Was ist das Böse

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SamuelB
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#71 Re: Was ist das Böse

Beitrag von SamuelB » Sa 21. Nov 2020, 07:35

sven23 hat geschrieben:
Fr 20. Nov 2020, 17:52
Die Frage ist: was ist los mit dir?
Nein, das ist hier nicht die Frage! Sie steht im Threadtitel, näher ausgeführt im Eingangspost. Wie lautet denn eure - deine und Anthros' - Antwort darauf?

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sven23
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#72 Re: Was ist das Böse

Beitrag von sven23 » Sa 21. Nov 2020, 07:58

SamuelB hat geschrieben:
Sa 21. Nov 2020, 07:35
sven23 hat geschrieben:
Fr 20. Nov 2020, 17:52
Die Frage ist: was ist los mit dir?
Nein, das ist hier nicht die Frage! Sie steht im Threadtitel, näher ausgeführt im Eingangspost. Wie lautet denn eure - deine und Anthros' - Antwort darauf?

 Meine Anwort war, dass der Dualismus von Gut und Böse ein Grundübel darstellt.


Aber dieses Schwarz-Weiss-Denken findet sich auch bei Jesus.
Und die Evangelisten haben dieses Denken verschärft. (Glaube ist gut, nicht-Glaube ist böse)

Jesus ist diese Unterteilung in Schwarz und Weiß, in Gläubige und Ungläubige nicht
fremd, wie vor allem das Gleichnis vom Weltgericht im Matthäusevangelium (Mt 25,31–
46) zeigt. Hier erscheint der kommende Menschensohn als Weltenrichter, der die Völker
zu sich ruft, um sie zu richten, und der sie wie ein Hirte (ein anderes Bild des Hirten als
das, das fromme Seelen gewohnt sind) in Schafe und Böcke scheidet. Und die Schafe zur
rechten Seite erhalten das ewige Leben, während die Böcke zur Linken die ewige Strafe
erhalten. Solchen Unterscheidungen liegt die Vorstellung zugrunde, dass es den
Menschen als Reintypus gibt, der entweder gut oder böse ist. Religionen neigen oft zu
solchen Vereinfachungen. Doch nicht nur gibt es viele Abstufungen, auch der Einzelne ist
nicht immer und auf Lebenszeit festlegbar gut und böse, schon diese Kategorien finden in
der modernen Psychologie mit Recht keine Verwendung mehr. Vielmehr ergibt sich das
Denken und das Verhalten, mithin die Persönlichkeit des Menschen aus einer Vielzahl
von Einflüssen und Prägungen, vermeintlichen oder echten Entscheidungen. Die
Unterscheidung in Schwarz und Weiß ist nicht nur eine falsche Beschreibung, sie ist
geradezu eine Definition dessen, wie der Mensch eben nicht
ist. Auf vielerlei Art
gemischt, in Tausend Grautönen, mit unerwarteten dunklen, aber auch hellen Stellen, in
Grundzügen beschreibbar, aber nicht berechen- und definierbar. Es ist nicht nur ein
primitives Menschenbild, welches uns in der Geschichte vom Weltgericht begegnet, es ist
schlichtweg falsch, und es hilft hier auch nicht wirklich weiter, wenn man (zu Recht)
betont, dass die Geschichte quasi gleichnishaften Charakter hat.
Denn mehr noch als bei Jesus wird bei den neutestamentlichen Schriftstellern diese
Unterscheidung geradezu dramatisch betont. Das Christentum erfand bald ein neues
Kriterium, um festzulegen, wer zu den Guten und wer zu den Bösen gehört. Dies war nun
der Glaube an Jesus.


Wer aber glaubt und getauft ist, der soll selig werden, wer aber nicht glaubt, der soll verdammt werden. (Mk 16,16)

Eines der Unworte der Bibel, das es an primitiver Deutlichkeit nicht fehlen lässt. Es wird
jedoch von den Gläubigen in seiner grundsätzlichen Inhumanität nicht erkannt, was
daran liegt, dass der Gläubige sich selbst auf der guten Seite wähnt und das Schicksal der
Anderen weniger in seinen Blick gerät.

