Was genau ist denn Geist?

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Savonlinna
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#451 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Savonlinna » Fr 28. Nov 2014, 01:15

Pluto hat geschrieben:Deine "Freundin" hat leider nicht immer das Passende parat.
Doch, sie hat alles parat, denke ich.
Ich habe mindestens eine halbe Stunde Zeit investiert, um alle Unterdisziplinen zu löschen, damit das Zitat hier übersichtlich bleibt.
Dummerweise aber vergessen, den Link dazu zu setzen, wo jeder bei der kompletten Liste sein Lieblingsgebiet raussuchen kann.
Den Link werde ich jetzt sofort nachtragen.

closs
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#452 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Fr 28. Nov 2014, 07:54

Pluto hat geschrieben:Ich würde eine wissenschaftliche Betrachtung von Geist am ehesten in den Neurowissenschaften (Geist- und Gehirnforschung) oder in der Psychologie ansiedeln.
Es ist absolut zutreffend, den materiellen Aspekt des Geistes über Neurowissenschaft abzubilden - so wie man Musik von Bach über Noten und Wellen abbildet. - Die Frage bleibt, ob man damit den Begriffen Geist und Musik gerecht wird - aus geistiger Sicht (im Sinne des Christentums/der Spiritualität) natürlich nein.

ThomasM
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#453 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von ThomasM » Fr 28. Nov 2014, 10:35

closs hat geschrieben: Es ist absolut zutreffend, den materiellen Aspekt des Geistes über Neurowissenschaft abzubilden - so wie man Musik von Bach über Noten und Wellen abbildet. - Die Frage bleibt, ob man damit den Begriffen Geist und Musik gerecht wird - aus geistiger Sicht (im Sinne des Christentums/der Spiritualität) natürlich nein.
Ich glaube hier kommen wir zu einem wichtigen Punkt.

Ich hatte gestern Pluto darauf hingewiesen, dass die Falsifizierbarkeit kein wirkliches Kriterium ist, weil ja alle wahre Erkenntnis falsifiziert ist.
Pluto hat mich daraufhin auf die Praktikabilität der Technik hingewiesen und das ist ja auch richtig. Es ist mir egal, dass die klassische Themodynamik falsch ist, in dem Problemkreis, in dem ich mich bewege, wenn ich ein Flugzeug besteige ist sie hinreichend gut.

Ich kann auch sagen "die Musik von Bach gefällt mir" und das läßt sich nicht falsifizieren. Aber das ist egal. Denn praktisch kann ich Gründe anführen, warum sie mir gefällt und diese Gründe werden nichts mit Frequenzen oder anderen messbaren Dingen zu tun haben.

Genauso ist es mit Begriffen wie Geist. Die wichtige Frage ist doch nicht, ob man die Existenz eines Geistes falsifizieren kann, sondern ob der Begriff etwas darstellt, was wichtig ist, was wir brauchen, um darüber zu reden. Und da ließen sich vermutlich viele Dinge finden, die das bestätigen.

Gruß
Thomas
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Savonlinna
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#454 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Savonlinna » Fr 28. Nov 2014, 12:21

Pluto hat geschrieben:Ich würde eine wissenschaftliche Betrachtung von Geist am ehesten in den Neurowissenschaften (Geist- und Gehirnforschung) oder in der Psychologie ansiedeln.
Diese beiden Disziplinen rücken ohnehin (meinen Beobachtungen zufolge) immer enger zusammen.
Der Grund, Pluto, warum ich diese Disziplinen alle aufgelistet habe, war folgende Behauptung von Dir:

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Darum kann man Subjektives grundsätzlich nicht als "intersubjektiv" bezeichnen.
Im ursprünglichen Sinne, dass "ein (komplexerer) Sachverhalt für mehrere Betrachter gleichermaßen erkennbar und nachvollziehbar ist", schon.
Im urspringlichen Wortsinn mag das anders gewesen sein, doch das ist Schnee von gestern. Ich sprach von Intersubjektivität in unserem heutigen Verständnis.
Dein von mir hier gefettetes Argument habe ich als Trick 17 entlarvt, was Du ja offenbar auch eingesehen hast.
Sich innerhalb einer redlichen Argumentation auf ein pauschales "unser heutiges Verständnis" zu berufen, muss belegt werden.
Das ist aber nicht belegbar, weil man genauso gut als Herleitung dessen, was "Intersubjektivität" ist, sagen kann: "Das sagt doch jeder" usw. Darum benutzen ja viele unredlichen Argumentierer so gerne dieses Un-Argument, in der Hoffnung, dass das keiner merkt.

