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#1401 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Verfasst: So 12. Jul 2020, 15:06
von sven23
JackSparrow hat geschrieben:
So 12. Jul 2020, 14:13
sven23 hat geschrieben:
So 12. Jul 2020, 11:58
- Warum wird Jesus in Nazareth geboren
Jesus wird in Betlehem geboren.
In den Geburtslegenden schon, aber nicht im echten Leben.
Deshalb mußte man ja die unhistorische Steuerschätzung erfinden und den nicht stattgefunden habenden Kindermord des Herodes.

JackSparrow hat geschrieben:
So 12. Jul 2020, 14:13
sven23 hat geschrieben:
So 12. Jul 2020, 11:58
- Warum werden Stammbäume konstruiert, die nicht zusammen passen?
Weil nur echte Menschen zusammenpassende Stammbäume haben und man einer erfunden Romanfigur nicht einen echten "König der Juden" als Großvater andichten kann.
Die Stammbäume wurden ja nur deshalb erfunden, um Jesus im davidischen Königshaus verankern zu können, weil dies in den alten Schriften so vorhergesagt wurde.

JackSparrow hat geschrieben:
So 12. Jul 2020, 14:13
Wieso Irrtum. Jeder römische Kaiser ließ sich als Gott verehren.
Das hat aber nichts mit der Königsherrschaft Gottes ((βασιλεὶα τοῦ θεοῦ/ basileia tou theou) zu tun, an die das apokalyptische Judentum und auch Jesus glaubte, und die seiner Meinung nach unmittelbar bevorstand. Sie stand im Zentrum seiner Verkündigung.

#1402 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Verfasst: So 19. Jul 2020, 13:50
von SilverBullet
“sven23“ hat geschrieben:Wenn Jesus eine rein literarische Figur ist, dann muss man aber auch einige Fragen beantworten.

- Warum wird Jesus in Nazareth geboren und nicht in Bethlehem, wie es die Prophezeiungen vorhersagen?
- Warum werden Stammbäume konstruiert, die nicht zusammen passen?
- Warum läßt er sich von Frauen aushalten und bricht mit seiner Familie?
- Warum lassen die Schreiber ihn als "Fresser und Weinsäufer" bezeichnen?
- Warum verbietet Jesus ausdrücklich die Heidenmissionierung?
- Warum läßt sich Jesus als sündiger Mensch taufen?
- Warum lassen die Schreiber den Glauben an die nahe Gottesherrschaft im Zentrum seiner Verkündigung stehen, obwohl sie sich schon bei Abfassung der Evangelien als Irrtum - erwiesen hat?

Um nur mal einige Punkte zu benennen.
All diese Problemstellen, so komisch sie auch immer wirken sollten, stehen der "griechischen Götterwelt" in nichts nach und sie stehen in den Texten ja zudem sang und klanglos neben Wunder- und anderen Religionsbehauptungen.

Bevor man sich in diese Details hineinstürzt, sollte man klären, was für eine Art von Text man vor sich hat (ich habe das ja schon angeführt).

Es sind vier Evangelien enthalten -> warum nicht eines, das die Vergangenheit korrekt wiedergibt?
Warum gibt es zahlreiche andere Evangelien, die ein grosses Behauptungsspektrum abdecken, aber nicht ausgewählt wurden?
Wie ist es zur „christlichen Gnosis“ gekommen, bei der „Jesus“ kein Mensch ist, nicht geboren wurde, nicht hingerichtet wurde und nicht auferstanden ist?

Die einzige Möglichkeit, die ich sehe:
=> es sind insgesamt Texte, die eine andere Art von Zweck erfüllen, als dass sie aus sich selbst eine Korrektheit transportieren sollen.

Deine Fragen sind nur dann sinnvoll, wenn der Text aus unserem modernen Verständnis heraus, unabhängig von der Wirkung auf den Leser, eine Korrektheit enthalten soll.
Ich sage: dazu sind diese Texte nicht gedacht.

Die historische Einbettung der Legenden findet auf eine Art statt, bei der ein Grossteil der wichtigen Informationen einfach weggelassen wird und damit ein falsches Bild der Vergangenheit gezeichnet wird -> Verklärung.
Hieraus ergibt sich die (für ein modernes Verständnis) wichtigste Frage: „wieso fehlen die Details und wieso wird ein falsches Bild dieser Zeit vermittelt?“.

Die Antwort ist (meiner Meinung) ganz einfach: es sind Texte, die einzig und allein den „Glauben“ der Anhänger beeinflussen sollen.
„Gläubige“ haben die Tendenz selektiv mit den Religionsbehauptungen umzugehen (was man an Hand der 41.000 christlichen Konfessionen schwerlich übersehen kann).

Die Texte, die für die Bibel ausgewählt wurden, haben schlicht den grössten Einfluss auf damalige „Gläubige“ gehabt und dabei so wenig wie möglich gegenseitigen Widerstand hervorgerufen.
Die anderen (nicht ausgewählten) Texte hatten auch Wirkung auf irgendwelche „Gläubige“, aber es waren nicht so viele Anhänger und die Behauptungen haben viel Widerstand der anderen Gruppen hervorgerufen.

Deine obigen Fragen werden kaum irgendwann in der Geschichte dieser Religion eine grosse Rolle gespielt haben – schlicht weil die Texte nicht dazu gedacht sind, dass man über ihre Widersprüche nachdenkt.

Die Entwicklung im Christentum läuft nach dem Motto ab „alles was dem Glauben dient“. Die dabei entstehenden Fehler werden einfach übersehen, denn „sie dienen ja nicht dem Glauben“.

Stell dir die „Gläubigen“ nach dem jüdischen Krieg und der Folgezeit vor. Sie hatten definitiv viel Bedarf an Stabilisierung ihres „Glaubens“ (und zwar bezogen auf die damalige Situation). Dem Motto ("alles was dem Glauben dient") folgend ist es fast schon notwendig, eine Verklärung mit angedeuteten Geschichtsdaten aufzubauen (-> so wird der „Glauben“ unterstützt)

Das ist natürlich von A bis Z „Religion“ und vollständig ungeeignet, um daraus (inhaltlich) eine Wissenschaft zu machen.
Unsere „Forscher“ tun aber einfach so, als wären sie Wissenschaftler, unterstützen jedoch nach wie vor den Religionsbetrieb indem sie eine moderne Verschleierung aufziehen.

#1403 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Verfasst: Do 30. Jul 2020, 12:43
von sven23
SilverBullet hat geschrieben:
So 19. Jul 2020, 13:50
“sven23“ hat geschrieben: Wenn Jesus eine rein literarische Figur ist, dann muss man aber auch einige Fragen beantworten.

- Warum wird Jesus in Nazareth geboren und nicht in Bethlehem, wie es die Prophezeiungen vorhersagen?
- Warum werden Stammbäume konstruiert, die nicht zusammen passen?
- Warum läßt er sich von Frauen aushalten und bricht mit seiner Familie?
- Warum lassen die Schreiber ihn als "Fresser und Weinsäufer" bezeichnen?
- Warum verbietet Jesus ausdrücklich die Heidenmissionierung?
- Warum läßt sich Jesus als sündiger Mensch taufen?
- Warum lassen die Schreiber den Glauben an die nahe Gottesherrschaft im Zentrum seiner Verkündigung stehen, obwohl sie sich schon bei Abfassung der Evangelien als Irrtum - erwiesen hat?

Um nur mal einige Punkte zu benennen.
All diese Problemstellen, so komisch sie auch immer wirken sollten, stehen der "griechischen Götterwelt" in nichts nach und sie stehen in den Texten ja zudem sang und klanglos neben Wunder- und anderen Religionsbehauptungen.
Der Unterschied besteht darin, dass die griechischen Götter mit menchlichen Fehlern und Schwächen versehen werden und auch scheitern können, während die Evangelisten einen (unvollkommenen) Menschen vergotten wollten.

SilverBullet hat geschrieben:
So 19. Jul 2020, 13:50
Bevor man sich in diese Details hineinstürzt, sollte man klären, was für eine Art von Text man vor sich hat (ich habe das ja schon angeführt).
Es handelt sich um die Textgattung Evangelium, also Glaubenspropagandaschriften, die Glauben wecken sollten.

Die Evangelisten sind – Lk bildet hier mit seinen weltgeschichtlichen Synchronismen eine gewisse Ausnahme – nicht an einer chronologisch exakten Biographie Jesu interessiert.
Quelle: bibelwissenschaft.de

SilverBullet hat geschrieben:
So 19. Jul 2020, 13:50
Es sind vier Evangelien enthalten -> warum nicht eines, das die Vergangenheit korrekt wiedergibt?
siehe oben. Das war nicht ihre ursprüngliche Intention.

