Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Themen des alten Testaments
Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#1381 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » Sa 27. Jun 2020, 12:38

SilverBullet hat geschrieben:
Sa 27. Jun 2020, 08:45
“sven23“ hat geschrieben: Ja, aber keine auf Jesus …
Das wäre mir zu pauschal, denn es ist wohl eher keine Analyse möglich, in welchen Variationen die damaligen Messias-Vorstellungen vorlagen.
Es stimmt, dass es unterschiedliche Messiasvorstellungen gab.

Im Tanach bezeichnet dieser Hoheitstitel den von Gott erwählten und bevollmächtigten Menschen mit besonderen Aufgaben für sein Volk Israel. Nach dem Untergang des Reiches Juda (586 v. Chr.) kündigten einige biblische Propheten zudem einen Retter und Friedensbringer der Endzeit an, andere verkündeten, dass ein Nachkomme König Davids eines Tages genau wie dieser als gesalbter, rechtmäßiger König über Israel und Juda herrschen und die Juden von der Fremdherrschaft erlösen werde. Beide Vorstellungen begannen sich mit der Zeit zu vermischen.
Quelle: Wikipedia

Allen Konzepten gemeinsam war aber, dass man das rettende Eingreifen Gottes erwartete.


Endzeithoffnungen zur Zeit Jesu
Fragt man nach den religiös-soziologischen Hauptlinien des antiken Judentums in den beiden Jahrhunderten um die Zeitenwende, dann werden die folgenden Gruppierungen in den Blick genommen:
• die Tempelaristokratie der Sadduzäer
• die Genossenschaft der Pharisäer (sie spürten in eschatologischer Erwartung dem je
neuen Gotteswillen nach)
• die Zeloten und Sikarier (sie wollten mit Waffengewalt den Anbruch der Gottesherrschaft
herbeizwingen)
• die Essener und deren vermutliche Radikalisierung in der Gemeinde von Qumran (sie
vereinigten priesterliche und eschatologische Elemente in ihrer Theologie und Lebensform und stellten neben Pharisäern, Sadduzäern und Zeloten noch im 1. Jhd. n. Chr. eine wichtige Gruppierung dar)
• der Kreis um Johannes den Täufer (sie verkündeten das in Kürze hereinbrechende Gottesgericht und existierten auch noch nach der Katastrophe der Zerstörung Jerusalems
von 70 n. Chr. in Täufergemeinschaften weiter; im Vergleich mit den Hauptgruppierungen des antiken Judentums blieben sie jedoch eine Randerscheinung)
Die religiöse Stimmung zur Zeit Jesu hat deutlich apokalyptische Züge. Das zeigt sich besonders gut in den damals verbreiteten Vorstellungen von der Herrschaft (dem Reich) Gottes. Die gemeinsame Grundüberzeugung der Apokalyptiker war, daß die Welt mit ihrer Geschichte, ihren Strukturen, der Politik und den Menschen verdorben und schlecht ist. Heil ist demnach in und für diese Welt nicht mehr möglich. Aus diesem Grund erwartet man das rettende und richtende Eingreifen Gottes (das Kommen seiner Herrschaft), das dem Bestehenden ein Ende bereiten wird. Erst in einer radikal neu geschaffenen Geschichte wird dann Jahwe in Israel, bei den anderen Völkern der Erde und bei den Mächten im Himmel als einziger Herr und König anerkannt und seine Herrschaft offenbar sein. Zur Zeit Jesu gab es je nach den politischen Gruppierungen sehr unterschiedliche Erwartungen in bezug auf die Herrschaft Gottes.

Dr. Franz Kogler, Endzeithoffnungen zur Zeit Jesu


 
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#1382 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von SilverBullet » So 28. Jun 2020, 09:46

sven23 hat geschrieben:Dr. Franz Kogler, Endzeithoffnungen zur Zeit Jesu:
* die Zeloten und Sikarier (sie wollten mit Waffengewalt den Anbruch der Gottesherrschaft
herbeizwingen)
...
Die gemeinsame Grundüberzeugung der Apokalyptiker war, daß die Welt mit ihrer Geschichte, ihren Strukturen, der Politik und den Menschen verdorben und schlecht ist. Heil ist demnach in und für diese Welt nicht mehr möglich.
...
Aus christlicher Sicht ist es bestimmt wichtig, den "Waffengewalt"-Charakter der Zeloten als auschliessliches Kennzeichen zu vermitteln, aber man belügt sich damit halt nur selbst.

