Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

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sven23
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#1391 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » So 5. Jul 2020, 12:42

JackSparrow hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 12:29
sven23 hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 11:31
Meinst du, die Römer hatten versehentlich den falschen gekreuzigt und Jesus hat munter weitergelebt?
Ich persönlich halte Jesus leider für komplett erfunden.

Möglicherweise mag ein paar "Wanderprediger" dieses Namens gegeben haben. Aber beschreiben die Evangelien wirklich das Leben eines Sektenführers, oder sind die Evangelien eine künstlerische Adaption des jüdischen Krieges, in der die Figur des Jesus nur eingeführt wurde, um der Geschichte einen roten Faden zu verleihen?

Ah, dann hat Silverbullet doch noch einen Gesinnungsgenossen gefunden.
Es kann sein, dass ihr Recht habt. Was meiner Meinung dagegen spricht, ist die Diskrepanz zwischen "historischem" Jesus, den man aus den Texten extrahieren kann und dem verklärten Christus, der von der Kirche propagiert wird, aber schon in den Evangelien angelegt ist.
Oder die Schreiber waren derart gerissen, dass sie eine erfundene Figur schon absichtlich mit Geburtsfehlern ausgestattet haben, um die historisch-kritische Forschung 2000 Jahre später hinter die Fichte führen zu können. Das wäre in der Tat ein Meisterstück.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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JackSparrow
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#1392 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von JackSparrow » So 5. Jul 2020, 13:00

sven23 hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 12:33
Es ging den Schreibern nie darum, die Geschichte des zelotischen Widerstandes zu erzählen, der ja eine Geschichte des Scheiterns war. Man wollte wohl neue Wege und Perspektiven aufzeigen.
Nachdem der Tempel als wichtigstes jüdisches Heiligtum zerstört worden war, muss sich sicherlich die ein oder andere jüdische Gruppierung vom Gott des Alten Testaments abgewendet haben in der Annahme, dass der Gott nun neuerdings auf Seiten der Römer stünde.

Also nutzte man die Ereignisse des Krieges als Vorwand, um das Judentum zu reformieren und das jüdische Recht durch das römische Recht zu ersetzen, und die römerfreundliche Variante des Judentums kumulierte dann im sogenannten Neuen Testament.


sven23 hat geschrieben:Was meiner Meinung dagegen spricht, ist die Diskrepanz zwischen "historischem" Jesus, den man aus den Texten extrahieren kann
Indem man einfach die Wunder weglässt und die Unterschiede zwischen den Evangelien herausrechnet? Mit der gleichen Methode könnte man auch Nietzsches Zarathustra als historische Person extrahieren...

Oder die Schreiber waren derart gerissen, dass sie eine erfundene Figur schon absichtlich mit Geburtsfehlern ausgestattet haben,
Vielleicht waren die mutmaßlichen "Geburtsfehler" notwendig, um die Figur einerseits mit den Ereignissen des Krieges und andererseits mit ein paar hübschen AT-Zitaten in Einklang bringen zu können?

SilverBullet
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#1393 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von SilverBullet » So 5. Jul 2020, 15:37

sven23 hat geschrieben:Na ja, viele andere Möglichkeiten gibt es ja nicht. Entweder war eine Person historisch existent oder eben nicht.
Eine literarische Figur definiert sich über die Beschreibung von Situationen.
Die Situationen können dabei historisch "entlehnt" sein.
Vom Vorhandensein einer derartigen Situation kann man damit aber noch nicht auf die Historizität der Figur schliessen.

Das ist ja der Grund weshalb ich immer wieder auf den "Einzug in Jerusalem" hinweise.
Das ist eines der wenigen Ereignisse in der "Jesus"-Legende bei dem die Mehrheit der Menschen nicht "fünf Minuten zu spät" an Ort und Stelle waren und es somit ein Gegenstück aus anderen Quellen geben müsste.
Tatsächlich gibt es die andere Quelle, die das Vorkommnis enthält, aber sie hat zwar mit einem Messias zu tun, jedoch nicht mit einem "Jesus-Wanderprediger".

Der wissenschaftlich als eigenartig einzuordnende Sachverhalt ergibt sich nun dadurch, dass diese andere Quelle, nicht auf das behauptete "Jesus-Ereignis" Bezug nimmt und umgekehrt keine christliche Quelle auf die andere Messiasgestalt Bezug nimmt.
Es muss also eine wissenschaftlich fundierte Erklärung entwickelt werden, weshalb sich die Quellen so derart "ausschliessen", wobei die Bibel extrem sparsam mit Details ist.

sven23 hat geschrieben:Wenn eine Person tatsächlich gelebt hat, dann kann man ja trotzdem Legenden um ihn herum gebastelt haben. Genau das scheint ja hier passiert zu sein, denn die Forschung hält das allermeiste, was in den Evangelien berichtet wird, für unhistorische Legenden, die um eine historische Person herum gebastelt wurden, besonders nach seinem Tod.
Wie oft stellt diese "Forschung" die "jesus"-Legende in Bezug zum "Messias Menachem"?
=> Du wirst nicht viel finden.
=> Wie kann soetwas sein?

sven23 hat geschrieben:Die Evangelien wurden ja nach der Zerstörung Jerusalems geschrieben. Das heißt, der Weg des gewaltsamen Widerstandes hatte sich als Irrtum, als Weg in den Untergang erwiesen.
Es scheint so, als würdest du in diesem Punkt meinen Ansichten folgen, denn die "Forschung" strickt am Märchen der mündlichen Erzählung bzw. verschollenen Urtexten.

sven23 hat geschrieben:Nächsten- und Feindesliebe kannten die Schreiber aus dem Judentum und anderen Kulten und projizierten diese auf Jesus, der sich als Toter als ideale Folie anbot.
Wozu eine existierende "idelae Folie zum Umdichten", wenn sie sowieso nirgendwo bekannt war?

Das Nicht-Vorhandensein von Quellen zum "Jesus-Wanderprediger", bei gleichzeitigem Vorhandensein von detailreichen Quellen über sehr ähnliche historische Begebenheiten und die eindeutigen Fan-Bestrebungen des Hineindichtens von "Jesus-Zusätzen",
kann wissenschaftlich gesehen nur als Nicht-Vorhandensein von "Jesus" eingeordnet werden - alles andere ist ein Glaubenssprung.

sven23 hat geschrieben:Wieviel tatsächlich von ihm in den Evanglien drin steckt, wird sich wohl nicht mehr klären lassen.
Wie würdest du es denn klären wollen?
Tatsache ist, wir haben eine Quelle ("Flavius Josephus") und da kommt kein "Jesus-Wanderprediger" vor.
Vor welcher Situation würde man in einer wissenschaftlichen Analyse stehen, wenn man es die "Jesus"-Figur nicht gab?
=> richtig: genau vor der aktuell vorliegenden Situation.

