Das Buch Hiob

Themen des alten Testaments
closs
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#211 Re: Das Buch Hiob

Beitrag von closs » Mi 17. Okt 2018, 11:11

Travis hat geschrieben:Nach meinem Verständnis sagen beide Übersetzungen das gleiche aus.
In welchem Sinne? - Habe gerade mal bei anderen geguckt - da steht (aus meiner Sicht) noch was Anderes:
"Wer seinem Freund die Treue versagt, der verlässt10 die Furcht des Allmächtigen". (Eberfelder
"Dem Verzagten gebührt Mitleid von seinem Freund, sonst wird er die Furcht des Allmächtigen verlassen". (SChlachter)
"Wer so verzweifelt ist wie ich, braucht Freunde, die fest zu ihm halten, selbst wenn er Gott nicht mehr glaubt" (Hoffnung für alle)

Ich verstehe jetzt folgende unterschiedliche Aussagen:
1)"Ich fürchte den Allmächtigen nicht mehr - aber Ihr seid ja noch da".
2) "Auch wenn ich den Allmächtigen nicht fürchten würde - aber Ihr seid ja noch da".
3) "Wenn Ihr Euch von mir distanziert, der verlässt auch die Furcht vor Gott".
4) Ich werde dann die Furcht vor Gott verlassen, WENN Ihr nicht zu mir steht".

closs
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#212 Re: Das Buch Hiob

Beitrag von closs » Mi 17. Okt 2018, 11:12

Helmuth hat geschrieben:D.h. in seinem Zustand erwartet er sich Zuspruch anstelle weiterer Anklagen. Anstelle Gott nun zu bitten seinen Zustand zu entlasten, wird darüber großspurig debattiert. Mich würde das auch fertig machen.
Das macht Sinn - aber guck Dir mal die verschiedenen Übersetzungen an.

Helmuth
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#213 Re: Das Buch Hiob

Beitrag von Helmuth » Mi 17. Okt 2018, 11:16

closs hat geschrieben:Das macht Sinn - aber guck Dir mal die verschiedenen Übersetzungen an.
Mache ich ja unentwegt. Aber es reicht nicht. Daher ist der innere Kontext das, was uns der HG eigentlich lehren will meine ich. Zumindest kommt man dann dem Sinn wesentlich näher. Buchstäbliche Interpretation ist so und so Blödsinn, Grammatik allein reicht auch nicht. Man braucht, wie immer, Offenbarung.
Der Herr steht zu mir, deshalb fürchte ich mich nicht. Was kann ein Mensch mir anhaben?
Ps 118:6

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Travis
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#214 Re: Das Buch Hiob

Beitrag von Travis » Mi 17. Okt 2018, 11:51

closs hat geschrieben:
Travis hat geschrieben:Nach meinem Verständnis sagen beide Übersetzungen das gleiche aus.
In welchem Sinne?
In ihrer Aussage. Im Gegensatz zu den anderen Übersetzungen sind sie sogar erstaunlich ähnlich. In der EInheitsübersetzung sehe ich die Selbstbezeichnung Hiobs nicht, was ja auch zum Kontext nicht passen würde. Gleichzeitig klingt in der EÜ das Potential, von dem Du bei Buber redest, bereits an.

Allerdings weichen andere Übersetzungen recht deutlich ab, was ich sehr faszinierend finde. Jemand mit überdurchschnittlichen Kenntnisse im Grundtext würde uns hier wohl aufhelfen können.

Ich würde es zum Beispiel gar nicht abwegig finden, wären ALLE Übersetzungen richtig und zwar einfach aus dem Grund, als das der Grundtext in viele unterschiedliche Richtungen anklingt. Für den armen Hiob sind alle seine Freunde weggebrochen und zwar auf diversen fundamentalen Beziehungsebenen. Hiob 6,1 ist der Auftakt der Beschreibung einer dramatischen Entwicklung in die sich drei seiner vier Freunde noch einreihen werden.
Ich weiß, dass ich nicht einmal weiß das ich nichts weiß.

