“sven23“ hat geschrieben:Es gibt keinen zwingenden Zusammenhang zwischen Anzahl und Bedeutung.
In diesem Fall schon, denn du sagt ja, dass es 2 Dutzend kleine Sekten gab und „unsere Unsichtbare“ eine davon gewesen sein soll.
Woher kommt also diese Zahl?
„Wer“ hat hier „wie“ und „was“ gezählt?
“sven23“ hat geschrieben:Davon muss man ausgehen, sonst hätte Josephus sie sicher erwähnt.
Wie hätte sich „Josephus“ verhalten, wenn es diese Sekte nirgendwo gegeben hat?
Richtig, genau so wie er es getan hat.
=> Es gibt keinerlei „davon muss man ausgehen“-Zwang.
“sven23“ hat geschrieben:Das Alleinstellungsmerkmal der Zeloten war ihre Einstellung zur Gewalt.
Nein, es ist nur eine Einordnung, die dem christlichen Background gefallen würde.
Die Grundlage der Zeloten ist der Wunsch nach einer göttlichen Erlösung (von der aktuellen/jeglichen Unterdrückung) in Form eines göttlichen Königreiches.
Die Idee der Zeloten ist es, göttliche Anerkennung durch genaue Reinheit im Einhalten der religiösen Auflagen zu erreichen. Sie wollen sich als „sein Volk, das es wert ist über einen Messias geleitet zu werden“ zu erkennen geben -> die „göttliche Messias-Funktionalität“ soll sie erretten.
Die Strategie der Zeloten ist es, in ihrer religiösen Reinheit den Kampf gegen den übermächtigen Gegner Rom zu beginnen, um dann göttliche Unterstützung durch Herausbildung der Messias-Funktion zu erhalten (sprich: irgendeiner soll sich als Messias herauskristallisieren).
Die Zeloten haben nirgendwo Gewalt zu ihrem Grundsatz gemacht, sondern Gewalt ist lediglich der unmittelbar letzte Schritt für die erwartete göttliche Unterstützung.
Die Reinheit in ihrem religiösen Verhalten war ihnen weitaus wichtiger als Gewalt, was man an ihrem Erdulden von Martyrien ablesen kann. Sie hatten die Vorstellung, dass durch ihr Opfer, durch ihre Leidensfähigkeit für den Glauben, ein Schritt mehr in Richtung göttlicher Unterstützung getan wird.
Da „Gewalt“ eher nur ein Werkzeug war, konnte es leicht mit „Liebe und Frieden“ ersetzt werden, denn auch dies ist nicht der eigentliche Kern des Christentums – zumal „Liebe und Frieden“ im Christentum nie funktioniert hat, sondern das volle Spektrum an Gewalt und Folter auch vom Christentum durchgeführt wurde.
Selbst der Begriff „Christentum“ schliesst vom Sinn her die Zeloten vollständig ein – das passt.
“sven23“ hat geschrieben:Man sollte aber nicht so tun, als seien die Zeloten die einzigen Messias-Erwarter gewesen.
Eigentlich schon, denn diese obigen Merkmale, insbesondere das „korrekte“ Glaubensverständnis, das Märtyrertum und die dazu notwendigen Vorstellungen zeigen sich bei den Zeloten.
Die „Jesus“-Christen halten genau diese Merkmale hoch.
Bei den Zeloten hat sich ja auch die Antihaltung gegenüber Nicht-Messias-Juden herausgebildet, ein Detail, das beim „Christentum“ auf Basis des Liebes-/Gewaltlosigkeits-/Erlösungsanstriches irgendwie eigenartig wirkt. Der christliche Antijudaismus ist als „zelotisches Erbe“ am besten erklärt.
“sven23“ hat geschrieben:Auch Paulus warnte ja vor Gewaltanwendung. Seine Behauptung, dass alle Obrigkeit von Gott eingesetzt sei, sollte wohl die Römer besänftigen und steht der antirömischen Gesinnung der Zeloten (und auch von Jesus) diametral entgegen.