Das Vorhandensein von Wunder-Fans, die sich eine Wunder-Figur erzählen, darf eine Wissenschaft nicht weg von den Fakten führen.

sven23 hat geschrieben:Vermutlich war der lebende Jesus mehr dem gewaltsamen Widerstand zugeneigt, als die Schreiber im nach seinem Tod zugestehen wollten. Das würde auch seine Hinrichtung nach römischem Gesetz erklären.
Ein derartiges Verdrehen würde nur bei Leuten funktionieren, die keinerlei Informationsmöglichkeiten über die tatsächlichen Geschehnisse haben.
Wenn du aber schon das Funktionieren eines derartigen Vorganges (den Entwurf des, aus Nachkriegssicht, idealen Messias) unterstellst, dann benötigst du doch eigentlich noch nicht einmal die historische Person - wozu soll die dann noch gut sein? Willst du den Wunderschreiberlingen keine totale Verrücktheit unterstellen?
Wir haben wissenschaftlich gesehen den Fanatismus, das Scheitern aller historischen Anführer und ein Nicht-Aufgeben-Wollen der Messias-Idee (beachte: Aufstände/Kriege gab es weitere 60 Jahre nach dem ersten jüdischen Krieg) - wir haben eine tonnenschwere (antike) Motivation zur Verklärung der Vergangenheit.

sven23 hat geschrieben:Man muss aber unbedingt berücksichtigen, dass es den Schreibern nie um historische Wahrheiten und Abläufe ging, sondern um Glaubenspropandaschriften, die Glauben wecken sollten.
Auf Basis des Scheiterns aller Messias-Aufstände muss man davon ausgehen, dass (spätere) religiöse Schriften bzw. die (spätere) Umdeutung in dieser Richtung einem Nicht-Aufgeben-Wollen geschuldet sind.
Hinzukommt, dass es eine Verfolgung gab und da stellt man schon mal ganz gerne die eine oder andere Erzählung in ein günstiges Licht.

sven23 hat geschrieben:Für die allermeisten Juden hat sich das Messias-Thema bezogen auf Jesus mit seiner schändlichen Hinrichtung als Verbrecher sowieso von selbst erledigt.
Sorry. mit den Andeutung eines historischen Jesus-Wanderpredigers kommst du bei mir nicht weiter - du musst hierfür eine Grundlage liefern und die fehlt.
Dass es bei "den Juden" nicht so schlagartig mit der Erledigt-Überzeugung ging, zeigen die anhaltenden Messias-Konflikte (über Jahrzehnte nach dem jüdischen Krieg hinweg).
=> Das christliche Messiasbild stimmt hinten und vorne nicht.

Genau hier liegt ja mein zentraler Vorwurf:
-> vor diesem Sachverhalt suche ich doch nicht in dem Wundertext nach nur hier auftauchenden Personen, die ich dann als "historisch" vertrete.

sven23 hat geschrieben:Auch die Umdeutung durch Paulus in einen von Gott gewollten Opfer- und Sühnetod für die ganze Menschheit war für die meisten Juden ein unglaubwürdiges Manöver. Die Lügenvorwürde gegen ihn waren wohl nicht ganz aus der Luft gegriffen.
Aus meiner Sicht sind die "Paulus-Text" eher zelotischer Natur (bestimmt sehr stark aufgehübscht) und die "Lügenvorwürfe" dürften zwischen den damaligen Gruppen wohl an der Tagesordnung gewesen sein, immerhin sollen sie sich auf dem Gipfel ihres Fanatismus gegenseitig bekämpft haben.
Selbst 135 n.Chr. ging es um handfeste Rangeleien, wer dem "richtigen" Messias anhängt und die "Kirchenväter" zeichnen sich auch explizit durch die "Jagd auf Ketzer" aus.

Die vielen Streitereien können als Indiz für das Herausbilden eines Märchenstranges angesehen werden.
Die "christliche Gnosis" kann man als Alternativzweig ansehen (ganz ohne Einordnung, welcher Erzählstrang zuerst da war) wodurch deutlich wird, welche Variationsmöglichkeiten von den damaligen Leuten akzeptiert wurden - das ist sagenhaft und für unsere kleine Diskussion rund um wissenschaftlich Vertretbares ist das wie eine andere Welt.

sven23 hat geschrieben:Es kann sein, dass ihr Recht habt. Was meiner Meinung dagegen spricht, ist die Diskrepanz zwischen "historischem" Jesus, den man aus den Texten extrahieren kann und dem verklärten Christus, der von der Kirche propagiert wird, aber schon in den Evangelien angelegt ist.
Es gibt kein wissenschaftliches Verfahren, um aus einem derartigen Wundertext einen historischen Kern herauszuarbeiten.
Ohne "Flavius Josephus" könnte man den Begriff "Zelot" nicht historisch als Anhänger einer jüdischen Messias-Betonen einordnen.
Ohne "Flavius Josephus" wäre das erste Jahrhundert als "Flower-Power-Zeit mit zerissenem Vorhang im Tempel" einzuordnen und es wäre ein Rätsel, wieso man keinen Tempel bzw. nur noch ein paar Steine findet.

Wir sind weit entfernt vom "Extrahieren der Historizität von biblischen Hauptdarstellern".

sven23 hat geschrieben:Oder die Schreiber waren derart gerissen, dass sie eine erfundene Figur schon absichtlich mit Geburtsfehlern ausgestattet haben, um die historisch-kritische Forschung 2000 Jahre später hinter die Fichte führen zu können. Das wäre in der Tat ein Meisterstück.
Das hat mit Gerissenheit nichts zu tun, sondern mit einem Fanatismus der eigentlich gescheitert ist, es aber nicht akzeptieren wollte und einem Nährboden zur Verklärung von tatsächlichen Vorkommnissen.
Hinzukommt noch der Zeitraum über mehrere Generationen, in dem es keine Geschichtsschreibung und keinen allgemein zugänglichen Austausch (im Gegenteil, sogar Verfolgung und Schweigsamkeit) gab.

Man strickt ein Märchen, wenn man den Schreiberlingen die Vorlage eines unbekannten, unsichtbaren Wanderpredigers als Ideenstifter zugesteht (wobei man die Ideen eigentlich auch alle wieder wegnimmt und am Ende nur noch das Vorhandensein der Person zugesteht).

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#1394 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » So 5. Jul 2020, 15:45

JackSparrow hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 13:00
sven23 hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 12:33
Es ging den Schreibern nie darum, die Geschichte des zelotischen Widerstandes zu erzählen, der ja eine Geschichte des Scheiterns war. Man wollte wohl neue Wege und Perspektiven aufzeigen.
Nachdem der Tempel als wichtigstes jüdisches Heiligtum zerstört worden war, muss sich sicherlich die ein oder andere jüdische Gruppierung vom Gott des Alten Testaments abgewendet haben in der Annahme, dass der Gott nun neuerdings auf Seiten der Römer stünde.
Sicher, aber das war doch eine verschwindend kleine Minderheit. Deshalb propagierte man doch die Heidenmissionierung, entgegen der ausdrücklichen Anweisung des Wanderpredigers, der einen jüdischen Nationialismus und religiösen Partikularismus vertrat.