SilverBullet hat geschrieben:
So 19. Jul 2020, 13:50
Warum gibt es zahlreiche andere Evangelien, die ein grosses Behauptungsspektrum abdecken, aber nicht ausgewählt wurden?
Nun, die Kirche hat natürlich keine ausgewählt, die sie selbst (verdeckt) kritisiert oder gar überflüssig macht, oder gar zu albern waren.

 "In den ersten Jahrhunderten gab es sechzig Evangelien, die fast alle gleich unverdaulich waren. Man verwarf sechsundfünfzig wegen ihrer Kindlichkeit und Albernheit. Gäbe es hierfür keinerlei Anhaltspunkte bei denjenigen, die man behalten hat?"

(Denis Diderot, franz. Schriftsteller, Aufklärer u. Philosoph, 1713-1784).


SilverBullet hat geschrieben:
So 19. Jul 2020, 13:50
Deine Fragen sind nur dann sinnvoll, wenn der Text aus unserem modernen Verständnis heraus, unabhängig von der Wirkung auf den Leser, eine Korrektheit enthalten soll.
Ich sage: dazu sind diese Texte nicht gedacht.
Jein. Ursprünglich waren die Texte als Glaubensschriften angelegt. Im Laufe der Zeit rief das aber Kritiker auf den Plan. Selbst in den Gemeinden stellte man unangenehme, kritische Fragen, die nach mehr "Background" und Legitimation des Wanderpredigers verlangten.
So erfanden die Evangelisten selbst oder spätere Redaktoren immer neue Geschichten, die diese Nachfrage befriedigen sollten.


SilverBullet hat geschrieben:
So 19. Jul 2020, 13:50
Die Antwort ist (meiner Meinung) ganz einfach: es sind Texte, die einzig und allein den „Glauben“ der Anhänger beeinflussen sollen.
„Gläubige“ haben die Tendenz selektiv mit den Religionsbehauptungen umzugehen (was man an Hand der 41.000 christlichen Konfessionen schwerlich übersehen kann).
Richtig. Da die Bibel nun mal kein Text aus einem Guß ist, sondern ein Konglomerat aus den unterschiedlichsten Epochen, Traditionen und theologischen Interessen, enthält sie naturgemäß auch viele Widersprüche, die nicht miteinander vereinbar sind. Je nachdem, wo Gläubige ihren Schwerpunkt setzen, basteln sie sich mit Amateurexegese ihr ganz eigenes Glaubenskonstrukt zusammen.
Das Bild der Forschung ist da doch wesentlich homogener, wenngleich es auch nicht in allen Punkten Konsens gibt.



SilverBullet hat geschrieben:
So 19. Jul 2020, 13:50
Deine obigen Fragen werden kaum irgendwann in der Geschichte dieser Religion eine grosse Rolle gespielt haben – schlicht weil die Texte nicht dazu gedacht sind, dass man über ihre Widersprüche nachdenkt.
Das kann man so nicht sagen. Es gab zeitgenössische Kritik, auch konkrete Lügenvorwürfe an Paulus, die alle ihren Niederschlag in den Schriften gefunden haben.


SilverBullet hat geschrieben:
So 19. Jul 2020, 13:50
Stell dir die „Gläubigen“ nach dem jüdischen Krieg und der Folgezeit vor. Sie hatten definitiv viel Bedarf an Stabilisierung ihres „Glaubens“ (und zwar bezogen auf die damalige Situation). Dem Motto ("alles was dem Glauben dient") folgend ist es fast schon notwendig, eine Verklärung mit angedeuteten Geschichtsdaten aufzubauen (-> so wird der „Glauben“ unterstützt)
Für die Juden war der Käse längst gegessen.
Ein als gewöhnlicher Verbrecher Hingerichteter konnte nach jüdischer Glaubensvorstellung niemals der Messias sein. Geschweige denn ein Gott, was als Götteslästerung verstanden worden wäre. Schon Paulus erkannte, dass die neue christliche Sekte im Judentum keine Zukunft haben würde. Deshalb legte man den Fokus auf die Missionierung der Heiden, die kein Problem damit hatten, sich vom Judentum des Wanderpredigers immer weiter zu entfernen. Die Retourkutsche für die Ablehnung war der offen formulierte Antijudaismus der Evangelisten.

SilverBullet hat geschrieben:
So 19. Jul 2020, 13:50
Das ist natürlich von A bis Z „Religion“ und vollständig ungeeignet, um daraus (inhaltlich) eine Wissenschaft zu machen.
Unsere „Forscher“ tun aber einfach so, als wären sie Wissenschaftler, unterstützen jedoch nach wie vor den Religionsbetrieb indem sie eine moderne Verschleierung aufziehen.
Natürlich können Glaubensinhalte nicht Gegenstand von Wissenschaft sein. Aber man kann Glaubenskonstrukte wissenschaftlich beschreiben.
Wenn die neutestamentliche Forschung die Texte historisch-kritisch, also mit wissenschaftlicher Methodik, untersucht, so wie jeden anderen antiken Text, dann kann man durchaus zu belastbaren Ergebnissen kommen.
Ein Kritikpunkt ist natürlich die fehlende Unabhängigkeit der Forschung. Seit dem Fall Lüdemann ist einer breiten Öffentichkeit bewußt geworden, dass auch Lehrstühle bekenntnisgebunden sind, was der Freiheit von Forschung und Lehre ja eigentlich entgegen steht.
Aber trotz allem wird der Forschung bescheinigt, einen ordentlichen Job zu machen. Leute wie Lüdemann, die mit der Kirche gebrochen haben, können hier als Korrektiv dienen.

 

#1404 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Verfasst: So 2. Aug 2020, 09:32
von SilverBullet
“sven23“ hat geschrieben:Der Unterschied besteht darin, dass die griechischen Götter mit menchlichen Fehlern und Schwächen versehen werden und auch scheitern können, während die Evangelisten einen (unvollkommenen) Menschen vergotten wollten.
Diese Einschätzung ergibt sich aber nicht aus der Quellenlage.

Schau dir mal „Herkules“ („Herakles“) an. Auch eine Art „Wanderer“ mit einem ganzen Lebenslauf und er kann in Bezug auf die „unmöglichen Aufgaben“, die er löst, sogar als Blaupause zur „Jesus“-Figur angesehen werden.
Wie steht es um dem „historischen Herkules“ und warum wurde er derart überhöht?

Die christlich motivierten „Forscher“ wollen sich diese Frage nicht stellen, aber das ist auch die einzige Basis für den von dir angebrachten „Unterschied“.

“sven23“ hat geschrieben:Es handelt sich um die Textgattung Evangelium, also Glaubenspropagandaschriften, die Glauben wecken sollten.
An dieser Stelle solltest du dich fragen, wie diese „Glaubenspropaganda“ funktionieren soll.

Auch hier darfst du die griechische Götterwelt nicht vernachlässigen, denn diese „Einhorn- und Feenlandschaft“ hat definitiv in der Antike als „Glaubenspropaganda“ gewirkt.

Nimm einen erwachsenen Menschen, der in einer normalen, unaufgeregten Welt lebt und anfängt solchen Legenden zu folgen.
Das kann nicht auf Basis von inhaltlicher Korrektheit geschehen, denn die Legendenbehauptungen liegen nirgendwo umgesetzt vor.
Wie bei heutigen Filmfans muss einfach bereits die Faszination, das Erwecken des Staunens, (vielleicht auch die Gruppenzugehörigkeit und deren Traditionen) ausreichen, dass sich Menschen auf die Seite der Legendenbehauptungen schlagen und sie annehmen.
(Motto: „als die Erde den Mond gebar, tropfte Milch aus ihren Brüsten und ergab die Sterne“ - ich glaube das ist eine indianische Legende)

Eine historische Grundlage, die viel einfacher ausfällt, als das was fasziniert hat, würde den Effekt kaputt machen
=> Es wird nirgendwo eine historische Grundlage benötigt.
=> Es gab nie den „Urtrupp der Gläubigen“, die noch „dabei gewesen“ waren.
=> Das Auftreten der Heldenfiguren kann aus vielen verstreuten Einzelideen zusammengestöpselt sein und trotzdem (oder eher gerade deshalb) wird der Zweck erfüllt.

“sven23“ hat geschrieben:Nun, die Kirche hat natürlich keine ausgewählt, die sie selbst (verdeckt) kritisiert oder gar überflüssig macht, oder gar zu albern waren.

