Das Schauermärchen(?) von Gibea (Ri.19)

Themen des alten Testaments
Abischai
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#31 Re: Das Schauermärchen(?) von Gibea (Ri.19)

Beitrag von Abischai » Mo 3. Jun 2013, 11:41

Wenn ich auch Magdalenas Plädoyer für dieses Thema einsehe, so schmerzt mich doch die forsche Beurteilung der Dinge. Gerade weil das so undurchsichtig ist, darf keinesfalls der verborgene schützenswerte Inhalt der Geschichte achtlos zertreten werden.
Zählen wir doch erst mal in altbewährter CSI-Manier die Fakten auf und lassen wir die Beweise sprechen!

- Die Frau war eine Nebenfrau, was auf Sklavin hindeutet. Sie hurte von ihrem Mann weg, nicht durch Sex mit einem anderen, sondern indem sie ins Vaterhaus zurückkehrte, darin bestand die Hurerei.

- Der Mann macht sich auf um zu ihrem Herzen zu reden.
- Der Schwiegervater respektiert die Absicht des Mannes nicht. Was der denn wollte, müßte man mal fragen. Daß sie so verspätet aufbrachen, war des Schwiegervaters Schuld.

- Nachher beruft der Mann sich auf die Gerichtsbarkeit Israels, was völlig richtig ist. Die Botschaft mit den Köperteilen ist verstanden worden, sachlich und emotional. Diese Vorgehensweise sehen wir später auch bei Sauls erster großer Aktion (nur daß es da ein Rind war und keine Frau, die zerteilt wurde)

- Über die Emotionen des Mannes wir nichts berichtet, das heißt aber nicht, daß er keine hatte. Als Abraham Isaak opfern sollte, lesen wir auch kein Wort über Abrahams Gefühle.

- Der Mann traut den Ungläubigen nicht und verläßt sich auf sein Volk, will also nicht in Jebus, sondern in Gibea nächtigen.
_____________
Meine vorläufige Wertung:
Der Mann war nicht sehr fest in seinem Charakter (das ist keine Schande, das bin ich nämlich auch nicht), und er wurde 3x betrogen/hintergangen.
Bis auf die anscheinende Gleichgültigkeit am nächsten Morgen, hat er alles richtig gemacht (damals üblich). Und vielleicht war er auch nur zu tiefst erschüttert und daher sprachlos.

Vorläufiges Fazit:
Die Untreue der Frau war das eine, und durch den Verlauf wurde die Sünde der Männer von Gibea offenbar und gerichtet.

Das extrem sündige in der Geschichte ist die gerichtsreife, perverse Lust der Männer von Gibea.

In Sodom geht es auch nicht um Lot und seine Töchter, da ging es um die Vernichtung der Stadt.
Meine Hilfe kommt von Jahweh, der Himmel und Erde gemacht hat. [Ps 121;2]

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Kalea Solana
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#32 Re: Das Schauermärchen(?) von Gibea (Ri.19)

Beitrag von Kalea Solana » Mo 3. Jun 2013, 12:50

Magdalena61 hat geschrieben:Die Antwort auf die Frage von GanzBaff:
GanzBaff hat geschrieben:Jetzt müsst Ihr mir nur noch die Frage beantworten was Gott mit dem Verhalten dieses Mannes zu tun hat?
... würde mich ebenfalls interessieren. Was hat Gott mit der ganzen Geschichte zu tun?

Ich würde sagen, es geht um die Treue zu Gott, was diese Geschichte erwähnenswert machte.

Am Ende mahnt der Mann alle Israeliten, aufgeteilt in die zwölf Stämme, zur Umkehr, aber vornehmlich zur Rache:
Auch ein Zugehöriger des Volkes Israel - in diesem Fall waren es mehrere, die sich wie die Tiere verhielten - kann trotzdem pervers handeln.
Blicken wir auf die - von den Atheisten so beliebt hervorgehobene - böse Kirchengeschichte, bleibt die Moral der Geschichte kein Einzelfall ...

Was Gott damit zu tun hat?
Wie er es über jeden regnen läßt, ob Treue oder Sünder, so zeigt er nicht nur schöne Geschichten auf -
I amar presta aen
han mato ne nen
han mato ne chaen
a han noston ned wilith.

Manche Menschen fühlen den Regen - andere werden nur nass.

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#33 Re: Das Schauermärchen(?) von Gibea (Ri.19)

Beitrag von Abischai » Mo 3. Jun 2013, 16:27

Im Buch der Richter finden wir nur wenige theologische Aussagen, die meisten Aussagen sind anthropologisch.