Der entscheidende Charakterzug ist die vollständige Lebensausrichtung auf die Betonung des Messias. Die Spitze dieser Ausrichtung ist das Martyrium, also das letztliche Aufgeben des Anhängens an körperliches Wohlbefinden im Sinne der Religionsidee und der Religionsgesetze.
Dass es bei Zeloten zu Gewalttätigkeiten gegenüber andersdenkenden (sich nicht ans jüdische Gesetz haltende) Juden gekommen ist, sehe ich eher als die Anfänge der Missionierung, denn die Idee "bei anderen dafür zu sorgen, dass sie mitmachen" ist im Judentum wohl davor nicht vorhanden gewesen.
Mit diesen Elementen sind wir voll und ganz beim (späteren) Christentum und das Christentum möchte ja auch die römische Verfolgungen gegen diese Gruppen und das Märtyrertum auf sich beziehen.

Auch die apokalyptische Haltung sehe ich bei den Zeloten eher nicht, denn die "Überzeugung/Bekämpfung" von ihrer Meinung nach "abtrünnigen Juden" und die Bekämpfungsversuche gegen Rom dienten nicht dem Weltuntergang, sondern im Gegenteil, dem Aufbau eines jüdischen Gottesstaates.
Sie wollten bestimmt den Untergang von Rom, aber den Untergang ihres "heiligen Landstriches" wohl eher nicht.
Erst durch die Konflikte (Kriege, Aufstände) und der kompletten Niederlage (samt eigenem fanatischen Verhalten) ist die apokalyptische Situation entstanden, denn nichts von dem was erwartet wurde, hat sich eingestellt -> sogar noch das Gegenteil, der Totalverlust der religiösen Heiligtümer, der Verlust des "heiligen Landes" und
eigentlich auch der Verlust der Religionsidee, aber hier wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit durch neue "Erzählungen" nachgebessert -> "Christentum".

Der Hintergrund für all diese Vorgänge ist keine apokalyptische Religionsausrichtung in einem armen Land voller Steinwüste und Sandalenläufern (so vielleicht das Bild der Bibel), sondern eine römisch eroberte Provinz Judäa, die bevölkerungsreich von entscheidendem Wert für Rom war.
Vergleichbar mit der "Kornkammer Ägypten" war Judäa wohl ein wichtiger Rohstofflieferant, ein Warenaustausch bei dem sich wohl besonders der Herodes-Clan gewisse Schürfrechte gesichert hat und ein wichtiger Partner für Rom war.
Rom war zu dieser Zeit wohl auch in gewissen finanziellen Schwierigkeiten, weshalb man bei der grossen Gruppe der Juden in Judäa mit neuer Steuereintreibung begonnen hat.
Die Ausrichtung des herrschenden jüdischen Herodes-Clan und die Volkszählung samt Ausbeutung durch Rom, waren für die ärmliche ländliche Bevölkerung (und wohl auch für die Bevölkerung Jerusalems, denn dort wurde der Einzug des Messias Menachem gefeiert) entscheidende Faktoren, um für die (zelotische) Messias-Betonung empfänglich zu sein - aus diesen Reihen ist die Messias-Betonung wohl auch entstanden.

Hier lagen also gesellschaftlich flächendeckende Probleme vor, die zu einer neuen Betonung von Religionsanteilen geführt haben. Bei so etwas sammeln sich Energien, die ohne Probleme zum Start einer neuen Religion geeignet sind - aber nicht auf Basis eines Wanderpredigers, der 12 Leuten sagt, sie sollen alles stehen lassen und ihm zu folgen.