"In den ersten Jahrhunderten gab es sechzig Evangelien, die fast alle gleich unverdaulich waren. Man verwarf sechsundfünfzig wegen ihrer Kindlichkeit und Albernheit. Gäbe es hierfür keinerlei Anhaltspunkte bei denjenigen, die man behalten hat?"
(Denis Diderot, franz. Schriftsteller, Aufklärer u. Philosoph, 1713-1784).
Nein, ich ziele nicht auf das Auswählen durch die Kirche ab, sondern auf das Existieren der anderen Evangelien.
Diese Texte sind auch entstanden, hatten Anhänger und wurden verbreitet. Bestimmt nicht in einem konkurrenzfähigen Umfang, aber dennoch sind sie entstanden und geben damit Hinweise auf die Entstehungsmöglichkeiten, quasi auf das Ideenspektrum, das damals von Erwachsenen akzeptiert wurde.

Die nicht in der Bibel enthaltenen Evangelien sind bestimmt sehr ungünstig für die Zurückführung auf eine historische Person. Behandelt man all die Behauptungen gleichrangig, dann ergeben sich Gegensätze, die nur dadurch aufgelöst werden können, dass nichts von den Behauptungen auf eine einheitlich historische Person zurückgeht. (Ich habe die christliche Gnosis ja bereits genannt – der Messias wird nicht geboren, ist kein Mensch, stirbt nicht und ist auch nicht auferstanden).

“sven23“ hat geschrieben:Selbst in den Gemeinden stellte man unangenehme, kritische Fragen, die nach mehr "Background" und Legitimation des Wanderpredigers verlangten.
So erfanden die Evangelisten selbst oder spätere Redaktoren immer neue Geschichten, die diese Nachfrage befriedigen sollten.
„Wanderprediger“ scheint für die „historische Mensch“-Legende eine sehr zentrale Charakterisierung sein.

Aus welchen Quellen wird die Einschätzung einer Wanderprediger-Aktivität abgeleitet?
=> nur aus der Bibel?
=> vielleicht sogar auch dies nur in Verbindung mit der eher Neuzeitlichen Idee von Wanderpredigern?

Mir kommt es seltsam vor, dass in der aufgeheizten gewalttätigen Zeit des ersten Jahrhunderts in Judäa überhaupt das Konzept „Wanderprediger“ stattgefunden haben kann.

Ich habe mal versucht irgendwelche Angaben über jüdische Wanderprediger aufzuspüren.
=> jüdische Wanderprediger werden anscheinend „Maggid“ genannt (siehe Wiki)

Es gibt dabei aber ein zentrales Problem:
=> die jüdischen Wanderprediger tauchen erst im 16.Jahrhundert auf

Einem „Wanderprediger“ würde ich zudem eine Art Missionierungsabsicht unterstellen.
Im Judentum soll es aber keine Missionierungsvorgänge geben.

Das Konzept „Wanderprediger“ passt eher nicht in die damalige Zeit.
Die Zeloten setzten auf die Einhaltung der vorhandenen religiösen Grundlagen und die Anführer wurden wohl sehr schnell abgelehnt, wenn sie sich zu sehr selbst in Szene setzten.

Es gab Rabbi-Persönlichkeiten mit Schülern – „Hillel“ habe ich bereits genannt – aber das waren wohl eher keine Wanderprediger.

Legt die „Forschung“ mit dem „historischen Jesus“ vielleicht einfach sang und klanglos ein neues Legendebild vor, das nicht auf „inhaltliche Korrektheit“ setzt?

Die „Jesus“-Figur taucht eigentlich nur deshalb hier und da auf, um Wunder zu vollbringen – so wie „Herkules“ seine Aufgaben erledigt hat.

“sven23“ hat geschrieben:Richtig. Da die Bibel nun mal kein Text aus einem Guß ist, sondern ein Konglomerat aus den unterschiedlichsten Epochen, Traditionen und theologischen Interessen, enthält sie naturgemäß auch viele Widersprüche, die nicht miteinander vereinbar sind. Je nachdem, wo Gläubige ihren Schwerpunkt setzen, basteln sie sich mit Amateurexegese ihr ganz eigenes Glaubenskonstrukt zusammen.
Das Bild der Forschung ist da doch wesentlich homogener, wenngleich es auch nicht in allen Punkten Konsens gibt.
Ich sehe nicht, dass aus dieser „Forschung“ etwas anderes kommt, sondern ich sehe immer nur das eine Prinzip, dass etwas angeboten wird, das die Faszination von manchen „Gläubigen“ abdecken könnte.
In einer echten Forschung müssten die Zeloten als sichtbare Messiasbewegung eine zentrale Rolle einnehmen. Stattdessen soll ein „Forschungsergebnis“ in einer unsichtbaren Messiasbewegung rund um eine unsichtbare historische Person liegen.

Die Religionstexte versuchen bei den „Gläubigen“ eine Art Faszination zu erzeugen, bei der jegliches homogene Bild störend wirkt. Es geht nicht um Homogenität, es geht nicht um Korrektheit, es geht um Faszination und Staunen, sozusagen um das „Einfangen der Aufmerksamkeit“. Die Forschung betreibt Legendenbildung, wenn sie ein „homogenes Bild“ als „Ergebnis“ präsentiert. Das ist auch wieder nur Verklärung.

“sven23“ hat geschrieben:Es gab zeitgenössische Kritik, auch konkrete Lügenvorwürfe an Paulus, die alle ihren Niederschlag in den Schriften gefunden haben.
Mit „Kritik“ gehst du der Legende einer historischen Grundlage auf den Leim.
Ich denke man muss eher von vielen alternativen Angeboten ausgehen, die sich gegenseitig eher ablehnten, weil die jeweils andere Idee, die Faszination der „eigenen Gläubigen“ störte.

Den Bibeltexten einen Vorrang zu geben, ist lediglich ein Glaubenssprung -> einer Forschung unwürdig.

“sven23“ hat geschrieben:Ein als gewöhnlicher Verbrecher Hingerichteter konnte nach jüdischer Glaubensvorstellung niemals der Messias sein. Geschweige denn ein Gott, was als Götteslästerung verstanden worden wäre. Schon Paulus erkannte, dass die neue christliche Sekte im Judentum keine Zukunft haben würde. Deshalb legte man den Fokus auf die Missionierung der Heiden, die kein Problem damit hatten, sich vom Judentum des Wanderpredigers immer weiter zu entfernen. Die Retourkutsche für die Ablehnung war der offen formulierte Antijudaismus der Evangelisten.
Sorry, auf mich wirkt dies wie ein Märchen.
Jüdische Konflikte, jüdische Tote in Bezug auf die Messias-Bewegung, gehen nicht zurück auf ein einfaches „wir mögen ihn nicht“.
Laut „Flavius Josephus“ gingen die Zeloten (auf Basis ihrer „Reinheit führt zum Messias-Reich“-Idee) gegen Juden vor, die da nicht mitmachten und sich vielleicht sogar eher Richtung Rom (oder vielleicht anderen Messias-Helden) orientierten.

Das ist ein handfester Konflikt, weil er elementar gegen eine Erlösungsidee gerichtet ist. Mit den Niederlagen, dem Verlust des Tempels, des Allerheiligsten, der Vertreibung ist es nahe liegend, das man den bereits zuvor störenden „Abtrünnigen“ noch mehr Hass entgegen bringt.

Die Nicht-Messias-Juden haben quasi den Messias-Juden aus dem Blickwinkel der „Reinheit des auserwählten Volkes“ die Show kaputt gemacht und zwar grundlegend.

Das ist der christliche Judenhass – der Judenhass der sichtbaren Messiasbewegung.

Der übergestülpte Liebes-, Friedens- und „er ist für uns gestorben“-Slogan passt da natürlich nicht wirklich hinein und funktiniert ja auch nicht.

“sven23“ hat geschrieben:Wenn die neutestamentliche Forschung die Texte historisch-kritisch, also mit wissenschaftlicher Methodik, untersucht, so wie jeden anderen antiken Text, dann kann man durchaus zu belastbaren Ergebnissen kommen.
Bzgl. Textversionen, Textabhängigkeiten könnte dies in etwa hinkommen (mit Unsicherheiten).
Beim Sprung von „weil es im Wundertext steht“ zu „historisch war es so“ betritt man definitiv Gaga-Land.

Handelt es sich bei den von dir als „andere antike Texte“ bezeichneten Quellen auch um Wundertexte?
Damit sind wir wieder beim „historischen Herkules“.

#1405 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Verfasst: Mo 3. Aug 2020, 13:43
von sven23
SilverBullet hat geschrieben:
So 2. Aug 2020, 09:32
“sven23“ hat geschrieben: Der Unterschied besteht darin, dass die griechischen Götter mit menchlichen Fehlern und Schwächen versehen werden und auch scheitern können, während die Evangelisten einen (unvollkommenen) Menschen vergotten wollten.
Diese Einschätzung ergibt sich aber nicht aus der Quellenlage.

