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von Bastler » Mi 15. Jun 2016, 00:21
Die Hauptaussage soll wohl sein:
Tu alles, was Gott dir sagt, auch wenn es schwere Opfer mit sich zu bringen scheint. Je schwerer das Opfer, desto besser. Vertrau darauf, dass Gott niemals etwas Schlechtes von dir verlangt.
So weit, so gut. Aber sobald man von der Hauptaussage in die Details geht, verschwimmt alles.
Zunächst einmal stößt mir die alttestamentliche Gewohnheit auf, Gottes Anforderung in Form eines Sprechens darzustellen. Fast so, als ob da ein Telefongespräch zwischen Abraham und Gott stattgefunden hätte. Da weiß der Abraham genau, was er tun soll.
"Nimm deinen Sohn, .. und bring ihn ... als Brandopfer dar."
So ist es aber nicht in der Realität. Diejenigen, die behaupten, mit Gott zu telefonieren, sortiere ich eher in einer Klinik ein, als in einer realistischen Geschichte oder sogar in meiner eigenen Lebenswirklichkeit.
Gut. Und dann gibt also Gott dem Abraham (wie auch immer) den Auftrag, seinen Sohn zu opfern. Und dann stellt sich heraus, dass die Telefonleitung anscheinend doch keine optimale Verbindung war. Am Ende will Gott dann doch nicht, was er ursprünglich von Abraham verlangte.
Um die psychische Grausamkeit Gottes hat sich der Schriftsteller wohl nicht geschert. Auch 600 v.Chr. hat man auf solche Feinheiten nicht viel Rücksicht genommen. Dennoch würde ich mir von Gott veralbert vorkommen. Rin in die Kartoffeln und dann doch wieder raus aus.
Damit scheidet auch die Interpretation aus, dass es hier um Vertrauen auf Gott geht. Gott desavouiert seine Glaubwürdigkeit doch selbst. Höchstens könnte man noch interpretieren: "Lass dich geduldig von Gott an der Nase herumführen. Hinterher kommt alles zu deinem Vorteil heraus." Dann wäre der Brandopferbefehl Gottes der Hinweis auf ein absurdes Theater. Aber ich bezweifle, dass man zu so einem raffinierten literarischen Trick 600 v.Chr. schon in der Lage war. So was scheint mir eher dem genialen Literaten des Hiobbuches vorbehalten zu sein.