Hiob, Gott und Teufel

Themen des alten Testaments
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Münek
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#11 Re: Hiob, Gott und Teufel

Beitrag von Münek » Fr 7. Nov 2014, 12:49

In der Hiobsdichtung kommt Gott ganz, ganz schlecht weg. Ich frage mich,
aus welchem Grund dieses Buch mit diesem negativen Gottesbild von den
Juden in den alttestamentlichen (hebräischen) Kanon (etwa im Jahr 100 n.
Chr.) aufgenommen wurde?

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Bastler
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#12 Re: Hiob, Gott und Teufel

Beitrag von Bastler » Fr 7. Nov 2014, 12:53

Vier dicke Kapitel lang muss Hiob den Hohn Gottes ertragen.
Die naheliegendste Antwort Hiobs wäre:

"Du blöder Gott!
Erst mich mit Elend überziehen,
und dann mich noch verhöhnen.
Du kannst mich mal! Kreuzweise! Und dauerhaft!"

Aber nein, aber nein. Jetzt kommt eine Wendung, die nur dem Gläubigen möglich ist. In Kapitel 42

1 Da antwortete Ijob dem Herrn und sprach:
2 Ich hab erkannt, dass du alles vermagst; / kein Vorhaben ist dir verwehrt.
3 Wer ist es, der ohne Einsicht den Rat verdunkelt? / So habe ich denn im Unverstand geredet über Dinge, / die zu wunderbar für mich und unbegreiflich sind.
4 Hör doch, ich will nun reden, / ich will dich fragen, du belehre mich!
5 Vom Hörensagen nur hatte ich von dir vernommen; / jetzt aber hat mein Auge dich geschaut.
6 Darum widerrufe ich und atme auf, / in Staub und Asche.

Das ist das eigentliche Ergebnis des Hiobbuchs.

Es gibt keine menschliche Rechtfertigung Gottes. Alle Anstrengungen der drei Freunde sind entlarvt. Anmaßende Anstrengungen. Gott braucht keine solchen inkompetenten Anwälte. Er braucht auch keine Schönfärbereien. Schon gar nicht braucht er, dass man behauptet, dass das Leiden nicht von ihm verursacht wäre (sondern eine Folge menschlichen Frevels). Nein. Gott übernimmt die Verantwortung. Ja: Er ist der Urheber des Leidens.

Und Gott bietet auch keine Begründung für sein leidbringendes Handeln vor. Er ist der allgewaltige, unverstehbare Gott. Jede Begründung ginge sowieso über unsere Hutschnur.

Es wird im Buch Hiob keine Rechtfertigung vorgeführt, sondern es wird nur auf die Handlungsmöglichkeit Hiobs hingewiesen:

Hiob vertraut, dass es so richtig ist, wie Gott es gefügt hat.
Hiob vertraut, ohne eine Begründung zu fordern.
Hiob hat eingesehen, dass er die Begründung (sollte es denn eine geben) nicht verstehen könnte,
oder dass sie auf ihn nur ebenso absurd wirken könnte, wie eine blöde Wette zwischen Gott und dem Teufel: Abstrus. Oder auf deutsch: Einfach Quatsch.

Gibt es eine Rechtfertigung Gottes, der Auschwitz nicht verhindert hat? Eine Rechtfertigung Gottes, der Babies sterben lässt, noch bevor sie geboren sind?
Theodizee-Liebhaber: Nein. Gott ist böse.
Märchen-Liebhaber: Nein. Gott ist irrsinnig und macht aberwitzige Wetten auf unsere Kosten.
Traditionelles Judentum: Ja. Gott tut überhaupt nichts Böses. Zumindest nicht, solange wir noch alles an Gott schönfärben. Und dem Menschen die Schuld in die Schuhe schieben können.

Hiob: Ja. Ich glaube daran. Ich vertraue darauf. Ich weiß, dass mein Erlöser lebt. Auch wenn ich mir nichts davon erklären kann.