Schau dir mal „Herkules“ („Herakles“) an. Auch eine Art „Wanderer“ mit einem ganzen Lebenslauf und er kann in Bezug auf die „unmöglichen Aufgaben“, die er löst, sogar als Blaupause zur „Jesus“-Figur angesehen werden.
Wie steht es um dem „historischen Herkules“ und warum wurde er derart überhöht?
Das ist nun mal bei Göttern so. Aber Götter sind nichts anderes als Produkte menschlicher Phantasie.
Herakles diente aber auch als Vorlage für die Jesus-Saga.


SilverBullet hat geschrieben:
So 2. Aug 2020, 09:32
Nein, ich ziele nicht auf das Auswählen durch die Kirche ab, sondern auf das Existieren der anderen Evangelien.
Natürlich existierten sie, aber mit zunehmendem zeitlichen Abstand wurden die Apokryphen immer weiter ins Absurde und Groteske gesteigert, so daß es selbst der Kirche zuviel wurde. Mit der Kanonisierung der ältesten und vermeintlich am wenigsten albernen wurde dem Wildwuchs ein Ende gesetzt, aber erst im 4. Jahrhundert. Also Zeit genug, die Texte in die Form zu bringen, die der Kirche am genehmsten war.



SilverBullet hat geschrieben:
So 2. Aug 2020, 09:32
„Wanderprediger“ scheint für die „historische Mensch“-Legende eine sehr zentrale Charakterisierung sein.

Aus welchen Quellen wird die Einschätzung einer Wanderprediger-Aktivität abgeleitet?
=> nur aus der Bibel?
In Bezug auf Jesus schon, aber aus anderen Texten wurde aus römischer Sicht kolportiert, dass es fast unmöglich war, durch Galiläa zu gehen ohne über einen Wanderprediger zu stolpern. Das heißt, die Figur des Wanderpredigers ist historisch plausibel.

https://www.saarbruecker-zeitung.de/jesus-als-wanderprediger-wundertaeter-und-eiferer_aid-958423


SilverBullet hat geschrieben:
So 2. Aug 2020, 09:32
Einem „Wanderprediger“ würde ich zudem eine Art Missionierungsabsicht unterstellen.
Im Judentum soll es aber keine Missionierungsvorgänge geben.
Richtig, es gibt keine Missionierung außerhalb des Judentums. Auch Jesus vertrat ja laut Evangelien einen jüdischen Nationalismus und religiösen Partikularismus und verbot seinen Jüngern ausdrücklich die Heidenmissionierung.
Paulus und auch Matthäus erkannten aber, dass sie mit der Vergottung eines Menschen innerhalb des Judentums keine Chance haben würden. Als Messias war der Hingerichtete sowieso für alle Juden sichbar gescheitert. Die Zukunft lag außerhalb des Judentums, in der Heidenmissionierung.


SilverBullet hat geschrieben:
So 2. Aug 2020, 09:32
Die „Jesus“-Figur taucht eigentlich nur deshalb hier und da auf, um Wunder zu vollbringen – so wie „Herkules“ seine Aufgaben erledigt hat.
Die Forschung sieht Jesus vor allem als Heiler und Exorzisten.
Das ist aber nichts besonderes und eher unspektakulär. Sog. "Wunderheiler" gibt es auch heute noch und Exorzismus wird noch heute vom Vatikan praktiziert.


SilverBullet hat geschrieben:
So 2. Aug 2020, 09:32
“sven23“ hat geschrieben: Richtig. Da die Bibel nun mal kein Text aus einem Guß ist, sondern ein Konglomerat aus den unterschiedlichsten Epochen, Traditionen und theologischen Interessen, enthält sie naturgemäß auch viele Widersprüche, die nicht miteinander vereinbar sind. Je nachdem, wo Gläubige ihren Schwerpunkt setzen, basteln sie sich mit Amateurexegese ihr ganz eigenes Glaubenskonstrukt zusammen.
Das Bild der Forschung ist da doch wesentlich homogener, wenngleich es auch nicht in allen Punkten Konsens gibt.
Ich sehe nicht, dass aus dieser „Forschung“ etwas anderes kommt, sondern ich sehe immer nur das eine Prinzip, dass etwas angeboten wird, das die Faszination von manchen „Gläubigen“ abdecken könnte.
Nee, da muss man eindeutig differenzieren zwischen historisch-kritischer Forschung und kirchlicher Verkündigung.
Die Forschung wird ja nicht umsonst- auch hier im Forum- als Glaubenszerstörer und Antichrist (Ratzinger, Berger) diffarmiert. Der Graben zwischen historischem Jesus und dem verkündeten Christus der Kirche ist unüberwindlich geworden.


SilverBullet hat geschrieben:
So 2. Aug 2020, 09:32
In einer echten Forschung müssten die Zeloten als sichtbare Messiasbewegung eine zentrale Rolle einnehmen. Stattdessen soll ein „Forschungsergebnis“ in einer unsichtbaren Messiasbewegung rund um eine unsichtbare historische Person liegen.
Das Zelotenthema scheint mir in der Tat etwas unterbelichtet zu sein, bis auf Ausnahmen wie Reza Aslan (siehe oben)
Aus Sicht der Schreiber ist es nachvollziehbar. Der Weg der Gewalt hatte sich als fataler Irrtum erwiesen. Man entwickelte eine Art "Gegenmodell".


SilverBullet hat geschrieben:
So 2. Aug 2020, 09:32
“sven23“ hat geschrieben: Ein als gewöhnlicher Verbrecher Hingerichteter konnte nach jüdischer Glaubensvorstellung niemals der Messias sein. Geschweige denn ein Gott, was als Götteslästerung verstanden worden wäre. Schon Paulus erkannte, dass die neue christliche Sekte im Judentum keine Zukunft haben würde. Deshalb legte man den Fokus auf die Missionierung der Heiden, die kein Problem damit hatten, sich vom Judentum des Wanderpredigers immer weiter zu entfernen. Die Retourkutsche für die Ablehnung war der offen formulierte Antijudaismus der Evangelisten.
Sorry, auf mich wirkt dies wie ein Märchen.
Die Evangelien sind größtenteils religiös motivierte Märchen. Die Frage ist, ob sich noch ein historischer Kern daraus extrahieren läßt.



SilverBullet hat geschrieben:
So 2. Aug 2020, 09:32
“sven23“ hat geschrieben: Wenn die neutestamentliche Forschung die Texte historisch-kritisch, also mit wissenschaftlicher Methodik, untersucht, so wie jeden anderen antiken Text, dann kann man durchaus zu belastbaren Ergebnissen kommen.
Bzgl. Textversionen, Textabhängigkeiten könnte dies in etwa hinkommen (mit Unsicherheiten).
Beim Sprung von „weil es im Wundertext steht“ zu „historisch war es so“ betritt man definitiv Gaga-Land.
Natürlich, aber die Forschung äußert sich nicht inhaltlich zu Wundern. Sie zeigt aber ganz klar auf, dass die Wundergeschichten im Laufe der Zeit immer weiter gesteigert werden und der Phantasie der Schreiber entstammen, also nicht historisch sind.

#1406 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Verfasst: Mo 3. Aug 2020, 16:25
von SilverBullet
sven23 hat geschrieben:Aber Götter sind nichts anderes als Produkte menschlicher Phantasie.
Herakles diente aber auch als Vorlage für die Jesus-Saga.
Das bedeutet, für "Herkules/Herakles" wird keine historische Person benötigt.
=> es wird auch keine historische Person für die "Jesus"-Figur benötigt.

sven23 hat geschrieben:Natürlich existierten sie, aber mit zunehmendem zeitlichen Abstand wurden die Apokryphen immer weiter ins Absurde und Groteske gesteigert, so daß es selbst der Kirche zuviel wurde.
Vorsicht bei diesen zeitlichen Abständen - hier fliest enorm viel Wunschdenken von "Gläubigen" ein.

Die christliche Gnosis ist wohl nicht aus der "Jesus"-Legende heraus erklärbar.
Wer hält dabei dann das Copyright?

