bibelwissenschaft.de hat geschrieben:6. Historisches Ereignis oder literarisches Motiv
Ein historisches Interesse wollte die große Flut in den Epen und in der Genesis auf ein Überschwemmungsereignis zurückführen.
Die Theorien in der Forschung variieren: Man dachte an archäologisch nachgewiesene Überflutungen in und um Ur (4. Jahrtausend v. Chr.), Schuruppak (ca. 2800 v. Chr.) oder Kisch (ca. 2600 v. Chr.). Gegenwärtig wird breit die sog. Schwarzmeerflutung diskutiert (ca. 5600 v. Chr. oder früher).
Doch keine Theorie hat Verbindungslinien zur Überlieferung des Sintflutstoffes, geschweige denn zu den erhaltenen Texten nachweisen können.
Selbst die zurückhaltende Annahme, dass irgendeine lokale Flut das andauernde Erzählen über eine Flut initiiert hat und dabei zu einem globalen Ereignis hochstilisiert wurde, bleibt im Bereich der Spekulationen.
Man kann gegenwärtig nur soviel annehmen, dass Erfahrungen mit Überflutungen
nichts anderes als ein Anschauungsmaterial lieferten, das
in das mythische und schöpfungstheologische Erzählen einfloss.
Zudem ist der Sintflutstoff
nicht nur im Alten Orient und in der griechisch-römischen Antike zu Hause. Verwandte oder ähnliche Traditionen finden sich in vielen Kulturen und zu unterschiedlichen Zeiten: Beispielsweise bei den
Kelten (u.a. Erzählungen um Dwyfan und Dwyfach) und den
Germanen (u.a. in der Völospá), in
Indien (u.a. Erzählungen um Manu) und
China (u.a. Erzählung um Gun und Yu) sowie bei den
Indianerkulturen Nordamerikas (u.a. im Popol Vuh).
Eventuell gründen der Sintflutstoff und seine Variationen in grundlegenden Strukturen menschlicher Daseinsbewältigung.
Unterschiedliche Wissenschaftszweige bringen
derzeit die Sintflut bzw. ihre Folgen mit der Entstehung von Kultur und Zivilisation in Verbindung. Wie angedeutet,
gelingt der historische Nachweis hierzu zwar nicht, aber es entsteht
ein konzeptionell interessanter, neuer Fragehorizont. Mit ihm werden Theologie und Religionswissenschaften wahrscheinlich zukünftig konfrontiert sein. Zudem ist die Sintflut als
eine Art „Urthema“ derzeit in Literatur, Medien, Internet usw.
allgegenwärtig (Baumgart / Ringshausen, 2005).
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