Guten Abend alle beisammen,
hallo @closs
closs hat geschrieben:
... allerdings macht Hiob am Ende den Eindruck, dass er vom Zorn Gottes kleinlaut beigibt - denn auf Hiobs eigentliche Probleme geht Gott nicht ein.
Ich denke, Gott geht sehr wohl auf die Probleme Ijobs ein, allerdings anders, als Menschen es tun würden. Gott gibt dem Menschen keine fertigen Problemlösungen, sondern stellt erst einmal Fragen (77!), die Ijob Demut lehren, die Schöpfung als Trost vermitteln und die Allmacht Gottes feststellen (Kap. 38, 39). Ijobs Perspektive soll dadurch verändert werden. Und somit wird das „kleinlaut beigeben“, wie du es richtig nennst, tatsächlich zur eigentlichen Botschaft, die Gott vermittelt: Mensch, erkenne deine Nichtigkeit, dann wirst du Gott erkennen. Gott gibt das Gute und lässt das Böse zu.
Ijob nimmt diese Lehre an. Im Kap. 42 wird er erlöst von seiner Furcht und vom Leid, weil er in Demut seine Nichtigkeit erkennt, umkehrt und seine Schuld bekennt. Ijob löst sich ganz vom Irdischen, vom Fleisch und erhält den Himmel. Sein geistiges Glaubensauge erkennt Gott:
Job 42,5; HSK
Nur nach dem Hörensagen hatte ich von dir gehört, nun aber hat mein Auge dich geschaut.
Für uns heute lautet die Botschaft: Jeder muss selbst durch den Glauben Gott erkennen.
closs hat geschrieben:
Weiterhin als störend empfinde ich, dass Hiobs Ansätze zu einem transzendenten Heilsbegriff komplett zerschlagen werden, indem Gott ihm genau das gibt, was seine Freunde vorher gesagt haben: Reichtum im Dasein.
Du sprichst interessanterweise vom transzendenten Heilsbegriff, den Ijob in Ansätzen erkennt. Warum Gott Ijob Reichtum im Dasein gibt, erklärt sich vielleicht aus der Rolle, die die Gestalt des Ijob im biblischen Gesamtkontext darstellen kann: Er ist in Ansätzen der Prototyp des Messias, von Jesus Christus. Wie Jesus ist Ijob ein Gerechter ohne Sünde, wie Jesus wird Ijob von Satan bedrängt (15 Kapitel lang redet er durch die „Freunde“ auf Ijob ein), wie Jesus wird Ijob seiner Herrlichkeit beraubt, erniedrigt, wie Jesus muss Ijob Leid ertragen, wird von seinen Verwandten verlassen, aber wie bei Jesus bleibt Ijobs Wille im Willen Gottes. Beide demonstrieren die geheimnisvolle Verbindung die Liebe und Gehorsam zu Gott eingehen.
Jesus wird seine Herrlichkeit und noch viel mehr nach der Auferstehung zurückgegeben, Ijob erhält seine Herrlichkeit, seinen Reichtum symbolisch bereits im Dasein vermehrt zurück, weil dies für die damaligen Leser des Buches aussagekräftiger war, kannten sie doch die Botschaft vom Reich Gottes, die Jesus Christus verkündete, noch nicht.
Es ist aber unbedingt zu beachten, wann Ijob seinen Reichtum doppelt zurück erhielt: Nämlich nachdem er für seine Freunde, eigentlich seine Feinde, im Auftrag Gottes betete:
Job 42, 10; HSK
Auch wendete der Herr das Geschick Jobs, da er für seinen Nächsten Fürsprache einlegte, und der Herr vermehrte alles, was Job besessen hatte, auf das Doppelte.
Dieser Akt der Nächsten- und Feindesliebe im Glauben an Gott schenkt Gottes Gnade, genauso wie später Jesus lehrt!
Noch ein paar hebräische Zahlenspielchen am Ende des Buches: Ijob wurden noch 140 Lebensjahre geschenkt. 7 ist die Zahl der Vollendung, 10 ist die Zahl der von Gott in die Welt hineingestifteten Gnade, 70 ist demnach die vollendete Gnade Gottes in der Welt, die mit 140 verdoppelt wird, ganz nach dem Wesen Gottes, alles in Fülle zu schenken. Ist dies nicht eine wunderbare Umschreibung dessen, was unser Herr Jesus Christus für uns Sünder am Kreuz erbrachte?
closs hat geschrieben:
Zuletzt stört mich, dass Gott in seiner Rede am Schluss in der Diktion sehr dem Traumgeist Elifas ähnelt, der eigentlich satanischer Natur ist. - Da gibt es einiges Ungereimtes.
Beim Traumgeist Elifas meinst du Ijob 4, 12-21?
Inwieweit siehst du da eine Ähnlichkeit zu Gottes Rede am Schluß?
Elifas geht in seinem Traumgesicht von einer falschen Annahme aus, die er in 4, 7-9 bekundet, dass nämlich Gerechte nicht sterben, nur Frevler. Abel bezeugte schließlich etwas anderes und Frevler geht es oftmals sehr gut. Näheres dazu im Psalm 10.
Nur so am Ende: Dies sind meine Gedanken dazu, die man mit mir teilen kann oder nicht. Ich freue mich ebenso über andere Anregungen/Impulse zu diesem wirklich wunderbaren und aufschlussreichen Text.
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