Man muss damit aufhören, dass die Legende sich selbst zur Historie erklärt.
Die Konflikte des ersten Konzils zeigen deutlich, dass alternative Variationen unterwegs waren und überall die Zeloten-Vergangenheit ignoriert wurde.
=> von diesen Variationen sollte man keines als "Original" bzw. "Hauptstrang" ansehen, sondern es handelt sich erst einmal alles um gleichrangigen Humbug.
=> es sind Fantasien die unter der Macht Roms auf Basis der Grösse der Anhängerschaft "sortiert" und unterstützt/gepusht wurden.
=> zur Phantasie kommt also auch noch eine enorme machtpolitische Komponente.
=> damit sind wir fernab von jeglicher Verlässlichkeit in Richtung Historizität.

sven23 hat geschrieben:In Bezug auf Jesus schon, aber aus anderen Texten wurde aus römischer Sicht kolportiert, dass es fast unmöglich war, durch Galiläa zu gehen ohne über einen Wanderprediger zu stolpern. Das heißt, die Figur des Wanderpredigers ist historisch plausibel.

https://www.saarbruecker-zeitung.de/jes ... aid-958423
Ich habe mir deinen Link angesehen, aber das ist keine Quelle um den Begriff "Wanderprediger" für das erste Jahrhundert in Judäa zu rechtfertigen.

Welches sollen diese "anderen Texte mit römischer Sicht" sein?

sven23 hat geschrieben:Richtig, es gibt keine Missionierung außerhalb des Judentums.
Wenn du bestätigst, was ich sage, dann fehlt der "Wanderprediger".
Als "Missionierung innerhalb des Judentums" könnte man allerhöchstens die Zeloten-Aktivitäten samt Beseitigung von Rom-freundlichen Juden bezeichnen.

sven23 hat geschrieben:Die Forschung sieht Jesus vor allem als Heiler und Exorzisten.
Das ist aber nichts besonderes und eher unspektakulär. Sog. "Wunderheiler" gibt es auch heute noch und Exorzismus wird noch heute vom Vatikan praktiziert.
Das ist aber wieder nur das Märchen, es fehlen diese Leute im ersten Jahrhundert.
Es besteht die Gefahr, dass diese "Forschung" einfach nur etwas daher plappert, was für die modernen Ohren "nett" klingt.

sven23 hat geschrieben:Die Forschung wird ja nicht umsonst- auch hier im Forum- als Glaubenszerstörer und Antichrist (Ratzinger, Berger) diffarmiert.
Diese "Forschung" stellt (aus meiner Sicht) eine eigene christliche Konfession dar und wird genauso angegriffen, wie es zwischen den Konfessionen alter Brauch zu sein scheint.
Es ist sinnlos echte Forschung auf diese Weise anzugreifen, weil sie ja nur nach inhaltlicher Korrektheit strebt.
Eine "So-Tun-Als-Ob-Forschung", die letztlich aber nur eigene Behauptungen und Legenden aufstellt, sollte man als Konfessionsangebot ansehen.

sven23 hat geschrieben:Das Zelotenthema scheint mir in der Tat etwas unterbelichtet zu sein, bis auf Ausnahmen wie Reza Aslan
Da kann ich nur sagen VORSICHT. Beim Lesen deines Links bin ich über folgende Aussage gestolpert:
"Anschaulich und fesselnd kann Reza Aslan das schildern, eine solche lebendige Darstellung des Handelns von Jesus würde man manchem Prediger wünschen. Wenn Aslan etwa ab Seite 34 die Tempelreinigung schildert, wird man als Leser völlig hineingezogen in dieses Geschehen."
Das ist wieder nur Abenteuerroman und Legendenbildung.
Der Autor scheint sich nicht um das zu kümmern was da ist, sondern um eine, die Faszination bedienende, Ausschmückung - das sind die Bibeltexte aber auch.
Man sollte aufhören mit diesen Sensationslegenden.

Schau dir mal den "Jüdischen Krieg" von "Flavius Josephus" an. Das ist ein Text aus dem man bestimmt Anreize zur damaligen Zeit bekommen kann,
aber dann taucht da ein "Hohepriester Jesus" auf, der über zahlreiche Seiten hinweg einen Monolog gegen die ankommenden Zeloten hält.
=> "Anschaulich, fesselnd und eine lebendige Darstellung" - da stehtwirklich jedes Wort, das er gesprochen hat, prima!
Beim Lesen habe ich mich sofort gefragt, "wer war das Kamerateam", das dem Autor dieses Originalmaterial in einer derart guten Detailauflösung zur Verfügung gestellt hat?

An solchen Stellen mache ich einen Schritt zurück und frage mich "was habe ich da jetzt vor mir?" - da stimmt etwas nicht.

Solche Faszinationsgestaltungen sind problematisch und sie führen nicht zu einer inhaltlichen Korrektheit.
Das ist wie Sand, der einem durch die Finger rieselt.

sven23 hat geschrieben:Die Evangelien sind größtenteils religiös motivierte Märchen. Die Frage ist, ob sich noch ein historischer Kern daraus extrahieren läßt.
Die Antwort auf diese Frage kann nur über eine Analyse der Texterwartung der damaligen Leute gehen unter Beachtung, dass auch die griechische Götterwelt dort hineinpassen muss.

Mein Fazit lautet:
* Es gibt keine Möglichkeit um vom Märchentext zur Realität zu kommen.
* Lediglich: wenn eine andere Quelle etwas detailreich liefert und die Bibel dies grob erwähnt, kann man von einer Art Bestätigung für die andere Quelle sprechen.

Meine Frage "Wo sind die Wanderprediger im ersten Jahrhundert?" ist ja nicht beliebig aufgestellt, sondern geht genau in diese Richtung.

Sehr schnell wird man verleitet und akzeptiert diese Alltagssuggestion über das erste Jahrhundert - weil es halt in der Bibel steht.

Wie ich geschrieben habe, ist das "Herumlaufen und tolle Taten-Vollbringen" bereits mit "Herkules" für den griechischen Kulturraum aufbereitet und mit Erfolg verkauft worden.
Jetzt wird in griechischen Texten beschrieben, dass ein Messias herumläuft und tolle Taten vollbringt -> OK, "Nachtigal, ick hör dir trapsen"

Diese Umstände werden von der christlichen "Forschung" genauso weggelassen, wie die Zeloten weggelassen werden - das fällt halt nunmal auf.

sven23 hat geschrieben:Natürlich, aber die Forschung äußert sich nicht inhaltlich zu Wundern. Sie zeigt aber ganz klar auf, dass die Wundergeschichten im Laufe der Zeit immer weiter gesteigert werden und der Phantasie der Schreiber entstammen, also nicht historisch sind.
Diese "Forschung" hat es noch nicht einmal geschafft, das Flower-Power-Idyll rund um die "Jesus"-Figur in ein Spannungsverhältnis zur sichtbaren Messias-Bewegung der Zeloten zu stellen.
Ich hatte zwar das Wort "Zelot" schon mal gehört, aber ich habe Bauklötze gestaunt, als klar wurde, dass dies eine Messias-Bewegung ist, die auf die Probleme mit dem Herodes-Clan und der römischen Volkszählung (samt darauf aufbauender Steuererhebung) hin gegründet wurde und die flächendeckend (also auch in der Landschaft der "Jesus"-Figur) aktiv war.

So etwas ist als Resultat einer Forschung schlicht nicht akzeptabel.

Aus meiner Sicht wird hier Kirchen-motiviertes Forschungstheater betrieben.

#1407 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Verfasst: Di 4. Aug 2020, 13:37
von sven23
SilverBullet hat geschrieben:
Mo 3. Aug 2020, 16:25
sven23 hat geschrieben:Aber Götter sind nichts anderes als Produkte menschlicher Phantasie.
Herakles diente aber auch als Vorlage für die Jesus-Saga.
Das bedeutet, für "Herkules/Herakles" wird keine historische Person benötigt.
=> es wird auch keine historische Person für die "Jesus"-Figur benötigt.
Man kann es aber auch nicht kategorisch ausschließen. Im Grunde ist es doch egal. Der Christus des Glaubens ist jedenfalls ein Phantasieprodukt, egal ob er sich an eine historische Person angeheftet hat oder nicht.


SilverBullet hat geschrieben:
Mo 3. Aug 2020, 16:25
sven23 hat geschrieben:Natürlich existierten sie, aber mit zunehmendem zeitlichen Abstand wurden die Apokryphen immer weiter ins Absurde und Groteske gesteigert, so daß es selbst der Kirche zuviel wurde.
Vorsicht bei diesen zeitlichen Abständen - hier fliest enorm viel Wunschdenken von "Gläubigen" ein.
Historiker datieren die Apokryphen auf das 2-4 Jahrhundert. Sie sind jedenfalls jünger als die Evangelien.

SilverBullet hat geschrieben:
Mo 3. Aug 2020, 16:25
Die christliche Gnosis ist wohl nicht aus der "Jesus"-Legende heraus erklärbar.
Es gibt sogar eine heidnische Gnosis, eine hellenistisch und eine jüdische. Die Sache ist weitaus komplexer als man auf den ersten Blick meint.