Die "christlichen Fachleute" scheinen mir eine gewisse Ignoranz gegenüber diesen Sachverhalten zu haben, weil sie gerne ein "Urchristentum" zwischen all diesen Gruppierungen herumhüpfen sehen wollen.
Es bleibt aber ein Faktum, dass das "Christentum" all die wichtigen Informationen nicht liefert, sondern nur grobe Andeutungen macht und ansonsten ein sehr abweichendes Bild zeichnet, besonders bei der damaligen Messias-Dynamik.
Hier gäbe es also dringend Aufklärungs- und Korrekturbedarf durch Religionsforscher, aber diese Leute "können auf Basis ihres Wollens" nicht so richtig Leistung bringen.

Ich sehe die "Jesus"-Legende als den antiken Versuch an, mit all den damaligen Vorgängen, Konflikten, Untergängen in erzählerischer Form umzugehen, so dass die eigentliche Religions-Idee bestehen bleiben kann (Erwartung für die Zukunft) und insbesondere die aussichtslose Gewaltausrichtung in den Hintergrund gestellt wird.
Dass es im Laufe der Zeit zu unterschiedlichen Erzähl Inhalten gekommen ist, ist ja bereits durch die Tatsache der Textauswahl für die Bibelzusammenstellung ersichtlich und auch durch die "Paulus-Texte", die diese "Jesus"-Legende nicht so wirklich enthalten und einen ganz anderen Aggressionsgrad aufweisen.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#1383 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » So 28. Jun 2020, 15:08

SilverBullet hat geschrieben:
So 28. Jun 2020, 09:46
sven23 hat geschrieben: Dr. Franz Kogler, Endzeithoffnungen zur Zeit Jesu:
* die Zeloten und Sikarier (sie wollten mit Waffengewalt den Anbruch der Gottesherrschaft
herbeizwingen)
...
Die gemeinsame Grundüberzeugung der Apokalyptiker war, daß die Welt mit ihrer Geschichte, ihren Strukturen, der Politik und den Menschen verdorben und schlecht ist. Heil ist demnach in und für diese Welt nicht mehr möglich.
...

Dass es bei Zeloten zu Gewalttätigkeiten gegenüber andersdenkenden (sich nicht ans jüdische Gesetz haltende) Juden gekommen ist, sehe ich eher als die Anfänge der Missionierung, denn die Idee "bei anderen dafür zu sorgen, dass sie mitmachen" ist im Judentum wohl davor nicht vorhanden gewesen.
Das Phänomen, dass Kolaborateure Repessionen ausgesetzt sind, zieht sich bis in die Neuzeit. Wer mit den verhaßten Besatzern zusammenarbeitet, muss genau so bekämpft werden wie die Besatzer.



SilverBullet hat geschrieben:
So 28. Jun 2020, 09:46
Auch die apokalyptische Haltung sehe ich bei den Zeloten eher nicht, denn die "Überzeugung/Bekämpfung" von ihrer Meinung nach "abtrünnigen Juden" und die Bekämpfungsversuche gegen Rom dienten nicht dem Weltuntergang, sondern im Gegenteil, dem Aufbau eines jüdischen Gottesstaates.
Ich glaube, da liegt ein Mißverständnis vor. Apokalypse im Judentum bedeutete ja nicht die Zerstörung der Welt, sondern der Anbruch einer neuen Zeit, in der Gott seine Königsherrschaft auf Erden vollenden sollte. Daran glaubte, wenn man den Evangelien glauben möchte, auch der gute Jesus. Diese Botschaft stand sogar im Zentrum seiner Verkündigung. Wie wir aber heute sicher sagen können: es war sein größter Irrtum.
Neben vielen anderen Gründen ist das auch ein Hauptgrund, warum die Forschung von einer historischen Person ausgeht. Eine rein literarische Figur hätte man sicher nicht mit solchen Geburtsfehlern ausgestattet. Dazu waren die Schreiber zu gebildete Leute, als dass sie das nicht selber erkannt hätten.
Sie hatten dann allergrößte Mühe, den unbedeutenden Wanderprediger in einen Messias und Gottessohn zu verwandeln. Wenn man ehrlich ist: gelungen ist es nicht wirklich, wenn man sich einen kritischen Geist bewahrt hat. Die Schreiber konnten auch nicht ahnen, dass man noch 2000 Jahre später jedes ihrer Worte unter die Lupe nehmen würde.
Trotzdem ist daraus eine Weltreligion entstanden und man muss es wohl unter Kuriositäten der Weltgeschichte verbuchen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#1384 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » So 5. Jul 2020, 08:59

SilverBullet hat geschrieben:
So 28. Jun 2020, 09:46
Die "christlichen Fachleute" scheinen mir eine gewisse Ignoranz gegenüber diesen Sachverhalten zu haben, weil sie gerne ein "Urchristentum" zwischen all diesen Gruppierungen herumhüpfen sehen wollen.