 
JackSparrow hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 13:00
sven23 hat geschrieben: Was meiner Meinung dagegen spricht, ist die Diskrepanz zwischen "historischem" Jesus, den man aus den Texten extrahieren kann
Indem man einfach die Wunder weglässt und die Unterschiede zwischen den Evangelien herausrechnet? Mit der gleichen Methode könnte man auch Nietzsches Zarathustra als historische Person extrahieren...
Den Wunderglauben muss man im Kontext des mythischen Weltbildes der Antike sehen. Die Wunderheilungen und Exorzismen im Markusevangelium sind ja in diesen Kontext einzuordnen. Hier wird Jesus noch sehr menschlich und weniger göttlich dargestellt. Die Wunder werden dann im Laufe der folgenden Evangelien immer weiter gesteigert bis hin zum präexistenten Gott im Johannesvangelium.


JackSparrow hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 13:00
sven23 hat geschrieben: Oder die Schreiber waren derart gerissen, dass sie eine erfundene Figur schon absichtlich mit Geburtsfehlern ausgestattet haben,
Vielleicht waren die mutmaßlichen "Geburtsfehler" notwendig, um die Figur einerseits mit den Ereignissen des Krieges und andererseits mit ein paar hübschen AT-Zitaten in Einklang bringen zu können?
Die AT-Prophezeiungen bezüglich des Messias waren ja bekannt. Hätte man einen Messias rein literarisch erfinden wollen, hätte man ihn sicher mit den bekannten Eigenschaften ausgestattet und sich nicht bei Kritikern angreifbar gemacht.
So kam der Wanderprediger eben nicht aus Bethlehem, sondern aus dem unbedeutenden Nazareth. Seine Eltern waren arme, ungebildete Leute vom Land und hatten keinen königlichen Stammbaum. Die Schreiber hätten keine Steuerschätzung erfinden müssen und keinen unhistorischen Kindermord durch Herodes, usw.
Ganz zu schweigen von der Erwartung der nahen Gottesherrschaft, die im Zentrum seiner Verkündigung stand und die sich als kapitaler Irrtum erwiesen hat.
Auch das bereitete den Schreibern dann große Probleme. Die Naherwartung hätte man schwerlich erfinden können, da sie sich praktisch schon bei Abfassung der Evangelien als Irrtum erwiesen hat. Im Johannesevangelium, das als völlig freie Erfindung eines unbekannten Schreibers gilt, spielt sie kaum noch eine Rolle.
 
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#1395 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von JackSparrow » So 5. Jul 2020, 16:48

sven23 hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 15:45
Die AT-Prophezeiungen bezüglich des Messias waren ja bekannt.
Das AT erwähnt Betlehem als Geburtsort von König David und dessen rechtmäßiger Nachfolger.

So kam der Wanderprediger eben nicht aus Bethlehem, sondern aus dem unbedeutenden Nazareth. Seine Eltern waren arme, ungebildete Leute vom Land und hatten keinen königlichen Stammbaum.
Ein echter, auf König David zurückgehender Stammbaum wäre unter Umständen nachverfolgbar gewesen und hätte die Jesus-Figur als Schwindel entlarvt.

Hier waren die Schreiber tatsächlich ziemlich gerissen, denn gemäß Lukas 2:4 wird Jesus trotzdem in Betlehem geboren und lediglich sein unbekannter Adoptivvater stammt aus Nazaret. So kann niemand nachweisen, dass es sich bei dem erfundenen römerfreundlichen Reformator nicht um den rechtmäßigen König Israels handelt.

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sven23
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#1396 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » So 5. Jul 2020, 17:36

JackSparrow hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 16:48
sven23 hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 15:45
So kam der Wanderprediger eben nicht aus Bethlehem, sondern aus dem unbedeutenden Nazareth. Seine Eltern waren arme, ungebildete Leute vom Land und hatten keinen königlichen Stammbaum.
Ein echter, auf König David zurückgehender Stammbaum wäre unter Umständen nachverfolgbar gewesen und hätte die Jesus-Figur als Schwindel entlarvt.

Hier waren die Schreiber tatsächlich ziemlich gerissen, denn gemäß Lukas 2:4 wird Jesus trotzdem in Betlehem geboren und lediglich sein unbekannter Adoptivvater stammt aus Nazaret. So kann niemand nachweisen, dass es sich bei dem erfundenen römerfreundlichen Reformator nicht um den rechtmäßigen König Israels handelt.

Es war vor allem Matthäus, der immer wieder versuchte, AT Prophezeiungen in Erfüllung gehen zu lassen.

Doch warum muss die Familie Jesu überhaupt nach Bethlehem ziehen? Matthäus
konstruiert diese Geschichte aus einem Grund, der später noch oft herhalten muss. Er
möchte eine alttestamentliche Weissagung als eingetroffen darstellen, in diesem Fall
Micha 5,1: „Du aber Bethlehem Ephrata, bist zwar das Kleinste unter Judas
Geschlechtern, doch aus dir wird mir der hervorgehen, der über Israel herrschen soll“.
Deshalb und nur deshalb wird die Geburtsgeschichte zusammengesponnen. Der künftige
König Israels muss in Bethlehem geboren werden, eine Herkunft aus dem
unbedeutenden Nazareth reichte nicht. Auch hier sehen wir wieder: Wo die Überlieferung
nicht passt, wo das vorhandene Material die gewünschte Anschauung offenbar nicht
bestätigt, hat der Evangelist oder einer seiner Vorgänger keine Skrupel, eine auch noch so
abenteuerliche Räuberpistole zusammenzustricken, wie sie uns hier mit dem
Bethlehemszug und dem Kindermord präsentiert wird. Und alles nur, um ein
alttestamentliches Zitat als erfüllt anzusehen. Und besonders Matthäus „belegt“ ständig
irgendwelche alttestamentlichen Stellen. Zu sagen, dass der Evangelist es hier mit der
Wahrheit nicht ganz genau nimmt, wäre schamlos untertrieben. Aus Sicht einer
kritischen historischen Forschung sind dies alles dreiste Fälschungen und werfen ein
erschreckendes Licht auf die Glaubwürdigkeit nicht nur dieses Evangelisten. Welchen
Überlieferungen will man denn überhaupt noch trauen, wenn man an Stellen wie diesen
sieht, wie hier dreist gefälscht und fromm betrogen wird? Dabei sind die
Geburtsgeschichten ja noch relativ leicht als Fälschungen zu enttarnen, und es gibt
keinen ernstzunehmenden Neutestamentler oder Historiker, der hier anderer Meinungwäre.
Wie will man aber bei nicht so offensichtlichen Erzählungen oder Taten Jesu die
Historizität untersuchen, wenn man sieht, wie der Evangelist hier locker mit der
Überlieferung jongliert und eigene Bälle in haarsträubender Weise, aber offenbar guter
Dinge, in das Spiel einbringt?
...
Doch glücklicherweise sind auch unhistorische Geschichten für den Historiker nicht
völlig wertlos. Bekommt er doch immerhin einen Einblick in das Denken und die
Theologie der Tradenten und Evangelisten, er kann Tendenzen und Absichten erkennen
und daraus Schlüsse ziehen. Bei den Geburtslegenden ist dies klar. Über Jesu Geburt
hatte es offenbar zunächst keine Überlieferungen gegeben, bald jedoch wurden diese
geschaffen aus dem verständlichen Bedürfnis heraus, diese Lücke im Sinne einer
Hagiografie auszufüllen. Die Evangelisten bedienen sich dabei gerne alttestamentlicher
Vorbilder, und es war vor allem für Matthäus wichtig nachzuweisen, dass Jesus der im
Alten Testament vorausgesagte Messias ist. Es spiegelt sich die grundsätzliche Tendenz
wider, die Herrlichkeit und Großartigkeit des Berichteten zu steigern, Lücken
auszufüllen, Vorhandenes auszumalen. Widersprüche in der Darstellung wurden damals
möglicherweise gar nicht als solche wahrgenommen.