SilverBullet hat geschrieben:
Mo 3. Aug 2020, 16:25
Die Konflikte des ersten Konzils zeigen deutlich, dass alternative Variationen unterwegs waren und überall die Zeloten-Vergangenheit ignoriert wurde.
Warum sollte man mit der Zelotenvergangenheit hausieren gehen? Das Konzept war gescheitert, wer wollte jetzt noch mit Zeloten in Verbindung gebracht werden?
Vergleichbar mit dem Nationalsozialismus. Nach 1945 gab es plötzlich keine Nazis mehr.



SilverBullet hat geschrieben:
Mo 3. Aug 2020, 16:25
sven23 hat geschrieben:In Bezug auf Jesus schon, aber aus anderen Texten wurde aus römischer Sicht kolportiert, dass es fast unmöglich war, durch Galiläa zu gehen ohne über einen Wanderprediger zu stolpern. Das heißt, die Figur des Wanderpredigers ist historisch plausibel.

https://www.saarbruecker-zeitung.de/jes ... aid-958423
Ich habe mir deinen Link angesehen, aber das ist keine Quelle um den Begriff "Wanderprediger" für das erste Jahrhundert in Judäa zu rechtfertigen.
Man weiß heute einiges mehr über die Zeit des 1. Jahrhunderts als noch vor einigen Jahrzehnten. Historische Plausibilität nach Gerd Theißen wird heute wesentlich höher bewertet als z. B. das doppelte Differenzkriterium nach Käsemann. Meiner Meinung nach zu Recht.

Ein Blick in antike Kulissen“ wichtig: Das Judentum zur Zeit Jesu ist um Einiges vielschichtiger als man landläufig glaubt. Jesus von Nazareth hat in einer Zeit gelebt, in der Religion und deren richtige Ausübung ein äußerst wichtige Rolle gespielt haben. Die Schriften des neuen Testaments sind nicht als Geschichtsberichte zu verstehen. Sie vermengen Story und History. Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, historische Daten aus der Story zu extrahieren und die Story besser verständlich zu machen.
Christan Bemmerl


SilverBullet hat geschrieben:
Mo 3. Aug 2020, 16:25
sven23 hat geschrieben:Die Forschung wird ja nicht umsonst- auch hier im Forum- als Glaubenszerstörer und Antichrist (Ratzinger, Berger) diffarmiert.
Diese "Forschung" stellt (aus meiner Sicht) eine eigene christliche Konfession dar und wird genauso angegriffen, wie es zwischen den Konfessionen alter Brauch zu sein scheint.
Es ist sinnlos echte Forschung auf diese Weise anzugreifen, weil sie ja nur nach inhaltlicher Korrektheit strebt.
Eine "So-Tun-Als-Ob-Forschung", die letztlich aber nur eigene Behauptungen und Legenden aufstellt, sollte man als Konfessionsangebot ansehen.
Da muss man deutlich differenzieren. Wer Glaubensbekenntnisse benötigt, der gehört in die Kirche, nicht in die Forschung.

SilverBullet hat geschrieben:
Mo 3. Aug 2020, 16:25
sven23 hat geschrieben:Das Zelotenthema scheint mir in der Tat etwas unterbelichtet zu sein, bis auf Ausnahmen wie Reza Aslan
Da kann ich nur sagen VORSICHT. Beim Lesen deines Links bin ich über folgende Aussage gestolpert:
"Anschaulich und fesselnd kann Reza Aslan das schildern, eine solche lebendige Darstellung des Handelns von Jesus würde man manchem Prediger wünschen. Wenn Aslan etwa ab Seite 34 die Tempelreinigung schildert, wird man als Leser völlig hineingezogen in dieses Geschehen."
Das ist wieder nur Abenteuerroman und Legendenbildung.
Der Autor scheint sich nicht um das zu kümmern was da ist, sondern um eine, die Faszination bedienende, Ausschmückung - das sind die Bibeltexte aber auch.
Man sollte aufhören mit diesen Sensationslegenden.
Aslan geht doch ganz in deine Richtung. Er sieht Jesus als Zelot und ist als Muslim einer übertriebenen Jesusverehrung wohl eher unverdächtig.


SilverBullet hat geschrieben:
Mo 3. Aug 2020, 16:25
sven23 hat geschrieben:Natürlich, aber die Forschung äußert sich nicht inhaltlich zu Wundern. Sie zeigt aber ganz klar auf, dass die Wundergeschichten im Laufe der Zeit immer weiter gesteigert werden und der Phantasie der Schreiber entstammen, also nicht historisch sind.
Diese "Forschung" hat es noch nicht einmal geschafft, das Flower-Power-Idyll rund um die "Jesus"-Figur in ein Spannungsverhältnis zur sichtbaren Messias-Bewegung der Zeloten zu stellen.
Das stimmt so nicht ganz. Die Forschung hat große Übereinstimmungen in der Gesetzesbefolgung und der antirömischen Gesinnung festgestellt. Unterschiede gibt es aber im Umgang mit der Gewalt.
Zum Flower-Power Jesus: Spätestens seit Albert Schweitzer sind die Jesusbilder der liberalen Jesusforschung als subjektive, ethische Wertvorstellungen ihrer Vertreter entlarvt worden. Das Thema ist eigentlich durch.
Schweitzer schrieb sogar:

Der Jesus der Evangelien hat nie existiert.

#1408 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Verfasst: Mi 5. Aug 2020, 09:44
von SilverBullet
“sven23“ hat geschrieben:Man kann es aber auch nicht kategorisch ausschließen.
Man kann mit Sicherheit auschliessen, dass man bereits einen historischen Jesus-Wanderprediger gefunden hat, denn man hat ihn nicht gefunden und selbst bei „Wanderprediger“ ergeben sich offensichtlich enorme Schwierigkeiten (du hast dazu wohl auch nichts weiter gefunden).

Daraus ergibt sich die wissenschaftliche Aussage:
es liegt kein Jesus-Wanderprediger für das erste Jahrhundert vor.

“sven23“ hat geschrieben:Im Grunde ist es doch egal.
Naja, diese Haltung ist in Bezug auf Wissenschaft nicht sinnvoll, aber ich vermute das kannst du dir auch selbst denken.

Ohne die Suggestion „der historische Jesus war ganz anders“ stellt sich die Frage „was war dann der Ursprung des Christentums?“.
Die Antwort auf diese Frage ist dann die sichtbare Messias-Bewegung der Zeloten, es ist der Kriegsverlauf, es ist die Vertreibung, es ist der Verlustschock der Messias-Anhänger – nirgendwo Liebe/Frieden.
=> da sind wir weit weg von „egal“

“sven23“ hat geschrieben:Historiker datieren die Apokryphen auf das 2-4 Jahrhundert. Sie sind jedenfalls jünger als die Evangelien.
Die sehr alten Papyrusstücke (z.B. P52) sollen wohl aus dem 2. – 7. Jahrhundert stammen.

Die anderen Datierungen sind „inhaltliche Datierungsversuche“ von Theologen, die entlang der Legende die Vergangenheit entwerfen.

Das zweite Jahrhundert (man findet hier wohl auch die ersten Fisch-Symbole) scheint eine Art Hotspot für die Bildung der christlich religiösen Phantasien zu sein.
Das würde auch passen, denn bis Anfang des zweiten Jahrhunderts gab es immer noch jüdische Messiasaufstände, die nicht im Christentum verarbeitet werden.
Bei einer Gleichzeitigkeit von Bewegungen mit derart unterschiedlicher Gewaltausrichtung hätte es irgendwo eine Distanzierung geben müssen – diese fehlt aber vollständig.

Ich sehe keinen Anlass irgendwelche Wundertexte auf Basis ihrer Behauptungen vorzuziehen.

“sven23“ hat geschrieben:Es gibt sogar eine heidnische Gnosis, eine hellenistisch und eine jüdische. Die Sache ist weitaus komplexer als man auf den ersten Blick meint.
Ja, und die Sache ist vor diesem Hintergrund vielleicht sogar sehr viel früher dran als die Jesus-Wanderprediger-Legende.

“sven23“ hat geschrieben:Warum sollte man mit der Zelotenvergangenheit hausieren gehen? Das Konzept war gescheitert, wer wollte jetzt noch mit Zeloten in Verbindung gebracht werden?
Vergleichbar mit dem Nationalsozialismus. Nach 1945 gab es plötzlich keine Nazis mehr.
Klar, aber eine Wissenschaft hat die Aufgabe dieses Ignorieren zu verarbeiten und in die Analyse einzubeziehen, denn irgendetwas scheint hier nicht zu passen.
Die Sachlage ist aber, dass diese „Forscher“ genauso schweigen wie das Christentum.

“sven23“ hat geschrieben:Man weiß heute einiges mehr über die Zeit des 1. Jahrhunderts als noch vor einigen Jahrzehnten.
Naja, die christliche „Vergesslichkeit“ muss man mühsam aufarbeiten (gegen das Theologentheater).