Die „Paulus“-Figur passt vollständig zu den Zeloten, denn als „Eiferer“ und Verfolger von Abweichlern, kann „er“ unmittelbar als Zelot angesehen werden.
Das „Paulus“-Thema startet quasi im Zelotenmodus. Dann kommt die „Umschulung“ (ohne Kontakt zu einem historischen Jesus!) und fortan wird Gewaltlosigkeit eingebaut, bei weiterhin dominanten Glaubensauflagen, aggressiv vorgetragen.
Genau so stellt man sich Zeloten vor, die den jüdischen Krieg als Flüchtling überstanden haben und ihren fanatischen Glauben auf Basis des Niederlagen- und Ausbleiben-Göttlicher-Unterstüzungs-Schocks leicht anpassen.
“sven23“ hat geschrieben:Jedenfalls räumt Gerd Theißen ein, dass Jesus und die Zeloten einen gemeinsamen Background hatten
Das ist ein sehr unsinniges Einräumen, weil er die Historizität zur „Jesus“-Figur gar nicht hat.
“sven23“ hat geschrieben:Es gab wohl mündliches Überlieferungsgut. Denn die Legendenbildung setzte wohl sehr bald nach seinem Tod ein. (Elvis lebt)
Eine Popularität à la „Elvis“ und dabei „total unbedeutend/unbekannt/unsichtbar“ ist leider ein völliges Märchen – keinerlei Wahrscheinlichkeit oberhalb von 0.
“sven23“ hat geschrieben:Man brauchte wohl Sündenböcke und die im geheimen agierenden Christen weckten Mißtrauen und schienen sich ideal zu eignen.
„Sündenböcke“ für was?
Wie können „geheimen agierenden Jesus-Christen“, die einer unbedeutenden, unsichtbaren Sekte angehören, Misstrauen wecken?
Stell dir eine derartige Verfolgung samt „erfolgreichen Ergebnis“ vor:
„ich habe Jesus-Anhänger verfolgt und abgemurkst“
„Häh, wie bitte, wen hast du verfolgt? – was genau soll das bringen?“
“sven23“ hat geschrieben:Ich weiß, bei Paulus ist die außerbiblische Quellenlage ja noch desaströser als bei Jesus. Zweifel werden wohl immer bleiben.
Nein, wissenschaftlich gibt es keinen Zweifel, denn es gibt keinen Anlass von einem historischen „Paulus“ auszugehen.
“sven23“ hat geschrieben:Nee, damit sind Juden gemeint, die Christus als Messias anerkennen, aber trotzdem an manchen jüdischen Gebräuchen festhalten.
Ja, das muss ich bestätigen - es scheint so zu sein, dass „Messianische Juden“ eine Art „Name“ ist, der genau das zum Inhalt hat, was du sagst (eine
Verlinkung wäre hilfreich gewesen).
Ich habe „Messianische Juden“ nicht als Name verwendet, sondern als beschreibende Formulierung und zwar vor dem Hintergrund, dass es jüdische Aussagen gibt, wonach „Juden nur dann über den Messias reden, wenn sie von Christen danach gefragt werden“, also die Messias-Erwartung im Judentum nicht besonders ausgeprägt zu sein scheint.
Unser kleines Missverständnis ist aber sehr interessant, denn wenn ich „Messias“ höre/lese, dann baue ich hierzu neutrale Zusammenhänge auf, ohne auf eine genaue Person abzuzielen.
Im obigen Name wird „Messias“ mit „Jesus“ gleichgesetzt. Es handelt sich hierbei um einen Sachverhalt, der auch in der Bezeichnung „Christus = Jesus Christus“ zu finden ist: eine Art automatische Personifizierung – die religiös behauptete Funktion triggert die Vorstellung über eine vergangene Situation.
Das „Christentum“ ist hierbei nicht gerade unbeteiligt, sondern scheint dies in voller Absicht herbeigeführt zu haben.
