Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#171 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von closs » So 30. Nov 2014, 01:01

Savonlinna hat geschrieben:Du weißt, dass ich letzteren Punkt nicht teile, trotzdem willst Du ihn als neutral behaupten.
Das IST neutral - es sei denn, man würde postulieren "Realität = Wahrnehmung" - also im Umkehrschluss: "Was ich nicht wahrnehme, ist nicht Realität oder erst dann Realität, wenn ich es wahrnehme". - Diese ziemlich dämliche Variante würde ich niemandem unterstellen ohne zu befürchten, verprügelt zu werden.

Unsere Birke im Garten ist auch dann Realität, wenn ich mal NICHT hingucke. - Da bin ich schon verunsichert, wenn meine diesbezügliche Aussage als ideologisch verstanden wird.

Savonlinna hat geschrieben: als ich glaubte, dass Du offen bist und wir ein gutes Gespräch führen können.
Ich mag Dich trotzdem - gute Nacht für heute. :Herz:

closs
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#172 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von closs » So 30. Nov 2014, 01:15

Salome23 hat geschrieben:Wenn ich eine Fata Morgana "wahrnehme"-mir aber dessen nicht bewusst bin, dass es nur eine Fata Morgana ist, ist die Fata Morgana dann eine reale Wirklichkeit oder eine Daseins-Wirklichkeit oder eine Jenseits -Wirklichkeit oder gar keine Realität...
Gute Frage - dazu wirst Du vermutlich auch in der Philosophie die unterschiedlichsten Antworten bekommen.

Für mich ist eine Fata-Morgana eine reale Daseins-Wirklichkeit, weil sie im Dasein stattfindet und wirkt. - Sie ist sogar eine objektivierbare Realität, weil sie auch dann ist, wenn Du sie NICHT wahrnimmst (sie ist also unabhängig von Deinem "Kopfkino") - man findet das leicht raus, wenn man eine Testgruppe zum selben Zeitpunkt an dieselbe Stelle in der Wüste schickt - sie werden alle die Fata Morgana sehen (es sei denn, sie sind blind).

Die Unterscheidung "reale Wirklichkeit" und "Daseins-Wirklichkeit" kam hier im Thread aus einem ganz anderen Grund auf:
Wenn 'Realität' das ist, was unabhängig von unserer Wahrnehmung ist (der Baum ist auch da, wenn ich weggucke): Darf man dann dies willkürlich auf das Dasein beschränken?

Und da sollte die Antwort NEIN sein, weil wir alle, wie wir hier sind, nicht ausschließen können, dass es Phänomene jenseits unserer Wahrnehmung gibt, die NICHT im Dasein sind. - Und deshalb sollte man, wenn man wasserdicht denken möchte, zwischen realer Wirklichkeit und Daseins-Wirklichkeit unterscheiden, selbst dann, wenn im Dasein beides koinzidiert.

Salome23
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#173 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von Salome23 » So 30. Nov 2014, 01:34

Und da sollte die Antwort NEIN sein, weil wir alle, wie wir hier sind, nicht ausschließen können, dass es Phänomene jenseits unserer Wahrnehmung gibt
Phänomene wie: Gott-FSM-Feen-Einhörner-Aliens-Alice Hase Benny Bunny-Dämonen-Flaschengeister und sonstige Geister, unsichtbare Riesenmonster-ja könnte durchaus möglich sein , dass diese alle Realität sind, obwohl keiner sie wahrnehmen kann.
Wenn sie aber niemand wahrnehmen kann, wie entstand dann überhaupt die Idee, dass es sie gibt und sie als Einhörner, Flaschengeister etc. zu benennen?
"Aber ich fühle spirituell (= eine Art von Wahrnehmung?) dass da noch mehr ist!" <-- ist leider zu wenig , um behaupten zu können, dass es wirklich mehr gibt-als wir uns erdenken können...

closs
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#174 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von closs » So 30. Nov 2014, 02:03

Salome23 hat geschrieben:"Aber ich fühle spirituell (= eine Art von Wahrnehmung?) dass da noch mehr ist!"
Das ist tatsächlich die Antwort. - Es gibt tatsächlich Menschen, die Gott als Realität spüren - manche unbewusst (ein Baby abstrahiert auch nicht bewusst, dass die Mutter es liebt), manche bewusst.