Auch im Buch Ester gibt es nur wenige Hinweise auf den Glauben der Israeliten, und auf Gott selbst.
Aber anhand des Verhaltens kann man Rückschlüsse ziehen, wie weit die Menschen mit oder ohne Gott lebten. Man kann Gott nicht sehen, es ist also wie im Alltag. Wir alle verhalten uns nach geheimnisvollen Regeln, die an unserem Tun erkennbar werden. Und so kann man auch erkennen, ob jemand an Gott glaubt.
Meine Hilfe kommt von Jahweh, der Himmel und Erde gemacht hat. [Ps 121;2]

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Yusuke
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#34 Re: Das Schauermärchen(?) von Gibea (Ri.19)

Beitrag von Yusuke » Fr 2. Aug 2013, 10:26

Guten Morgen zusammen!
closs hat geschrieben: Denn auch das muss gesagt werden: Wäre Abraham nicht durch das Verhalten vom Pharao und von Abimelech von Gerar geschützt worden, stünde er in dieser Situation auf derselben Ebene wie der Levit !!!

Das finde ich ist ein interessanter Vergleich zwischen Abraham und dem Levit. - Also ist die Moral der Geschichte: Wenn Gott nicht schützend eingreift, sondern die Dinge passieren lässt, verwahrlost die Gesellschaft von selbst. Denn hätte Gott bei Abraham nicht eingegriffen, dann wäre es bei Sara ähnlich ausgegangen.

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#35 Re: Das Schauermärchen(?) von Gibea (Ri.19)

Beitrag von closs » Fr 2. Aug 2013, 10:47

Yusuke hat geschrieben: Wenn Gott nicht schützend eingreift, sondern die Dinge passieren lässt, verwahrlost die Gesellschaft von selbst. Denn hätte Gott bei Abraham nicht eingegriffen, dann wäre es bei Sara ähnlich ausgegangen.
Genau so ist es. - Insofern verbietet es sich, Menschen aufgrund von Geschehnissen zu verurteilen, also gar nicht zu beurteilen in Bezug auf Heilsfähigkeit. - Zwar hat jeder Mensch so etwas wie einen eigenen Charakter, aber der Außenstehende weiß nie, was daran Eigenanteil und was daran Begnadung bzw. Verfluchung ist.

Konkret: Ich habe wirklich viel in meinem Leben gearbeitet und war das, was man in der heutigen Gesellschaft "erfolgreich" nennt, und bin heute finanziell verhältnismäßig privilegiert, indem ich manchmal im Jahr nicht auf jeden 1000er gucken muss - aber: Ich kann nicht erkennen, was ich daran "entschieden" hätte. - Denn auch Entscheiden-Können oder Dran-Bleiben oder Prinzipientreu-Sein ist Fügung und somit Begnadung - genauso wie unvorteilhafte Dinge im Leben Fügung und somit Fluch sind. - Trotzdem: Ich habe mich (abgesehen von gesellschaftlichen Zwängen) komischerweise immer frei gefühlt. - Es ist auch eine Art von Freiheit, dass man Segen und Fluch annimmt.

Die heutige Zeit verträgt solche Gedanken nicht, weil sie aufklärungs-kontaminiert nicht verstehen kann, dass der Mensch nicht Folge seines "Willens" und seiner "Entscheidung" ist, sondern Folge dessen, wohin und mit welchen Gaben Gott einen hinstellt. Solche Gedanken werden auch deshalb nicht vertragen, weil damit das religiöse Weltbild vereitelt wird, der Mensch "entscheide" sein Heil. - Da ist einiges durcheinander.

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#36 Re: Das Schauermärchen(?) von Gibea (Ri.19)

Beitrag von Magdalena61 » Sa 3. Aug 2013, 11:36

Yusuke hat geschrieben:Das finde ich ist ein interessanter Vergleich zwischen Abraham und dem Levit. - Also ist die Moral der Geschichte: Wenn Gott nicht schützend eingreift, sondern die Dinge passieren lässt, verwahrlost die Gesellschaft von selbst. Denn hätte Gott bei Abraham nicht eingegriffen, dann wäre es bei Sara ähnlich ausgegangen.
Ebenfalls guten Morgen, Yusuke! :)
Ich finde nicht, dass man Sara und die Frau des Leviten auf dieselbe Stufe stellen kann.
Sara war ihrem Mann treu gewesen.
Ansonsten wäre Gott--- voll ungerecht, wenn Er einmal eine Ehe-Frau, deren Mann eine falsche Entscheidung trifft, bewahrt, und ein anderes Mal lässt Er eine Frau ins Messer laufen und zu Tode foltern.
LG
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#37 Re: Das Schauermärchen(?) von Gibea (Ri.19)