* Texte, in denen die Zeloten nur dem Namen nach vorkommen
* Geschehnisse, die von anderen Messiassen (z.B. „Menache“m) stammen müssten, aber nirgendwo wird dies behandelt.
* Aussagen, die zu anderen prominenten Juden gehören (-> „Hillel“) werden einfach „gewinnbringend wieder verwendet“
* Christliche Kirchentexte, die nur von Christenverfolgung sprechen.
* Vielfältige Versuche, antike Dokumente in den „Jesus Christus“-Bezug zu stellen
* Vergangenheitsverankerungen in Texten, als eine Art „Kunstform der Textgestaltung“ -> Apologien.
* Es soll wohl auch Vernichtung von Texten (Bibliotheken?) gegeben haben, so dass nur noch die „Jesus“-Thematik vorhanden ist.
* Mit zunehmender christlicher Macht werden Andersdenkende bekämpft (sehr zelotisch!)
Das hat insgesamt einen üblen Geschmack, den jeder ernsthafte Historiker massiv berücksichtigen müsste, bevor er von historischen Personen ausgeht – genau das fehlt aber wiederum, was eher zur christlichen Strategie als zu einer wissenschaftlichen Strategie passt – das ist sehr ungünstig.
“sven23“ hat geschrieben:Ich habe eine Reihe von inhaltlichen Gründen genannt. Man muss erklären können, warum es diese enorme Diskrepanz zwischen historischem Jesus und verklärtem Christus gibt.
Nein, es gibt wissenschaftlich gesehen keinen Grund für ein schwebendes Kartenhaus.
Man muss nicht von einer historischen Existenz ausgehen und dann irgendwelche Diskrepanzen auflösen.
Die Jesus-christliche Verklärung der damaligen Zeit kann auf Basis von „Flavius Josephus“ als Faktum angesehen werden, denn den Namen „Zelot“ zu erwähnen, aber ansonsten nichts zuliefern, ist sehr dünn – da stimmt dann einfach etwas nicht
“sven23“ hat geschrieben:Wäre Jesus eine rein literarische Figur, dann darf man den für damalige Verhälnisse sehr gebildeten Schreibern wohl zutrauen, diese Figur von Anfang an so angelegt zu haben, dass sie später nicht in so große Erklärungsnöte geraten.
Du gehst von komplett falschen Texterwartungen aus.
Glaubenstexte müssen nicht korrekt sein, sondern eine religiöse Faszination wecken.
Gibt es dann rückwirkend irgendwann das Bestreben dies alles in der Vergangenheit zu verankern, dann entstehen Konflikte, zumal wenn es irgendwann zu einem Wechsel in der Texterwartung kommt.
Dass antike Glaubenstexte vollkommen schräg sind, beweist die griechische Götterwelt. Wenn hierfür eine Verankerung in der Vergangenheit versucht werden würde, dann würden sich sagenhafte Konflikte auftun.
Hierzu ein interessantes Beispiel: die „Apologien der ersten Christen“
Ich habe mir relativ schnell die Frage gestellt, warum niemand offiziell die Abgrenzung zwischen friedlicher Jesus-Bewegung und gewalttätiger Zeloten-Bewegung bei den Römern eingereicht hat und bin dann auf die „Apologien“ gestossen.
Texte die sinngemäss mit „An den römischen Kaiser XYZ“ beginnen.
Interessiert habe ich weiter gelesen, denn hier müsste es stehen („wenn nicht hier, wo sonst“). Auffällig war sehr schnell wie umfangreich diese Texte ausfallen, um den christlichen Glauben zu beschreiben und ich dachte „das langweilt den Kaiser doch nur“. Zunächst war mir diese Eigenart aber egal, denn ich suchte nach der Abgrenzung.
Die Abgrenzung gibt es nicht, sondern es wird nur darauf hingewiesen, dass straffällige Christen jeweils einen Prozess erhalten sollten und kein Generalverdacht erfolgen soll.