Vielleicht ist es ja mal interessant, das Ganze aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Reza Aslan hat mit seinem Jesusbuch großes Aufsehen erregt. Sein Jesus ist keineswegs der reine Friedensfürst, sondern in seinem Denken ein Zelot, also ein Aufrührer und Unruhestifter. Als solchen müssen ihn auch die Römer wahrgenommen haben, denn die Hinrichtungsart spricht eindeutig dafür. Die Schuldzuweisung an die Juden darf getrost als legendenhafte Ausgestaltung der Evangelisten betrachtet werden.

https://hpd.de/artikel/jesus-nazareth-war-kein-friedensfuerst-15845

Zitat daraus:
Aslan scheint Johannes also weniger politisch zu verstehen als Jesus, obwohl ja auch Johannes später bereits Opfer der Politik wurde. Von seinem Lehrer Johannes hat Jesus die Ankündigung der "Gottesherrschaft" übernommen, die Vorstellung, dass Gott nun selbst bald die Herrschaft über sein Land übernehmen würde. Diese Ankündigung der nahen Gottesherrschaft (Mk 1,15) wird in der Forschung übereinstimmend als das zentrale Verkündigungsanliegen Jesu erkannt. Heutige Christen verstehen sie rein spirituell, aber zweifellos war sie so nicht gemeint. Sie hat selbstverständlich auch eine politische Implikation. "Zu sagen, 'das Reich Gottes ist nahe', bedeutet daher etwa so viel, als sagte man, das Ende des Römischen Imperiums sei nahe. Es bedeutet, dass Gott den Kaiser als Herrscher des Landes ablösen wird. … Das Königreich Gottes ist schlicht und ergreifend ein Aufruf zur Revolution."
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#1385 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von SilverBullet » So 5. Jul 2020, 10:18

sven23 hat geschrieben:Neben vielen anderen Gründen ist das auch ein Hauptgrund, warum die Forschung von einer historischen Person ausgeht. Eine rein literarische Figur hätte man sicher nicht mit solchen Geburtsfehlern ausgestattet. Dazu waren die Schreiber zu gebildete Leute, als dass sie das nicht selber erkannt hätten.
Aus deiner Sicht (die du anscheinend mit den "Forschern" teilst) scheint es nur Schwarz und Weiss zu geben: entweder es ist historisch oder frei erfunden.

Mein Eindruck ist eher, dass es sich bei den Texten um eine grobe Zusammenwürfelung von Aussagen mit unterschiedlichsten Absichten handelt, die zwanghaft vereinheitlicht werden sollen.
Zur Vereinheitlichung bedient man sich der Märchenerzählung.

Dass es eine Auswahl von Texten ist, zeigt bereits, dass schon sehr früh eine vielfältige Märchenentwicklung vorgelegen haben muss.

Dass es so aussieht, als ginge es Thematisch schon irgendwie in eine Richtung, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit ganz andere Gründe als einen "historischen Wanderprediger".
Der Krieg (insbesondere die vollständige Niederlage und die anschliessende Verfolgung) ist der Wendepunkt in einer vielfältigen Grossflächen-Gewalt-Messias-Ausrichtung.

Ein "historischer Wanderprediger" erklärt nicht die offensichtliche "Blindheit" (gegenüber den historischen Vorgängen) aller religiösen Schreiber, die man zum "Jesus"-Christentum zähen möchte.