Kubitza, Der Jesuswahn

Es gibt ja auch 2 verschiedene Stammbäume, einen bei Matthäus, einen bei Lukas, die beide nicht in Einklang gebracht werden können.
Es war der verzweifelte, aber letzendlich untaugliche Versuch, den Wanderprediger mit göttlicher Autorität auszustatten.
Die meisten Juden sind jedenfalls nicht drauf reingefallen. Damit konnte man nur im Heiden-Milieu durchdringen, wo die Details der jüdischen Religion nicht so präsent waren.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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sven23
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#1397 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » So 5. Jul 2020, 20:30

SilverBullet hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 15:37
sven23 hat geschrieben: Na ja, viele andere Möglichkeiten gibt es ja nicht. Entweder war eine Person historisch existent oder eben nicht.
Eine literarische Figur definiert sich über die Beschreibung von Situationen.
Die Situationen können dabei historisch "entlehnt" sein.
Vom Vorhandensein einer derartigen Situation kann man damit aber noch nicht auf die Historizität der Figur schliessen.
Richtig, aber man kann sie auch nicht kategorisch ausschließen.

SilverBullet hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 15:37
Das ist ja der Grund weshalb ich immer wieder auf den "Einzug in Jerusalem" hinweise.
Den "triumphalen" Einzug in Jerusalem schildern die Schreiber ja nur deshalb, weil sie eine alte AT-Prophezeiung in Erfüllung gehen lassen wollen, um so seine messianische Sendung zu bestätigen.
Die Forschung hält das weitgehend für unhistorisch. Warum sollten die Einwohner von Jerusalem dem unbekannten Hinterwälder aus der Provinz auch zujubeln? Um dann kurze Zeit später seine Hinrichtung zu fordern? Im Prozess bei Pilatus haben Historiker bis zu 27 Verfahrensfehler ausfindig gemacht. Das ist alles mehr oder weniger fromme Legende.




SilverBullet hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 15:37
sven23 hat geschrieben: Wieviel tatsächlich von ihm in den Evanglien drin steckt, wird sich wohl nicht mehr klären lassen.
Wie würdest du es denn klären wollen?
Wenn keine neuen Quellen auftauchen wird das wohl für immer im Dunkel der Geschichte bleiben.


SilverBullet hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 15:37
Tatsache ist, wir haben eine Quelle ("Flavius Josephus") und da kommt kein "Jesus-Wanderprediger" vor.
Richtig, was aber kein Beweis für die Nicht-Existenz ist.




SilverBullet hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 15:37
sven23 hat geschrieben: Für die allermeisten Juden hat sich das Messias-Thema bezogen auf Jesus mit seiner schändlichen Hinrichtung als Verbrecher sowieso von selbst erledigt.
Sorry. mit den Andeutung eines historischen Jesus-Wanderpredigers kommst du bei mir nicht weiter - du musst hierfür eine Grundlage liefern und die fehlt.
Dass es bei "den Juden" nicht so schlagartig mit der Erledigt-Überzeugung ging, zeigen die anhaltenden Messias-Konflikte (über Jahrzehnte nach dem jüdischen Krieg hinweg).
=> Das christliche Messiasbild stimmt hinten und vorne nicht.

Moment, ich meinte, dass sich die Messiaserwartung in Bezug auf Jesus für die meisten Juden erledigt hat. Messiaserwartungen existierten im Judentum weiter, teilweise bis in die heutige Zeit.

https://de.wikipedia.org/wiki/Menachem_Mendel_Schneerson

Und das christliche Messiasbild, da hast du Recht, ist ein anderes als das jüdische, das aber auch nicht einheitlich war.


Die Urgemeinde hat Jesus als Messias verehrt, als den endzeitlichen Gesalbten
Gottes. Dabei gab es im Judentum keine festen eschatologischen Vorstellungen. Es gab
Endzeiterwartungen mit und ohne eine Messiasfigur. Die Gemeinde in Qumran erwartete
sogar zwei Messiasse. Es gab zudem explizit politische Messiasse bzw. Menschen, die als
Messias angesehen worden sind. Zu diesen gehörte bemerkenswerterweise auch der
Perserkönig Kyros, den Jesaja in Jes 45,1 als Messias (= Gesalbten) Jahwes bezeichnet.
Unter den Gesalbten wurden im Alten Testament aber in der Regel die Könige Israels
verstanden. Die bisherigen Messiasse waren somit allesamt Personen der Vergangenheit,
und für die Zukunft wurde nicht von allen Teilen des Volkes auch ein Messias erwartet.
In vielen Endzeitvorstellungen sollte Gott allein handeln.
Der Messias-Titel (Gesalbter) war für die griechische Umwelt nur schwer zu
verstehen, deshalb wird er immer mehr vom Sohn-Gottes-Titel verdrängt. Übrig blieb die
griechische Übersetzung von Messias, nämlich Christos. Dieser Titel wird aber
zunehmend als Eigenname verstanden. Hat sich Jesus als Messias verstanden? Dieser
Titel wäre bei aller Begriffsvielfalt ja zumindest aus der Umwelt Jesu herleitbar.
Allerdings taucht der Messiasbegriff nur selten im Sprachgebrauch Jesu auf. Theißen
listet fünf Stellen auf und bezeichnet sie als Ausnahmen (Theißen/Merz, Der historische
Jesus, S. 467). Zudem erwarteten die Juden keinen auferstehenden Messias, sie kannten
nur eine Auferstehung aller Toten zum Gericht. Und in der jüdischen Überlieferung
taucht auch nirgendwo ein gekreuzigter Messias auf. Der Messias war auch immer eine
Gestalt aus Fleisch und Blut, er hatte nichts Göttliches an sich, sondern war ein herausgehobener Mensch.
Die Messiaserwartung der Juden war somit eine völlig andere
als das, was die Christen alsbald als Messias präsentierten.
Die Christen haben aus der
Not eine Tugend gemacht und Kreuz und Auferstehung kurzerhand in die schon
vorhandenen Messiaserwartungen eingebaut und dabei auch gleich aus dem
menschlichen Messias einen göttlichen gemacht. Wie beim Sohn-Gottes-Titel sind sich
die meisten Neutestamentler auch darin einig, dass Jesus sich selbst nicht als Messias
bezeichnet hat. Der Messiastitel ist von den ersten Christen erst nach Ostern mit der
Gestalt Jesu verbunden worden.