Beitrag von closs » Sa 3. Aug 2013, 13:01

Magdalena61 hat geschrieben:Ansonsten wäre Gott--- voll ungerecht
Da legst Du menschliches Maß an. - Das an sich ist nicht schlimm. - Schlimm wird es, wenn man aus dem Schicksal eines Menschen (hier der Frau des Leviten) schlussfolgert, sie hätte (im Gegensatz zu Sara) etwas auf dem Kerbholz gehabt - kann sein, muss nicht sein.

Das ist exakt die Argumentation der Freunde Hiobs, die partout aus dem Leid Hiobs (sozusagen "rückwirkend") schließen, dass er ein Frevler sein müsse, weil er sonst nicht mit Leid geschlagen worden wäre. Was sie übersehen: Die sogenannte "Gerechtigkeit" Gottes hat NICHTS (!!) mit unserem Verständnis von Gerechtigkeit zu tun - siehe Elihu im Buche Hiob. - Ein alter "aufgeklärter" Fehler der Menschen.

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#38 Re: Das Schauermärchen(?) von Gibea (Ri.19)

Beitrag von Magdalena61 » Sa 3. Aug 2013, 19:24

closs hat geschrieben:Da legst Du menschliches Maß an.
Hm, nicht unbedingt. Die Gesetzmäßigkeit von Saat und Ernte/ Fluch und Segen... habe nicht ich erfunden.
Schlimm wird es, wenn man aus dem Schicksal eines Menschen (hier der Frau des Leviten) schlussfolgert, sie hätte (im Gegensatz zu Sara) etwas auf dem Kerbholz gehabt - kann sein, muss nicht sein.
1. Die Frau tut mir leid. Ich hoffe, Gott ist ihr gnädig.
2. Wir können nur anhand des uns vorliegenden Textes diskutieren und versuchen, herauszufinden, warum dies und jenes passiert ist und warum Gott nicht eingriff, um diese Schandtat zu verhindern, wie Er es bei Sarah und bei den Töchtern von Lot getan hatte.

Leichter wäre es, wenn die Übersetzungen nicht so, sagen wir--- nicht so "ab- wechs- lungs- reich" wären :( .

Hatte die Frau jetzt Ehebruch begangen oder nicht? In der NeÜ heißt es:
Ri 19, 2 ( NeÜ): Doch diese wurde ihm untreu und ging fremd. Dann lief sie ihm weg und kehrte ins Haus ihres Vaters nach Bethlehem zurück.
Luther:
Ri 19, 2: Und als sie über ihn erzürnt war, lief sie von ihm fort zu ihres Vaters Hause nach Bethlehem in Juda und war dort vier Monate lang.
Elberfelder:
Ri 19,2: Und seine Nebenfrau war wütend auf ihn [o. hurte neben ihm] und lief weg von ihm ins Haus ihres Vaters nach Bethlehem in Juda und war dort eine Zeit lang, nämlich vier Monate.
Schlachter 2000:
Ri 19,2: Diese Nebenfrau aber beging Hurerei gegen ihn und lief von ihm fort in das Haus ihres Vaters, nach Bethlehem-Juda, und blieb dort volle vier Monate lang.
WENN sie Ehebruch begangen hatte, dann hätte ihr Ehemann das Recht gehabt, sie anzuzeigen und zu verlangen, dass sie, nach einem ordentlichen Prozeß, in welchem ihre Schuld festgestellt wird, gesteinigt wird.

Hier ist noch eine andere Übersetzung:
Ri 19,2 (Apostolic Bible Polygot Engl.): 2 And [provoked him to anger his concubine], she went forth from him unto the house of her father in Beth-lehem Judah, and she was there the days of four months
Saat und Ernte?
closs hat geschrieben:Das ist exakt die Argumentation der Freunde Hiobs, die partout aus dem Leid Hiobs (sozusagen "rückwirkend") schließen, dass er ein Frevler sein müsse, weil er sonst nicht mit Leid geschlagen worden wäre. Was sie übersehen: Die sogenannte "Gerechtigkeit" Gottes hat NICHTS (!!) mit unserem Verständnis von Gerechtigkeit zu tun - siehe Elihu im Buche Hiob. - Ein alter "aufgeklärter" Fehler der Menschen.
Hiob war ein Gläubiger, der in üble Anfechtungen geriet, um seines Glaubens willen. Sündlos war er sicher nicht, aber er war "fromm" und brachte Opfer... (warum eigentlich? das Gesetz des Mose dürfte ihm wohl kaum bekannt gewesen sein).