Das Christentum arbeitet mit dem Bild des "zerrissenen Vorhanges" und bringt es nicht zustande, über die vollständige Zerstörung des Tempels im Umfeld von Messias-Fanatismus zu schreiben.
Das Christentum erzählt sich die Geschichte "vom bejubelten Einzug in Jerusalem, Probleme mit der Tempel-Priesterkaste, Abkehr des Volkes und Vernichtung" und bringt es nicht zustande das Auftreten dieses Ablaufes beim Messias "Menachem" anzusprechen.
Stünde kein "Flavius Josephus"-Text über den "Jüdischen Krieg" zur Verfügung, man würde diese Auffälligkeit noch nicht einmal erahnen können.

Der "historische Wanderprediger" ist wiederum nur ein Märchenbaustein, der regelrecht weh tut, wenn man nach einer vernünftigen Einordnung aller historischer Abläufe sucht.

Ein zuerst unscheinbarer Umstand ist "Simon der Zelot", über den (christlich) so gut wie nichts transportiert wird.
Ein Leser der Märchenerzählung, der diese Bezeichnung im Umfeld von einfachen "Fischern" präsentiert bekommt, malt sich (wenn er "Zelot" überhaupt versteht) das Bild eines 0815-Anhängers der Zeloten aus - Motto: "Simon, ein Zeloten-Anhänger"
Nimmt man aber den "Flavius Josephus"-Text, dann taucht dort der Sohn des Zelotengründers "Judas, der Galiläer" auf - Name: "Simon".
Dieser "Simon" war ein späterer Zeloten-Anführer (also "Messias") und wurde hingerichtet (gekreuzigt).
Jemand, der dieses Hintergrundwissen besitzt und "Simon der Zelot" hört, versteht darunter den zentralen Repräsentanten der Zeloten.
In den Texten der Evangelien steht "Simon der Zelot" auch auffällig unnatürlich zwischen "XYZ, Sohn des...".
Und wieder liegt ein schleierhaftes Mosaiksteinchen vor, bei dem die "Jesus"-Legende so eigenartig "historisch umschliessend aber auch verklärend" wirkt.

Mit solchen Unklarheiten (samt dem Fehlen von Details) wirkt die "Jesus"-Legende wie ein Märchen rund um den generellen Vorgang von Messias-Bewegung(en), bei dem es nach der Grundidee riecht, dass all die Messias-Anhänger, quasi weil sie einer Messias-Betonung anhingen, "dem Messias" folgten.
Die "Jesus"-Legende ist eher eine erzählende Vereinheitlichung (und Friedens-/Liebes-Verklärung) von historischen Abläufen, die nur durch massives Weglassen von Details vertreten werden kann.

sven23 hat geschrieben:Trotzdem ist daraus eine Weltreligion entstanden und man muss es wohl unter Kuriositäten der Weltgeschichte verbuchen.
Naja, das Entstehen einer Weltreligion geht nirgendwo auf nachvollziehbare Korrektheit zurück oder auf beeindruckende religiöse Ideen, sondern auf Macht und Machtorganisation.
Die Messias-Idee konnte(kann) sich zwar auf nachvollziehbare Weise unter besonders unterdrückten und benachteiligten Bevölkerungsgruppen durchsetzen, hierzu benötigt man aber die Unterdrückung, also eine Machtsituation.
Die antike Macht "Rom" (insbesondere die damaligen Schwierigkeiten das Reich aufrecht zuhalten) war quasi der Nährboden (und letztlich die gewaltsame Durchsetzung der religiösen Grundausrichtung im Mittelmeerraum).

Die hierarchische Machtstruktur in den sich bildenden religiösen Grüppchen (Kirchen) ist auf vielfältige Art für die Religion wichtig:
* Anspruch der "Richtlinienkompetenz"
* Integration von lokalen Bräuchen, indem man den "Glauben" günstig dehnt
* Ausbreitungsbestrebungen (eigentlich nichts ungewöhnliches für hierarchische Machtstrukturen)
* Konzentration der Kräfte zur Bekämpfung von Widerständen

Beim Begriff "Weltreligion" darf man nicht ganz übersehen, dass es sich beim "Christentum" nicht um eine Religion handelt,
sondern tausende, die sich quasi alle irgendwie die Messias-Idee teilen, aber ansonsten durchaus auch "spinne feind" sind.