Kubitza, Der Jesuswahn


SilverBullet hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 15:37
sven23 hat geschrieben: Es kann sein, dass ihr Recht habt. Was meiner Meinung dagegen spricht, ist die Diskrepanz zwischen "historischem" Jesus, den man aus den Texten extrahieren kann und dem verklärten Christus, der von der Kirche propagiert wird, aber schon in den Evangelien angelegt ist.
Es gibt kein wissenschaftliches Verfahren, um aus einem derartigen Wundertext einen historischen Kern herauszuarbeiten.
Es gibt kein Verfahren, das Ergebnisse mit absoluter Sicherheit liefern würde. Aber was besseres als die historisch-kritische Methode haben wir nun mal nicht zur Verfügung.
Die Forschung geht davon aus, dass immer dann, wenn es Probleme in den Gemeinden mit Aussagen von Jesus gab, die seiner angeblich göttlichen Sendung entgegenstanden, es sich um authentische Aussagen handelt, die dann von den Schreibern uminterpretiert, umgeschrieben oder sogar gefälscht wurden.
Bei einer literarisch erfundenen Figur hätte man sich das ersparen können. So viel Weitsicht darf man den Schreibern schon zugestehen.



SilverBullet hat geschrieben:
So 5. Jul 2020, 15:37
sven23 hat geschrieben: Oder die Schreiber waren derart gerissen, dass sie eine erfundene Figur schon absichtlich mit Geburtsfehlern ausgestattet haben, um die historisch-kritische Forschung 2000 Jahre später hinter die Fichte führen zu können. Das wäre in der Tat ein Meisterstück.
Das hat mit Gerissenheit nichts zu tun, sondern mit einem Fanatismus der eigentlich gescheitert ist, es aber nicht akzeptieren wollte und einem Nährboden zur Verklärung von tatsächlichen Vorkommnissen.
Auch Fanatiker wären sicher in der Lage gewesen, eine stimmige Figur zu erfinden, die sie nicht ständig in Erklärungsnöte brachte.

Schon Goethe hatte da seine Zweifel. ;)

Es werden wohl noch zehntausend Jahre ins Land gehen, und das Märchen vom Jesus Christus wird immer noch dafür sorgen, daß keiner so richtig zu Verstande kommt.
(Johann Wolfgang Goethe, Dichter,1749-1832)


"Die Geschichte des guten Jesus hab ich nun so satt, dass ich sie von keinem, außer von ihm selbst, hören möchte".
(Johann Wolfgang von Goethe, dt. Dichter, 1749-1832)
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#1398 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von SilverBullet » Sa 11. Jul 2020, 10:15

sven23 hat geschrieben:Richtig, aber man kann sie auch nicht kategorisch ausschließen.
Das ist wieder Schwarz/Weiss, denn es gibt wissenschaftlich gesehen nicht nur "hat existiert" und "hat nicht existiert", sondern auch "es gibt keine Hinweise auf Existenz -> die Bibeltexte reichen nicht aus"
Darüber hinaus muss es wissenschaftlich auch eine Analyse geben, was für eine Art von Text mit der Bibel vorliegt (-> "die Bibel ist kein Geschichtsbuch").

sven23 hat geschrieben:Den "triumphalen" Einzug in Jerusalem schildern die Schreiber ja nur deshalb, weil sie eine alte AT-Prophezeiung in Erfüllung gehen lassen wollen, um so seine messianische Sendung zu bestätigen.
Das halte ich für höchst problematisch, wo doch der "Flavius Josephus"-Text für den Messias "Menachem" einen bejubelten Einzug in Jerusalem beschreibt.
Neben den Gründungsursachen (Herodes-Clan und Volkszählung/Ausbeutung) ist der Menachem-Einzug in Jerusalem eine zentral wichtige Information zu den Zeloten, denn es geht um den Erfolg der Messias-Bewegung.
Wenn dein Argument aus der "Forschung" stammt, dann halte ich es für sehr problematisch, denn hier soll wieder krampfhaft an den Zeloten, am jüdischen Krieg und insbesondere an der gewalttätigen Ausrichtung der "Urchristen" vorbeimanövriert werden.

Ich wiederhole:
Der Einzug in Jerusalem ist einer der wenigen Sachverhalte, die eine konkret überprüfbare Verbindung zur Vergangenheit darstellen.

Stammt dein Argument aus der "Forschung", dann wird hieran deutlich, wie diese religiös eingestellten Denker arbeiten: es wird lieber ein religiöser Zusammenhang präsentiert, als dass man neutral historisch nach dem Ereignis sucht und dann die Religionsphantasie anpasst.
Für die Motivation hierzu müsste man wohl nicht lange suchen, denn ein derartiges Gewaltereignis (quasi ein lokaler Schlachtenerfolg) wäre für die Liebes- und Friedens-Legende höchst ungünstig.

sven23 hat geschrieben:Warum sollten die Einwohner von Jerusalem dem unbekannten Hinterwälder aus der Provinz auch zujubeln? Um dann kurze Zeit später seine Hinrichtung zu fordern?
Die Legendengeschichte enthält einen kleinen Hinweis auf ein bedeutsames Messias-Vorkommnis (wie auch schon bei Herodes und Volkszählung) - aber eher verdreht.
Im Verlauf der Bibelsequenz gibt es ja die Eigenartigkeit, dass der "Jesus"-Messias vom Volk gefeiert wird, sich dann (mit Gewalt) gegen die Tempelpraxis stellt, von den Tempel-Priestern beschuldigt/verfolgt wird, von Pontius Pilatus dem Volk zur Auswahl gestellt wird und vom Volk abgelehnt wird.

Wieso wird er letztlich vom Volk abgelehnt?
=> Das steht in der Legende ziemlich unmotiviert in der Luft.

Im echten Ablauf zog "Menachem" wohl wie ein König in Jerusalem ein (das Königsbild gilt - glaube ich - auch für die Jesus-Szene), hat dann aber sehr stark die Macht an sich gerissen und wollte seine Vorstellungen durchbringen (Josephus spricht von "untragbarer Tyrann"), was die Ablehnung des Volkes (samt Vernichtung - initiiert durch die Tempelpriester) zur Folge hatte.

Es liegt also eine angedeutete Vergleichbarkeit beim Einzug, beim Auftreten und bei der Abkehr des Volkes und beim letztlichen Untergang vor, nur liefert der "Flavius Jospehus"-Text wieder einmal die umfangreicheren Details, so dass sich ein möglicher historischer Ablauf ergibt, während die Bibel eher komisch wirkt.

Die Erwartungshaltung für einen Einzug in Jerusalem kann durchaus teilweise Alt-Testamentarisch beeinflusst gewesen sein, aber dass ein erfolgreicher Verteidiger/Retter in die Hauptstadt einzieht, sehe ich eher als normales Ereignis, das einfach jeder erfolgreiche Anführer durchführen würde.
Es gab den "Einzug" wohl auch bei einem "Simon bar Giora", nicht mit den restlichen Ähnlichenkeiten aber mit einer Hinrichtung durch die Römer, wobei er bei seiner Gefangennahme wie ein "König" verkleidet gewesen sein soll (Umhang und Krone?).