Kubitza, Der Jesuswahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

JackSparrow
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#73 Re: Was ist das Böse

Beitrag von JackSparrow » Sa 21. Nov 2020, 09:29

SamuelB hat geschrieben:
Sa 21. Nov 2020, 07:35
Wie lautet denn eure - deine und Anthros' - Antwort darauf?
"Das Große" existiert nicht, "das Blaue" existiert nicht und "das Böse" existiert ebenfalls nicht.

Man kann da ganz beliebige Adjektive einsetzen.

Ein Adjektiv verbindet man mit einem Substantiv, um das Substantiv näher zu beschreiben:
das große Haus, der blaue Himmel, die böse Pharmaindustrie

Selbstständig umherlaufende Adjektive konnten bisher nie in freier Natur beobachtet werden.

Lena
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#74 Re: Was ist das Böse

Beitrag von Lena » Sa 21. Nov 2020, 14:42

Das Böse ist etwas das man vor allem bei andern feststellt. 

Das Böse ist wie schmutz. Es gibt solchen den man sofort 
sieht und solchen wo man genauer hinschauen muss, um ihn
zu erkennen. Aber das grosse wie das kleine ist schmutz. 
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

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Naqual
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#75 Re: Was ist das Böse

Beitrag von Naqual » Fr 26. Feb 2021, 18:21

sven23 hat geschrieben:
Sa 21. Nov 2020, 07:58
Meine Anwort war, dass der Dualismus von Gut und Böse ein Grundübel darstellt.

Da sind Adam und Eva aus dem Paradies verbannt worden weil sie gut und böse auseinanderhalten können und ich komme nicht rein ins Paradies, obwohl ich bis heute nicht weiß was gut und böse ist. Ich verspanne gerade noch wann ich mal nackt bin.

Gut oder Böse entzieht sich auch jeder sinnvollen Definitionsmöglichkeit, die alle akzeptieren würden.
Wobei man den Dualismus schon überwinden kann (frei nach Karl Valentin): jede Sache hat drei Eigenschaften: eine gute, eine schlechte, eine lustige.

Es wurde ja schon festgestellt, dass gut und böse sehr relativ sein kann. Ein vor mir stehendes Raubtier sieht die Situation anders wie ich als sein mögliches Futter. Gut und böse sind also Bewertungen, die einen objektiven Bezugspunkt haben sollten. Und genau hier besteht das erste Problem: was ist objektiv böse aufgrund von welchem allgemeingültigen Maßstab? Ist es nicht unfair (=böse) von einem Krododil zu verlangen Vegetarier zu werden, obwohl es nicht die Bananenstauden hochkommt?

Das zweite Problem ist, dass gut und böse nicht in der reinen Form auftritt, sondern immer als Mischung. Jeder den ich kenne ist gut und böse. Zumindest mit den Maßstäben, die mir so beigebracht wurden. Mit gut und böse scheint es so sein, wie mit Anziehung und Fliehkraft in der Natur. Gebe es eins davon nur in der reinen Form, wäre die Erde entweder erfroren in den weiten des Alls oder verglüht in der Sonne.

Das dritte Problem ist, dass man gut und böse misst am Resultat einer Absicht. Da man Absichten nicht wissen kann, wenn einem die Gabe des Gedanken- und Gefühlllesens nicht vergönnt ist, verbleiben auch nur die Resultate. Nur jede sichtbare Wirkung wird wieder Ursache einer nicht sichtbaren (da in der Zukunft) und die kann gut oder böse sein, ohne dass wir es wissen können. Je mehr Wechsel zwischen Ursache und Wirkungen liegen, desto weniger können wir es wissen tendenziell.

Das vierte Problem ist, dass wir gut und böse nur auf geringem Abstraktionsniveau begreifen ohne eine Regel zu finden, die überall gilt . Wir beurteilen gut und böse aufgrund von isolierten Einzelregeln. Und selbst die gehen nicht auf in der Komplexität des realen Geschehens. Beispiel: Du sollst nicht töten. Also sei töten böse. Wir wissen aber, es kann sogar gut sein (in der Verteidigung eines anderen oder vieler anderer Leben).