Exakt das Vorhandensein der vielen Richtungen wird von den "Forschern" völig ignoriert, denn es ist ein Indiz dafür, dass sonderbare Ursprungsumstände vorliegen.

SilverBullet
Beiträge: 2414
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 19:04

#1386 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von SilverBullet » So 5. Jul 2020, 10:32

sven23 hat geschrieben:Reza Aslan hat mit seinem Jesusbuch großes Aufsehen erregt. Sein Jesus ist keineswegs der reine Friedensfürst, sondern in seinem Denken ein Zelot, also ein Aufrührer und Unruhestifter. Als solchen müssen ihn auch die Römer wahrgenommen haben, denn die Hinrichtungsart spricht eindeutig dafür. Die Schuldzuweisung an die Juden darf getrost als legendenhafte Ausgestaltung der Evangelisten betrachtet werden.
Sorry, es gab wohl tatsächlich den historischen Vorgang, dass sich die "Tempel-Priesterkaste" gegen den in Jerusalem unter Jubel eingezogenen Messias wandte, das Volk sich vom Messias abwandte und dieser letztlich vernichtet wurde - natürlich ganz ohne "Jesus Wanderprediger".

Dass die "Jesus"-Figur-Erzählung, die diese Vorgänge schon irgendwie "schräg" enthält, aber ansonsten Stroh-Doof in Bezug auf historische Ereignisse ist, die Grundlage für historische Personen sein soll, leuchtet mir nicht ein.
Es fehlt voll und ganz die Begründung, wieso man solch einen Text derart einsetzen können soll.

Es ist bestimmt ein Aufreger und damit eine Verkaufsgrundlage, dass man "Jesus" als historischen Zeloten darstellt, aber das bringt wissenschaftlich keinen Mehrgewinn - es ist lediglich wieder nur "Märchen".

JackSparrow
Beiträge: 5501
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 13:28

#1387 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von JackSparrow » So 5. Jul 2020, 10:52

SilverBullet hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 10:18
Dieser "Simon" war ein späterer Zeloten-Anführer (also "Messias") und wurde hingerichtet (gekreuzigt).
Ironischerweise erwähnt auch Matthäus nicht, dass ein "Jesus" gekreuzigt worden sei.

Mt27:32 Auf dem Weg trafen sie einen Mann aus Zyrene namens Simon; ihn zwangen sie, Jesus das Kreuz zu tragen. So kamen sie an den Ort, der Golgota genannt wird, das heißt Schädelhöhe. Und sie gaben ihm Wein zu trinken, der mit Galle vermischt war; als er aber davon gekostet hatte, wollte er ihn nicht trinken. Nachdem sie ihn gekreuzigt hatten,

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#1388 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » So 5. Jul 2020, 11:31

JackSparrow hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 10:52
SilverBullet hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 10:18
Dieser "Simon" war ein späterer Zeloten-Anführer (also "Messias") und wurde hingerichtet (gekreuzigt).
Ironischerweise erwähnt auch Matthäus nicht, dass ein "Jesus" gekreuzigt worden sei.

Mt27:32 Auf dem Weg trafen sie einen Mann aus Zyrene namens Simon; ihn zwangen sie, Jesus das Kreuz zu tragen. So kamen sie an den Ort, der Golgota genannt wird, das heißt Schädelhöhe. Und sie gaben ihm Wein zu trinken, der mit Galle vermischt war; als er aber davon gekostet hatte, wollte er ihn nicht trinken. Nachdem sie ihn gekreuzigt hatten,
Meinst du, die Römer hatten versehentlich den falschen gekreuzigt und Jesus hat munter weitergelebt?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

JackSparrow
Beiträge: 5501
Registriert: Mi 30. Okt 2013, 13:28

#1389 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von JackSparrow » So 5. Jul 2020, 12:29

sven23 hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 11:31
Meinst du, die Römer hatten versehentlich den falschen gekreuzigt und Jesus hat munter weitergelebt?
Ich persönlich halte Jesus leider für komplett erfunden.