Daraufhin habe ich "Intersubjektivität" erst einmal selber umrissen, dann mit Bezug auf Wipedia vorläufig bestätigt - immer nur als erste Anlaufstelle, selbstverständlich - und belegt, dass es auch andere Ansichten als Deine gibt.

Das hast Du eingeräumt, dann aber Folgendes behauptet:

Pluto hat geschrieben:Wissenschaftstheoretisch ist allerdings die Intersubjektivität die Methode der Wahl zur Bestimmung von objektiv Gültigem.
Das hast Du ebenfalls nicht belegt.
Darum habe ich nachgeschaut, "was die Wissenschaftstheorie" zu "Intersubjektivität" sagt.

Und siehe da: "Wissenschaftstheorie" ist ein Sammelbegriff von sehr, sehr vielen Theorien, mit sehr unterschiedlichen Prämissen und Folgerungen.
Deine Behauptung ist also erneut - wissentlich oder unwissentlich - nur ein Trick.

Da mir sehr an einer redlichen Argumentation liegt - wenn Naturwissenschaftler ihre Behauptungen nur mittels rhetorischer Tricks aufrecht erhalten können, wären ihre Behauptungen sowieso erledigt -, möchte ich nachprüfen, was die einzelnen Wissenschaftstheorien über "Intersubjektivität" sagen.
Ich möchte unter anderem auch die naturwissenschaftliche Methode vor unsachlichen Tricks retten.

Um also einem Fachidiotiismus und der Verengung auf persönliche Lieblingsdefinitionen Marke Eigenbau entgegenzuwirken, habe ich als erste Anlaufstelle Wikipedia benutzt, wobei jeder dortige Satz ebenfalls überprüft werden muss.

Und da steht in dem Artikel "Intersubjektivität":

Wikipedia hat geschrieben:Der Begriff Intersubjektivität wird allerdings, wie auch die Begriffe Subjektivität und Objektivität, in vielen Theorien unterschiedlich verwendet und präzisiert.
http://de.wikipedia.org/wiki/Intersubjektivit%C3%A4t
Das ist schon mal wichtig, damit ist die Behauptung, "Wissenschaftstheoretisch ist allerdings die Intersubjektivität die Methode der Wahl zur Bestimmung von objektiv Gültigem" erst mal widerlegt.

Natürlich könnte Wikipedia lügen, und es gibt in Wirklichkeit nur eine einzige Definition, nämlich die von Pluto - aber das kann man nur feststellen, indem man schaut, ob es mehrere Theorien darüber tatsächlich gibt.
Außerdem fände ich es komisch, dass es innerhalb wissenschaftlicher Theorien nur eine einzige festgesurrte Wahrheit geben solle.

Jedenfalls sind in dem Wiki-Artikel über Intersubjektivität folgende real existierende Blickwinkel aufgelistet:

Wikipedia hat geschrieben:1 Intersubjektivität als erkenntnis- und wissenschaftstheoretisches Kriterium
2 Intersubjektivität in der Ethik
3 Intersubjektivität statt „Egozentrik“
4 Intersubjektivität als Begriff der Soziologie
Gestern Abend habe ich nur den ersten Punkt verfolgt, und da nur das wissenschaftstheoretische Kriterium angeklickt, an dem Pluto ja lag.
Und dann eben lag mir die ganze Breite der wissenschaftstheoretischen Theorien vor mir.
Ich hatte zitiert:

Wikipedia hat geschrieben:Sie [die Wissenschaftstheorie] stützt sich auf die Ergebnisse von Untersuchungen zur Wissenschaft, die aus der Sicht der einzelnen Disziplinen gewonnen werden, z. B. Ökonomie, Soziologie, Psychologie u. a., erarbeitet – davon ausgehend – ihr eigenständiges Begriffssystem, verallgemeinert auf dieser Grundlage die disziplinären Erkenntnisse und versucht so ihrerseits zum einheitlichen theoretischen Fundament aller einzelner Forschungsdisziplinen zu werden.
Das heißt, es wird gesagt:

a. Wissenschaftstheorie sei eine Teildiszplin der Philosophie - habe ich hier nicht zitiert, steht ganz am Anfang, müsste naatürlich auch überprüft werden.
b. Jede einzelne Disziplin erstellt ihr eigenständiges Begriffssystem, und auf diese eigenständige Begriffssysteme stütze sich die Wissenschaftstheorie.

