Andreas hat geschrieben:Man kann also sagen: Die Realität dieser Bewegung der Wandlungen "ist" unabhängig von unserer Wahrnehmung dieses Geschehens. Ist das für dich noch in Ordnung, wenn ich es so verstehe und formuliere?
Es kommt darauf an, wie weit man "Wahrnehmung" fasst.
Wenn ein Sprachwissenschaftler unser deutsches Sprachsystem beschreibt - Subjekt, Prädikat, Objekt etc. - und mit einem anderen Sprachsystem vergleicht - wo es vielleicht gar kein Subjekt gibt -, dann ist das für mich ebenfalls eine Form der Wahrnehmung. Denn er beschreibt - wie Kant es in etwas anderer Weise auch gemacht hat - die Art, wie unsere Wahrnehmung funktioniert. Sie ist immer eingebettet in die menschliche Wahrnehmungsstruktur.
Nach Kant nimmt der Verstand die Dinge räumlich wahr. Er sieht sie immer im Raum.
Diese Beobachtung ist für mich ebenfalls empirisch. Sie wird nicht gesetzt, sie ist Teil der Wahrnehmung.
Wenn ein Arzt einen Schmerz diagnostiziert, kann er ihn nur beheben - außer er gibt Tabletten -, wenn er die Struktur des menschlichen Körpers kennt.
Diese Struktur ist nicht philosophisch behauptet, sondern sie funktioniert. Sie ist aus der Erfahrung abgeleitet.
Genauso ist es eine Beobachtung, dass der Mensch sich wandelt.
Das ist empirisch.
Ich kann also sagen: die Wahrnehmung von Wandlung ist uns angeboren, ist intersubjektiv. Ist Teil des Menschseins.
Dann entsteht aber sofort die nächste Frage:
Kann der Mensch
nur in der Kategorie "Wandlung" wahrnehmen?
Genauso wie man fragen kann: Kann der Mensch nur alles als im Raum befindlich wahrnehmen?
Ich klammere hier mal aus, dass es Kulturen gibt, die möglicherweise anders als wir Westeuropäer Wandlung und Raum wahrnehmen.
Ich wollte demnächst auf eine weitere 4. Wahrnehmungsebene - die ich dann mit Ebene D bezeichnen möchte - zu sprechen kommen.
Da stellen sich die Dinge noch mal anders dar.
Alle diese Wahrnehmungsformen beinhalten immer sowohl "Material" - Inhalte - als auch eine zugrundeliegende Struktur. Beides wird wahrgenommen, auch wenn die Struktur anders erkannt wird als die Inhalte.
Die Inhalte sind gebunden an die Struktur. Die Struktur unseres Auges bedingt unsere visuelle Wahrnehmung. Aber das Wissen um die Struktur des Auges wurde ebenfalls empirisch erarbeitet.
So auch beim Wandel, nach dem Du fragst.
Wir nehmen uns im Wandel wahr.
Ob auf einer anderen Wahrnehmungsebene das schon nicht mehr gilt, will ich dann mit der Einführung der Ebene D zu untersuchen versuchen.
Vieles verstehe ich erst selber durch das Schreiben hier.