Andreas hat geschrieben:
Das ist eines, dass mir am progressiven Christentum gefällt: den Dialog wieder aufzunehmen, noch einmal nachzudenken und gegebenenfalls umzudenken. Ich kann aber auch verstehen, dass eher konservative Christen das nicht so gerne sehen, und diese Strömung vielleicht sogar als Bedrohung empfinden.
Ich finde den Begriff "progressiv" ehrlich gesagt schlecht. Der Grund ist, dass dieser Begriff ein sozialistisch/kommunistischer Kampfbegriff ist, mit dem alle, die anders denken als rückständig und unmodern dargestellt werden. Es hängen so viele negative Emotionen und Assoziationen daran, dass ich ihn nicht verwenden will.
Dabei ist er auch unnötig.
Denn das Christentum erfindet sich in jeder Generation neu. Wir glauben heute anders als dies noch vor 30 Jahren der Fall war und die wiederum anders als vor 60, 100, 150 usw. Jahren. Durch die Änderung unserer Umwelt - politisch, technisch, kulturell - ändern sich ganz automatisch auch die Ansichten und Denkweisen der Mehrheit der Christen.
Das einzige Problem ist, dass das kaum jemand zugeben will.
Das Problem hat zwei Seiten. Da sind einmal die konservativ eingestellten Christen, die meinen, sie glauben so "wie früher und die Apostel es getan haben", weil sie sich vor der Verführung durch den Zeitgeist fürchten. Sie wollen nicht zugeben, dass der Zeitgeist einen viel höheren Einfluss auch auf sie ausübt, als sie eigentlich wollen, weil sich damit ihre Legitimation "wie die Apostel" in Luft auflöst.
Die zweite Seite sind Gegner des Christentums, die zum Teil längst vergangene Untaten aufführen, ohne zu beachten, dass diese im Lichte der damaligen Gesellschaft ganz anders zu bewerten wären. Aber sie bewerten diese lieber vom heutigen Standpunkt aus, weil damit dieser Glaube als besonders finster dasteht.
Eine Gegenseite zum konservativen Denken ist das allzu fortschrittliche. Schnell wird da das Kind mit dem Bad ausgeschüttet. Man muss sich eben in jeder Generation neu Gedanken darüber machen, was eigentlich die Essenz dessen ist, was man als christlichen Glauben bezeichnet. Sonst kommt es zu Fehlschlüssen, über die man dann später nur noch den Kopf schütteln kann.