“sven23“ hat geschrieben:Das Judentum zur Zeit Jesu ist um Einiges vielschichtiger als man landläufig glaubt. Jesus von Nazareth hat in einer Zeit gelebt, in der Religion und deren richtige Ausübung ein äußerst wichtige Rolle gespielt haben. Die Schriften des neuen Testaments sind nicht als Geschichtsberichte zu verstehen. Sie vermengen Story und History. Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, historische Daten aus der Story zu extrahieren und die Story besser verständlich zu machen.
Christan Bemmerl
Aus diesem kleinen Abschnitt geht im Grunde schon hervor, wie diese Leute arbeiten.
Ich hoffe dir ist auch aufgefallen, dass dieser Theologe seine „Forschung“ erst nach ein paar Festlegungen beginnen möchte:
1.Axiom: „Jesus“ gab es und er hat im ersten Jahrhundert gelebt
2.Axiom: Die Texte bestehen aus Erzählung und Geschichtsangaben (zur historischen Person „Jesus“)

Erst nach diesen Eingangsfestlegungen formuliert er die für seine „Wissenschaft“ zu lösende Aufgabe, die Extrahierung von Geschichtsangaben.

=> „Jesus gab es“ ist nirgendwo ein wissenschaftliches Ergebnis
=> Den Wundertext als Geschichtsbuch einzusetzen ist nirgendwo begründet.

Das ist natürlich nur Wissenschaftstheater oder wenn man so will „kirchliche Wissenschaft“.
Das mag für die jeweiligen „Gläubigen“ lustig sein, aber für einen neutral eingestellten Menschen, der Wissenschaft als eine verlässliche Grundlage einsetzen möchte, taugt dieser Eiertanz überhaupt nicht.

Theologen haben hierfür vermutlich noch ein Alibi, weil sie ja die „Gläubigen“-Perspektive einnehmen wollen.
Bei Historikern sieht es schon anders aus.
Ich habe hier ein Video von „Bart Ehrman“ gefunden, in dem er sein neues Buch zu „Did Jesus exist“ vorstellt.
Er vertritt die Existenz als unumstössliches Faktum und möchte mit seinem Buch der „Radikalkritik“ etwas entgegensetzen. Er nennt es „Radikalkritik“, was wir ja auch schon behandelt haben (ich würde ihm da natürlich gerne entgegnen, dass Nicht-Radikalkritik wohl einfach an einem beliebigen Punkt mit Kritik aufhört, was nicht besonders gut für ihn aussehen dürfte – wir hatten das ja bereits).
Im Video baut er eine Art Spannungsbogen auf und liefert letztlich die Punkte, warum er von der „Jesus“-Existenz überzeugt ist:
Ab Minute 23 kommt er zu den „Beweisen“, den Evangelien und den „Paulustexten“ – das war es dann auch schon.
Er verwendet den Wundertext als Geschichtsbuch und erklärt ihn zum „Beweis“ – mehr steckt nicht drin.

Im Video stellt er seine Position als „vollkommen unabhängig von der Jesus-Existenz“ dar, was natürlich ein wenig problematisch ist, wenn man bedenkt, dass er sein Buch verkaufen möchte, und er sein Geld als auf das Neue Testament spezialisierter Historiker verdient.

Er präsentiert seine Position als „felsenfest korrekt“, aber wie unsicher und wissenschaftlich falsch sie ist, wird deutlich wenn man sich klar macht, dass alleine das Auftauchen eines zusätzlichen Textes ausreichend wäre, um sie vollständig umzukehren. Angenommen man findet einen Text aus der Zeit nach dem jüdischen Krieg aus dem hervorgeht, dass das Christentum aus der Zeloten-Messias-Bewegung heraus (nach dem Krieg, in den verstreuten Flüchtlingsgruppen) entstanden ist, dann fällt sein Karten aus zusammen.

Es geht also nur darum, dass sich der von diesen „Wissenschaftlern“ vorausgesetzte Geschichtsanteil (rund um die Person „Jesus“) in den Wundertexten als Phantasie herausstellt, was ja im Grunde jetzt bereits der Fall ist, denn die Zelotenbewegung wird eigenartig ignoriert bei gleichzeitigen Grobhinweisen auf Zelotenumstände.

Genau diese Unsicherheit muss eine echte Wissenschaft berücksichtigen und in ihren Veröffentlichungen zur Verfügung stellen – das fehlt aber komplett.
Nirgendwo klärt auch nur einer dieser „Forscher“, dass in den Wundertexten eine Geschichtskorrektheit rund um den Helden steckt – sie starten einfach damit und erklären ihre nachfolgende Arbeit zur „Wissenschaft“.

Wie die Bibeltexte selbst, bedient dies natürlich in erster Linie Menschen, die eine gewisse „Glaubensfaszination“ suchen, aber es ist vollständig ungeeignet für Menschen, die eine verlässliche Wissenschaftsgrundlage erwarten.

Dass dies eine üble Situation ist, kann sich jeder leicht vorstellen, denn eine verlässliche Wissenschaftsgrundlage müsste sich erst gegen all dieses Theater durchsetzen – aus den Reihen dieser „Theaterwissenschaftler“ wird dabei Widerstand kommen (was auch bei „Bart Ehrman“ unmittelbar der Fall ist).

“sven23“ hat geschrieben:Wer Glaubensbekenntnisse benötigt, der gehört in die Kirche, nicht in die Forschung.
Ja richtig, diese „Forscher“ gehören in die Kirche.

“sven23“ hat geschrieben:Aslan geht doch ganz in deine Richtung. Er sieht Jesus als Zelot und ist als Muslim einer übertriebenen Jesusverehrung wohl eher unverdächtig.
Nein, er geht nicht in meine Richtung.

Die „Jesus“-Legende ist ein literarisches Ignorieren bzw. Verklären der Zelotenumgebung, was durch den Wunderanteil „autorisiert“ werden soll. Der Held dieser Phantasie ist eine Art „Zusammenfassung und Ideal-Bild der Zeloten-Messias-Geschehnisse/Erwartungen, garniert mit Hillel-Liebes-/Friedens-Weisheiten (vermutlich auch noch anderen Vorlagen)“.

Der Wunderanteil ist schon starker Tobak aber das Ignorieren und Verklären der tatsächlichen Verhältnisse entsorgt quasi jegliche Verlässlichkeit dieser Texte.

Man muss erst einmal vorsichtig erschliessen, was das für Texte sind, dass sie einen derart schrägen Inhalt haben können und dennoch von den Leuten (nach dem Krieg) akzeptiert wurden.

Hier einfach herzugehen und bei vorausgesetzter Existenz des Helden „den Geschichtsanteil zu extrahieren“ ist reines „Glaubens“-Sackhüpfen – „Aslan“ macht nichts anderes.

“sven23“ hat geschrieben:Zum Flower-Power Jesus: Spätestens seit Albert Schweitzer sind die Jesusbilder der liberalen Jesusforschung als subjektive, ethische Wertvorstellungen ihrer Vertreter entlarvt worden. Das Thema ist eigentlich durch.
Ich glaube nicht, dass die Zeloten auch nur von einem einzigen Theologen als Ausgangspunkt des Christentums (bei gleichzeitiger Entsorgung eines historischen Jesus) angesehen werden.

„Albert Schweizer“ war gewiss niemand, der „Jesus“ die historische Verankerung entzogen hat.

#1409 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Verfasst: Do 6. Aug 2020, 20:34
von sven23
SilverBullet hat geschrieben:
Mi 5. Aug 2020, 09:44
“sven23“ hat geschrieben: Man kann es aber auch nicht kategorisch ausschließen.
Man kann mit Sicherheit auschliessen, dass man bereits einen historischen Jesus-Wanderprediger gefunden hat, denn man hat ihn nicht gefunden und selbst bei „Wanderprediger“ ergeben sich offensichtlich enorme Schwierigkeiten (du hast dazu wohl auch nichts weiter gefunden).
Ich erinnere mich nur noch, dass ein unbekannter römischer Autor sinngemäß schrieb, dass man keinen Schritt durch Galiäa oder Judäa machen konnte, ohne nicht über einen Wanderprediger oder Propheten zu stolpern. Ob man Wanderprediger, Prophet, Guru oder Apokalyptiker sagt, ist Geschmacksache. Jedenfalls machte man sich in Rom lustig über dieses komische und widerspenstige Völkchen, dem man nicht trauen konnte. In "Das Leben des Brian" wird diese politisch aufgeladene Situation ebenfalls persifliert. (Stichwort jüdäische Volksfrond vs. Volksfront von Judäa) :lol:
Gerd Theißen spricht vom "Wanderradikalismus". Also Leute, die ihre familiären und sozialen Bindungen aufgegeben haben, Besitzlosigkeit propagieren und strenge Gesetzesauslegung fordern.