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#215 Re: Das Buch Hiob

Beitrag von closs » Mi 17. Okt 2018, 15:05

Travis hat geschrieben:Ich würde es zum Beispiel gar nicht abwegig finden, wären ALLE Übersetzungen richtig und zwar einfach aus dem Grund, als das der Grundtext in viele unterschiedliche Richtungen anklingt.
Denke ich auch - Schlachter und die Eberfelder-Leute sind ja keine Trottel. - Ich verstehe nur wenig von der hebräischen Sprache - aber eins hat sich für mich aus der Buber-Übersetzung ergeben: Die hebräische Sprache kommuniziert rein phänomenologisch - also keine oder kaum logische Kommentare ("weil"/"obwohl"/etc), sondern "So ist es".

Das heißt aber AUCH: Unsere gängigen Übersetzungen sind in der Regel nicht nur Übersetzungen, sondern auch bereits Kommentare der Übersetzer - ob es es wollen oder nicht.

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#216 Re: Das Buch Hiob

Beitrag von Travis » Mi 17. Okt 2018, 15:12

closs hat geschrieben:Denke ich auch - Schlachter und die Eberfelder-Leute sind ja keine Trottel.
Nein, sind sie nicht.
closs hat geschrieben:Ich verstehe nur wenig von der hebräischen Sprache - aber eins hat sich für mich aus der Buber-Übersetzung ergeben: Die hebräische Sprache kommuniziert rein phänomenologisch - also keine oder kaum logische Kommentare ("weil"/"obwohl"/etc), sondern "So ist es".
Das und noch vieles mehr. Auch Herr Buber ist kein Trottel.
closs hat geschrieben:Das heißt aber AUCH: Unsere gängigen Übersetzungen sind in der Regel nicht nur Übersetzungen, sondern auch bereits Kommentare der Übersetzer - ob es es wollen oder nicht.
Absolut. Allerdings ist das keine Neuigkeit und tut dem Wahrheitsgehalt keinen Abbruch. Es sind quasi Grundkenntnisse der Übersetzungstheorie.

Deutungsfreie "Wort-fürWort" Übersetzungen kann es gar nicht geben. Wer das von seiner Übersetzung behauptet, hat sich selbst disqualifiziert oder als ideologisch motiviert zu erkenen gegeben. Hebräisch / Griechisch und Deutsch sind schlicht zu verschieden.
Ich weiß, dass ich nicht einmal weiß das ich nichts weiß.

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#217 Re: Das Buch Hiob

Beitrag von closs » Mi 17. Okt 2018, 15:22

Travis hat geschrieben: Allerdings ist das keine Neuigkeit und tut dem Wahrheitsgehalt keinen Abbruch.
Neuigkeit ist es nicht, aber in puncto Wahrheitsgehalt gibt es da schon große Unterschiede. - Ich kann mich erinnern, dass allein durch die Buber-Übersetzung die meisten meiner Fragen zum AT geklärt wurden - einfach weil Buber derart wörtlich zu übersetzen scheint (manchmal so, dass man es fasst nicht versteht), dass man versteht, was eigentlich gemeint ist. - Spontane Beispiele: "schlicht" statt "fromm" - "Bewahrheitung" statt "Gericht" - "Leid" statt "Reue" - etc.

Das heißt aber AUCH: Das "Wort Gottes" muss nicht das sein, was man in seiner Sprache in einer Übersetzung darunter versteht.