Vielleicht ist die "Jesus"-Legende auch hier "ein Ritt quer durchs Beet" und so sind die "Menachem"-Ereignisse mit den "Simon bar Giora"-Ereignissen verschmolzen und für eine Friedensgestalt umgeformt worden.

sven23 hat geschrieben:Wenn keine neuen Quellen auftauchen wird das wohl für immer im Dunkel der Geschichte bleiben.
Nein, wissenschaftlich ist es eine Tatsache, dass keine verwertbaren Quellen zur Existenz vorliegen und genau dementsprechend sollte eine wissenschaftliche Aussage geformt sein.
Stattdessen liegt aus der "Forschung" der Eiertanz "die meisten Forscher gehen von einem historischen Jesus aus" vor.
=> das klingt eher nach "wir wollen es nicht wahr haben und schieben den Publikumsjoker vor"

sven23 hat geschrieben:Richtig, was aber kein Beweis für die Nicht-Existenz ist.
Niemand muss wissenschaftlich die Nicht-Existenz von nur in Wundertexten behaupteten Akteuren beweisen, insbesondere wenn neben dem Wundertext weitaus detailreichere, stimmigere Quellen vorliegen, in denen diese Akteure nicht vorkommen.

sven23 hat geschrieben:Moment, ich meinte, dass sich die Messiaserwartung in Bezug auf Jesus für die meisten Juden erledigt hat.
Es ist ungünstig, mir gegenüber "die Jesus-Messiaserwartung der Juden" als Verständnis voraussetzen, wenn dieses Verständnis nirgendwo wissenschaftlich begründet werden kann.

sven23 hat geschrieben:Und das christliche Messiasbild, da hast du Recht, ist ein anderes als das jüdische, das aber auch nicht einheitlich war.
Es ist fraglich, ab wann man von einem "Jesus-christlichen Messiasbild" in Abgrenzung zu einem "jüdischen Messiasbild" sprechen kann.
Ich habe ja grundlegend den Kriegsverlauf, den Untergang und die Verfolgung als entscheidend für eine Liebes-/Friedensverklärung von eigentlich gewalttätigen Einstellungen/Abläufen im Verdacht.

sven23 hat geschrieben:Es gibt kein Verfahren, das Ergebnisse mit absoluter Sicherheit liefern würde. Aber was besseres als die historisch-kritische Methode haben wir nun mal nicht zur Verfügung.
Mit absoluter Sicherheit kann man festhalten, dass keine Nicht-Wundertexte mit normal verdächtiger Motivationsgrundlage vorliegen, aus denen eine Bestätigung der Bibelbehauptungen hervorgehen könnte.

Es ist eher umgekehrt: der grob-motorische Bibel-Einsatz des Wortes "Zelot" kann als Bestätigung der "Flavius Josephus"-Texte angesehen werden.

sven23 hat geschrieben:Die Forschung geht davon aus, dass immer dann, wenn es Probleme in den Gemeinden mit Aussagen von Jesus gab, die seiner angeblich göttlichen Sendung entgegenstanden, es sich um authentische Aussagen handelt, die dann von den Schreibern uminterpretiert, umgeschrieben oder sogar gefälscht wurden.
Die "Forschung" verwendet hier lediglich die Legende, um historische Szenen zu konstruieren.
Eine Fan-Literatur, in der wichtige Details krampfhaft derart "zu kurz" kommen, dass ein ganz anderer Zeiteindruck entsteht, sollte man wissenschaftlich nicht als alleinige Basis für historische Umstände verwenden.

Wo ist der Unterschied zwischen solchen "Forschern" und den Autoren des Märchens?

Die historisch-kritische Methode kann man zur Textanalyse, insbesondere zum Aufstellen einer begründeten Text-Versions-Folge verwenden, aber sie ist für den Sprung von Text zu Historie vollständig ungeeignet - vor allem, wenn sie allein mit Wundertexten arbeitet.

sven23 hat geschrieben:Auch Fanatiker wären sicher in der Lage gewesen, eine stimmige Figur zu erfinden, die sie nicht ständig in Erklärungsnöte brachte.
Bei diesem "sie hätten es nicht so geschrieben"-Argument gibt es die Problematik, dass man Leuten moderne Vernunft unterstellt, die überhaupt nicht vorliegen kann, denn se haben ja die Wundertexte geschrieben.

Wissenschaftlich weiterführend wäre eine Analyse, um was für eine Art von Text es sich bei der Bibel handelt.
Wir sind uns einig, dass es kein Geschichtsbuch ist.
Während dies bei mir zur Konsequenz führt, dass ich die Bibel nicht als Geschichtsbuch einsetze, wechseln die "Forscher" an beliebigen Details doch wieder zu "der Text ist ein Geschichtsbuch".

Das Problem dabei ist, dass die Begründung für einen derartigen Wechsel fehlt.

Fakt ist:
Die Bibeltexte liegen vielfach in griechischer Form vor, weil sie in einem griechisch orientierten Kulturraum veröffentlicht wurden.
Mit dem Wort "Pneuma" wird ein zentrales griechisches Philosophie-Konzept aufgegriffen.

Wenn man nun so einen Text hernimmt, wie die griechische Götterwelt, dann stellt sich die Frage, wie die damaligen Leute so etwas als Religionsaussage akzeptieren konnten.
Die griechische Götterwelt ist kein Geschichtsbuch und keiner der obigen "Forscher" würde ernsthaft einen Wechsel zu historischen Gestalten vornehmen, wenn sie alleinig in diesem Text vorkommen.

Die Bibeltexte sind eine Art "Alternative", die in dieser griechischen Orientierung entstanden ist, wodurch man nicht einfach wissenschaftlich zu "historisch" wechseln kann.

Wenn wir ein Geschichtsbuch bzw. einen Geschichtsbuchanteil in einem Text erwarten, dann gehen wir davon aus, dass dieser Text für sich selbst eine Korrektheitsqualität darstellt, die unabhängig vom Leser ist.

Bei einem Märchen verhält es sich ganz anders:
die Qualität eines solchen Textes ergibt sich durch die Reaktion des Lesers.

Ich stelle die Frage: sind die Texte "griechische Götterwelt" und Bibel alleinig auf die Reaktion des Lesers ausgerichtet?

Mal angenommen, die Texte haben den alleinigen Zweck den Glauben des Lesers zu verstärken, dann ergibt sich eine andere Art von Korrektheit.
Ein Text (egal welche Phantasie er enthält) wird dann als "richtig" eingestuft, wenn er den Glauben von vielen Menschen im Sinne der Religion beeinflusst.
Nehmen wir mal an, Schreiber und auch Leser sind auf dieser Basis mit Religionstexten umgegangen.

Als Indizien hierfür fallen mir zwei Details ein, die in der Kombination zu einem derartigen Textumgang führen können:
1.
Das Motto "es ist gut, wenn es dem Glauben dient" wird wohl irgendwo in der Bibel angedeutet.
2.
Die "Pneuma"-Phantasie führt dazu Fremdanteile im Denkverhalten von Menchen zu verorten. So kommt es zu "Dämonen"-Vorstellungen, aber auch zur Idee von "göttlicher Einwirkung" (-> "heiliges Pneuma" und "Unterscheidung der Geister").

Mit der Kombination (1+2) wird ein Text, der andere Menschen zu "Mehr Gott-Religion" animiert bzw. sie "bei der Stange hält" zu einem "richtigen Text".
Egal, was der Text enthält, der Effekt legt die Korrektheit fest.

