich der Deutungs-Streit in medizinischen Dingen.

Der holistisch Denkende sagt "Lass uns alles so gut wie möglich vermeiden, was epigenetische Folgen haben könnte (Antiobiotika, Feinstaub, Elektrosmog, Lärmverschmutzung, etc.) - denn wir wissen nicht, was daraus wird". - Der reduktiv Denkende sagt "Das können wir eh nicht fassen, weshalb wir uns auf das beschränken, was wir sicher wissen können". - Ohne jegliche Parteinahme: Wird ersichtlich, dass es hier um ein ensthaftes, objektives Problem geht?

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