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#218 Re: Das Buch Hiob

Beitrag von Travis » Mi 17. Okt 2018, 15:31

closs hat geschrieben:Neuigkeit ist es nicht, aber in puncto Wahrheitsgehalt gibt es da schon große Unterschiede. - Ich kann mich erinnern, dass allein durch die Buber-Übersetzung die meisten meiner Fragen zum AT geklärt wurden - einfach weil Buber derart wörtlich zu übersetzen scheint (manchmal so, dass man es fasst nicht versteht), dass man versteht, was eigentlich gemeint ist. - Spontane Beispiele: "schlicht" statt "fromm" - "Bewahrheitung" statt "Gericht" - "Leid" statt "Reue" - etc.
Hm. Vielleicht haben wir uns mißverstanden. Wenn "schlicht " und "fromm" (als Beispiel) richtige Übersetzungen sind, da der hebräische Begriff beides (kontextuell) beinhaltet, ist der Wahrheitsgehalt gar nicht tangiert. Auch Herr Buber wählt die Übersetzung anhand des Kontextes und der möglichen Lesart aus. In diesem Rahmen kommt ein Gefühl für die biblische Situation und der Sprache hinzu.

Man kann seinen persönlichen Erkenntnisgewinn da nicht als Maßstab nehmen. Mir ging es bei der NGÜ im Römerbrief annähernd ähnlich wie das, was Du bei Herrn Buber beschreibst. Objektiv hat die NGÜ jedoch ebenso viele anmerkungswürdige Stellen wie andere Übersetzungen auch.
closs hat geschrieben:Das heißt aber AUCH: Das "Wort Gottes" muss nicht das sein, was man in seiner Sprache in einer Übersetzung darunter versteht.
Bislang haben wir in unserem kleinen Intermezzo nichts angesprochen, was Deine Annahme zwingend erforderlich machte. Beziehst Du noch mehr mit ein von denen Du bislang nichts erwähnt hast?
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#219 Re: Das Buch Hiob

Beitrag von closs » Mi 17. Okt 2018, 15:35

Travis hat geschrieben:Wenn "schlicht " und "fromm" (als Beispiel) richtige Übersetzungen sind, da der hebräische Begriff beides (kontextuell) beinhaltet ist der Wahrheitsgehalt gar nicht tangiert.
Wenn Du "Wahrheit" als das bezeichnest, was alles drinsteckt, gebe ich Dir recht. - Aber es wird oft anders gelesen: "Fromm" ist heute eher "Händchen falten und mit verdrehten Augen nach oben schauen". - Díe unterschiedlichen Konnotationen sind das Problem.

Travis hat geschrieben:Objektiv hat die NGÜ jedoch ebenso viele anmerkungswürdige Stellen wie andere Übersetzungen auch.
Bestimmt. - Der entscheidende Punkt ist, dass man nicht weiß, welche Assoziationen der Leser damit verbindet. - MEINE Assoziationen wurden durch Buber geändert - ich habe ganz anders verstanden.

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#220 Re: Das Buch Hiob

Beitrag von Travis » Mi 17. Okt 2018, 15:38

closs hat geschrieben:Wenn Du "Wahrheit" als das bezeichnest, was alles drinsteckt, gebe ich Dir recht. - Aber es wird oft anders gelesen: "Fromm" ist heute eher "Händchen falten und mit verdrehten Augen nach oben schauen". - Díe unterschiedlichen Konnotationen sind das Problem.
Da muss man dann erklären, was "fromm" im biblischen Kontext alles beinhaltet und wie bedeutungsschwer das ist. Eine gute Predigt oder Vorlesung kann das leisten. Ich fand und finde das immer sehr wertvoll, wenn man auf diese Weiste mit in die biblischen Texte hineingenommen wird.
closs hat geschrieben:Bestimmt. - Der entscheidende Punkt ist, dass man nicht weiß, welche Assoziationen der Leser damit verbindet. - MEINE Assoziationen wurden durch Buber geändert - ich habe ganz anders verstanden.
So ist es im Grundtext auch. Daher brauchen wir, meiner Ansicht nach, ALLE Übersetzungen, textkritische Apparate, Wörterbücher und Kommentare derer man habhaft werden kann. Am besten von Leuten, die JHWH und /oder Jesus lieben. Allerdings würde dieses Thema hier zu weit führen.
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