Punkt b scheint mir besonders wichtig. Denn keineswegs stützt sich die Wissenschaftstheorie auf nur eine einzige Disziplin. Das zu behaupten ist falsch. Es sei denn, Wikipedia hat da den Durchblick nicht - was man aber mühelos nachprüfen kann.

Darum habe ich gestern Abend alle Diszplinen aufgelistet, damit man die heraussuchen kann, die für die Frage: Wer behandelt das Thema "Geist" überhaupt relevant sind.

Elf Disziplinen sind aufgelistet, mit all ihren Unterbereichen, und ich denke, "Ingenieurwissenschaften" und "Agrarwissenschaften" kann man ausgliedern. Sie haben vermutlich nicht das Thema "Geist" in irgendeiner ihrer Unterrubriken.
"Rechtswissenschaften" und "Wirtschaftswissenschaften" kann man wahrscheinlich auch weglassen, dann bleiben noch sieben übrig:

Geisteswissenschaften (Kulturwissenschaften)
Humanwissenschaften
Naturwissenschaften
Philosophie
Sozialwissenschaften
Strukturwissenschaften
(Christliche) Theologie

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#455 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Pluto » Fr 28. Nov 2014, 12:22

closs hat geschrieben:Die Frage bleibt, ob man damit den Begriffen Geist und Musik gerecht wird - aus geistiger Sicht (im Sinne des Christentums/der Spiritualität) natürlich nein.
Du vergleichst zwar Äpfel mit Bananen, aber seis drum. Auch betrachtest du die Dinge sehr einseitig aus deiner holistischen Sicht.
Als begabter Musiker muss man die Musik nicht hören die man schreibt; man kann sie auch anhand der Noten erleben.
Bestes Beispiel: Beethovens späte Taubheit.

Jeder bewusste Mensch, auch ein Naturwissenschaftler, spürt sehr wohl seinen Geist; er hat Empfindungen und kreative Ideen, oder macht sich Gedanken über Gott. Was hindert einen wissenschaftlich interessierten Menschen daran, die oberflächliche Betrachten des Geistes als Einheit "aufzugraben", und in der tieferliegende Schönheit der neuronalen Netzwerke nach dem Usprung eben dieses Geistes zu suchen?

Ich sehe nicht ein, wie ein Neurowissenschaftler dem Geist weniger gerecht wird, in dem er ihn untersucht, um seine Funktionsweise ein wenig besser zu verstehen. Er nimmt dem Geist nichts weg, sondern trägt dabei wesentlich zur Vollkommenung des Geamtbildes bei. Ich kann nicht verstehen, wie man gegen solche (IMO wichtigen) Untersuchungen des Geistes sein kann.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#456 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Pluto » Fr 28. Nov 2014, 12:43

Savonlinna hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wissenschaftstheoretisch ist allerdings die Intersubjektivität die Methode der Wahl zur Bestimmung von objektiv Gültigem.
Das hast Du ebenfalls nicht belegt.
Darum habe ich nachgeschaut, "was die Wissenschaftstheorie" zu "Intersubjektivität" sagt.
Ja. Und du wirst sicher andere Ansichten finden; u.a. auch [url=http://universal_lexikon.deacademic.com/171837/Intersubjektivit%C3%A4t]diese (Punkt 3)[/url]:
3) [In der] Wissenschaftstheorie [ist Intersubjektivität]:
Bezeichnung für die Forderung, eine jede wissenschaftliche Behauptung erst dann als »objektiv« gültig oder wahr anzusehen, wenn sie von jedem nachgeprüft werden kann. Intersubjektiv sind demnach diejenigen Eigenschaften, die den Dingen selbst eignen (primäre Qualitäten). Es ergibt sich ein enger Zusammenhang zwischen Objektivität und Intersubjektivität: Alles, was objektiv ist, sollte auch intersubjektiv sein. Allerdings müssen hieran Einschränkungen vorgenommen werden, da nicht alle Menschen über genau das gleiche Wahrnehmungsvermögen verfügen, weshalb man die menschliche Wahrnehmung durch Messinstrumente ergänzt: Intersubjektiv ist das, was die Apparate anzeigen, was also ohne Beteiligung des erkennenden Subjekts zustande kommt. Damit werden die Wiederholbarkeit und zugleich auch die Nachprüfbarkeit sichergestellt. In diesem Sinn tritt Intersubjektivität als ein Kennzeichen der Erfahrungswissenschaften auf.