Möglicherweise mag es ein paar "Wanderprediger" dieses Namens gegeben haben. Aber beschreiben die Evangelien wirklich das Leben eines Sektenführers, oder sind die Evangelien eine künstlerische Adaption des jüdischen Krieges, in der die Figur des Jesus nur eingeführt wurde, um der Geschichte einen roten Faden zu verleihen?
Zuletzt geändert von JackSparrow am So 5. Jul 2020, 12:46, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#1390 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » So 5. Jul 2020, 12:33

SilverBullet hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 10:18
sven23 hat geschrieben:Neben vielen anderen Gründen ist das auch ein Hauptgrund, warum die Forschung von einer historischen Person ausgeht. Eine rein literarische Figur hätte man sicher nicht mit solchen Geburtsfehlern ausgestattet. Dazu waren die Schreiber zu gebildete Leute, als dass sie das nicht selber erkannt hätten.
Aus deiner Sicht (die du anscheinend mit den "Forschern" teilst) scheint es nur Schwarz und Weiss zu geben: entweder es ist historisch oder frei erfunden.
Na ja, viele andere Möglichkeiten gibt es ja nicht. Entweder war eine Person historisch existent oder eben nicht.
Wenn eine Person tatsächlich gelebt hat, dann kann man ja trotzdem Legenden um ihn herum gebastelt haben. Genau das scheint ja hier passiert zu sein, denn die Forschung hält das allermeiste, was in den Evangelien berichtet wird, für unhistorische Legenden, die um eine historische Person herum gebastelt wurden, besonders nach seinem Tod.

SilverBullet hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 10:18
Ein "historischer Wanderprediger" erklärt nicht die offensichtliche "Blindheit" (gegenüber den historischen Vorgängen) aller religiösen Schreiber, die man zum "Jesus"-Christentum zähen möchte.
Die Evangelien wurden ja nach der Zerstörung Jerusalems geschrieben. Das heißt, der Weg des gewaltsamen Widerstandes hatte sich als Irrtum, als Weg in den Untergang erwiesen. Man wollte dem wohl ein Gegenkonzept gegenüberstellen. Nächsten- und Feindesliebe kannten die Schreiber aus dem Judentum und anderen Kulten und projizierten diese auf Jesus, der sich als Toter als ideale Folie anbot. Wieviel tatsächlich von ihm in den Evanglien drin steckt, wird sich wohl nicht mehr klären lassen. Vermutlich war der lebende Jesus mehr dem gewaltsamen Widerstand zugeneigt, als die Schreiber im nach seinem Tod zugestehen wollten. Das würde auch seine Hinrichtung nach römischem Gesetz erklären.


SilverBullet hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 10:18
Der "historische Wanderprediger" ist wiederum nur ein Märchenbaustein, der regelrecht weh tut, wenn man nach einer vernünftigen Einordnung aller historischer Abläufe sucht.
Man muss aber unbedingt berücksichtigen, dass es den Schreibern nie um historische Wahrheiten und Abläufe ging, sondern um Glaubenspropandaschriften, die Glauben wecken sollten. Es ging den Schreibern nie darum, die Geschichte des zelotischen Widerstandes zu erzählen, der ja eine Geschichte des Scheiterns war. Man wollte wohl neue Wege und Perspektiven aufzeigen.



SilverBullet hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 10:18
Mit solchen Unklarheiten (samt dem Fehlen von Details) wirkt die "Jesus"-Legende wie ein Märchen rund um den generellen Vorgang von Messias-Bewegung(en), bei dem es nach der Grundidee riecht, dass all die Messias-Anhänger, quasi weil sie einer Messias-Betonung anhingen, "dem Messias" folgten.
Die "Jesus"-Legende ist eher eine erzählende Vereinheitlichung (und Friedens-/Liebes-Verklärung) von historischen Abläufen, die nur durch massives Weglassen von Details vertreten werden kann.
Für die allermeisten Juden hat sich das Messias-Thema bezogen auf Jesus mit seiner schändlichen Hinrichtung als Verbrecher sowieso von selbst erledigt.
Auch die Umdeutung durch Paulus in einen von Gott gewollten Opfer- und Sühnetod für die ganze Menschheit war für die meisten Juden ein unglaubwürdiges Manöver. Die Lügenvorwürde gegen ihn waren wohl nicht ganz aus der Luft gegriffen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Antworten