Aber wenn die Frau aus Richter 19 Ehebruch begangen hatte... und nicht Buße tat, dann hat sie damit den Arm Gottes blockiert, so hart das auch klingt Jes. 59, 1-2.

Das ist natürlich KEINE "Entschuldigung" oder gar Legitimation für das, was man mit ihr gemacht hat.
LG
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#39 Re: Das Schauermärchen(?) von Gibea (Ri.19)

Beitrag von closs » Sa 3. Aug 2013, 22:00

Magdalena61 hat geschrieben:Die Gesetzmäßigkeit von Saat und Ernte/ Fluch und Segen... habe nicht ich erfunden.
Aber dass die Ernte der Saat im Dasein ersichtlich sein müsse, muss da hinzugefügt werden. Typisches Hiob-Thema: Die Freunde Hiobs schlussfolgern aus dessen Leid, dass er etwas angerichtet haben müsse - abwegig.

Magdalena61 hat geschrieben:Leichter wäre es, wenn die Übersetzungen nicht so, sagen wir--- nicht so "ab- wechs- lungs- reich" wären
Urtextnah von Buber heißt diese Stelle Rich. 19,2: "Aber seine Kebse war ihm missgesinnt und ging fort von ihm nach dem Haus ihres Vaters". - Das Schicksal der Frau als Folge ihres vorherigen Verhaltens zu interpretieren, fände ich brandgefährlich. - Es gibt genug Stellen in der Bibel, in denen jemand eine persönliche Katastrophe erfährt, ohne dafür subjektiv schuldig zu sein. - Das meine ich mit "aufgeklärt": Man sucht einen subjektiven Grund, damit das EIGENE (!) Gerechtigkeitsempfinden intakt bleiben darf - das AT tickt nicht so. - Es ist unser jahrhundertelanges Denken, das da aufbegehrt - nicht die Bibel. - Wir leben in einem ganz anderen Kulturkreis als die Bibel - das Denken ist ganz anders.

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#40 Re: Das Schauermärchen(?) von Gibea (Ri.19)

Beitrag von Magdalena61 » Sa 3. Aug 2013, 23:05

Man sucht einen subjektiven Grund, damit das EIGENE (!) Gerechtigkeitsempfinden intakt bleiben darf -
Hm, closs... woher kommt denn das Gerechtigkeitsempfinden? Haben die Menschen sich das selbst ausgedacht?
Oder entwickelt sich dieses nicht vielmehr durch die Erziehung, durch die Regeln (das Gesetz), die (das) dem Kind vermittelt werden (wird)?

Man gewöhnt Hänschen daran, nicht zu lügen, nicht zu stehlen... etc., bei gleichzeitiger Androhung von Strafe, falls Hänschen das doch tut.
Hänschen sagt sich nun: "Wenn ich selbst nicht lügen und nicht stehlen darf, warum soll ich das denn dann bei anderen tolerieren?"
Das ist Gerechtigkeitsempfinden.

Mt. 16,27 (Luther): Denn es wird geschehen, dass der Menschensohn kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln, und dann wird er einem jeden vergelten nach seinem Tun.
Jeder bekommt den "Lohn", den er sich durch seine Werke "verdient" hat. Offb. 22,12. Die Rede ist von unserem "Lebenswerk", also... von unserem Wirken hier auf der Erde, wobei es nicht ganz unwichtig sein wird, ob und wie wir die Gebote Gottes praktisch umgesetzt haben.
Typisches Hiob-Thema: Die Freunde Hiobs schlussfolgern aus dessen Leid, dass er etwas angerichtet haben müsse - abwegig.
Die haben sich halt geirrt. Und die 18 Leute, auf die der Turm in Siloah fiel und sie erschlug, die hatten auch nicht mehr verbrochen als alle anderen Einwohner von Jerusalem Lk. 13,4.

Aber die Bibel lehrt ebenfalls:
Hos. 8,7 (GNB): Wer Wind sät, wird Sturm ernten
Da ist sogar noch eine Steigerung drin.
LG
God bless you all for what you all have done for me.

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