Savonlinna hat geschrieben:Und siehe da: "Wissenschaftstheorie" ist ein Sammelbegriff von sehr, sehr vielen Theorien, mit sehr unterschiedlichen Prämissen und Folgerungen.
Du lenkst vom Thema ab. ;)
Die meisten Begriffe der "Wissenschaftstheorie" haben mit Intersubjektivität wenig bis nichts zu tun. Wissenschaftstheorie ist hier auch nicht das zentrale Thema.

Savonlinna hat geschrieben:Deine Behauptung ist also erneut - wissentlich oder unwissentlich - nur ein Trick.
Mag sein, dass du das als Trick empfindest.
In einer Diskussion verwendet jeder mal Verallgemeinerungen die nicht immer astrein sind. Dahinter steht aber i.d.R. nicht böse Ansicht, sondern solche Vereinfachungen geschehen im Interesse des Pragmatismus und der Zeitersparnis.
Ich finde deshalb die Unterstellung eines "Tricks" nicht als ein probates Mittel der Kritik in einer solchen Diskussion.
_______________________________

Mir geht/ging es um die Nachprübarkeit und Wiederholbarkeit einer Beobachtung. Und hier entzieht sich die geistige Wahrnehmung der Verifizierung. Weil sie nicht beliebig wiederholbar ist, ist sie der Willkür von Zeugenaussagen ausgesetzt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#457 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Savonlinna » Fr 28. Nov 2014, 13:35

ThomasM hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Es ist absolut zutreffend, den materiellen Aspekt des Geistes über Neurowissenschaft abzubilden - so wie man Musik von Bach über Noten und Wellen abbildet. - Die Frage bleibt, ob man damit den Begriffen Geist und Musik gerecht wird - aus geistiger Sicht (im Sinne des Christentums/der Spiritualität) natürlich nein.
Ich glaube hier kommen wir zu einem wichtigen Punkt.

Ich hatte gestern Pluto darauf hingewiesen, dass die Falsifizierbarkeit kein wirkliches Kriterium ist, weil ja alle wahre Erkenntnis falsifiziert ist.
Pluto hat mich daraufhin auf die Praktikabilität der Technik hingewiesen und das ist ja auch richtig. Es ist mir egal, dass die klassische Themodynamik falsch ist, in dem Problemkreis, in dem ich mich bewege, wenn ich ein Flugzeug besteige ist sie hinreichend gut.

Ich kann auch sagen "die Musik von Bach gefällt mir" und das läßt sich nicht falsifizieren. Aber das ist egal. Denn praktisch kann ich Gründe anführen, warum sie mir gefällt und diese Gründe werden nichts mit Frequenzen oder anderen messbaren Dingen zu tun haben.

Genauso ist es mit Begriffen wie Geist. Die wichtige Frage ist doch nicht, ob man die Existenz eines Geistes falsifizieren kann, sondern ob der Begriff etwas darstellt, was wichtig ist, was wir brauchen, um darüber zu reden. Und da ließen sich vermutlich viele Dinge finden, die das bestätigen.
Das ist jetzt echt ein gutes Argument, und gut aus Plutos eigener Argumentation abgeleitet.
Das bringt die ganze Sache voran, aus meiner Sicht.
Es geht um die Praktikabilität.
Begriffe machen dann Sinn, wenn sie von einer intersubjektiven Gemeinschaft verstanden werden und für diese Gemeinschaft unerlässlich sind, um das Vorhandensein von etwas oder dessen Nicht-Vorhandensein festzustellen.