Ich finde diesen Ertrag gewaltig. Weil er so schonungslos ehrlich ist. Und weil er die einzige Antwort nicht in einer theoretischen Erwägung sieht, sondern in dem bleibenden Vertrauen auf diesen unverstehbaren Gott, auf den der Gläubige auch dann noch vertraut, wenn ihm alles Wissen und Verstehen unmöglich sind.

Hemul
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#13 Re: Hiob, Gott und Teufel

Beitrag von Hemul » Fr 7. Nov 2014, 12:57

Münek hat geschrieben:In der Hiobsdichtung kommt Gott ganz, ganz schlecht weg. Ich frage mich,
aus welchem Grund dieses Buch mit diesem negativen Gottesbild von den
Juden in den alttestamentlichen (hebräischen) Kanon (etwa im Jahr 100 n.
Chr.) aufgenommen wurde?
Weil Gott es so wollte. :wave:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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Bastler
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#14 Re: Hiob, Gott und Teufel

Beitrag von Bastler » Fr 7. Nov 2014, 13:03

Den Abschluss des Buches finde ich nun nicht so gelungen.

Gut: Ein Highlight gibt es noch.

Der Autor vervollständigt die Rahmenerzählung (also das Märchen), prägt es aber neu.
Mit großer, diebischer Schadenfreude lese ich, dass nicht nur Hiob wieder hergestellt wird, sondern dass seine üblen Freunde eins draufkriegen. Und wie schön!
Die dürfen nämlich nicht einmal selbst Abbitte leisten, sondern sie müssen Hiob bitten, dies in ihrem Namen zu tun. Hehehe!
Sie müssen sich also vor Hiob demütigen, diese arroganten Scheinanwälte Gottes, die endlos versucht haben, ihm (dem Menschen) eine Schuld einzureden, für die er angeblich bestraft würde. Oh, Schadenfreude ist doch eine der schönsten.

Alles andere im verbleibenden Text ist dann wieder das Märchen. Es kann mit der genialen Leidanalyse des Hauptteils nicht im Entferntesten mithalten. Vor allem kann es nicht mit der Realität mithalten: Denn im echten Leben ist es nicht so, dass ein Leidender, so er nur genügend hiob-demütig ist, wieder so schön hergestellt wird. Millionen Leidender sind elendiglich gestorben, ohne auch nur eine Spur von Wiederherstellung (auf Erden) erfahren zu dürfen.

Hier spüre ich übrigens wieder einmal die Grenzen des alten Testamentes. Denn ohne den Glauben an eine Auferstehung ist da nichts Realistisches zu holen. Dann haben eben Tod und Elend das letzte Wort.

Aber ich hoffe, dass ich dem einen oder anderen Leser so ein bisschen von der Großartigkeit dieses alttestamentlichen Buches mitreißen konnte.
Die Abwesenheit von Gottesrechtfertigung (sogar als Negativform im Hiobbuch durch die drei Freunde inkriminiert!),
die schonungslose Enthaltsamkeit von jeglicher Schönfärberei
und das überraschende Vertrauen Hiobs in einen völlig unverstehbaren Gott und dessen Handeln ...
DA GEHT MIR DAS HERZ AUF.

Hemul
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#15 Hiob

Beitrag von Hemul » Fr 7. Nov 2014, 13:07

Thema abgetrennt aus: Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon? hier zusammengeführt.


sven23 hat geschrieben: Psychologisch ist es hochinteressant, daß Gläubige selbst heute noch fieberhaft nach Gründen suchen, wie man dieser Geschichte noch irgendwas Positives abgewinnen kann.
Hi sveni!
Das Buch Hiob gibt uns eine Antwort auf die wichtige Frage: "Warum Gott das Böse zulässt" ;)
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#16 Re: Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon?

Beitrag von Bastler » Fr 7. Nov 2014, 13:12

Ich glaube eher, dass das Buch Hiob keine Antwort auf die Frage gibt, warum Gott das böse zulässt. Sondern dass uns das Buch Hiob dazu anleitet,

Gott im Angesicht des Leidens zu vertrauen,
ohne dass man eine Antwort auf das "Warum" und "Wozu" erhält.