SilverBullet hat geschrieben:
Mi 5. Aug 2020, 09:44
=> da sind wir weit weg von „egal“
Mit "egal" meine ich die Basis des Christentums/Paulinismus. Ob Jesus nun eine historische Person war oder eine rein literarische Figur. Für die kirchliche Verkündigung sind beide völlig untauglich.


SilverBullet hat geschrieben:
Mi 5. Aug 2020, 09:44
Bei einer Gleichzeitigkeit von Bewegungen mit derart unterschiedlicher Gewaltausrichtung hätte es irgendwo eine Distanzierung geben müssen – diese fehlt aber vollständig.
Wieso? Die Paulusbriefe gelten als Warnung, den Weg der Gewalt nicht zu beschreiten.
Und in den Evangelien ruft Jesus nicht zur Gewalt gegen die Römer auf, im Gegenteil. Ob die Evangelisten aber die Verhältnisse korrekt wiedergeben, ist fraglich.



SilverBullet hat geschrieben:
Mi 5. Aug 2020, 09:44
“sven23“ hat geschrieben: Warum sollte man mit der Zelotenvergangenheit hausieren gehen? Das Konzept war gescheitert, wer wollte jetzt noch mit Zeloten in Verbindung gebracht werden?
Vergleichbar mit dem Nationalsozialismus. Nach 1945 gab es plötzlich keine Nazis mehr.
Klar, aber eine Wissenschaft hat die Aufgabe dieses Ignorieren zu verarbeiten und in die Analyse einzubeziehen, denn irgendetwas scheint hier nicht zu passen.
Die Sachlage ist aber, dass diese „Forscher“ genauso schweigen wie das Christentum.
Die Zeloten werden auch von der Wissenschaft behandelt, aber aus Jesus einen Zeloten zu machen, das geben die Quellen nicht her. Jedenfalls käme man damit über Spekulationen nicht hinaus.

https://www.bibelwissenschaft.de/bibelkunde/themenkapitel-nt/religioese-parteien/zeloten/



SilverBullet hat geschrieben:
Mi 5. Aug 2020, 09:44
=> „Jesus gab es“ ist nirgendwo ein wissenschaftliches Ergebnis
Das ist die Crux an der Sache. Wie Theißen sagt: Wissenschaft kann nicht sagen, so war es, sondern so könnte es gewesen sein, auf Basis der zu Verfügung stehenden Quellen.






SilverBullet hat geschrieben:
Mi 5. Aug 2020, 09:44
Theologen haben hierfür vermutlich noch ein Alibi, weil sie ja die „Gläubigen“-Perspektive einnehmen wollen.
Bei Historikern sieht es schon anders aus.
Ich habe hier ein Video von „Bart Ehrman“ gefunden, in dem er sein neues Buch zu „Did Jesus exist“ vorstellt.
Er vertritt die Existenz als unumstössliches Faktum ..
So weit sollte man sich nicht aus dem Fenster lehnen. (siehe Theißen)
Man geht aber in der historischen Jesusforschung davon aus, dass die Gründe, die für die Historizität sprechen, überwiegen. Gründe, die dagegen sprechen, sind z. B. die dürftige außerbiblische Quellenlage, die sich aber dadurch erklären läßt, dass Jesus zu Lebzeiten relativ unbedeutend und unbekannt war.






SilverBullet hat geschrieben:
Mi 5. Aug 2020, 09:44
“sven23“ hat geschrieben: Wer Glaubensbekenntnisse benötigt, der gehört in die Kirche, nicht in die Forschung.
Ja richtig, diese „Forscher“ gehören in die Kirche.
Leuten wie Lüdemann hat man den Lehrstuhl entzogen. Er kann also nicht so viel falsch gemacht haben. ;)


SilverBullet hat geschrieben:
Mi 5. Aug 2020, 09:44
“sven23“ hat geschrieben: Aslan geht doch ganz in deine Richtung. Er sieht Jesus als Zelot und ist als Muslim einer übertriebenen Jesusverehrung wohl eher unverdächtig.
Nein, er geht nicht in meine Richtung.

Die „Jesus“-Legende ist ein literarisches Ignorieren bzw. Verklären der Zelotenumgebung, was durch den Wunderanteil „autorisiert“ werden soll.
Verstehe ich nicht. Die Zelotenbewegung soll gegen die Historizität von Jesus sprechen?


SilverBullet hat geschrieben:
Mi 5. Aug 2020, 09:44
Der Held dieser Phantasie ist eine Art „Zusammenfassung und Ideal-Bild der Zeloten-Messias-Geschehnisse/Erwartungen, garniert mit Hillel-Liebes-/Friedens-Weisheiten (vermutlich auch noch anderen Vorlagen)“.
Er ist ja gar kein Held. Er ist auf der ganzen Linie gescheitert und wurde als gewöhnlicher Verbrecher hingerichtet. Und seine zentrale Verkündigung, die Gottesherrschaft, kam nicht. Mehr Scheitern geht doch gar nicht.
Erst Paulus hat die Niederlage in einen Sieg umgedeutet.


SilverBullet hat geschrieben:
Mi 5. Aug 2020, 09:44
Man muss erst einmal vorsichtig erschliessen, was das für Texte sind, dass sie einen derart schrägen Inhalt haben können und dennoch von den Leuten (nach dem Krieg) akzeptiert wurden.
Aber doch nicht von den Juden, sondern in einem heidnischen Umfeld. (Stichwort Heidenmissionierung entgegen der Anweisung des Wanderpredigers)

SilverBullet hat geschrieben:
Mi 5. Aug 2020, 09:44
“sven23“ hat geschrieben: Zum Flower-Power Jesus: Spätestens seit Albert Schweitzer sind die Jesusbilder der liberalen Jesusforschung als subjektive, ethische Wertvorstellungen ihrer Vertreter entlarvt worden. Das Thema ist eigentlich durch.
Ich glaube nicht, dass die Zeloten auch nur von einem einzigen Theologen als Ausgangspunkt des Christentums (bei gleichzeitiger Entsorgung eines historischen Jesus) angesehen werden.
Auf Basis welcher Textquellen sollten sie das tun?

SilverBullet hat geschrieben:
Mi 5. Aug 2020, 09:44
„Albert Schweizer“ war gewiss niemand, der „Jesus“ die historische Verankerung entzogen hat.
Aber dem Jesus der Evangelien ist die Verankerung entzogen, und der ist nun mal die Basis des Christentums.
 

#1410 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Verfasst: Fr 7. Aug 2020, 10:47
von JackSparrow
sven23 hat geschrieben:
Do 6. Aug 2020, 20:34
Ob man Wanderprediger, Prophet, Guru oder Apokalyptiker sagt, ist Geschmacksache. Jedenfalls machte man sich in Rom lustig über dieses komische und widerspenstige Völkchen, dem man nicht trauen konnte.
Hier ein rein zufällig ausgewähltes Beispiel für einen jüdischen Wanderprediger:

zu einer Zeit, wo die Stadt noch im tiefsten Frieden und Glücke lebte, kam ein gewisser Jesus, ein Sohn des Ananus, von gemeiner Herkunft und seiner Beschäftigung nach ein Bauer, auf das Fest, an dem alle Juden nach alter Sitte zur Verherrlichung Gottes in Laubhütten wohnen, und begann urplötzlich im Heiligthum laut aufzuschreien: „Eine Stimme vom Aufgang, eine Stimme vom Niedergang, eine Stimme von den vier Winden, eine Stimme über Jerusalem und den Tempel, eine Stimme über Bräutigam und Braut, eine Stimme über das ganze Volk!“ Diese Worte schrie er bei Tag und bei Nacht, in allen Straßen Jerusalems herumgehend.

Die obersten geistlichen Behörden, welche hinter der seltsamen Unruhe des Menschen eine höhere Macht zu erblicken glaubten, worin sie gewiss das Rechte trafen, stellten den Mann vor das Gericht des damaligen römischen Landpflegers, der ihn mit Geißelstreichen solange peitschen ließ, bis man auf seine Gebeine sehen konnte. Aber er flehte nicht, er weinte nicht, sondern in dem jämmerlichsten Tone, den er nur seiner Stimme geben konnte, begleitete er jeden Streich bloß mit den Worten: „Wehe, wehe Jerusalem!“
https://de.m.wikisource.org/wiki/Juedis ... ch_VI_4-10

Leider kommt dieser "Jesus" erst im Jahre 66 durch ein Katapult ums Leben und eine Auferstehung ist nicht überliefert.