Ich bringe ein Beispiel aus der Theaterwelt:
Wenn ich bei einer Theaterprobe zu einem Schauspieler sage:
"Spiel das nicht äußerlich, hole es von unten" - dann ist das zwar Theaterjargon, aber der Schauspieler versteht sofort, was ich meine und bietet mir eine neue Variante an.
Wenn der Schauspieler gut ist, kann er das Geforderte umsetzen, und ich bin zufrieden.

Schwieriger wäre es, das genau zu beschreiben, was er in seinem Spiel geändert hat.
An den Schauspielschulen lernt man, mit inneren Vorgängen so umzugehen, dass sie handhabbar werden. Auf der Bühne müssen sie auf Knopfdruck herstellbar sein.

Der Russe Konstantin Sergejewitsch Stanislawski, Schauspieler, Regisseur und vor allem Theaterpädagoge, nach dem heute alle Schauspielschulen in Europa zumindest als Teil der Schauspielkunst unterrichten, hat sich nicht gescheut, das, was abläuft beim Schauspielen, als "Geistiges" zu bezeichnen.

Für ihn sind aber alle Begriffe nur soweit sinnvoll, als sie praktikabel sind: den Schauspieler also befähigen, innere Vorgänge überhaupt erst mal zu verstehen, und dann, sie für den Zuschauer transparent zu machen.

Der Schauspieler muss also lernen, innere Vorgänge - auch die geistigsten - zu "erden", sie in sich selber aufzufinden und deren Eigenart regelrecht zu spüren. So wie andere es physisch spüren, wenn sie gegen einen Baum rennen, müssen die Schauspieler Abstrakta wie "Glück", "Trauer", "wahrhaftiges Theater-Spiel", "unechtes Theater-Spiel" etc. in ihrer Substanzhaftigkeit wahrnehmen wie andere den physischen Baum.

Darüber wird nicht einmal groß geredet, es ist einfach Handwerk, das man von der Pike aufgelernt hat.
Und nicht umsonst sind vor allem Musiker und Opernsänger interessiert an Fragen, die mit äußerlich nicht Sichtbarem, aber Vorhandenem zu tun haben.
Denn es ist ihr Beruf, damit umzugehen.

Ich hätte eigentlich nicht mal ein Problem damit, diese inneren Vorgänge der Materie zuzusprechen und den naturwissenschaftlichen Begriff von Materie dahingehend zu erweitern.
Denn es ist ja ganz real, was die Schauspieler da erzeugen, auch wenn es unsichtbar ist. Es ist ja wahrnehmbar.

Allerdings sagt auch Stanislawski - der pragmatischste und realistischste Theaterpädagoge, den ich kenne -, dass das, was das realistische Spielen erzeugen kann, an ein Geheimnis rührt.
Je realistischer man spielt - im beschriebenen Sinne, dass der Schauspieler die inneren Vorgänge in ihrem Ablauf reproduzieren kann - desto klarer wird dieser geheimnisvolle Moment, der dann im Schauspieler und im Publikum "passieren kann".

Aber selbst dieses Geheimnisvolle, das dadurch, dass man jede Sekunde am Realen bleibt, wie ein Wunder aufflammen kann, ist intersubjektiv. Die das kennen, können sich darüber austauschen.

Stanislawski war wahrscheinlich Materialist.
Aber seine Theaterarbeit und die Notwendigkeit, seine Schauspieler optimal auszubilden, hat ihn dazu geführt, das Lebendige beim Theaterspielen minutiös zu untersuchen und Begriffe zu finden, die intersubjektiv - innerhalb der Theaterwelt - sich als praktibel herausgestellt haben.

Sowohl in der DDR als auch im Westen wurde Stanislawskis Methode in die Schauspielschulen integriert. Ein Zeichen dafür, dass innerhalb ganz unterschiedlicher Weltanschauungssystemer das, was man als "geisige Vorgänge" bezeichnen kann, auch wenn man es vielleicht nicht so bezeichnet, ganz selbstverständlich als vorhanden vorausgesetzt wurde.