Es ist bekannt, dass die Bibel ("Neues Testament") eine Auswahl von Texten ist, wobei viele Texte nicht ausgewählt wurden.
Wenn man nun die Sonderbarkeit beachtet, dass vier Texte zu einer Lebenslegende ausgewählt wurden, aber andere Texte zu dieser Lebenslegende nicht, dann stellt sich unweigerlich die Frage "Wieso, auf welcher Basis"?
Die vier Texte unterscheiden sich für jeden ersichtlich in den Details, im Umfang an Wunderbehauptungen, im religios philosophierten Gesamtzusammenhang.
Wenn die Gesamtsammlung einen Text darstellen sollte, der von sich aus Korrektheit liefert, dann wären diesen vier Versionen regelrecht unsinnig.

Ein Sinn kommt ins Spiel, wenn es ein Angebotsspektrum für Leser darstellen soll, die sich alternativ ihre Variante als Zugang zum Glauben aussuchen können.

Die Vielfalt der Texte (also auch die mit eingerechnet, die nicht ausgewählt wurden) zeigt, dass wohl ein sehr sehr grosses Spektrum unterwegs war.
Im Grunde hätte man doch einfach alles aufnehmen können (egal ob Jesus-Mensch, Jesus-Pneuma-Wesen, gar kein Jesus, ein oder zwei Götter usw.).
Hierbei stellt sich aber ein Problem:
das Akzeptieren von weit abweichenden Texten ist nicht gegeben, was dazu führt, dass der angestrebte Effekt, also eine Verstärkung des Glaubens, begleitet wird von einer Ablehnungshaltung -> das ist ungünstig.

Ich denke, in der Folge hat man einfach die "populärsten Textversionen", also die mit dem "grössten Effekt" (die zusätzlich auch eine akzeptable Ähnlichkeit enthalten) ausgewählt, um das Spektrum möglichst gross zu halten.

Das Gerangel, um die "Richtigkeit" von Texten, das sich durch Lügenvorwürfe und Ketzereinstufung bereits in der Anfangszeit zeigt, wird modern so interpretiert, dass es da einen historischen (und damit "richtigen") Kern geben haben muss, der sich vielen komischen Behauptungen ausgeliefert sah, aber ich denke, genau hier liegt man falsch.

Mit dem Verlauf und dem Ausgang des jüdischen Krieges gab es einen gigantischen Bedarf an "Glaubensverstärkung" oder besser "Glaubensstabilisierung", was durch unterschiedliche Versionen befriedigt werden sollte.

Ich könnte mir vorstellen, dass es sich um ein "evolutionäres Textentstehen" handelt, also eine Selektion über die Reaktion der Leserschaft und eine Orientierung der Schreiber an dieser Selektion.

In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass es eine römische Initiative war, die zur Auswahl und Durchsetzung der Zusammenstellung führte, wobei es auf Basis des bestimmt vorherrschenden religiösen Gerangels eher nicht erstaunlich ist.
Sonderbar wird vielmehr der Umstand, dass Rom keinerlei Stellung dazu bezogen hat, dass es ein römisches Vorgehen war, das zur Vernichtung von Messias-Anwärtern und zur Verfolgung von Messias-Anhängern führte.
Es gibt wohl auch keinen damaligen Dichter und Denker, der sich mit diesem Umstand (also der Rolle Roms) auseinandersetzt.

Das könnte man als Indiz ansehen, dass die Texte damals rein als "nützliche Geschichten" angesehen wurden und bei den "Gläubigen" die Einstellung vorherrschte "das klingt spannend/schön, das mache ich mir zu eigen, daran glaube ich und damit kann ich Gott folgen".

=> Ich sage: die Einstellung der Schreiber und auch der Leser ist entscheidend für diese Religionstexte und Historie spielte dabei keine Rolle.

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#1399 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von sven23 » So 12. Jul 2020, 11:58

SilverBullet hat geschrieben:
Sa 11. Jul 2020, 10:15
sven23 hat geschrieben: Den "triumphalen" Einzug in Jerusalem schildern die Schreiber ja nur deshalb, weil sie eine alte AT-Prophezeiung in Erfüllung gehen lassen wollen, um so seine messianische Sendung zu bestätigen.
Das halte ich für höchst problematisch, wo doch der "Flavius Josephus"-Text für den Messias "Menachem" einen bejubelten Einzug in Jerusalem beschreibt.
Das kann sich ja durchaus historisch so zugetragen haben. Menachem kannte natürlich ebenfalls die jüdischen Prophezeiungen und hat seinen Einzug absichtlich so inszeniert.
Und er hatte ja offenbar auch die Manpower für solch eine Inszenierung.
Die Schreiber kannten beides und bauten dieses Versatzstück in ihre Legenden um Jesus mit ein, wie sie es so oft praktiziert haben.




SilverBullet hat geschrieben:
Sa 11. Jul 2020, 10:15
Stammt dein Argument aus der "Forschung", dann wird hieran deutlich, wie diese religiös eingestellten Denker arbeiten: es wird lieber ein religiöser Zusammenhang präsentiert, als dass man neutral historisch nach dem Ereignis sucht und dann die Religionsphantasie anpasst.
Man könnte dir zustimmen, denn Theologen stehen immer im Verdacht, im Zweifelsfall pro Domo zu sprechen. Aber auch scharfe Kritiker wie Gerd Lüdemann, der seinen Glauben komplett verloren hat, bezweifeln die Historizität nicht.
Die Figur eines Wanderpredigers ist historisch plausibel, paßt also in den historischen Kontext. Josephus hat ja lediglich die bekanntesten erwähnt, die am meisten Eindruck hinterlassen hatten. Pilatus hat in seiner Amtszeit Tausende kreuzigen lassen, die meisten waren unbekannte Nobodies, die auch Josephus nicht kennen konnte, obwohl viele sicher auch einen zelotischen Hintergrund hatten.




SilverBullet hat geschrieben:
Sa 11. Jul 2020, 10:15
Wieso wird er letztlich vom Volk abgelehnt?
=> Das steht in der Legende ziemlich unmotiviert in der Luft.
Richtig, der ganze Prozess ist vermutlich Legende. So, wie in der Bibel beschrieben, kann er sich nicht zugetragen haben.
Die Evangelisten wollen die Römer von der Schuld am "Gottesmord" freisprechen und schieben die Schuld den Juden zu, obwohl die Hinrichtungsart der Kreuzigung eindeutig auf römisches Recht hinweist.

SilverBullet hat geschrieben:
Sa 11. Jul 2020, 10:15
Im echten Ablauf zog "Menachem" wohl wie ein König in Jerusalem ein (das Königsbild gilt - glaube ich - auch für die Jesus-Szene), hat dann aber sehr stark die Macht an sich gerissen und wollte seine Vorstellungen durchbringen (Josephus spricht von "untragbarer Tyrann"), was die Ablehnung des Volkes (samt Vernichtung - initiiert durch die Tempelpriester) zur Folge hatte.

Es liegt also eine angedeutete Vergleichbarkeit beim Einzug, beim Auftreten und bei der Abkehr des Volkes und beim letztlichen Untergang vor, nur liefert der "Flavius Jospehus"-Text wieder einmal die umfangreicheren Details, so dass sich ein möglicher historischer Ablauf ergibt, während die Bibel eher komisch wirkt.
Der Prozess wirkt kontruiert. Man hat mehr als zwei Dutzend Verfahrensfehler aufgezeigt, d. h. der Prozess kann sich so nicht zugetragen haben.