Also was immer drin war in der Frucht, die Adam und Eva gegessen haben: es wirkt ganz offensichtlich nicht mehr. :-)

JackSparrow
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#76 Re: Was ist das Böse

Beitrag von JackSparrow » Fr 26. Feb 2021, 20:44

Naqual hat geschrieben:
Fr 26. Feb 2021, 18:21
Wobei man den Dualismus schon überwinden kann (frei nach Karl Valentin): jede Sache hat drei Eigenschaften: eine gute, eine schlechte, eine lustige.
These, Antithese, Synthese. Das ist die Philosphie des Herrn Hegel.

Ein vor mir stehendes Raubtier sieht die Situation anders wie ich als sein mögliches Futter. Gut und böse sind also Bewertungen, die einen objektiven Bezugspunkt haben sollten. Und genau hier besteht das erste Problem: was ist objektiv böse aufgrund von welchem allgemeingültigen Maßstab?
Das funktioniert folgendermaßen: Aufgrund angeborener Verdrahtungen in den untersten Etagen deines Hirns aktiviert das Raubtier dein Stresssystem (Amygdala -> Hypophyse -> Nebenniere, nachzulesen in Lehrbüchern der Physiologie). Atem- und Herzfrequenz steigen an, die Bronchien weiten sich, Arme und Beine werden stärker durchblutet und das Verdauungssystem begibt sich in den Lockdown.

Nach einer Weile (du bist vielleicht schon ein Stück gerannt oder hast dich totgestellt) lässt die Stressreaktion nach. Nun bemerken deine Säugetier-spezifischen Hirnregionen, dass gerade ein Raubtier vor dir stand und dass du "Angst" hast. Nach reiflicher Überlegung (die niemals stattgefunden hätte, wenn du gefressen worden wärest) gelangst du zu der Schlussfolgerung, dass das Raubtier "böse" ist.

Das vierte Problem ist, dass wir gut und böse nur auf geringem Abstraktionsniveau begreifen ohne eine Regel zu finden, die überall gilt .
Vielleicht finden nur Philosophen und Theologen keine Regel, die überall gilt. Weil es ihr Beruf ist, den simplesten Sachverhalt in kompliziertestes Geschwurbel umzuwandeln und bloß niemandem zu sagen, was ihnen direkt vor Augen liegt.

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sven23
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#77 Re: Was ist das Böse

Beitrag von sven23 » Sa 27. Feb 2021, 11:23

Naqual hat geschrieben:
Fr 26. Feb 2021, 18:21
Gut oder Böse entzieht sich auch jeder sinnvollen Definitionsmöglichkeit, die alle akzeptieren würden.
Richtig, was gut und böse ist, ist eine gesellschaftliche Übereinkunft, die kulturell, zeitlich oder geografisch bedingt völlig anders aussehen kann.
Vor nicht allzu langer Zeit wurde in Deutschland eine Diktatur, die Judenhass und eine menschenverachtende Rassenideologie propagierte, als gut empfunden.
Das hat sich - zumindest für die allermeisten- heute grundlegend geändert. Wenn man sich dessen einmal bewußt geworden ist, dann wird klar, dass auch unsere heutiger Wertekanon nichts für alle Zeiten feststehendes ist, sondern immer wieder neu verhandelt und ggf. verteidigt werden muss. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#78 Was ist das Böse

Beitrag von sven23 » Mi 9. Jun 2021, 18:45

Der Philosoph Markus Gabriel hat in den "Tagesthemen" ein kurzes, aber interessantes Statement über die Verurteilung des serbischen Ex-General Ratko Mladić vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal im besonderen und über das "Böse" im allgemeinen abgegeben.
Gabriel ist Optimist und meint, dass das "Gute" am Ende siegen wird.
Voraussetzung ist allerdings, dass alle bemüht sind, ein humanistisches Weltbild zu etablieren.


Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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