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#458 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Fr 28. Nov 2014, 13:42

ThomasM hat geschrieben:Die wichtige Frage ist doch nicht, ob man die Existenz eines Geistes falsifizieren kann, sondern ob der Begriff etwas darstellt, was wichtig ist, was wir brauchen, um darüber zu reden.
Selbstverständlich Zustimmung. - In der Praxis gibt es jedoch Probleme bei der Kommunikation:

1) Mancher sagt: All das, was nicht falsifizierbar sei, sei allein dadurch irrelevant - man leitet das vom KR ab.
2) "Was wichtig ist" wird in einer Meinungs-Gesellschaft wie die unsere egomanisch gedeutet - das kann dann dazu führen, dass Du sagst, Gott sei wichtig, dem ich entgegenhalte, ein Sack Reis in China sei wichtig. - Dann steht es 1 zu 1 - es gibt keine allgemein anerkannten substantiellen Kriterien, was wichtig ist (außer das Ich).

Also nochmals: Absolute Zustimmung - aber man scheint über solche Dinge nur noch im Kreis derer sprechen zu können, deren Erkenntnis-Weg kompatibel damit ist.

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#459 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von Savonlinna » Fr 28. Nov 2014, 13:46

Pluto hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Deine Behauptung ist also erneut - wissentlich oder unwissentlich - nur ein Trick.
Mag sein, dass du das als Trick empfindest.
In einer Diskussion verwendet jeder mal Verallgemeinerungen die nicht immer astrein sind. Dahinter steht aber i.d.R. nicht böse Ansicht, sondern solche Vereinfachungen geschehen im Interesse des Pragmatismus und der Zeitersparnis.
Ich finde deshalb die Unterstellung eines "Tricks" nicht als probates Mittel der Kritik in einer solchen Diskussion.
Ich schrieb darum extra "wissentlich oder unwissentlich".

Pluto hat geschrieben: Mir geht/ging es um die Nachprübarkeit und Wiederholbarkeit einer Beobachtung. Und hier entzieht sich die geistige Wahrnehmung der Verifizierung. Weil sie nicht beliebig wiederholbar ist, ist der Willkür von Zeugenaussagen ausgesetzt.
Ich weiß. Und mir geht es darum, einmal aufzublättern, was die Wissenschaft zu diesem Punkt alles schon erforscht hat. Denn Du erweckst oft den Anschein, dass Du die Wissenschaft schlechthin vertrittst.
Ich denke, der Nachweis, dass die Wissenschaft sehr viel mehr zu dem Thema erforscht hat, ist im Sinne dieses Forums, so wie Du es selber ja beschrieben hast.
Es ehrt Dich, dass Du viele unterschiedliche Standpunkte hier vertreten sehen möchtest.

Die Folgen einer Vergewaltigung eines Kindes durch einen Erwachsenen ist ebenfalls nicht "beliebig wiederholbar", da sei Gott vor. Und dennoch ist die Psychologie, die sich mit solchen Folgen befasst und sie zu systematisieren sucht, eine Wissenschaft.
Beliebige Wiederholbarkeit ist nur in einer ganz bestimmten Disziplin notwendig, in allen anderen nicht.

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#460 Re: Was genau ist denn Geist?

Beitrag von closs » Fr 28. Nov 2014, 13:53

Pluto hat geschrieben:Er nimmt dem Geist nichts weg, sondern trägt dabei wesentlich zur Vollkommenung des Geamtbildes bei. Ich kann nicht verstehen, wie man gegen solche (IMO wichtigen) Untersuchungen des Geistes sein kann.
Das verstehe ich auch nicht - keiner macht Neurowissenschaftlern den Vorwurf, dass sie sich um die materiellen Grundlagen von Geist bemühen - im Gegenteil.

Der entscheidende Punkt ist doch ein anderer: Ist Materie Schöpfer dieser Musik oder Vermittler dieser Musik. - Und diese Frage wird von Materialisten und spirituellen Menschen diametral benatwortet.

Pluto hat geschrieben:Als begabter Musiker muss man die Musik nicht hören die man schreibt; man kann sie auch anhand der Noten erleben.
Stimmt - weil man geistig umsetzen kann, was man ein Partitur und Schwingungen vorgesetzt bekommt - aber das können nur wenige.

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