Anschliessend habe ich mir die Frage gestellt „wie hat eigentlich der römische Kaiser reagiert?“
Antwort: es liegt keinerlei Reaktion vor – nichts.
-> hat sich dann irgendjemand im Christentum darüber beschwert oder enthalten die Apologien diesen Umstand – nö, eher nicht.
In der Konsequenz habe ich mal explizit danach gesucht, ob die Apologien überhaupt an den Kaiser übergeben wurden.
=> Nein, es scheint lediglich eine künstlerische Ausdrucksform zu sein, einer Religionspropaganda einen „offiziell staatlichen Zusammenhang“ zu geben.
=> Es ist eine konkrete Verankerung in der Vergangenheit, obwohl diese Verankerung eigentlich gar nichts aussagt und in dem Text keine weitere Rolle spielt.
Ist es nun auf Basis unserer „Forscher“-Tricks angebracht zu sagen „wenn es an den Kaiser XYZ gerichtet war, dann muss es schon auch in dieser Zeit geschrieben worden sein“?
“sven23“ hat geschrieben:Sind das Ergebnisse deiner privaten Forschung oder gibt es Literatur dazu?
Nun ich spreche die Ergebnisse für den
Papyrus P52 an (das wohl älteste bekannte Textfragment des Neuen Testaments).
Zitat aus dem Wiki-Link:
Meistens wurde etwa 125 n. Chr. ± 25 Jahre (also ein Zeitraum von 100 bis 150 n. Chr.) genannt.[3] Eine so genaue zeitliche Eingrenzung des kleinen Fragments allein aufgrund des paläographischen Befundes ist aber nicht möglich. Eine neuere Untersuchung dehnt die mögliche Zeitspanne bis in das dritte Jahrhundert aus
Die christliche Darstellungspraxis (
Frühe christliche Symbole)ist wohl mit einfachen Symbolen gestartet.
Ende des zweiten Jahrhunderts (180 n.Chr.) tauchen anscheinend erstmalig rein christliche Symbole auf. Wie eindeutig diese Zuordnung zum Christentum tatsächlich vertreten werden kann, kann ich nicht einschätzen. Der Vorgang „Fisch finden und ‚Jesus’ sagen“ kann durchaus genauso getriggert sein wie „Messias = Jesus“.
“sven23“ hat geschrieben:Der historische Jesus steht dem Glauben im Weg, wie der Spiegel titelte.
Nirgendwo steht ein historischer „Jesus“-Wanderprediger dem Glauben im Weg.
Du hast ja selbst die Albert-Schweizer-Aussage gebracht, dass alle Versuche, auf den historischen Jesus zu kommen, gescheitert sind.
Aus meiner Sicht enthält zumindest das Scheitern eine Korrektheit.
Scheitern wird es wohl einfach daran, weil wieder jeder aus einem Glaubenstext das „herausfischt“, was er gerne „im Netz“ haben möchte. Genau dafür sind Glaubenstexte da.
Die Idee der Extraktion von Vergangenheit aus einem Wundertext ist der eigentliche Fehler.
“sven23“ hat geschrieben:Was ist inhaltliche Korrektheit? Ich behaupte ja nicht - und die Forschung tut es auch nicht -, dass die Historizität von Jesus bewiesen ist, ebenso wenig wie das Gegenteil.
Ich habe dir ja „Bart Ehrman“ genannt und seine Haltung geht genau in diese „Er existierte“-Behauptungsrichtung.
Auch aus deinen Aussagen (anderen gegenüber) kann man eine gewisse Beliebigkeit in der Historizitätseinordnung entnehmen. Am Ende soll „Jesus“ schon all das irgendwie gemacht und gesagt haben und das, obwohl „jeglicher Versuch auf den historischen Jesus zu kommen, gescheitert ist“.
In einem Glaubensumfeld kann man das bis zum Erbrechen durchführen (wird ja auch gemacht), aber in einem Wissenschaftsumfeld darf so etwas nicht stattfinden, den die Existenz eines historischen „Jesus“-Wanderpredigers kann nicht vertreten werden.