Salome23 hat geschrieben: ist leider zu wenig , um behaupten zu können, dass es wirklich mehr gibt
Stimmt absolut - deshalb soll es keine Behauptung sein, sondern der Hinweis, dass es nicht ausschließbar ist, dass es Realität außerhalb des Da-Seins gibt. Das ist das Mindeste und logisch und somit neutral.

Im nächsten Schritt würden dann einige behaupten, dass es geistig plausibel ist, dass es Gott als Realität gibt (dazu gehöre ich auch). - Aber dies zu erklären, ist wahnsinnig schwer, weil Sprache wahnsinnig kontaminiert ist UND weil Menschen geistig vollkommen unterschiedlich aktiviert sind. - Das funktioniert vermutlich wirklich nur dann, wenn das Gegenüber ergebnisoffen neugierig ist UND nicht darauf besteht, dass das Ergebnis objektivierbar ist (im Dasein).

Da stolpern dann viele, wenn ihre Ideologie ihnen vorschreibt, dass Realität dadurch definiert sei, dass sie objektivierbar sei - oder mindestestens intersubjektiv wahrnehmbar sei - was wiederum davon abhängt, dass jeder Mensch geistig gleichermaßen aktiviert ist, was natürlich nicht der Fall ist. - Wir haben also den Fall, dass ein Baum eigentlich intersubjektiv wahrnehmbar ist, aber nur wenn die menschlichen (körperlichen) Sinne funktionieren - und so ist es bei Gott möglicherweise auch, nur dass hier die geistigen Sinne funktionieren müssen.

Dem wird entgegengehalten, dass es geistige Sinne gar nicht gäbe, weil es die System-Sprache so will - darauf antwortet man dann, dass man zur Not ein anderes Wort dafür finden kann, was natürlich nichts daran ändert - und so schlingert das Narrenschiff durch das Meer. :lol:

Salome23
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#175 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von Salome23 » So 30. Nov 2014, 03:25

closs hat geschrieben:Es gibt tatsächlich Menschen, die Gott als Realität spüren - manche unbewusst [...] manche bewusst.
Sie spüren etwas und "glauben" dieses Etwas, dass sie da "spüren" sei Gott.
Dafür müssen sie aber einen Gott vorraussetzen, um glauben zu können sie spüren "Gott"....
Es ist ähnlich, wie der Mann in diesem Video( bei min.01.18) behauptet:

"Ein magisches Energiefeld..." so sagte er , liege über den Ruinen...
Hier spüre er deutlich die Anwesenheit der alten mächtigen Götter ( denn diese entscheiden noch immer über das Schicksal der Menschen)...
Und wenn er nie etwas von Götter (durch Erzählungen) vernommen hätte?
a-würde er dann das, was er dort verspürt , irgend einem andren Phänomen zuordnen?
b-würde er dann überhaupt etwas spüren?

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sven23
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#176 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von sven23 » So 30. Nov 2014, 06:38

closs hat geschrieben: Für mich ist eine Fata-Morgana eine reale Daseins-Wirklichkeit, weil sie im Dasein stattfindet und wirkt. - .

Keine Frage, ein Phänomen des Daseins, allerdings eine optische Täuschung. Aber das ist ja in sich kein Widerspruch.

closs hat geschrieben: Das ist tatsächlich die Antwort. - Es gibt tatsächlich Menschen, die Gott als Realität spüren

Das wäre aber ein unzulässiger Mißbrauch des Realitätsbegriffs.
Trotzdem ist alles, was uns unser Gehirn vermittelt, ein Phänomen des Daseins.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#177 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von closs » So 30. Nov 2014, 10:27

Salome23 hat geschrieben:Und wenn er nie etwas von Götter (durch Erzählungen) vernommen hätte?
a-würde er dann das, was er dort verspürt , irgend einem andren Phänomen zuordnen?
Er würde es benennen - vielleicht würde er es "Umos" oder "Gradum" oder "Mack" nennen - je nach Sprache.