SilverBullet hat geschrieben:
Sa 11. Jul 2020, 10:15
Vielleicht ist die "Jesus"-Legende auch hier "ein Ritt quer durchs Beet" und so sind die "Menachem"-Ereignisse mit den "Simon bar Giora"-Ereignissen verschmolzen und für eine Friedensgestalt umgeformt worden.
Das ist sogar sehr wahrscheinlich, denn mit Versatzstücken zu arbeiten gehörte zum Standardrepertoire der Schreiber.


SilverBullet hat geschrieben:
Sa 11. Jul 2020, 10:15
Bei diesem "sie hätten es nicht so geschrieben"-Argument gibt es die Problematik, dass man Leuten moderne Vernunft unterstellt, die überhaupt nicht vorliegen kann, denn se haben ja die Wundertexte geschrieben.
Bei Wundern ist ja auch unbedingt das mythische Weltbild der Antike zu berücksichtigen, wie Bultmann richtig sagt. Nach heutigem Verständnis kennen wir kein "übernatürliches Zerreissen geschichtlicher Wirkungszusammenhänge". Das war nach heutigem Verständnis auch damals nicht anders.


SilverBullet hat geschrieben:
Sa 11. Jul 2020, 10:15
Wissenschaftlich weiterführend wäre eine Analyse, um was für eine Art von Text es sich bei der Bibel handelt.
Wir sind uns einig, dass es kein Geschichtsbuch ist.
Während dies bei mir zur Konsequenz führt, dass ich die Bibel nicht als Geschichtsbuch einsetze, wechseln die "Forscher" an beliebigen Details doch wieder zu "der Text ist ein Geschichtsbuch".
Das Problem dabei ist, dass die Begründung für einen derartigen Wechsel fehlt.
Wenn Jesus eine rein literarische Figur ist, dann muss man aber auch einige Fragen beantworten.

- Warum wird Jesus in Nazareth geboren und nicht in Bethlehem, wie es die Prophezeiungen vorhersagen?
- Warum werden Stammbäume konstruiert, die nicht zusammen passen?
- Warum läßt er sich von Frauen aushalten und bricht mit seiner Familie?
- Warum lassen die Schreiber ihn als "Fresser und Weinsäufer" bezeichnen?
- Warum verbietet Jesus ausdrücklich die Heidenmissionierung?
- Warum läßt sich Jesus als sündiger Mensch taufen?
- Warum lassen die Schreiber den Glauben an die nahe Gottesherrschaft im Zentrum seiner Verkündigung stehen, obwohl sie sich schon bei Abfassung der Evangelien als Irrtum - erwiesen hat?

Um nur mal einige Punkte zu benennen.


SilverBullet hat geschrieben:
Sa 11. Jul 2020, 10:15
Fakt ist:
Die Bibeltexte liegen vielfach in griechischer Form vor, weil sie in einem griechisch orientierten Kulturraum veröffentlicht wurden.
Mit dem Wort "Pneuma" wird ein zentrales griechisches Philosophie-Konzept aufgegriffen.
Wenn man nun so einen Text hernimmt, wie die griechische Götterwelt, dann stellt sich die Frage, wie die damaligen Leute so etwas als Religionsaussage akzeptieren konnten.
Die meisten Juden haben ja die Vergottung eines Menschen nicht akzeptiert. Als Messias war der Wanderprediger sowieso durchgefallen. Das hat Paulus recht früh erkannt und schwenkte deshalb auf die Heidenmissionierung um. Auch Matthäus formulierte den Missionierungsbefehl, ganz entgegen der Anweisung des Wanderpredigers, der für einen jüdischen Nationialismus und religiösen Partikularismus stand. Juden haben nie missioniert und tun es bis heute nicht.




SilverBullet hat geschrieben:
Sa 11. Jul 2020, 10:15
Als Indizien hierfür fallen mir zwei Details ein, die in der Kombination zu einem derartigen Textumgang führen können:
1.
Das Motto "es ist gut, wenn es dem Glauben dient" wird wohl irgendwo in der Bibel angedeutet.
Paulus hält sogar die Lüge für keine Sünde, wenn sie der Verherrlichung Gottes dient. Der Zweck heiligt die Mittel.



SilverBullet hat geschrieben:
Sa 11. Jul 2020, 10:15
Es ist bekannt, dass die Bibel ("Neues Testament") eine Auswahl von Texten ist, wobei viele Texte nicht ausgewählt wurden.
Richtig, Diderot beschreibt das sehr treffend.

"In den ersten Jahrhunderten gab es sechzig Evangelien, die fast alle gleich unverdaulich waren. Man verwarf sechsundfünfzig wegen ihrer Kindlichkeit und Albernheit. Gäbe es hierfür keinerlei Anhaltspunkte bei denjenigen, die man behalten hat?"
(Denis Diderot, franz. Schriftsteller, Aufklärer u. Philosoph, 1713-1784).



SilverBullet hat geschrieben:
Sa 11. Jul 2020, 10:15
Wenn man nun die Sonderbarkeit beachtet, dass vier Texte zu einer Lebenslegende ausgewählt wurden, aber andere Texte zu dieser Lebenslegende nicht, dann stellt sich unweigerlich die Frage "Wieso, auf welcher Basis"?
Die Basis war wohl das Eigeninteresse der Kirche. Wer behauptete, die Priester seien als Vermittler zwischen Mensch und Gott überflüssig (Thomasevangelium) oder wer versteckte Kritik an Kirchenoberen übte (Judasevangelium), der hatte im Kanon nichts verloren. Andere Evangelien waren wegen ihrer Albernheit selbst der Kirche zu viel des Guten.



SilverBullet hat geschrieben:
Sa 11. Jul 2020, 10:15
Ich könnte mir vorstellen, dass es sich um ein "evolutionäres Textentstehen" handelt, also eine Selektion über die Reaktion der Leserschaft und eine Orientierung der Schreiber an dieser Selektion.
Genau das sagt die Forschung auch. Die Reaktionen der Leserschaft findet sich immer wieder in den Texten abgebildet. Es war ein geschichtlich gewachsener Prozess.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

JackSparrow
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#1400 Re: Warum gab es eigentlich den Baum von der Erkenntnis von Gut und Böse?

Beitrag von JackSparrow » So 12. Jul 2020, 14:13

sven23 hat geschrieben:
So 12. Jul 2020, 11:58
- Warum wird Jesus in Nazareth geboren
Jesus wird in Betlehem geboren.

- Warum werden Stammbäume konstruiert, die nicht zusammen passen?
Weil nur echte Menschen zusammenpassende Stammbäume haben und man einer erfunden Romanfigur nicht einen echten "König der Juden" als Großvater andichten kann.

- Warum lassen die Schreiber den Glauben an die nahe Gottesherrschaft im Zentrum seiner Verkündigung stehen, obwohl sie sich schon bei Abfassung der Evangelien als Irrtum - erwiesen hat?
Wieso Irrtum. Jeder römische Kaiser ließ sich als Gott verehren.

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