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#17 Re: Hiob, Gott und Teufel

Beitrag von Bastler » Fr 7. Nov 2014, 13:19

Münek hat geschrieben:In der Hiobsdichtung kommt Gott ganz, ganz schlecht weg. Ich frage mich,
aus welchem Grund dieses Buch mit diesem negativen Gottesbild von den
Juden in den alttestamentlichen (hebräischen) Kanon (etwa im Jahr 100 n.
Chr.) aufgenommen wurde?
Meiner unmaßgeblichen Meinung nach:
Wegen der Elihud-Reden. In denen kommt Gott nämlich (anders, als im Rest des Buches) gut weg.
Die Elihud Reden wurden vermutlich später eingefügt, um die traditionelle Straftheorie (Tun-Ergehens-Zusammenhang) doch noch (und durch's Hintertürchen) zur Geltung zu bringen.

Die Elihud-Reden sind ein Fremdkörper im Hiob-Buch.
Aber ohne sie wäre (wie Du zurecht vermutest) das Hiob-Buch ein Fremdkörper im AT.

closs
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#18 Re: Weißt Du noch? Oder glaubst Du schon?

Beitrag von closs » Fr 7. Nov 2014, 13:25

Bastler hat geschrieben: Sondern dass uns das Buch Hiob dazu anleitet, Gott im Angesicht des Leidens zu vertrauen, ohne dass man eine Antwort auf das "Warum" und "Wozu" erhält.
Das sehe ich ähnlich - ist aber schwer vermittelbar in einer anthropozentrischen Epoche wie der unsrigen.

closs
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#19 Re: Hiob, Gott und Teufel

Beitrag von closs » Fr 7. Nov 2014, 13:28

Pluto hat geschrieben:Was mich an der Geschichte immer gestört hat... Der eigentliche "Gewinner" ist der Teufel, denn sonst hätte Gott das Leid vernichtet.
Das Gegenteil ist der Fall - Satan verliert die Wette.

Was das Vernichten des Leids angeht: Leid ist Folge der Spannung zwischen göttlichem Sein und menschlichem Dasein - erst mit dem "Alles in Einem" gibt es kein Leid mehr, weil dann diese Spannung nicht mehr existiert. - Wir sind aber (noch) im Dasein.

2Lena
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#20 Re: Hiob, Gott und Teufel

Beitrag von 2Lena » Fr 7. Nov 2014, 13:40

Münek: Die Israeliten hielten ihren Gott JAHWE (auch) zu grausamen
Untaten fähig. Er war ein Despot
.
Die meinen es nicht - aber du ...
Vor allem glaubst du, dass er nicht schult, und das alles so hingenahm.
Ehrlich gesagt, fett markiert etwa ...
Die Literatur die du bräuchtest, um das alles zu wissen - meidest du offenbar wie ein Teufel das Weihwasser... Dumm halt, dass Schönreden allein nicht die Zweifler überzeugen kann. Die wollen auch noch persönlich das Taschentuch überreicht. Da kommt kein allgemeines Buch zum Zuge, gell ... du nimmst nur Blatt um Blatt ... und dann ist es schmutzig.

Anton: Die Geschichte von Hiob hat ja auch einen moderneren theologischen Namen: Das Theodizee Problem.
Das kann man wohl so sagen. Das Problem lag wohl an der Lesemüdigkeit von Generationen. Die 35 Bände zu Hiob, in denen Papst Gregor der Große sein Lebenswerk schrieb, kommen nicht in der Literaturgeschichte vor - dafür aber jede Menge Debatten, dass man nichts weiß. Die Meisten halten wohl Grepor den Großen für einen Mann mit beachtlicher Körperlänge.

Münek: In der Hiobsdichtung kommt Gott ganz, ganz schlecht weg. Ich frage mich,
aus welchem Grund dieses Buch mit diesem negativen Gottesbild von den
Juden in den alttestamentlichen (hebräischen) Kanon (etwa im Jahr 100 n.
Chr.) aufgenommen wurde?
Beinah der ganze Inhalt der Bibel kommt darin vor.
Analog ist das NT, das die komplette Zusammenfassung des NT bildet.
(Das versteht ihr sicher wunderbar ... nachdem ich schon einige Beispiele eines ganz anderen Inhalts vom AT zeigte.)

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