Salome23 hat geschrieben:b-würde er dann überhaupt etwas spüren?
Ja - ganz sicher.

Im Grunde ist es ja noch etwas verzwickter: Der Mensch kann Authentisches verspüren und Nicht-Authentisches - also Reales und Virtuelles.

Salome23 hat geschrieben:Dafür müssen sie aber einen Gott vorraussetzen, um glauben zu können sie spüren "Gott"....
Die einen setzen Gott/Götter voraus und bilden sich ein, den-/dieselben spüren zu müssen - die anderen setzen Gott nicht voraus und entdecken "es" selbst - wieder andere setzen Gott voraus (weil sie ihn per Sozialisation kennen) und spüren ihn wirklich. - Von außen ist das schwer unterscheidbar - für die Betroffenen wahrscheinlich auch.

Im Grunde kommen wir hier wieder in das Feld der "Unterscheidung der Geister" - was ist echt, was ist unecht. - Diese Frage ist aber nicht für das Außen relevant ("Ich bestehe darauf, dass mein Gott echt ist, sonst setzt's was"), sondern für das Innen. - Wie jede transzendental-geistige Sache intim zwischen Mensch und Gott ist.

Insofern versteht ein unintellektuell einfacher, aber geistig schwergewichtiger Mensch nicht, warum seine geistige Realität falsifizierbar sein müsse, um als relevant angesehen werden zu dürfen. - Natürlich würde er sich freuen, wenn ihn jeder nachvollziehen könnte - aber er weiss auch, dass das nicht geht.

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#178 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von closs » So 30. Nov 2014, 10:29

sven23 hat geschrieben:Das wäre aber ein unzulässiger Mißbrauch des Realitätsbegriffs.
Wenn es Gott nicht gibt, hast Du recht. - Wenn es ihn gibt, hast Du unrecht.

Richtig wäre aus meiner Sicht: Wenn es Gott nicht gibt, darf man nicht von göttlicher Realität sprechen. - Aber zu sagen, Gott sei keine Realität, weil er naturwissenschaftlich nicht nachweisbar ist, ist Ideologie.

Salome23
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#179 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von Salome23 » So 30. Nov 2014, 11:16

closs hat geschrieben:
Salome23 hat geschrieben:b-würde er dann überhaupt etwas spüren?
Ja - ganz sicher.
Siehst du-es ist schwer an dich ran zu kommen, dir etwas vermitteln zu wollen.
Weil du schon so eine festgefahrene Ansicht vertrittst, dass du nicht mehr offen bist für eine andere Perspektive.
Aber ich kenn das aus meiner Zeit, als ich noch Christ war.
Ich verhielt mich nicht anders, weil ich von etwas schon dermaßen überzeugt war, dass ich es nicht anders sehn konnte.
Erst als ich alles los ließ, erkannte ich so manchen Irrtum, von dem ich aber durch meinen Glauben fest der Meinung war-so "ist" es.

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#180 Re: Ontologie & Sein - Descartes, Plato und Heidegger

Beitrag von closs » So 30. Nov 2014, 11:38

Salome23 hat geschrieben:Erst als ich alles los ließ, erkannte ich so manchen Irrtum, von dem ich aber durch meinen Glauben fest der Meinung war-so "ist" es.
Interessant - das ist geradezu wörtlich das, was Christen sagen, wenn man sie fragt, wie sie Christen wurden - nur dass sie das säkulare "so-ist-es" losgelassen haben. - Dies bestärkt in der Vermutung, dass Atheismus/Agnostizismus strukturelle ebenfalls Religionen sind.

Salome23 hat geschrieben:Weil du schon so eine festgefahrene Ansicht vertrittst, dass du nicht mehr offen bist für eine andere Perspektive.
Kann man differenzierter darstellen, dass dieses Empfinden vollkommen unterschiedlicher Genese sein kann, als ich das getan habe?

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